Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wiesbaden HStA, Abt. 171 R 474, fol. 125r–129r (Kop.).

B Darmstadt StA, D 21 A, Konv. 15, Fasz. 2, unfol. (Kop.).

Beilage in A fol. 129v–130v: Liste der in Nürnberg anwesenden Reichsstände. ÜS fol. 129v: Die itzt anwesenden fursten und botschaften uf dem reichstag zu Nurenberg, den 14. Decembris anno 1542 benennt.

Meinem genummenen abschiedt zu Hoechst [Grafentag 1542 Nov. 7] und jungstem meinem schreiben nach, ich bei dem franckfurtischen bothen gethon, das meine gnedige herrn oder ir sich nit verlangen lassen sollten, ob ich gleich nit so baldt widder schriebe, dan ich nit gern unnotturfticlich schreiben, aber do es zeit und die notturft erheischen wurde, nit unterlassen wollt. Kann meinen gnedigen herrn und euch ich nhunmher nit verhalten, das wir also sieder den 17. Januarij wie kgl. Mt. hieher kommen, gleich wenigk ausgericht. Sehen einander an und trauet keiner dem andern vill. Und helt sich die sach itzmalen daruf, das die kgl. Mt. sampt den ksl. commissarien, Pfgf. Fridrichen etc. und H. Johan von Naves, den letzsten Januarij proponiret [Nr. 43], inmassen ich copiam hiebei gebunden. Dieweil dan noch bißher kein beratschlagung daruber beschehen noch antwort bedacht ist und ich aber ausser meiner instruction mich daruf wol zu halten wiste, hab ich kein sondern bothen deßwegen hinab senden wollen. Domit aber meine gnedigen herrn und ir der verhinderung nitberatschlagens bericht haben: Gleich nach entpfangner copi die stende, so der augspurgischen confession verwant, erstlich kgl. Mt., alsdan gemeiner versamlung Reichs ire anligen, beschwerden und begeren in einer langen schrift [Nr. 152] furpracht und sich dabeineben vernemen lassen, das sie sich uber die proposition oder einich ander handlung nit einlassen konden noch wurden, sie wheren dan zuvor dieser irer anliegen und beschwerden erledigt, deren copien ich auch hieneben mit etlichen schriften, so sie darbei gelegt mit buchstaben bezeichnet, schick [Beilagen zu Nr. 152]. Uf solchs haben kgl. Mt., ksl. commissarien und stende des Reichs, so der augspurgischen confession nit verwant, den andern alsbaldt geantwort, ir furpringen wher lang, darumb gedechten sie, es abschreiben und nach gehapter beratschlag der gepure vernemen zu lassen.

Also gleich denselbigen tag, der der dritt Februarij was, hat die kgl. Mt. die stende, so der augspurgischen confession nit verwant, ghen hoff erfordern lassen. Der war ein geringer hauf, als nemlich die, so in der hieneben ligenden verzeichnus der stende mit + gemerckt seint [siehe die Beilage in A]. Ging ich doch auch mit zu horen, was ir Mt. furhalten wolt. Begerd ir Mt., das dieselbigen stende wolten der augspurgischen confession verwanten stende furpringen beratschlagen und ir notturft, auch kegenbeschwert rathsamlich verfassen, alsdan ir Mt. und ksl. commissarien ubergeben, sich ferner darin haben zu halten.

Demnach wurden nhun zwen rethe, als die, so nit der augspurgischen confession, der ein rath, und die andern, so derselben confession beigethon, der ander rath. Also kamen nach der faßnacht [1543 Febr. 6] diejhenen, so nit der augspurgischen confession, zusammen, die sach zu beratschlagen, und ward mir auch angesagt. Dieweil ich aber in meiner instruction [Nr. 68c] hett, mich in solcher zweiung kein teil anzuhangen, das ich dan zu solchem rath nit woll vermeiden mögen oder zu sonder disputation geraten where, nam ich ein gescheft fur, das ich nit im rath erschien, uf das sie mein abwesent iren rathschlag [Nr. 154] entschlossen. Also seint sie domit uf 15. Februarij fertig worden, hinuf ghen hoef zogen und kgl. Mt. ubergeben. Gleich hat kgl. Mt. und ksl. commissarien den augspurgischen confessionverwanten geantwort [ Nr. 155], inmassen ein copei hiebei auch ligt, die hab ich von einem augspurgischen confessionverwanten zuwegen pracht, dan die andern stende die nit abgeschrieben haben.

Und gehent itzo dieselbigen augspurgischen confessionstende daruber trefflich zu rath und schicken posten von sich. Was sie sich nhun entschliessen und replicieren werden, waiß man noch nit. Sehen wir also zu und handlet man uf die proposition noch nichts. Nhun wil aber in solchem ein ufsehens sein, welcher dieser aber [= oder] jhener part sei. Die ein wurdt genent die gehorsamen, die andern, augspurgisch confessionstende, die ungehorsamen. Vexiret [= ärgert, plagt] je einer den andern und ist zu besorgen, das man sich so schlechtlich nit vergleichen mocht, dan wie ich verstehe, die augspurgischen confessionverwanten uf irem furpringen zu verharren vermein[en]. So ist zu erachten, das die gegenteil auch dagegen ratschlagen und bei kgl. Mt. handlen werden. Nhun wher ich – nach bestem verstandt ich ausser meiner instruction ziehen mag – mich also der sachen beiderseits zu enthalten, kranckheit anzunehmen oder abweg etlich tag, biß dieß sach erortert wurde, zu thun wol gesint, dan ich sehe, das die andern stende, so nit der augspurgischen confession, mich gern in iren rath haben wolten, dan sie nehermals mir nachgeschickt und nachfragen lassen. Das bisher nit geschehen, domit ich dan gantz frei gegen meinen hern unverweislich faren moge.

Dieweil auch mein instruction mir solchs uflegt, hab ich lenger nit umbgehen wollen, meinen gnedigen herrn und euch der sach zu berichten, mit dienstlicher pit, mich ufs eilest, so moglich ist, irer Gnn. gemuet zu verstendigen, ob ich in der andern stend rath dieser obgemelten sachen halb erscheinen soll oder nit2. Dan ob ich schon inhalt meiner instruction mich vernemen ließ, so machen sie ein mhers, dasselbig wurdt dem konig von aller dieser stende wegen furpracht und dan den augspurgischen confessionstenden also geantwurt. So sein meine gnedigen herrn etlich derselben confession auch anhengig, das wurdt mir ethwan unter die augen geweht [= vorgehalten]. Und in summa, wan es meinen gnedigen herrn wie mir gefiel, wolt ich mich des raths dieser sach, mit besten fugen ich immer kunt, obern [= enthalten], biß sie miteinander daruber eins wurden, dan alle handlung des reichstags daruf ruen will, das diese zwen teil zuvor verglichen seien. Darnach wurdt erst der recht gemeinlich reichsrath und betagte handlungen angehen. Dan wais ich mich meiner gnedigen herrn instruction nach [Nr. 68c] der session, stim und handlungen woll zu halten, wie ich dan die session in erster gemeiner reichsversamlung, da proponirt whardt, vor der oberlendischen graven gesanten genommen und gehalten, dan der graven keiner meins wissens selbs noch hie ist.

Erwähnung der Rede Granvelles vor den Reichsständen (Nr. 197) und der Supplikation Wolf Dietrichs von Pfirt (Nr. 127). Aber man lests alles ruwen biß obgemelt sach erortert wurdt, dan die augspurgisch confessionverwanten sich in kain ander handlung begeben wollen, inen seien dan ir furbracht beschwerdt erledigt. Also ist es ein langweiliger reichstagk und, wie man sagt, dannoch der luft darzwuschen auch nit fast gut3, das ich wolt, er hett ein ende. Aber des konigs hofgesind lassen einsteils ir weiber hieher holen, das ich gedenck, sie versehen sich, lang hie zu sein.

Es will sich die rede hie geben, die ksl. Mt. solte zu Genua ankommen und noch selbst beim reichstag werden sein, aber bei den hohen heuptern wurdt nicht darvon vormeldt.

Wie ich euch nehermals geschrieben, das wir vom reinischen kraiß die innehmer und kriegsrath zur rechnung beschrieben, die seint nhun hie ankommen und itztkunftigs montags [1543 Febr. 19] zur rechnung und handlung fur die hieigen kraißstende vertagt.

Es sein so vil clagen umb außstandt der besoldung vorhanden, aber man gibt noch niemants beschaidt. So last sich der oberst, der marggrave churfurst etc., noch nit horen. Darumb wollen meine gnedigen herrn gewarnt sein, keinem clagenden was zu antworten oder raichen, sondern thuen wie andere, weisens uf die reichstagshandlung.

Tod des Theologen Dr. Eck in Ingolstadt, als das nhun der Luther mher friedens hat. So hat kgl. Mt. irem hofgesind heftig verpieten lassen, die fasten kein fleisch zu essen bei verlierung ihres stadts und lehens.

Anmerkungen

1
Die Wetterauer Grafen bemühten sich, die Religionsfrage beiseite zu schieben und in Hinblick auf die Durchsetzung ihrer korporativen Interessen die konfessionellen Probleme nicht zum Thema ihrer Versammlungen oder ihrer Reichstagspolitik zu machen. Obwohl sich die Mehrheit der Mitglieder des Wetterauer Grafenvereins mit fortschreitender Reformation der evangelischen Lehre zugehörig fühlte, fanden sie einen modus vivendi, um mit den am alten Glauben festhaltenden Grafen gemeinsam zu agieren. Nallingen wurde angewiesen, sich für eine Beteiligung aller Reichsstände an der Türkenhilfe einzusetzen und keinesfalls vorzeitig den RT zu verlassen, wie es die Evangelischen angedroht hatten, sondern den Reichsrat auf jeden Fall zu besuchen. Siehe: G. Schmidt, Der Wetterauer Grafenverein, hier S. 228–231.
2
Heinrich Steindecker ließ Nallingen am 25. Febr. 1543 im Auftrag der hanauischen Grafen wissen, dass er nicht in den Reichsrat gehen solle, so lange die Spaltung unter den Reichsständen bestehe. In: Marburg StA, Hanau 81 A, Nr. 181½ 2, fol. 201r–202r (Konz.).
3
Es herrschte ständige Angst vor einem Ausbruch der Pest in Nürnberg.