Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
A Weimar HStA, EGA, Reg. E 148, fol. 399r–410v (Kop. mit marg. Nota); DV fol. 411v: Copei der muntlichen gegenantzeig der cristlichen augspurgischen confessionverwanten stende den stenden des andern teils, den 29. Marcij 1543.
B Wien HHStA, RK RA i.g. 13f/Konv. 1, fol. 104r–112v (Kop.); AS fol. 104r: Der augspurgischen confessionsverwandten stende anthwort auf des meintzischen cantzlers furpringen, den 26. Marcij beschehen.
C Frankfurt ISG, RTA 54, fol. 54r–59v (Kop.).
D Straßburg AM, AA 509, fol. 65v–73r (Kop.); AS fol. 65v: Der protestierenden mundtlicher furtrag gegen den andern stenden, zu Nurmberg beschehen den 29. Martij anno 43. Lectum freitags [Straßburg], den 6. Aprilis anno etc. 43.
E Ludwigsburg StA, B 189 II, Bü. 54 (Nr. 14), unfol. (Reinschr. v.d.Hd. Ehingers).
A bis D ist als Gutachten des Ausschusses der Augsburger Konfessionsverwandten formuliert und bildet die Richtlinie für die Antwort der evangelischen Reichsstände auf den mündlichen Vortrag des Mainzer Kanzlers von 26. März (Nr. 166). E stellt die vom Heilbronner Gesandten Dr. Ehinger verfasste Zusammenfassung der protestantischen Antwort vom 29. März dar und weicht in manchen Formulierungen von den anderen Überlieferungen ab. Die über stilistische Varianten hinausgehenden Abweichungen sind den textkritischen Anmerkungen zu entnehmen.
a–Auf den mundtlichen furtrag, so den stenden der augspurgischen confession den 26. Marcij von der andern reichsstende wegen bescheen [Nr. 166], sollte man sich des ausschus bedencken nach volgender maynung zum kurtzesten vornemen lassen:
Es hetten die gesandten obberurter stende der augspurgischen confession die mundliche beschene anzaig angehort und daraus vormerckt, welcher gestalt die andern stende von wegen beratschlagung der turckenhuelf sich ad partem unterredet, wes sie sich auch derwegen entschlossen haben sollten, und das sie derhalben begert, die gesandten diser stende wolten sich uff etzliche beschene furschlege, frid und recht belangende, ane weittere furgehende disputacion in berattschlagung der turckenhuelf einlassen, ane das wurden sie, die andern stende, nichtsdestoweniger vermoge der vorigen abschide furschreitten, wie nun solchs allenthalben nach der lenge weitter furbracht worden were, welchs widerumb dergestalt zu erholen von unnotten geacht wurde–a.
Daruf wollten die gesandten diser stende den andern stenden nichts vorhalten, das sie von iren hern und obern abgefertigt, dis notwendig cristlich werck, wie man dem erbvheindt christlichs namens und glaubens widerstand laisten und den in seinem tyranischen furhaben hindern mocht, zu berattschlagen helfen. Es wusten auch die gesandten, das ire hern und obern an allem, was sie zu beforderung dis notwendigen wercks vermochten, nichts wurden mangeln lassen. Da die geforderten Voraussetzungen für Verhandlungen über die Türkenhilfe bisher nicht erfüllt worden seien, wiederholten die Evangelischen gegenüber dem König und den ksl. Kommissaren in mehreren Schriften ihre Argumentation zu Friede und Recht. Und obwoll ire kgl. Mt. und auch die commissarien sich daruf mit antwort hetten vornemen lassen, so weren doch die angezaigten mengl b–dardurch gentzlich und wie es die unmeidliche nodturft erfordert nicht resolvirt, sonder dise baide artickel weren nachmals unerledigt–b.
Und ob nun woll die gesandten diser stende der röm. kgl. Mt., auch der ksl. Mt. commissarien ir nodturft von wegen diser zwaier puncten, sonderlich auch wes sie hievor derhalben vielfeltig vertrostet, aber bisher nicht ervolgt, und was unrichtigkaitten sich aus vorpleibung des seindher zugetragen, angezcaigt, so sey doch der gesandten gemuet und maynung nie gewest, do man von friedt und recht sollte handlen, das sie solche puncten neben den andern stendenc nicht wollten beratschlagen helfen, welchs clerlich aus dem erscheine, das sie zu mermals umb einen ausschuß, d–von baiden teilen zu verordenen, angesucht, der sich diser baider puncten halben underreden mochten–d. Weil aber solcher ausschuße nit hette konnen erhalten werden und die stende allenthalben in gemeinen reichsratt erfordert, uf die broposicion zu vorfaren, als hetten sich die gesandten diser stende auch dahin begeben und umb erledigung diser baider puncten fridens und rechtens erinnerung gethan, f–nicht als suplicanten aber [= oder] privatpersonen, die also, wie bescheen, mit particular bescheidt von den andern sollten beantwort werden, sondern als stende des Reichs, ein itzlicher in seiner geburenden session–f, do sie dan auch schliesliche ursachen angezogen, welcherhalben man dan zu fruchtbarer berattschlagung der turckenhielf nicht komen kondte, es weren dan dise baide artickel zuvor erledigt. Daruf dan auch der merteil der reichsstende beschlossen, das man zu beratschlagung der turckenhielf nicht konte kommen, es weren dan die artickel, g–so die sambtliche berattschlagung vorhindern–g, zuvor erledigt, wie dan solcher beschluß den stenden auch dermassen angezaigt worden ist.
Und demselbigen nach hetten sich dise stende vorsehen, sie wurden wider in gemeinen rate erfordert worden sein, von solichen der turckenhielf vorhinderlichen artickel[n] weitter zu reden, zu ratschlagen und dardurch alles, was fruchtbarlicher, sambtlicher beratschlagung der turckenhielf im wege lege, zu erledigen. Aus der Rede des Mainzer Kanzlers (Nr. 166) erfuhren sie jedoch von der internen Einigung der Altgläubigen, mit der Beratschlagung der Türkenhilfe zu beginnen, ohne vorher die Beschwerden der Evangelischen zu Friede und Recht im Reichsrat anzuhören. Dieses Vorgehen gebe ihnen Grund zur Klage.
So ist ye auch dasjenige, so jungst in gemeinemh ratt1 beschlossen, aller pillicheit gemeß, auch zu forderung des haubthandels dinstlich etc., dan wan man die hievor der beharlichen turckenhuelf halben ergangne handlung ansehe, so were aus der antwort, so die reichsstende sambtlich der röm. ksl. Mt. derhalben zu Regenspurg gegeben [RTA JR Bd. XI, Nr. 204 und Nr. 207], wol zu befinden, das solche turckenhielf anders nicht dan mit etzlichen condicionen, furnemblich aber das die stende eins bestendigen fridens und gleichmessigen rechtens versichert wurden, damit ein ider bey dem seinen ruiglich und unbetrangt pleiben mochte, bewilligt, welche condicionirte bewilligung die stende vor erledigung der condicion, welchs dan noch nicht beschehen, keinswegs vorbinden kondten.
In den bisherigen Schriften klagten die Evangelischen über die Nichterfüllung ihrer Forderungen zu Friede und Recht und die unannehmbaren Vorschläge der Altgläubigen. Sie wären durch das Wormser Edikt von 1521 und den Augsburger Reichsabschied von 1530 des Landfriedens verlustig gegangen. Das hat das hohe schedliche mistrauen im Hl. Reich verursacht, daraus dan viel grosse unbequemigkaitten ervolgt.
i–Ob nun dise stende durch volgende handlung widerumb in einen bestendigen, gewissen friden gesetzt, darfur es dan die andern stende halten, davon ist zu reden.
Es halten es die andern stende darfur, das der friedstand, zu Regenspurg [1541] beschlossen und darnach zu Speier [1542] confirmirt und jungst alhie zu Nurmberg [1542] bestettigt, hierzu genugsam und das auch an solchem friedstand kein mangel sey. Dieses ist aber hievor im gegenspiel so deutlich angezcaigt, das es auch meniglich, so die ubergebnen schrieften mit vleis list oder horet, in vernunft und naturlichem vorstande woll und unzweivelich begreiffen und vormercken kann–i. Und dieweil dan gespuret wurde, das die andern stende zum teilh hievon und waruff die mengel des fridens stunden grundlich wissen nit hetten, so were die nodturft undter anderm, dis kurtzlich widerumb anzuzcaigen:
Das dise stende den regenspurgischen reichsabschied, j–und sonderlich den fridstandt darinnen verleubt–j, dermassen wie der im buchstab stehet, niemals angenomen, k–wie dan die stende solchs der röm. ksl. Mt. angezcaigt, das sie solchen abschiedt dermassen in etzlichen puncten nicht willigen kondten. Als aber die röm. ksl. Mt. den stenden derselben puncten halben ein declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949] gnedigist mitgeteilt, wie dan der bemelt abschiedt seiner ksl. Mt. hieruber declaracion zu thun nachlest [= zulässt], als hetten dise stende den abschiedt uf solche declaracion und anders nicht angenomen–k, wie sie dan auch in zeit des gegebnen abschieds in gegenwart röm. ksl. Mt. und kgl. Mt. und aller stende des Reichs solchs offentlich angezaigt und davon protestirt haben.
Und wiewoll von solcher declaration hybevor den stenden mermals anzcaige beschehen, auch copei davon ubergeben, so befinde man doch, das viel stende des inhalts solcher declaration noch unwissent und derwegen, warauf der stand diser irrung beruhet, nicht grundlich wissenschaft hetten. Derwegen ubergeben dise stende nachmals der ksl. declaration warhaftige copey und bitten, die zu verlesen lassen. l–Aus solcher declaration were zu befinden, das die röm. ksl. Mt. vilen artickel, im abschiedt verleubt [= enthalten], erclerung gemacht und das dise stende dieselbigen nicht wie die im buchstaben des abschieds stehen, sondern vermog der ksl. declaration angenomen–l. Daraus dan volgt, das diejhenigen, so allein auf den buchstaben des abschieds sehen mochten, dencken, dise stende hetten in etlichen artickeln wider denselbigen abschiedt gehandelt, das sie doch aus der ksl. declaration, so sie der grundlich wissen hetten, im gegenspiel befunden.
Und under anderm were auch in dem regenspurgischen reichsabschiedt m–vorsehen, das das ksl. camergericht auf ein benante zeit vermog hiebevor aufgerichter abschide sollte visitirt und reformirt werden–m, welchs aber dise stende keinswegs haben annemen mogen, dieweil sie dadurch in vorige geferligkeidt des wormbischen edicts [1521] und augspurgischen reichsabschieds [1530] weren gesetzt worden und den beysitzern des cammergerichts dardurch raum gegeben were, auf benante edict und abschide wider dise stende als ketzer zu vorfaren. Darumb hat die röm. ksl. Mt. in irer gegebner declaration geordnet, das der augspurgisch abschiedt, soviel die religion belanget, nicht stadthaben, sonder die beysitzere des chammergerichts auf den regensburgischen abschiedt und daruf gevolgte ksl. declaration sollten voreidigt und die personen, n–so presentiert, darumb das die der augspurgischen confession–n, nicht vorschlagen [= abgeschlagen] werden, o–und das also die visitation nicht auf die alten abschide, sonder die ksl. declaration bescheen solt–o.
Aber uf jungstgehaltenem reichstage zu Speier [1542] ist befunden, das zwischen den reichsstenden der aufgerichten friedstende, auch der visitacion halben, ungleicher vorstand ist, nachdem dise stende dieselbigen uf die ksl. declaration, die andern stende aber vermoge des buchstabens des regenspurgischen abschieds p–stracks auf die vorigen abschide–pvorstehen und, wie dise stende bericht, der ksl. declaration nit stadtgeben wollen.
Und ob nun woll der regenspurgische fridstand im speierischen abschied uf funf jar erstreckt, so ist doch in demselbigen abschiedt solcher der stende widerwertiger vorstandt nicht abgewandt q–aber [= oder] vorglichen, sondern solche erstreckung ist bescheen mit denen worten, das die friedstende und regenspurgisch abschiedt sollten gehalten werden, mit der maß und bescheidenheit, wie die den stenden zu Regensburg allenthalben gegeben und von inen angenomen worden seind. Item das die visitacion sollte ergehen, inmassen und gestalt die stende des Reichs in solche visitation bewilligt.
Hieraus volgte nun erstlich–q, do die andern stende die friedstende und visitacion stracks uf den buchstaben des regensburgischen abschiedts vorstehen und der ksl. declaracion nicht statgeben wollten, das man des fridens von baiden tailen keinen gewissen vorstant hat, r–sondern es konnte ein itzlicher theil den speierischen abschiedt zu seinem vorstandt ziehen–r. Ob nun in solchem werenden beider teilh misverstandt bestendiger fride und recht konne oder moge im Hl. Reichs erhalten werden, das hette meniglich zu betrachten.
s–Zum andern volgte hieraus, do der ksl. declaration nicht sollte stadtgegeben werden, das dise stende der augsburgischen confession durch den regensburgischen abschied, weil sich der uf die alte abschid zuge [= beziehe], widerumb in viel geferligkeidt des wormbischen edicts und augsburgischen reichsabschieds gefurt wurden–s.
Zum dritten volgte, das von wegen solchs zwayhelligen vorstands die visitation t–und reformacion–tdes chammergerichts fruchtbarlich nicht kondte ins werck bracht werden, u–so die andern stende dieselbigen auf die abschide, dise stende aber auf die ksl. declaration vorstanden–u.
Darumb, wo nicht andere vorsehens bescheen, so wurde in solchem werenden misverstand ein bestendig gericht und recht im Hl. Reich weder durch die visitacion noch sonsten nicht moge gepflantzt und uffgericht werden etc. Es were auch die angebottene suspension der gerichtsproceßen disen stenden wenig furtreglich, dan weil die auf zeit der visitation iren ort hette, die visitacion aber aus itzt erzelter ursachen wircklich nicht konnte ervolgen, so weren alsdan dise stende eben in der beschwerung wie itzo, musten die unrechtlichenv processe w–zu irer hochsten beschwerung–walsdann zum wenigsten de facto leiden, daraus sich nicht cleiner unrath begeben konnte.
Man wollte geschweigen der grossen ungleicheit, die die friedstende an inen selbst under den stenden einfurten, weil die auf gewisse zeit gesatzt, einen teilh auf ein zeit, den andern aber perpetue verbunden, daraus ein teilh seins gefallens zu schreitten wege finden konndte, wie mit dem speierischen abschied anno 26, mit einhelligem beschlus aller stende gemacht, bescheen, welcher anno 29 durch die andern stende ane diser stende bewilligung und denselbigen nicht zu geringem nachteilh wider aufgehaben. x–Und dergleichen mengel mer weren in vorigen schrieften angegeben, welche man mit diser kurtzen wider erholung nicht begeben haben wolte in vorgange des handels weitter anzuzcaigen–x.
Hierumb erforderte die hochste unvermeidliche nodturft, das die vorigen friedstende, y–weyl die fried und recht im Hl. Reich zu erhalten nicht genugsam–y, gebesseret und zu hinlegung des itzt werenden zwayhelligenz misverstandts in einen gewissen einhellligen verstand bracht und die zum hochsten vordechtige chammergerichtspersonen abgeschaft werden, welcher verdacht vor diser zeit ad effectum remocionis solt ausgefurt worden sein, wo man zu der walh der wilkurlichen richter auf beschene recusation hette kommen mogen, aa–welchs aber durch dieselbigen beysitzere, die ungeachtet des rechtmessigen mittels der recusacion vormeintlich procedirt, gehindert–.
Damit man nun zu vorgleichung diser dinge komen und dise baide puncten des fridens und rechtens ire geburliche erledigung erlangen und dan zu berattschlagung der turckenhuelf ab–einhelliglich und–fruchtbarlich moge geschritten werden, so weren dise stende erbuttig, mit den andern stenden niderzusetzen, von den mengeln zu reden und an allem deme, das zu pillicher erledigung solcher puncten dinstlich, an inen in gemeinem rath nichts mangeln oder erwinden zu lassen, des verhoffens, die andern stende wurden dis nicht weigern, in sonderlicher betrachtung, das ane erledigung solcher puncten und das dardurch im Hl. Reich das schedliche misvortrauen hinweggenohmen, auch alle innerliche krieg abgewendt und furder im Hl. Reich furkommen, ein stadliche, einhellige, fruchtbarliche turckenhuelf nicht mag geschlossen,[noch viel] weniger geleist werden.
Das auch durch solche innerliche krieg nicht allein viel stende des Hl. Reichs, sondern auch die ksl. Mt. selbst als das haubt, der bey sich die gelidder in solcher hohen nodt billich hielf zu getrosten, die auch bisher scheinlich [= augenscheinlich] befunden, an solichem cristlichen werck gehindert worden. ac–So wurde dis hohe werck sonderlichen stenden, als wol zu besorgen, zuviel sein–.
Dann dieweil gemeine stende zue Regensburg befunden, das dem gemeinem Reich nicht woll moglich sein wolt, ane der röm. ksl. Mt. und andern cristlichen potentaten hielf disem wutterich fruchtbarlich widerstand zu laisten, wieviel unmoglicher wurde dis werck sein, so sollicher widerstandt nicht einhellig, sondern particulariter durch etliche stende solt furgenomen werden, zuvorderst weil der Turck seither der manichfaltigen sieg halben viel mer dan zuvor je gesterckt, erkandt und erhitzt und denselbigen erlangten sieg ane zweivel mit hochster macht und vermogen nachsetzen wurde.
Darumb sey kein ander weg, dan das vor allen dingen die unvorglichene und der samptlichen berattschlagung der turckenhuelf vorhinderliche artickel furderlichen zu vorglaichung bracht und dan einhelliglich im haubtwerckh in Gottes nahmen fortgefaren und geschlossen werde. Und verhoffen dise stende, das man sich alsdan im haubtwerck wol wurde vereinigen mogen, darzu sie nicht weniger dann jemants anders willig wolten befunden werden. Und stunden dise stende in der zuvorsicht, die andern stende wurden diser beschener suchung statgeben, das recht ane zweivel zu pflantzen und erhaltung rue, fried und ainigkeidt im Hl. Reich, daraus auch alle wolfart desselbigen und abwendung hochster beschwerung, so dem Hl. Reich furstunden, ervolgen wurde etc.