Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
A Frankfurt ISG, RTA 54, fol. 43r–45v (Konz. von mehreren Händen mit Korr. v.d.Hd. Lambs)2.
B Frankfurt ISG, Reichssachen II 965, fol. 187r–188v (Reinschr. des Konz. von A).
Donnerstags, den 29. Martij, gegen abend gar schier umb 4 horen haben die anderen stend oder pottschaften (so sich die catholicos nennen) die protestations-und augspurgischen confessionverwandte stende zu inen in die gemaine rathstuben berueffen und durch den meintzischen cantzler inen furhalten lassen:
Sie hetten gnedigklich und freuntlich angehört, was disser stende räth und pottschaften heutigs morgens mundtlich und nach der länge anbracht [Nr. 168]. Und dieweil in demselbigen nit vil neues oder anders, dann hievor oftermals in iren schriften und sonst erregt worden, furbracht were und aber sie ires tails nit zweifelten, disse stende wurden noch in frischer gedächtnus haben, was sie zum nähern mal (das ist am Montag jungst darvor verschienen) mundtlich gegen inen furgewendt [Nr. 166], erinnert, ermant und weß sie sich darbey erpotten hetten, sie auch noch nit anderst erwegen und ermessen khonnen, dann das disse stände ires thails woll und billich daran gesettigt und zefrieden sein sollten, khonten und mochten. So were nochmals ir gnedig und freundtlich gesinnen, ermanen und erpietten, wie sie in nechster mundtlicher irer rede [Nr. 166] auch gethan, liessen es auch bey derselben nochmals gentzlich beruhen und bleiben, begereten und bitten, disse stende wölletens ires thails auch also dabey pleiben lassen und die sachen nit weither aufhalten, dan sie khonten in der hauptsach der berathschlagung der hilf wider den Turckhen nit lenger stilsten. Weren willens, morgens umb siben horen in derselbigen furzufaren, des versehens, disse stende wurden ain jeder in seinem rhat erscheinen und unangesehen der baiden artickhel des friedens und rechtens – so wir furgewendt, als ob die nit erledigt weren – mit inen rhatschlagen, handlen und schliessen. Sollt es aber nit geschehen, so wurden sie nichtdestominder furtfaren etc.
Hierauf seindt disse stende in ire stuben gangen, sich gar kurtz underredt und alsbaldt widerumb hienein in die gemein rhatstuben khommen und den andern stenden durch den sächsischen cantzler angezeigt:
Sie hetten jetzt angehort, weß ire Gnn. und Gg. uff ir vorigs wollmainlichs anbringen sich vernemen lassen. Und befinden sovil, das sie uff voriger irer mainung beharreten und gedechten morgendts – unangesehen das die baide artickhl friedens und rechtens noch unerledigt weren – mit berathschlagung der hilf wider den Turckhen furzufaren. Nun zweyfelten disse stende nit, sie hetten uß voriger disser stende reden und vilfaltigen schriften genugsam vernomen, uß waß erheblichen ursachen man zu solcher berathschlagung (noch viel weniger zu volnbringung) der hilf wider den Turckhen noch nit khomen khonte oder möchte, solche beide artickhel friedens und rechtens weren dann zuvorderst nach notturft abgehandlet und erortert.
So wussten sie sich auch zu erinnern, das die erste anthwort, so gemeine reichsstende der ksl. Mt. uff dem gehaltnen reichstag zu Regenspurgkh [1541] der turckhenhilf halben gegeben, und die bewilligung der hilf nit anderst dann mit diesen außgedingten conditionen beschehen, das vor allen dingen guther, bestendiger friedt und gleichmessig recht im Reich gemacht und erhalten wurde. Dieweil nun an demselben mangel sey (wie man genugsam angezaigt, auch weitter anzuzeigen wuste), so hetten sich unsere gnedigste, gnedig hern und obern billichen versehen, man sollt uff diesem itzigen reichstage zuvordest von solhen beiden puncten notturftiglich gehandelt und die zu solchem endt gepracht haben, daß man alsdann zu dem hauptwerckh der hilf wider den Turckhen fuglich und erschießlich khomen mogen. Dieweil es aber uber alles disser stende berichten, anzaigen, pitten und erpietten nit sein wolte, sonder sie, die gegenthail, uff irer mainung des abschlags verharren, so were es den gesanten disser stende leidt, horten es von wegen und anstatt irer hern und obern, auch fur sich selbs nit gern und zweifeln gar nit, so und wann dieselbigen ire hern und obern des alles und wie gehandelt worden berichtet, sie werden dasselbig nit mit wenig beschwerden vernemen und gar khein gefallen darob haben. Darumb so hetten sie, die gesanten, sich anstatt derselbigen jhe billich versehen und noch, man solt doch uffs wenigst zusamen nidergesessen sein und von den sachen nach notturft und allen thailen zu nutz und guthem geredt haben. So dasselbig beschehe, solte und wurde man befinden, wo und wie an den baiden puncten friedens und rechtens halben mangl und wie denselben fuglich abzuhelfen were etc.
Dieweil das aber nit sein wollt, sonder sie, die gegenthail, gedächten biß morgen – unangesehen das hievor ein anders gemacht worden etc. – furzufaren, so musten die gesanten disser stende solichs geschehen lassen. Doch versehen sie sich, die andern werden ir berathschlagen und schliesen also thun, das dißthails stende sampt oder sonders damit nit vernachtheilt oder beschwert werden.
Sollt auch uß solchem etwas unrath oder unrichtigkhait ervolgen oder die sachen anderst, dann sie gehandelt, gedeuttet und ausgelegt werden wollen, so were es dissen stenden getreulich leidt. Wolten uns hiemit offentlich gegen inen und menigkhlichen protestiert und bezeugt haben, das sie sich je nichts dann erbars und billichs genugsam und uberflussiger weiß und meinung erpotten, auch bey dem allem an inen nichts erwinden lassen hetten. Des sie sich auch bey Gott und der welt zu bezeugen wüßten.
Der angezognen und heut verlesnen ksl. Mt. declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949] halben, das diesselbig von inen mit kheinem wort veranthwort worden, sonder gantz unangeregt pleiben, mußt[en] disse stende auch also besten [= stehen] lassen. Sie zweifelten aber gar nit, die ksl. Mt., als die iren hern und obern dieselbig gnediglich gegeben, wurde sie auch dabey mit gnaden handthaben, schutzen und schirmen. So wurden auch ire gnedigste, gnedig hern und obern ires thails auch understeen, nach solchen wegen zu gedencken, das sie darbey pleiben mochten. So man aber noch weiter gepurlich und pillich handlung furnemen, fridt und recht betreffende, so weren sie erpittig, zu demselben zu verhelfen und aller billicher dingen halb an inen nichts erwinden ze lassen3.