Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Straßburg AD, 15 J 18, unfol. (Ausf.).

Euern fstl. Gn. fueg ich zu wissen, das ich ungewitters halben allerst Sontag in vigilia Circumcisionis Domini [1542 Dez. 31] zu Nurnberg anckommen bin, der zuversicht, es sollte der reichstag schon sein anfang erlangt und die proposition furgetragen und beschehen sein. Aber ich hab von stenden niemandtz alhie dan nachvolgende potschaft befunden: Namblich von wegen der churfursten Menntz, Trier, Sachssen und Brandenburg, von fursten aber, gaistlich und weltlich, Bamberg, Wurtzburg, Metz, Pfgf. Ruprecht, Hgg. von Gulch und Wurtemberg, Hessen und von stetten Strasburg, Franckfurt und Speyer, darneben auch die potschaft von wegen deß hauß Prabant. Und wiewoll sich jederman versehen, es wurdt die röm. kgl. Mt. in betrachtung der obligenden des Reichs sachen one allen verzug alhie gewesen sein, jedoch so ist ir Mt. uff heut dato noch nit anckommen, also das alle deß Reichs sachen anston und beruwen pleyben1. Und obwol ir Mt. Dr. Ilsing [= Ilsung] vor etlichen tagen bey den abwesenden stenden gehapt, mit beger, das die stend nit verrucken, sonder ir Mt. alhie erwarten wollten, nitdesterweniger so liegen die stend mit beschwerden und umbsunst hie und ist jederman der langsamen handlung gar ubel zufriden. Und waißt man irer Mt. zuckunft khain aigentlich wissen, dan das ir Mt. aim rath zu Nurnberg geschriben [Nr. 32], das man ir wolt die vesstin [= Festung, Burg] zuberaiten sampt deren zwayen jungen sonnen2, dan ir Mt. gedenck, sich zum furderlichsten alhier von Wien auß zu erheben.

Dieweyl dan gar khain handlung, auch der reichstag seinen anfang nit erraicht, so waiß ich auch euern fstl. Gn. dernhalben jetzo zumall nichtz zu schreyben anders dan das ich ubel zufriden, das ich also seer geylt und alhie one ainiche handlung umbsunst vergebenlich liegen und zeren muß. Halt auch dorfur, es soll mir nit weyther begegnen, so ich noch ain reichstag besuchen solt, deß ich doch zu thun nit gedenckh.

Er überschickt Bf. Erasmus einige Aktenstücke in Kopie. Sunst waß fur geschrey alhie, waiß euer Gn. ich nichtz zu schreyben, dan das mir der von Naviß gesagt, wie das von der röm. ksl. Mt. der von Granvell uff diesen reichstag verordnet, welcher schon zu Trient anckommen sein solle. Darneben, das man sich irer [ksl. Mt.] anckunft im Reich nit ehr versehen dörf, es seye dan uff den zukunftigen frueling und so der reichstag volendet. Und obwoll er [= Naves] der kgl. Mt. abwesens ubel zufriden und mir angezaigt, das die ksl. Mt. nit anders wisse, die stend des Reichs seyen in volckomner handlung, jedoch waißt man khain grundtlich ursach, worumb die kgl. Mt. die sach also prorogier und verzihe3. [...].

Anmerkungen

1
Die hessischen Räte Dr. Johann Fischer, gen. Walter, und Dr. Tielemann Gunterrodt, warteten in Kassel den verspäteten Beginn des RT ab und berichteten am 29. Nov 1542 an Lgf. Philipp von Hessen: [...] Euern fstl. Gn. mögen wir auch in underthenigkeit nit pergen, nachdem wir Clausen Waldenstein vor der zeit abgefertigt haben, uns zu Nurmberg ein gelegne behaußung, auch nottturftigclich prophiandt darein zu bestellen, wie dann beschehen, dieweil aber der reichstag seinen furgang, wie er angesatzt, nit erreicht, sonder umb einen monat erlengert, haben wir bemeltem Waldenstein in unserm wegreisen von Schweinfurth bevolhen, sich widerumb nach Nurmberg zu verfuegen, alldo die fisch und andere prophiant, so villeicht verderben möchte, zu verkauffen. Als er nun diser tagen allhie wider ankomen, thut er uns disen bericht, das gantz und gar niemant usserhalb der dreyer Bff. Wurtzburg, Bamberg und Eychstett hab furieren lassen. Nun bedencken wir, das der reichstag vor den christfeirtagen schwerlich angefangen, das auch die stend vor denselbigen feirtagen versehenlich nit inkomen werden. Derwegen sehe uns underthenig vor gut an, das euer fstl. Gn. einen irn reittenden potten gehn Nurmberg mit dem bevelch abgefertigt hetten, alldo zu warten und daruff sein kuntschaft zu haben, wann der könig oder sonst etzliche stend im anzug und underwegen gegen dem reichstag weren, das er alsdann sollichs an euer fstl. Gn. zum allerfurderlichstn gelangen ließ. Dann sollten wir ein solliche lange zeit zu Nurmberg bis uff dess königs und der stend ankunft stilligen, wurde einen grossen unkosten geperen, wellichen wir euer fstl. Gn. halben gern verhüett sehen. Und wiewol aber der schweinfurthisch abschid vermag, das gemeiner aynungsvorwanten stend, räth und pottschaften eben uff den tag, wellichen das außschreiben zu dem reichstag mit sich bringt, zu Nurmberg einkomen sollen, damit sie in den unerledigten und verschobnen puncten vor dem einkomen der andern reichsstend entlich ratschlagen und schliessen und sich darnach die reichshandlung daran dester weniger verhindern muge, so tragen wir doch dise fursorg, das, wie zu Schweinfurth auch beschehen, etzliche tag, bis das der mehrer theil der stend zusamenkomen, gewißlich verlauffen werden, sonderlich dieweil wir von den stetten dess sächsschen kreiß jungst zu Schweinfurth vermerckt, das sie zu Nurmberg zu erscheinen wenig lust und willens haben. Was aber euer fstl. Gn. gemut und meynung hierinnen allenthalben sein will, desselben wöllen wir uns underthenigclich, getrowlich und mit allem fleiß halten, wie wir uns dann sollichs schuldig erkennen. [...]. In: Marburg, StA, PA 650, fol. 1r–4v (Ausf.).
2
Ehgg. Maximilian und Ferdinand.
3
Im Bericht Welsingers an Bf. Erasmus zwei Wochen später (20. Jan. 1543) hatte sich an der Situation in Nürnberg kaum etwas geändert und man wußte nach wie vor nicht, wann die Proposition erfolgen würde: [...] Wiewoll ich euer Gn. des gegenwertigen reichstags halben gern allerhandt zuschreyben wolt, jedoch so waiß ich noch zur zeit deren nichtz anders anzuzaigen, dan das uff Mitwuch, den 17. diß monatz, die röm. kgl. Mt. sampt zweyen deren sönnen, wie ich euer Gn. hievor angezaigt, alhie anckommen. Und dieweyl die ksl. commissarien, alß namblich Pfgf. Friderich etc. und mein herr von Augspurg, darneben auch khain furst aigner person alhie, das man noch nit waißt, wan die proposition beschehe und der reichstag seinen anfang erlangen und erraichen werden. In der Zeit des Wartens auf den RT-Beginn sei er zu den Bff. von Eichstätt und Augsburg geritten, um sie wegen der Teilnahme am Konzil zu befragen. Beide Bischöfe gaben die Auskunft, einstweilen keine Gesandte nach Trient schicken zu wollen, sondern sich durch den Bf. von Trient vertreten zu lassen. Welsinger plane auch Kontaktaufnahme mit dem Bf. von Würzburg wegen der Abfertigung von Gesandten zum Konzil. Sunst neuer zeittung halben waiß ich euer Gn. nichtz anders anzuzaigen, dan das jederman mit beschwerden vergebenlich und umbsunst hie ligt, das man auch gar nicht handlen, und zu besorgen aller anzaigung nach, es werde vor Purificationis [1543 Febr. 2] khain anfang dieses tags gemacht werden. [...]. Auch am 29. Jan. 1543 war Welsinger noch äußerst skeptisch betr. die Eröffnung des RT: [...] Und wiewol Pfgf. Friderich und der von Granvel den 26. berurts monats auch alhie ankommen, iedoch so hört man nach nit, wan die proposition beschehen, auch die reychshandlungen iren anfang erreychen und erlangen sollen. Und wöllen also alle sachen uf ein schedlichen und nachtheyligen verzug wie vor gespilt werden. Got der Almechtig verlyhe sein gnad, dan es hat sich ansehen, als ob man dermassen irrig sey, das es an verstand und vernunft also mangle, das man nit wol wisse, wie in solchen hochwichtigen, grossen obligen des Hl. Reychs sachen ein anfang zu machen und die mit fugen anzugreiffen und anzuhaben syen. Dan wie Cicero sagt: „Res publica in eas angustias deducta esse videtur, ut nisi quis Deus vel casus aliquis subvenerit, salve esse nequeamus.“ Ich wolt euer Gn. gern die proposition zuschicken, hab auch den ein knecht umb der und andern ursachen halb also lang behalten, iedoch ie lenger ich wart, ie weniger daruss wurdt. Acht auch, sye [= die Proposition] sey nach nit in rerum natura anders, dan das die not den könig dohin tribt, weitter hilf zu begeren, welche aber von stenden nit zu erhalten, es werden dan die beschwerden und obligen, die nit ein iar, sonder 20, 30 und 40 iar im Reych gewert, ietzundt erledigt. Zudem das die stet nichts thun nach willigen wollen, sye haben dan auch zu stimmen, welchs aber chur- und fursten glat abschlagen. Die protestirenden aber ein reformirt und onpartheysch recht und cammergericht, ein bestendigen friden und adprobation und ratification aller irer gepflegten kriegsubung, violentien und anderer handlungen, die gemeine stend aber alle ringerung der anschlege, do keiner zu wenig, besonder al zu hoch angeschlagen sein, wollen. Was nun do guts zu hoffen und durch wen anders denen beschwerden, sonder in solchen nötten, kriegen und oneinnigkeytten dan dem Turcken, begegnet mög werden, haben euer Gn. leichtlich abzunemen etc. Er entschuldigt sich beim König für das Fernbleiben seines Herrn vom RT [...]. Von fursten ist nach niemants personlich hie, und wiewol die steend sonst in zimlicher anzaal, iedoch rugt und steet man still mit aller handlung, nit weiss ich, ob man gedenck, die fursten selbs personlich nach alher zu bewegen. Bis das geschickt, sol ostern nit weit sein und darneben so vil gehandelt als vor. [...] Und domit ich euer Gn. auch von dem bequemlichsten platz, reychsversamlungen zu halten, schrib, so wiss euer Gn, das alle ding zum höchsten teuer und das des schindens wedder maas nach end, zudem das es der gemeinen kranckheyt und contagien halb nit gar schön, darneben das man in grosser sorg feuwers halben steet, dan man ingelegt wirken [= gewebte Stoffe] und pulver gefunden in strowegen, welche, alsbaldt mans in die herbrigen gefurt, haben angefangen zu brinnen. [...]. [PS:] Wie ich den brieff beschliessen wöllen, hat des Reychs marschalck uf heut dato den steenden ansagen lassen, das man bis Mitwoch [1543 Jan. 31] umb siben ur uf der veste bey dem ampt erschinen wölle und volgendts die kgl. Mt. uf das rhathaus zu beleitten etc. Got geb gnad, das es ein gutter anfang sey. Die Schreiben Welsingers vom 20. Jan. (Ausf.) und vom 29. Jan. 1543 (Ausf. v.d.Hd. Welsingers) beide in: Straßburg AD, 15 J 18, unfol.