Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
A München HStA, KBÄA 3159, fol. 143r–162v (Kop.); AS fol. 143r: Deß Hg. von Gulch auf disen reichstag gesanter ret verantwortung, so si von wegen irs herrn auf Kgn. Maria regentin etc. den stenden deß Reichs ubergebne supplication gethon.
B Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 282r–302r (Kop. mit Beilagen); AS v.d.Hd. Jonas’ fol. 282r: Der clevischen gesandten antwurt uff der Kgn. Marien etc. potschaft fürtragen. AV v.a.Hd. fol. 282r: Verlesen und praes. zu Nurnbergk in gemeyner versamblung, den 12. tag Martij anno 1543.
C Duisburg LAV NRW R, Jülich-Berg II 2276, fol. 434r–456r (Kop.), AV fol. 434r: Exhibitum 12. Martij 1543 Nurembergae.
Regest: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 297, S. 203f.
Liste der Beilagen 1–5 am Ende des Aktenstücks.
Die jülichschen Räte beklagen, dass die burgundischen Gesandten zu Beginn des Reichstags gegen den Hg. von Jülich in einem öffentlichen Vortrag vor Kg. Ferdinand und den Reichsständen (Nr. 202) ungerechtfertigte Anschuldigungen erhoben. Hg. Wilhelm werde, sobald ihm die Vorwürfe bekannt seien, diese durch einen warhaftigen und bestendigen gegenbericht und verantwortung [Beilage 1] entkräften lassen. In der Zwischenzeit wollen die jülichschen Räte vor den Reichsständen die unwahren Behauptungen des burgundischen Vortrags mit folgendem Gegenbericht widerlegen:
Der Vorwurf eines gegen den Kaiser gerichteten Bündnisses des Herzogs mit dem Kg. von Frankreich und dem Bf. von Münster sei haltlos. Hg. Wilhelm habe auch den Einfall des geldrischen Marschalls Martin van Rossem in die ksl. Niederlande im Sommer 1542 nicht unterstützt. Auf den Vorwurf der Verletzung der Lehenspflicht gegenüber Karl V. erklären die Räte im Namen des Herzogs: Und wiewol ir fstl. Gn. zu mermaln umb di belehnung irer fstl. Gn. furstenthum und land di ksl. Mt. unterthenigist angesucht und gepetten, so ist doch iren fstl. Gn. sollichs bis anheer gewegert und abgeschlagen, wie dann gleichsfalls mit den burgundischen lehen auch bescheen, also daß ir fstl. Gn. der ksl. Mt. mit kainen aidsphlichten noch zur zeit verstrickht oder verpunden seien. Haben aber ir fstl. Gn. nichtdesterweniger zu jeder zeit alles daßjhenig gethon und gehandlt, was ainem fromen, gehorsamen fursten deß Reichs wol ansteet und gepurt. Soll auch zu den ewigen tagen uber sein fstl. Gn. mit warhait nit anderst mogen beibracht oder bewisen werden.
Die jülichschen Gesandten begründen das Nichterscheinen Hg. Wilhelms auf dem Reichstag in Regensburg 1541 mit den herzoglichen Verhandlungen in Frankreich über einen Ehevertrag mit Jeanne d’Albret; keinesfalls habe es sich um eine dem Haus Habsburg abträgliche Aktion des Herzogs gehandelt2. Ferner führen sie aus, dass sie in Vertretung des Herzogs in Regensburg gegenüber den Reichsständen die Rechtsposition ihres Herrn darlegten (RTA JR Bd. XI, Nr. 224, Nr. 231), während der Kaiser in einer Druckschrift3seinen Anspruch auf Geldern dokumentierte. Diesen Anspruch Karls V. auf Geldern weist Hg. Wilhelm nun auf das schärfste in einer ebenfalls gedruckten Gegendarstellung4zurück. Um den Reichsständen zu beweisen, dass der Herzog entgegen aller durch den Kaiser verbreiteten Behauptungen ein erbliches Anrecht auf das Fürstentum Geldern habe5, haben ir fstl. Gn. ir wolgegrundte, rechtmessige defension [Beilage 1] vor langest stellen lassen. Und sollt solche defension eurn chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. auf jungstgehaltnem reichstag zu Speir uberantwort sein worden, wo nit derzeit – in ansehung daß ir fstl. Gn. deß gmainen verkondigten fridstandts durch eur chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. versichert [Beilage 2] und damit ir fstl. Gn. ksl. Mt. kain ursach geb, sich gegen ir fstl. Gn. weitter bewegen zu lassen – sollichs wer uberbliben. Dweil wir aber auß berurtem kgl. Wd. schreiben [Nr. 202] befinden, daß noch heuttigs tags darauf hart gegangen wirt, als solte ir fstl. Gn. berurt furstenthumb mit kainem bestendigen titl inhaben, sonder mit der that der ksl. Mt. vorhalten, haben wir die publication berurter irer fstl. Gn. defension nit lenger konnen verhalten. Wollen diselben also eur chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. hiemit ubergeben haben, der ungezweifelten zuversicht, es werden eur chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. darauß befinden, daß unser gnediger furst und herr mit seiner erbgerechtigkeit berurts furstenthumbs vor Got und der welt besten soll.
Bei dem Bündnis Hg. Wilhelms mit dem Bf. von Münster handelt es sich um eine Erbeinigung und ein nachbarschaftliches Schutzbündnis6, das mit dem Kg. von Frankreich nichts zu tun habe.
Was den Vorwurf der Unterstützung des Marschalls Martin van Rossem durch Hg. Wilhelm belange, so wiederholen die Gesandten die Argumente der bereits auf dem Nürnberger Reichstag 1542 vorgebrachten herzoglichen Rechtfertigung (Beilage 3). Von einer habsburgfeindlichen Agitation des klevischen Gesandten in Frankreich, Dr. Hermann Cruser, und von Kriegsvorbereitungen des französischen Beauftragten am klevischen Hof, Sr de Longueval, habe Hg. Wilhelm niemals Kenntnis erhalten. Auch die Einflussnahme Hg. Wilhelms auf Bf. und Domkapitel von Lüttich, im Konflikt zwischen Frankreich und Burgund neutral zu bleiben7, sowie Gerüchte über jülichsche Werbungen von Fußknechten in Dänemark entsprechen nicht der Wahrheit.
Die im burgundischen Vortrag erwähnten Schreiben von Magdalen de Brie, Sr de Serrant (Nr. 202, Beilagen 1 und 2), seien nicht mit Wissen oder gar im Auftrag Wilhelms verfasst worden.
Den Vorwurf, dass der Herzog es an der Durchführung der Beschlüsse des Speyerer Reichstags zur Türkenhilfe als Kreisoberster des Niederländisch-Westfälischen Kreises fehlen ließ, weisen die jülichschen Gesandten zurück. Dweil aber etliche trefliche stend, unter disen craiß gehorig, darvon entzogen oder abgesondert und uff berurte unsers gnedigen fursten und herrn ervorderung und zuschickhung kgl. Mt. mandata ungehorsamlich ausgepliben, als nemlich die stift Uttrich und Camerich, Lutzelburg, Friesland und allerlei stend, in Lutzelburg und Friesland gehorig, also daß dardurch derzeit die aufrichtung der kasten und waß demselbigen articl anhengt, nit gescheen könte, so haben dannoch nichtsdestoweniger unser gnediger furst und herr und andere gehorsame erscheinende stende ir hilf gehorsamlich gelaist und berurte und andere deß craiß beschwernuß auf jungst alhie gehaltenem reichstag schriftlich ubergeben lassen8. Der Herzog habe die von ihm geforderte Türkenhilfe gehorsam geleistet und seine Reiter und Fußknechte mit hohen Kosten unterhalten lassen. Und wissen sich die gulchische ret, so hie gegenwirtig und uff bestimpten kraiß- [Essen, 1542 Mai 15] und reichstag [Nürnberg 1542] gewesen, deß vor Got und der welt rain und frei, daß kain ander ungepurliche handlung durch si geubt oder deß von iren gnedigen fursten und herrn ainichen bevelch emphangen. Und wirt kainer befunden werden, der sollichs seiner fstl. Gn. oder derselben reten mit warhait auflegen oder zumessen kan.
Die Weisungen Hg. Wilhelms an seinen Gesandten in Frankreich, Dr. Hermann Cruser, enthielten keinen Verrat von Reichsgeheimnissen. Von chiffrierten Briefen des Herzogs an den Kg. von Frankreich oder dessen Beauftragte sei den jülichschen Räten nichts bekannt.
Hg. Wilhelm habe Mandate zum Verbot fremden Kriegsdienstes erlassen, die auch an Martin van Rossem ergangen seien. Sollten Untertanen des Herzogs diese Mandate nicht befolgt haben, sei dies nicht mit Billigung des Herzogs geschehen. Unter den von den Franzosen gegen die ksl. Niederlande mobilisierten Truppen hätten sich Untertanen verschiedener Reichsstände, u.a. auch burgundische Söldner, befunden.
Der militärische Angriff der Burgunder auf die Gebiete des Herzogs stellte einen Landfriedensbruch und eine Verletzung der Speyerer Friedenszusicherung (Beilage 2) dar und sei deshalb mit der Reichsacht zu ahnden. Außerdem wurde Hg. Wilhelm unrechtmäßig seiner Güter in Flandern und Seeland entsetzt. Der Krieg machte auch vor den Witwengütern seiner Mutter, Hgn. Maria von Jülich-Kleve, nicht Halt, was gegen geltendes Recht verstoße. Auß wöllichem allem eur chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. und yedermenigclich wol zu erachten, mit was geschmueckhten worten di burgundischen, irer unpillichen thaten zu verplumen, auch nit allain unsern gnedigen herrn, sonder auch irer fstl. Gn. frau mutter, die frau alte furstin, an irem glimpf und leumat [= guter Ruf] anzutasten sich untersten, der doch pillich verschont werden solt, nachdem ir fstl. Gn. kain versaumnuß oder schuld kann oder mag auferlegt werden. Sollichs auch ir fstl. Gn. noch derselben voreltern umb das haus Burgund nie verdint haben.
Die im Oktober 1542 in Löwen unter Vermittlung des Kf. von Köln und des Lgf. von Hessen zu Ungunsten des Hg. von Jülich ausgehandelten Bedingungen eines Waffenstillstands mit Burgund (Beilage 4) konnte Hg. Wilhelm ohne Bewilligung der Landstände nicht annehmen (Beilage 5), noch dazu da die burgundische Seite mit ihren feindlichen Übergriffen fortfuhr.
Die Gesandten bitten die Reichsstände, den burgundischen Anschuldigungen keinen Glauben zu schenken, da der Herzog und seine Vorfahren als friedliebende, gehorsame Fürsten stets dem Haus Österrreich und Burgund zugetan gewesen seien. Hg. Wilhelm ersucht daher um Erstattung aller durch den burgundischen Überfall entstandenen Schäden und Kosten.
Beilagen (in: Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1)9:
1. fol. 304r–355r (zeitgen. Druck, siehe auch oben Anm. 4): Entgegnung Hg. Wilhelms auf die Regensburger Druckschrift Karls V. von 1541 (= Assertio Iuris Imperatoris) mit dem Titel: Warhafftiger und gruntlicher bericht der gerechtigkeit und rechtmessiger possession des Durchleuchtigen, hochgebornen Fursten und Herrn, Herrn Wilhelms, [...] zu dem Hertzogthumb Geldren und Graffschaft Zutphen, auff dem Reichstag zu Speir im Jar M.D.XLII. ubergeben, Mitsampt der ablehenung und gegenbericht der Assertion, so von wegen keyserlicher Maiestat auff dem Reichstag zu Regenspurgk im Jar M.D.XLI. Churfursten, Fursten und Stenden des Reichs vorgebracht. Am Schluss: Gedruckt im Fürstenthumb vonn dem Berge, bey Solingen, im Jar M.D.XLII. Ausführlich dazu: W. Crecelius, Der Geldrische Erbfolgestreit, S. 112–114.
2. fol. 397r–399v (Kop.): Friedenszusicherung der Reichsstände für Hg. Wilhelm von Jülich, Speyer 1542 April 4, gedr. in: RTA JR Bd. XII, Nr. 274c.
3. fol. 356r–367v (Kop.): Rechtfertigung der Gesandten Hg. Wilhelms von Jülich vor den Reichsständen gegenüber den Vorwürfen Kgn. Marias, Nürnberg 1542 Aug. 10/Aug. 16, gedr. in: RTA JR Bd. XIII, Nr. 122.
4. fol. 369r–371v (Kop.): Von Kgn. Maria den kölnischen und hessischen Vermittlern vorgeschlagener Entwurf für einen viermonatigen Waffenstillstand (1542 Nov. 1 bis 1543 Febr. 28) mit dem Hg. von Jülich, o.O. o.D. (Löwen, 1542 Ende Okt.); DV fol. 371v: Mittel, wie die von der kgl. Wd. den colnischen und hessischen gesandten furgeschlagen. Verlesen in gemeyner versamblung den 12. tag Martij anno 43.
5. fol. 373r–377v (Kop.): Ablehnung des von Kgn. Maria vorgeschlagenen Waffenstillstands durch Hg. Wilhelm von Jülich, o.O., o.D. (1542 Ende Okt.); DV fol. 377v: Antwort meines gnedigen herrn Hg. zu Gulch etc. uff di furgeschlagne mittel kgl. Wd. von Hungarn antreffen den stilstandt. Verlesen in gemeyner versamblung den 12. tag Martij anno 43.