Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Marburg StA, PA 642, fol. 4r–24v (Kop. mit marg. Inhaltsvermerken); DV fol. 24v: Instruction zu dem versamblungstag gegen Schweinfurth und further ghen Nurmberg. ÜS fol. 4r: Instruction, was unser Philipsen von Gotts genaden, Lgf. zu Hessen [...], rethe zu Schweinfurt und Nürnberg sollen usrichten.

B Marburg StA, PA 641, fol. 2r–21v (Konz.).

C Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 418–421, Nr. 153, fol. 103r–105v (Kop.)2; AS fol. 103r: Copei, wie mein gnediger furst und her zu Hessen der turckenhulf halben uffn tag gehn Schweinfurt abgefertigt hat.

[1.] Erstlich, soviel di turckenhulf betrifft, dunckt uns, das in keinem weg soliche oder eine cleinere turckenhulf weitter zu bewilligen sey, es sey dann, das das chammergericht zuvor gantz abgeschafft oder zum wenigsten reformirdt, wie dann von ksl. und kgl. Mtt. vielmaln zugesagt, darauf auch di vorige turckenhulf bewilligt ist.

Und das dartzue di proceß und achten, di das chammergericht mitlerzeit furgenommen hat und noch furnemen mocht, gantz und gar abgeschafft wurden, auch wir und di andern unsere stende eins bestendigen fridens der religion, desgleichen des braunschweigischen eroberten lands halben gewißlich versichert seien.

Und im fall, da gleich solich ding all erstattet und versichert wurden und man sollt weittere hulf thun widder den Turcken, so dunckt uns doch, das den stenden des Reichs soliche hulf, wie sie itzo gethan haben, unmuglich zu tragen sey, und so man wurd mit einer solichen anlag vortfaren, das es on ein gemeinen ufstandt in landen nit abgeen werde. So ist auch uns gantz und gar nicht gelegen, dises jars uns oder unsere unterthanen mit einer neuen turckenanlag belegen zu lassen.

Und dieweil man auch sicht, das mit solicher oder dergleichen hulf gantz und gar nichts ausgericht, auch zu besorgen ist, so man kunftigs sommers widder ein soliche expedition furneme, das ebenso wenig darmit ausgericht mocht werden, zuvorab dieweil ksl. Mt., Frannckreich, Dennmarck und andere potentaten in solicher uneinigkeit stehen, also das das haus Burgundi, der stift Utrich, Lutzenburg, item Gulich, Cleve, Bergen etc. und diselbige land ire hulf widder den Turcken nit schicken konnen, so sey deßhalben unser rath, das man itzo ein jar oder zwei ein cleine hulf bewilligte, mit derselbigen nit Offen zu gewinnen, sondern allein die vestung und grenitz zu verwaren, uff das der Turck weitter nit inprechen muge, und das man di gewaltige hulf des Reichs sparete, so lang bis Gott der ksl. Mt. gluck und sig gebe widder ire widderwertigen oder das diselbige sachen in bessern verstandt und vertrag komen mochten, uff das der teutschen nation der last nit allein uffm hals lege, sondern di ksl. Mt. und di andere potentanten oder zum wenigsten di ksl. Mt. auch dartzue thun und helfen konte, welichs dann itzo nit sein kann. Dann one das konnen wir nit achten, es sey gleich hauptmann diser expedition wer da wolt, ob man schon gleich noch ein solich volck außmachte, wie dises somers gescheen, das man mit solichem volck, ordnung und wesen, wie man itzo gehapt oder man noch bedencken oder machen mocht, was konnte außrichten.

[2.] Bezahlung des braunschweigischen Feldzugs: Die Bundesstände haben noch beträchtliche Schulden bei Kursachsen und Hessen für den Feldzug, Modalitäten der Bezahlung.

[3.] Wie mans mit dem eroberten braunschweigischen land wolle halten:3

Der erst wegk: Haben wir gedacht erstlich, das mans laß zwei oder drey jar in disser regirung pleiben – gemeinen stenden zum besten – wie es itzo ist, doch das man uns und dem Kf. zu Sachsen etzliche schloßer, stett, ampt und flecken zuvor rausser gebe, von wegen des, so wir mehr uff uns genomen und erlegt, dann wir zu unserer monatlichen gepur schuldig gewesen.

Der ander wegk: Das die stende dem churfursten und uns das land ubergeben, dergestalt das wirs zugleich hetten, doch welicher am meisten im gefurtem zug dargelegt, das man demselbigen umb dasselbig nach antzal ein vorteil an etzlichen guttern liesse, und das wir bede di stende zum teil ihres costens vergnugten, dergestalt entweder das wir inen ir außgelegt gelt jerlichs verpensionirten [= verzinsten] oder das wirs land vier jar lang frey innhetten und nach vervliessung derselbigen vier jar innen in den volgenden vier jaren, nemlich eins idem derselbigen jar einen virten teil bezaleten. Doch das di stende dargegen sich verpflichten uns zu helfen, beim land zu schutzen und zu hanthaben, wann wir wollten derwegen uberzogen oder sunst beschwerdt werden. [...].

Der dritt weg wer dises: Den Kindern Hg. Heinrichs wird Wolfenbüttel nach Brechung der Festung übergeben4. Alle Schulden und offenen Forderungen haben die Kinder zu übernehmen. Aufzählung einzelner Festungen und Orte, die im Besitz von Kursachsen und Hessen bleiben sollen. In gleichnus solten di kinder versichern, das land, so sie widder einbekomen, bey unserer religion pleiben zu lassen, auch zu ewigen tagen di vestung, di man inen liesse widder zukomen, nit widder zu bauen. Da sie solichs aber theten, solt einem yden unserer religionsainungsverwanten freystehen, sobald er solichs erfure, gemeiner verstentnus zum besten soliche vestung den kindern widder zu nehmen und di den kindern oder iren erben nimmermehr widder zu geben.

Doch so ist unser meinung nit, das man sich dises furschlags im anfang der handlung solt so bald vernemen lassen, sondern man sollte Beyren, oder wer da unterhandlen wolt, zuvor horen, und wann ire furschlege zu weitleuftig weren, alsdann disen furschlag thun. Wann dan dise ding also mochten in einem vertrag erhalten werden, so musten di kinder sampt der lantschaft, di inen vermug solichs vertrags pliebe, sich verpflichten, den vatter nit eintzulassen, sondern inen in andere weg zu contentiren und des gnugsame burgschaft thun, disen vertrag zu halten. Es muste auch der vatter darauf gnugsamen verzig [= Verzicht] thun und di röm. ksl. und kgl. Mtt. solichen vertrag und vertzig confirmiren.

Dises deucht uns ein weg sein, den wir unsers teils wollten helfen annemen. Dann ob man schon den kindern dise ding, di ein etzwas statlich sein, widder gebe, so musten sie dargegen alle schulden und anforderung Hildesheims, Luneburgs des jungern Hg. Erichs5 und ihres vatters brudere6 uff sich nehmen. Weitere Auflagen für die Kinder.

Wann der churfurst, wir und di andern stende disen furschlag zum vertrag theten, so were es ein stattlich erbieten, welchs zweivelsohn bey keyser und konig, Bayren und andern ein gros ansehen haben und sein L. und uns andere entschuldigen wurd des, das wir ein gantz furstenhaus und geschlecht nicht so gar zu boden geen lassen, dann do di kinder widder zu den vorbenennten dingen komen, so hetten sie mehr dan ire voreltern vor dem eroberten teil des stifts Hildeßheim gehapt hetten. Wann aber der vatter wie bemelt keinen verzig thun wolt, wie wir glauben ehr schwerlich thun werde, so keme man mit fugen aus der sachen, dann one seinen verzig will disser vertrag nit zu treffen sein. Thut er aber den vertzig, so hetten der churfurst und wir andern dannost einen zimlichen vertrag. Und wann schon di kinder keinen glauben halten wollten, so hette man innen dannost Schoningen und Steinpruck sampt den stetten Goßlar und Braunschweig als einen daumen uff den augen. Was konnten sie dann viel thun, wann Wolfenbuttel geschleift und geprochen und di lantschaft verburget were, das sie Hg. Heinrichen nit widder wollten annemen und disen vertrag halten.

Der viert weg: Weitere Vorschläge für Gebietszuteilungen an die Kinder Hg. Heinrichs.

Der funft wegk: Das man der verfassung nach das gantz landt teilete und einem idem davon gebe nach antzal desjenigen, so er zu eroberung desselbigen gethan und aufgewendet hette.

[4.] Die Festung in Braunschweig soll nicht gebrochen werden, da Hg. Heinrich ohne den Schutz dieses Bollwerks leicht wieder ins Land kommen könnte.

[5.] Sollte es zu einer Klage Hg. Heinrichs und zu einer gerichtlichen Anhörung wegen des Feldzugs kommen, so sollen die Bundesverwandten das rechtswidrige Handeln des Herzogs gegen Goslar und Braunschweig und alle seine anderen Untaten (Ermordung Dr. Dellinghausens, Scheinbeerdigung Eva Trotts)7mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Beweisen untermauern.

[6.] Die Räte sollen um die neuerliche Erlegung eines Doppelmonats bei den Bundesmitgliedern anhalten.

[7.] Von ringerung des Reichs anschlege: Unser geschickten sollen in alweg daran sein, das uns unser anschlag geringert werde, dann wir zu viel hoch angelegt, dann man uns als hoch als Bayren und hoher dann Hg. Moritzen angeschlagen, weliche doch vermugender land und leut dann wir hetten.

[8.] Gulich betreffend: Ob des Hg. von Gulich sachen furlieffen, sollen sich unsere rethe neutral darin halten. Konnen sie es aber zu einem vertrag und friden befordern oder pringen, das sollen sie thun.

[9.] Recusation belangend: Sie sollen daran sein, nachdem das chammergericht itzo neue ladung uff di acht des braunschweigischen lands halben lest ausgeen, das dan di stende von Schweinfurdt aus in gemein ein recusation an das chammergericht fertigen und dasselbig in allen sachen recusiren.

[10.] Bayrische verstentnus: Sie sollen sich mit den bayrischen rethen einlassen von einer verstentnus, nemlich also, das sie von den Bayren sollen vernemen, worauf derselbig verstandt beruhen solt. Und wolten sie, auch andere bischove und fursten, so ires teils sein, sich mit dem churfursten, uns und andern, so dartzue zu vermugen, in ein verstentnus einlassen, also das keiner den andern der religion oder sonstet halben ubertziehen oder beschweren solt, und das sy iren unterthanen di religion frey lassen oder zum wenigsten keinen straffen von wegen deß, das er di justification wie wir glaubn, das sacramendt unter beiderley gestalt eintpfing oder di pristerehe vor recht hilt oder prauchte etc., so were es ein gros ding und anzunemen. Konnte aber mit inen diser gros verstandt nit usgericht werden, nemlich das sie ir unterthanen unser religion halben nit in sonderheit beschweren oder sich irer religion zu halten dringen wollten etc., so ist unser meinung, das man sich doch sonst mit inen eins gemeinen verstands vergleicht, nemlich also das keiner den andern der religion halben oder sunst ubertziehen noch beschweren, auch ein teil gegen dem andern schuldig und aus chraft dises verstants verpflicht sein solt, uber des Reichs freyheitten defensive und nicht offensive zu halten. Doch so mussen wir in zeitlichen sachen und hulflicher ainung di ksl. und kgl. Mtt., auch andere unsere, nemlich di evangelische erb- und reinische ainung ausnemen und muste sich Bayren gantz ercleren und verpflichten, Hg. Heinrichen nit zu helfen oder beistand zu thun, wedder heimlich noch offentlich in keinen weg.

[11.] Religionfriden belangend: Unsere geschickten sollen mit und beneben den andern unsern religionsstenden ernstlich und mit allem vleiß dahin arbeiten und dringen, das man unsere[r] religion iren freien gang lasse und einen gemeinen friden der sache gebe, also das man keinen menschen beschwere von wegen des, das er der augspurgischen confession anhengig ist, sonderlich der justification, des sacraments unter beiderley gestalt oder der pristerehe halben, oder wann solichs nach muglichem angewentem vleis nit konnte erhalten werden, das man doch zum wenigsten ein reichs- oder nationalversamelung diser ding halben zu halten bewilligte und einreume. Ob Gott di gnad verleihen wolt, das man dadurch den armen, beschwerten christen helfen oder zum wenigsten in den glaubenssachen neehr zusamenkomen mocht. Und sonderlich sollen si mit allem ernst daran sein, das der augspurgisch abschied [1530] und das wormsisch edict [1521] ufgehoben und also Gott nit lenger im bann und achte gehalten werde. [...].

[12.] Bigamie des Lgf. von Hessen: Sollte dieses Thema vom Gesandten des Hg. von Braunschweig angesprochen werden, so sollen die hessischen Räte sich auf Befehlsmangel berufen und alle Vorwürfe abstreiten.

[13.] Pfandverschreibungen im eroberten braunschweigischen Land.

[14.] Abrechnung über hessische Kosten für den braunschweigischen Feldzug.

Anmerkungen

1
Der Schmalkaldische Bundestag wurde für 3. Nov. 1542 nach Schweinfurt ausgeschrieben und endete wegen Seuchengefahr am 15. Nov. 1542 mit einer Reihe nicht erledigter Themen, die auf den RT nach Nürnberg verschoben wurden. Da die Instruktion bereits vor dem Tag in Schweinfurt verfasst wurde, ist anzunehmen, dass dies Ende Okt. bzw. Anfang Nov. 1542 passierte.
2
Es handelt sich in C nur um jenen Teil der Instruktion, der die Türkenhilfe betrifft (Punkt 1).
3
Lgf. Philipp gab seinen Räten ergänzend zu diesen Anweisungen eine weitere Instruktion für Verhandlungen über die braunschweigische Fragen nach Nürnberg mit. In: Marburg StA, PA 650, fol. 17r–18a, o.O., o.D. (Fürstenberg, 1542 Dez. 6),
4
Zu diesem dritten Weg für eine Lösung in Braunschweig-Wolfenbüttel äußerte sich Lgf. Philipp von Hessen in einem Schreiben vom 15. Dez. 1542 aus Fürstenberg gegenüber dem sächsischen Rat Georg von Carlowitz: [...] Was aber die braunschweigische sach betrifft, gehet uns dieselbig nit allein, sondern gemeine unsere christliche verstendnus mit an; und wirdet unsers gewissen erachtens der kurfürst [von Sachsen] grosse beschwerung und bedenken haben, dasselbig land wider hinweg zu begeben; desgleichen ist es uns nicht weniger beschwerlich. Aber dannost, um fridlebens willen, so sollt uns nit zuwider sein, wann der vertriben von Brunschwig einen lauteren, klaren, durch ksl. und kgl. Mtt. ratificirten verzicht ufs land thete, dass alsdann den kindern ein stattlicher teil des landes widergegeben würde. Doch dass der kurfürst und wir und gemeine unsere christliche verstendnus auch mochten ein stattliches von demselbigen land vor unsern ufgewendten krigskosten, wilcher sich warlich hoch, nemlich bis in die sibenthalbmal hunderttausend [= 650 000] fl., anleuft, (wir geschweigen der schulden, darin dises land on das stecket, die sich auch bis in virthalbmal hunderttausend [= 350 000] fl. erstrecken, derwegen itzunder ein gross an- und einmanens ist), behalten [...]. Gedr. bei: E. Brandenburg, Poltische Korrespondenz, Bd. 1, Nr. 413, S. 516.
5
Hg. Erich II. d. J. von Braunschweig-Calenberg-Göttingen, für den während seiner Minderjährigkeit (1540 bis 1545) seine Mutter, Hgn. Elisabeth von Braunschweig (Schwester Kf Joachims II. von Brandenburg), regierte.
6
Hg. Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel, Dompropst in Köln und Bremen.
7
Siehe dazu Nr. 47c, Anm. 8 und 9.