Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Straßburg AM, AA 509, fol. 108r–114v (Kop.); AV v.späterer Hd.: 1543 März 31.

[1. 1543 März 20: fol. 114rv] Post scripta2: Wie man uff dißen morgen allen reichsstenden angsagt, uff dem haus zu erscheinen und der kgl. Mt. proposition [Nr. 43], auch des H. von Granvella anbringen [Nr. 197] zu berathschlagen, haben die protestierenden stend sich miteinander verglichen, das des Kf. von Sachssen räth in den churfursten-, die andren fürsten pottschaften in der fürsten und der stett gsandten in der stett rath gen sollen und ein jeder gsandter in seinem rath anzeigen, das er von seiner herren wegen bevelch hab, von der hilf wider den Türckhen und wes zu des Reichs wolfart dienstlich helfen zu rathschlagen. Dieweil man aber darzu nit khommen mag, es sey dann zuvor ein gleichmessig recht und bestendiger fridden im Reich uffgericht, damit khein stand billich ursach hab, sich von dißer hilf ußzuziehen und dann derselb weg noch nit funden, so wöll vor allen dingen vonnötten sein, davon zu reden, wie derselbig uffgericht werden mög. Derhalben sey er urpüttig, davon zu reden und rathschlagen helfen und, so der weg funden, alßdann sich ferner seins bevelchs der hilf halben auch vernemmen zu lassen. Wöllen dann die andren stend sich hierin mit inlassen, soll man alle mögliche mittel und weg suchen, wie nit allein diße stend recht und fridden erlangen, sonder auch wie Gülch möcht befriddet werden, damit die hilf zugleich von allen stenden des Reichs und teutscher nation geleistet wurde. Wolten sich aber die stend nit inlassen, sonder mit berathschlagung der hilf furfaren, alßdann solten diße stend von inen abdretten und protestieren, das bey ihnnen der mangel nit gwesen und das sie zu weitterer rathschlagung sich nit inlassen möchten. Was nun daruff beschlossen will werden, wöllen wir euch hernach zu erkhennen geben.

Datum Zinstag post Palmarum [1543 März 20] hora 4 post meridiem.

[2. 1543 März 31: fol. 108r–113v]3 Seinther meinem jüngsten schreiben, am datum 20. Martij, haben sich die sachen friddens und rechtens halb ungevarlich also zugetragen:

Alß uff der gülgischen räth und gsandten vilfaltigs pitten und erpietten gmeine reichsversamlung fur gut angsehen zusammenzusitzen, darvon zu redden, ob und wie die sachen zu fridden zu pringen oder uffs wenigst, sovil an den stenden wer, mit furpitt und sonst dahin gefurdert werden möchte etc., haben wir, der religion und protestation verwante, fur gut angsehen, dieweil Gülch frid und recht begere und wir uff denselben beiden puncten furnemlich auch beharren, das es dan unsern bevelchen nit zuwidder, sonder der sachen dienstlich sein solt, das wir unß in dem von den andren stenden nit sonderten, sonder ein jeder in seinem rath, sovil an ime wer, votirt und schlüsse, das uff die weg gedacht und ghandelt, wie nit allein Gülch, sonder auch ein jeder gegen dem andren also befridet wurde, damit alle innerliche krieg hingelegt und dem Türckhen, alß unserem gmeinen feind, desto stattlicher begegnet werden möchte.

Und alß die unsern hieruff zu den andren stenden oder pottschaften in churfursten- und furstenrath gangen, von den sachen geredt und gerathschlagt, haben sie (wiewol mit mue und mit vilen umbfragen, als man sie je gern hindertribben hett) die sach dahin bracht und durchs merer theil der stimmen erhalten, das man nit allein in der gülchischen sach uff fridden handlen, sonder auch, dieweil man one gleichmessig recht und bestendigen fridden nit wol zu einer stattlichen und erschießlichen hilf wider den Türckhen khommen möge, das man dann der gülchischen sach halb bey der kgl. Mt., den ksl. commissarien und dem H. Granvellen, wie nachvolgt, ansuchen und bitten soll, und darneben gmeine reichsstend oder deren pottschaften darvon handlen, rathschlagen und schliessen sollen und wöllen, wie uff die weg zu khommen, das gut frid und recht im Hl. Reich gmacht und erhalten, alle irrungen, so an der hilf wider den Türckhen verhindren möchten, hinweggthan und dann von demselben werck dester ernstlicher und vleissiger ghandlet werde, welche meinung nit allein unß, den protestierenden, sonder den andren stettgsandten, sovill deren allhie seind, auch gfallen. Haben also gwartet, wann und wie solliche sachen ghandlet werden wöllen. Wiewol auch etliche mal bey den protestierenden stenden oder deren pottschaften angeregt worden, es wölle etliche beduncken, es lauffen ungetreue practicken im spiel umb, also das man von obgmeltem erhaltenem mehr abgfallen und von der hilf wider den Türckhen handlen wöll, unangsehen das obgmelte puncten friddens und rechtens halb noch nit berathschlagt und abghandlet seien, so hat doch die unsern fur gut angsehen zu warten und zu hören, wie die gegentheil die sach angreiffen wöllen.

Also haben sie am ostermontag [1543 März 26] negstverschinnen unß, diejhenen so der protestation und augspurgischen confession verwandt, zu sich in die gmeine stuben, darin man die reichsversamlung heltet, gfordert und durch den mentzischen cantzler unß ungevarlichen diße meinung laut hiebeiligender verzeichnus [Nr. 166], furhalten lassen. Wiewol auch die unsern desselben furtrags (dieweil man gsehen, das er, der cantzler, dessen ein vertzeichnus vor ime ghapt) abschrift begert, so ist es unß doch vom gegentheil abschlagen, also das wir unß desjhenigen, so wir selbs uß der reden verzeichnet und zusammengetragen haben, muessen settigen lassen.

Und hetten wir unß warlich solchs furhaltens, wie billich, uber hievor gmacht und erhalten mehr gar nit versehen. Dieweil wir aber darinn befunden, das die untreu, wie wir besorgt, darunder gloffen und das spiel gar widerumb gwendt worden, hat es die unsern fur notwendig und gut angsehen, uber alle hievor gnugsame ursachen, so in den schriften an die kgl. Mt. und ksl. commissarien gstelt und furbracht, die auch durch ir Mt. und sie den stenden des andren theils jedesmals furghalten und alle ding mit irem rath gschlossen worden, inen nachmals in einer summa anzuzeigen, wie und welchermassen anfenglichs die türckhenhilf zu Regenspurg [1541] von allen theilen bewilligt und das die conditionen, so daselbst ußgedingt, noch nit erfült. Item, das den beiden puncten (frid und recht belangend) noch nit gnugsam abgholfen und warumben unserem theil sovil an der ksl. declaration gelegen sey, das wir unß auch deren kheinswegs begeben oder mit dißer itzigen verwenung [= Zusicherung] friddens und rechtens halb gsettigt sein khönnen, nachmals mit dem erpietten, wie hievor mit ihnnen niderzusitzen, von den mengeln, wie die zu bessern etc., zu reden und dann, so man deren verglichen werde, von zimlicher, treglicher hilf wider den Türckhen zu rathschlagen und zu schliessen zu verhelfen etc.

Und dieweil sie, wie obgmelt, mundtlich und nit schriftlich mit unß ghandelt, haben wir bedacht, dasselbig auch zu thun, doch unsern furtrag zuvor in schriften also gstelt. Wo sie denselben begert, hetten wir ihnnen den ubergeben mögen, wie ir, meine herren, denselben hiebey zu sehen haben [Nr. 168]. Dieweil auch sich etliche uß ihnnen ad partem hin und wider vernemmen lassen, alß ob sie der ksl. declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949], so von unß so oft angeregt werde, khein wissens, haben wir bedacht, in und bey dißem unserem furtrag ihnnen derselben copias darzulegen und alßbald begeren zu lesen, alß auch beschehen.

Namblich vergangnen donnerstags morgens [1543 März 29] seind wir vor ihnnen in gmeiner reichsstuben erschinen. Hat der sächssisch cantzler von unser, der protestierenden und augspurgischen confessionverwandten, wegen obgmelten furtrag [Nr. 168] in aller form und maß, wie die verzeichnus vermag, ernstlich und gnugsam gthan, sie aller notturft wol erinnert, die declaration, wie gmelt, verlesen lassen und dann inhalt der verzeichnus gepetten, begert und erpotten. Uff welchs sie unß abdretten und biß umb 11 uren in unserer sondren stuben warten und dann erst ansagen lassen, wir sollen umb drei horen nachmittag widerumb khommen.

Mittlerweil haben sie die sach bey inen berathschlagt, auch ein pottschaft oder ußschuß uß inen zu der kgl. Mt., den ksl. commissarien und (wie man mich bericht) zu dem H. Granvella, die alle in der veste beieinander gwesen, verordnet und sich nachvolgender antwurt entschlossen, auch noch desselben donnerstags gegen abendt unß dieselbig in gmeiner versamlung4 durch den mentzischen cantzler furhalten lassen. Es folgt ein Referat der mündlichen Antwort des Mainzer Kanzlers und die Erwiderung der Evangelischen: siehe Nr. 169.

Also seind wir zu beiden theilen mit solchen khurtzen antwurten voneinander abgscheiden. Die stend und pottschaften des andren theils alßbald (dieweill unser etliche noch in der stuben bey ihnnen gwesen, damit wirs hören mögen) zusammengsagt. Morgens umb 7 sollen und wöllen sie zusammenkhommen, und damit alßbald unß nach voneinander gangen, also das sie uff unser letste red nichts mehr gerathschlagt haben werden.

Aber gestern freittags [1543 März 30] umb 7 huren seind sie zusammenkhommen und also vormittag in gsonderten räthen der churfürsten und fürsten beieinander gsessen. Was sie rathschlagen und wohin die sachen endtlich glangen wöllen, weist der lieb Gott wol.

Anmerkungen

1
Jakob Sturm berichtete nicht nur an Bgm. und Rat von Straßburg, sondern auch an die mit Straßburg in enger Verbindung stehende Stadt Basel über den Verlauf des RT und im Speziellen über den Schriftwechsel zwischen dem König und den protestantischen Ständen zu Friede und Recht. Ein solches, an Bgm. und Rat von Basel adressiertes Resümee der RT-Verhandlungen von Jakob Sturm in: Basel StA, Fremde Staaten Deutschland B 1, unfol. (Kop.); ÜS: Ungeverliche handlung des reichstags zu Nuermberg.
2
Das Postskriptum gehört laut Datum zu einem Schreiben Sturms vom 20. März 1543, das nicht erhalten ist. Eine inhaltliche Vorstellung von den zum größten Teil verloren gegangenen Berichten Sturms von Jan. bis April 1543, die im Straßburger Rat verlesen wurden, vermitteln die Straßburger Ratsprotokolle. In: Straßburg AM, 1 R 5, 1543 (= Ratsprotokolle 1543); gedr. bei: O. Winckelmann, Politische Correspondenz, Bd. 3, Nr. 331, S. 343–348.
3
Das Datum (1543 März 31) ergibt sich aus dem letzten Absatz des Schreibens, das als einziges von Sturms Berichten aus Nürnberg vollständig erhalten ist.
4
Zwei altgläubige Fürsten waren laut dem Schreiben Sturms in der Reichsversammlung persönlich anwesend: Bf. Hieronymus von Chiemsee als Vertreter des Ebf. von Salzburg und Bf. Valentin von Hildesheim.