Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Hannover NLA, Celle Br. 1, Nr. 22, fol. 65r–83v (Reinkonz.); ÜS fol. 65r: Instruction, weß sich Dr. Nicolaus Holstein uff dem itz furstehenden reichstage gehalten solle.

Erstlich weil zu vermuten, das diser reichstag furnemlich darumb, das von weitter beharlichen hilfe wider den Turcken solle gehandelt werden, angesatzt sey, so soll Dr. Holstein die sachen furnemlich uff nachfolgende wege furdern und handeln helfen:

Das bey den christlichen potentaten die entstanden kriege abgewendet und fride bei denselbigen gewirckt, auch in teutscher nacion ein bestendiger fride uffgerichtet und versichert werde, dann so das nicht geschicht, kann das groß christlich werck wider den Turcken nicht fruchtparlich furgenohmen, vil weniger ausgefurt werden, dann das kriegsvolck lieber denselbigen kriegen zu- und nachzeucht, dann das es sich in Hungern, darinne sie bisher mercklichen schaden erlitten haben, geprauchen lassen. Zudem der teutschen nacion beschwerlich und villeicht unmoglich, one der andern christlichen potentaten hilf den grossen kosten, so uff ein solch groß kriegsvolck, als in Hungern vonnoten, gehet, zu tragen.

So dan eine hilf solle gescheen, so soll sie Dr. Holstein nicht anders bewilligen dann uff den gemeinen pfenning, das ein ider, waß standes der sei, nach seinem vermogen dartzu gebe, in aller maß wie der speirische reichsabschied außweiset. Dann allein, so die anlage geringert mochte werden, alß do von 100 fl. ein halber fl. angelegt ist worden, das es nhun ein ort2 were. So es aber in gemein uff dieselbige speirische anlage gewilligt wirdet, dergleichen ob ein bessere ordnunge, den gemeinen pfennig einzufordern, bedacht wurde, das mag Dr. Holstein auch bewilligen.

Wann aber wolte ein hilf uff die reichstende gelegt werden, also das die stende des Reichs ire antzal kriegsvolck selbs oder von irer underthan anlage underhalten oder vorlegen solten, dasselbig soll Dr. Holstein keinswegs bewilligen und furwenden, das dise furstehende not eine gemeine sache sei aller menschen, dann ein ider man, waß stands er ist, die gefhar zu besorgen und des schutzes und errettunge zu geniessen habe; derwegen lege auch ein ider man pillich zu solcher christlichen nothsachen. So sei es auch meinem gnedigen fursten und hern, wie villeicht vil mehr stenden, unmuglich zu thun, dann sein fstl. Gn. sei hoch uber ir vermogen angeschlagen, wie sein fstl. Gn. uff vilgehalten reichstegen geclagt habe. So seien vil stende und grosse mechtige stette im Reich, die zu solchen hilfen, so uff die reichsstende gelegt, nicht geben, so sie doch in gleicher nott und errettung wie die reichsstende sein, und nicht geringes vermogen bey inen ist.

Und so ein hilf gewilligt wurde, so soll gepetten werden, keine sonderliche commission oder handlung mit denselbigen furtzunehmen, sonder es bey dem gemeinem reichsabschiede pleiben zu lassen, dan die nechste [= letzte] kgl. commission in dieser anlage grosse hinderunge bey den sehe- und ansehstetten eingefurt3. Derhalben zu bitten, dieselbig zu revociren, aus ursachen, wie in dem schreiben, an die Kff., Ff. und stende des Reichs gethan [Nr. 105], zu vernehmen ist.

Wan aber von der hilf, als zu Speir gewilliget, geredet wirdet, so soll Dr. Holstein antzeigen, das mein gnediger furst und herr habe alles das gethan, das seiner fstl. Gn. der speirisch reichsabschied ufferlegt und ire rethe bewilligt haben. Dann sein fstl. Gn. hat ir kriegsvolck zu roß und fueß und ein stuck buchsen mit zubehoriger municion geschickt. So hat sie auch sampt iren underthanen den gemeinen pfennig gegeben, den kreisobereinnehmern uberanthworten lassen und damit gepauet inhalt des speirischen abschides.

So nun von Hg. Otten und Hg. Franntzen4 und derselbigen underthanen anlage und das dieselbige nicht weren eingepracht worden und das mein gnediger furst und herr sollte schuldig sein, sie darinne zu verdretten, rede furfallen wurden, so soll darjegen furgewendet werden, das mein gnediger furst und herr habe den beiden gebrudern den speirischen reichsabschiede zugeschickt und sie gepetten, sich zu gehorsam desselbigen zu halten etc. Das sie nhun solchs nicht gethan, dor konde mein gnediger furst und herr nicht zu [= er hatte keinen Zugriff], dann sein fstl. Gn. kein gepott oder obrigkeit uber sie habe.

Das aber mein gnediger furst und herr sollte schuldig sein, sie der gemeinen anlage – als uff allen menschen, waß standes oder wesens die sein, gelegt – zu verdretten, das sei sein fstl. Gn. nicht schuldig, dann iderman zu solcher gemeinen notsachen nach seinem vermogen geben solle, ungehindert aller vertrege, privilegien, herkomen, uff den reichsabschide getzogen. So gebe es auch der gemein verstandt, dan niemandt kan den andern verdretten, dieweil ein ider sich selbs nach seinem vermogen schatzen muß. Und ist von diser gemeinen anlage zu der zeit, als die brudere abgetheilt sein worden und mein gnediger furst und herr des Reichs hilf uff sich genohmen hat, nicht gedacht worden. Es hat aber sein fstl. Gn. gethan, was ir alß einem stande des Reichs gepuret hat, nemlich das kriegsvolck von wegen des furstenthumbs geschickt, aber die underhaltung desselbigen soll von gemeinem pfennig, dartzu alle menschen nach irem vermugen zu geben schuldig, gescheen. Derhalben ist mein gnediger furst und herr nicht schuldig, die bruder in diser gemeinen anlage zu verdreten.

So von dem andern gemeinen pfennig, als zu Normberg [1542] nechst bewilligt, gesagt wurde, soll angezeigt werden, das mein gnediger fürst und her, wie auch vil andere, denselbigen nicht bewilligt habe. Zudem so sey in disem nidersechssischen kreise der erste bewilligte gemein pfennig noch nicht ingepracht gewesen. Das nhun mein gnediger furst und herr und die seinen zweimal solten schatzung geben, ehe und zuvor seine nachparn einmahl geben, das were beschwerlich. So wolle man sich auch versehen, das die erste speirische anlage sovil ertragen habe, das man das kriegsvolck darvon wol hab erhalten mogen. Das auch ungezweivelt noch ein dapfer[kriegsvolck] ubrig, das man uff kunftigen sommer zu hilf haben moge.

Es soll Dr. Holstein mit allem fleiß furdern, das die artickel, als uff vilgehalten reichstag verschoben sein worden und darane dem Reich hoch und vil gelegen ist, furgenohmen, beratschlagt und darinne gute ordnung uffgerichtet werden, als nemlich das die anschlege des Reichs gemiltert, item das eine einhellige muntz und waß der goltgulden gelten solle, im Reich verordnet, die hiebevor uffgerichte constitucion und ordnung von wucherlichen handlungen mit hohen penen erneuert, gehandthabt und sunst gute pollicey im Reich uffgerichtet werde.

Und erstlich sovil die ringerung der anschlege belanget, so dieselbig furgenohmen wurdet, soll er denjenigen, so darzu verordnet werden oder in gemein wie andere stende solchs thun werden, die supplicacion, mit A getzeichnet [fehlt], ubergeben und vleissigen, das meins gnedigen fürsten und herrn anschlege in allen reichshilfen und anlagen uff das hochste geringert und gemiltert werden. So auch verklerung oder weitter bericht solcher supplicacion von ime erfordert wurde, soll er denselbigen auch geben.

Zum andern soll er nach gehaltener ringerung oder, so dieselbig nicht vor sich gehen wurde, sunst in gemeinem rhadt die protestacion, von wegen das die statt Braunschwig meins gnedigen vettern in des Reichs anschlegen zugetzeichnet ist worden, ubergeben und in die mentzische als des Reichs cantzlei auch eine uberanthworten und registriren lassen, und soll in alle rethe der churfursten und fursten, auch der stette, eine protestacion und unser zwen sampt des rhads zu Braunschwig offentliche ausschreiben uberanthworten.

Münzwesen: Laufender Wertverfall der Münzen durch Verringerung ihres Gewichts und Verschlechterung ihres Feingehalts; Notwendigkeit einer Münzordnung zur Vereinheitlichung der Münzen im Reich, verbunden mit der Errichtung strenger Regeln und Strafen.

Die Bestimmungen gegen Wucher sollen erneuert und verschärft werden, da sie bisher nur mangelhaft befolgt wurden.

Ferner uff die artickel, als von den einigungsverwanten stenden gehn Normberg zu beradschlagen uffgeschoben sein worden, soll sich Dr. Holstein nachfolgenden befelchs gehalten:

An allen Beratungen betr. das Reichskammergericht und dessen Rekusation soll Dr. Holstein teilnehmen.

Kostenabrechnung des braunschweigischen Feldzuges mit Kursachsen und Hessen: Der Gesandte soll sich mit den anderen Bundesständen beraten und gemäß der Bundesverfassung vorgehen. Und wiewol sie beide [Kursachsen und Hessen] guter meynung sich zum zuge begeben, so ist es aber der verfassung nicht gemeß und den stenden hoch beschwerlich, dan alles, waß uff die regiment und hohe ampter gehet, duppelt gewesen und also ein grosser uncost verursachet, der one noth gewesen. Derhalben zu bitten, so sich dergleichen furder zutragen wurde, welchs Gott gnediglich abwenden wolle, das es anderer gestalt und durch ir einen bestelt wurde. Die Schulden, welche die Bundesstände bei Kursachsen und Hessen hätten, und weitere Kosten sollen durch Steuereinhebung im eroberten Land Braunschweig abgedeckt werden. Die Erlegung des dritten Doppelmonats der Bundesanlage soll bewilligt werden.

Hg. von Württemberg: Als Mitglied des Schmalkaldischen Bundes stimmte er der Hilfeleistung für Braunschweig und Goslar zu und müsse nun auch zu den Kosten des Feldzugs beisteuern, obwohl der größte Feind des Bundes, Hg. Heinrich von Braunschweig, sein Schwager sei. Hg. Ulrich solle sich nicht über die Bundesanlagen beklagen. Und damit er dester ehr dartzu bewogen werden, mochte ime uff sein ansuchung, zu Braunschwig [1542 Sept.] gethan, Hg. Heinrichs kinder halber handlung gestattet werden, dan er – auch der religion halber und das er diser stende verwanter – dinstlicher dartzu were dan Bayern.

Innere Angelegenheiten des Fürstentums, Erbteilungen.

Verwaltung des eroberten Herzogtums Braunschweig: Die Festungen seien zu schleifen und über die Bestellung der Ämter solle beraten werden. Das Herzogtum könne den Kindern Hg. Heinrichs von Braunschweig mit Recht und gutem Gewissen nicht auf längere Zeit vorenthalten werden. Außerdem würden die hohen Kosten der Verwaltung gegen die weitere Einbehaltung des Territoriums durch die Schmalkaldener sprechen, die lediglich einen Defensivkrieg zum Schutz der Städte Braunschweig und Goslar geführt hätten. Dann solte man das gantze landt behalten und also nicht allein Braunschwig und Goßlar bei iren gutern und gerechtigkeiten handthaben, sonder auch Hg. Heinrichs kinder ires gantzen furstenthumbs berauben, so were es mehr offensio quam defensio, und ist in Gottes wort und rechten versehen, das der shon nicht solle tragen des vatters mißhandlung5, dan in dem fall deme diser keiner ist. Deshalb solle das eroberte Territorium den Kindern unter folgenden Bedingungen zurückgegeben werden: Keine Rückkehr Hg. Heinrichs, Wiederherstellung der Rechte der Städte Goslar und Braunschweig, Erstattung der Kriegskosten, Beibehaltung der evangelischen Religion bzw. freie Glaubensentscheidung, Einhaltung der mit den anderen Ff. von Braunschweig-Lüneburg geschlossenen Verträge.

Gesandtschaft der Schmalkaldener zum Kaiser wird befürwortet, damit sie sich für den braunschweigischen Feldzug verantworten und über die Missetaten Hg. Heinrichs aufklären können.

Instruktion betr. interne Angelegenheiten des Schmalkaldischen Bundes.

Es ist mit fleiß umb einen bestendigen, versicherten fride und gleichmessigs recht antzuhalten und, so von visitation und reformacion des chamergerichts gehandelt wurde, das alle personen von richtern und beisitzern beurlaubet werden, dan die visitacion wil den gefasten haß und veindschaft wider dise stende nicht ausfegen. Aber die andern mengel, darumb hiebevor und nachst zu Speir geredet, die mogen reformirt und das gericht von neuem besetzt werden.

Schmalkaldische Bundesanlagen.

Hg. Georgen von Braunschwig6 mag geanthwort werden, so er einichen theil oder gerechtigkeit an dem eroberten land Braunschwig, darinne Wulffenbuttel gelegen, behalten, ehr hette es ungezweiffelt in disen langen vilen jaren, als sein bruder Hg. Heinrich im regiment gewesen, von ime wollen erfordern. So er aber hirin einiche gerechtigkeit beweisen wurde, soll sich Dr. Holstein in ratschlegen darauf nach gelegenheit vernehmen lassen.

Was nun weiter furfallen wurdet, soll sich Dr. Holstein darin, was seins besten verstands zu der ehr Gots, zu gemeinem nutz, friden und wolfart gereichen moge, gehalten. [...].

Anmerkungen

1
Die Instruktion ist nicht im Namen von Hg. Ernst abgefasst, sondern stammt aus dem engeren Kreis seiner Räte. Sie könnte vom einflussreichen Kanzler Lic. Balthasar Klammer abgefasst worden sein.
2
Das Viertel einer Münze, in diesem Fall das Viertel eines Guldens.
3
Die Hansestädte unter Führung Lübecks verweigerten die Einbringung des Gemeinen Pfennigs mit Hinweis auf ihre Sonderstellung, die sie durch ein Schreiben Kg. Ferdinands (= kgl. commission) und eine Bestimmung des Speyerer RAb von 1542 (RTA JR Bd. XII, Nr. 285, § 57, S. 1183f.) bestätigt sahen. Siehe dazu: A. Neukirch, Der Niedersächsische Kreis, S. 154–159.
4
Hg. Otto erhielt 1527 das Fürstentum Harburg, Hg. Franz 1539 Gifhorn.
5
Angelehnt an eine Stelle bei Ezechiel (AT): Ez. 18, 20.
6
Siehe die Vollmacht und Instruktion Hg. Georgs von Braunschweig-Wolfenbüttel für Dr. Ludwig Falkenberg zu einer Werbung bei den Schmalkaldenern (Nr. 56) und die Antwort der Schmalkaldener auf die Werbung Falkenbergs (Nr. 252).