Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Memmingen StadtA, A Bd. 320, S. 17–32 (Konz.); DV S. 32: Instruction des Reichs sachen und anschleg betreffen uff den reichstag gen Nurmberg, nach dem neuen jare umb Lichtmeß [Febr. 2] angefangen anno 43. ÜS S. 17: Instruction und bevelch, was unser Bgm. und rath der statt Memingen lieber mitrathsfreundt und gesandter Stoffel Zwickhern uff künftigem reichstag zu Nürnberg, so uff 14. November ußgeschriben, biß uff 13. [!] December erstreckht und erst nach dem neuen jar angegangen, handlen soll.

Die Reichsabschiede von Speyer und Nürnberg 1542 sowie die Abrechnung der Stadt Memmingen über die eingesammelte Türkenhilfe von 1542, die den Kreiseinnehmern in Ulm übergeben wurde, liegen der Instruktion bei.

Wenn der Gesandte vor den Obereinnehmer oder vor den Rechnungsausschuss bestellt wird, soll er die erhöhten Ausgaben für Reiter und Fußknechte im Türkenzug erklären und rechtfertigen. Gemeinsam mit den anderen Städten oder allein soll er den Reichsständen anzeigen, dass Memmingen den Gemeinen Pfennig ordnungsgemäß eingehoben und in die Kreistruhe abgeliefert habe. Dieses Geld sei von den Einnehmern des Schwäbischen Kreises nach Wien geschickt worden; trotzdem reichte in manchen Kreistruhen das Geld nicht aus, um das Kriegsvolk gegen Ende des Kriegszugs ausreichend zu bezahlen, was Unruhe unter den Knechten verursachte. Entgegen den Bestimmungen des Speyerer Reichsabschieds wurden die Reiter und Fußknechte mit ihren Soldforderungen an die Reichsstädte verwiesen, anstatt aus den Kreistruhen bezahlt zu werden. Der Gesandte soll sich darum bemühen, dass die Reichsstände ohne Benachteiligung der Städte für die fehlende Besoldung aufkommen. So wurd auch one zweyffel von andern auch wol angezaigt werden, daß etlich reichsstend kain truchen nie uffgericht und gar nichts geben, bey den man solchen usstand wol einnemen und die kneht darvon betzalen meht.

Um weitere Unruhen unter den Knechten zu vermeiden, erklärte sich Memmingen bereit, jedem Knecht bis zum jetzigen Reichstag 10 b. zu bezahlen. Außerdem habe die Stadt dem König Schießpulver für den Türkenzug vorgestreckt, für welches sie noch nicht bezahlt worden sei.

Falls die Forderungen Memmingens aus der Abrechnung des Gemeinen Pfennigs von den Reichsständen nicht akzeptiert würden, soll sich der Gesandte in seinem Verhalten an jenen Städten orientieren, denen Ähnliches widerfahre.

Verhandlungen über die Ringerung der Anschläge gehören zu den wesentlichen Aufgaben des jetzigen Reichstags, dann zu Nürnberg soll ain leidenlicher und gleichmessiger anschlag, der allen stenden erheblich und leidenlich sein müg, beschlossen und fürgenomen werden. Und one solchen nachlaß und ringerung ains gleichmessigen anschlags solt ir euch in kain weiter beharliche thurgkenhilf einlassen, sonder derhalb mit andern stetten der vorigen zu Speyr und jungst zu Nürnberg gethonen protestation anhangen und geleben.

Dem Gesandten werden zwei Fassungen der Supplikation2zur Ringerung der Anlagen mitgegeben. Je nach Verlauf des Reichstags soll er entscheiden, welche Variante der Supplikation (länger oder kürzer) am besten zu übergeben sei, wobei er die Vorlage gemäß den Gegebenheiten jederzeit ändern könne. Do muß aber gut achtung gehalten werden, für wen die suplication khom und wer allenthalb in die usschuß und in sonder über die suplication geordnet worden sey.

Der Gesandte soll mündlich oder schriftlich genaue Rechenschaft geben, wer seine Anlage in die Kreiskiste abgeliefert habe. Das Geld stamme nämlich nicht nur aus der Stadtkammer und von den städtischen Bürgern, sondern auch von geistlichen Spitälern, Gotteshäusern und reichen Pfahlbürgern, die bisher für ihr Hab und Gut kaum Steuern zahlten. Die haben jetz3 all ir hab und gueter versteuren müessen, die dann bey uns die reichesten sind und aber sonst gemeiner statt nit zuguten khomen.

Aufzählung weiterer Akten, die dem Gesandten zur Begründung der Position Memmingens mitgegeben werden, wie z.B. der Anschlag von Worms 1521 oder der Anschlag zur Unterhaltung des Reichskammergerichts etc.

Und ob über daz alleß, wiewol zu vermuten, ir kgl. Mt. anzaigen wurden, die noth und obligen deß Thürgkhen so groß sein, daß man alle stritt und spenn, so man sich in so kurtzer zeit nicht vergleichen meht – alß ringerung der anschleg, betzalung der kneht, visitation deß chamergerichts, auch die session und stim belangend – biß uff ain andere zusamenkunft uffschieben und sich jetzt ainer eylenden, verharlichen hilf vergleichen solten, domit man von dem schnellen und grossen uberzug deß Thürgkhen nit unwiderbringlichen schaden und verderben gewarten müessen: Uff daß ist unser mainung, wie one zweyffel der andern erbern stett auch sein wirt, daß wir one ain gleichmessig reht und bestendigen friden, visitation deß chamergerichts, ringerung deß [!] anschleg, auch die session und stimb im reichsrath gantz und gar in kain hilf bewilligen wellen, dann eß one daß nicht in unserm vermügen ist. Und daruff wolt mit andern beharren und darvon nicht dringen lassen.

So man aber diser beschwerden erledigt und darinn würckhlich gehandlet wurd, alßdann und vor nit, so mechten wir leyden, nahdem uff jungstem zug so vil groß gelt und gut uffgewandt umb vil erlicher und waidlicher kriegsleut khomen, die doch kain feind nit gesehen und gar nichts ußgericht, daß man alßdann allein von ainem zusatz und eylenden hilf geredt und uff die statt Wien verordnet hett, dergestalt so man ware khundtschaft und wissen, daz der Thurgkh selbst oder ain grosse maht seins volcks im anzug und uff den beinen, daz dann ain jeder standt, sovil man sich jetzt nah der vergleichung bewilligt, sein angepür uff deß konigs erfordern geen Wien geschickht hett und dasselb volckh allein zu bewarung deß Reichs grenitzen dahin verordnet, dann man ist nit schuldig, dem röm. konig ain ander konigreich – alß Ungern – zu gewinnen und darumb mer solchen merckhlichen und grossen costen und schaden ze leiden.

Wurd aber der Thürgkh sich understeen, uff Wien, Österreich und ander deß Reichs grenitzen und uff die cristenhait zu ziehen, alßdann wer unser bedenckhen, daß man sich ainer beharlichen hilf vergleicht und dieselb suma zu roß und fuoß in vier thail gethailt, namlich den churfursten ainen, den fursten, prelaten, graven und herrn den andern, den frey- und reichsstötten den dritten und den ritter und khnechten, alß dem gemainen adel in teutscher nation, den vierten thail zugeordnet und irem stand – nach erwegung der lender, furstenthumen, grauffe- und herschaften, stett und des adels weitte [= Ausdehnung des Besitzes], gelegenhait und vermugen – ain leidlichs und zimlichs aufgelegt, und dann ain yeder vierter thail sich selbst mitainander deß abermalß vergleicht hetten. Und daß dan ain yeder vierter thail uber sein volkh zu roß und fuoß ain besonder regement gehapt und vier obersten daruber verordnet und aim yeden vierthail zugelassen, ainen auß den iren dartzu[zu] erwellen. Und waß sich die vier mitsampt iren zugeordneten khriegßräthen mit dem merern yederzeit beschliessen, dem solte volziehung beschehen und denselben bevolhen sein, ain kriegßregement zu begreiffen und maß zu geben. Und ob die kgl. Mt. oder ain anderer zu obersten uber die alle verordnet wurdt, daz doch ir Mt. one die andere 4 zugebne obersten nichts wurckhlichs mit dem khriegsvolckh furnemen ader die andern mit dem merern in irem vorhaben nit verhindern sollt4.

Darauß wurd man sehen und erlernen, wer dem Reich gehorsam oder ungehorsam, dem merer oder minder hilf thät, und wurd dardurch vill grosser uncosten und vinantzenß [= Betrügereien] abgeschnitten und furkhomen.

Anmerkungen

1
Es sind 11 Berichte Christoph Zwickers aus Nürnberg an Bgm. und Rat von Memmingen erhalten (in: Memmingen StadtA, A Bd. 320, S. 499–569), die den Zeitraum von 4. Febr. bis 3. April 1543 umfassen. Ob Zwicker die Instruktion bereits bei seinem Aufbruch aus Memmingen erhielt oder später nach Nürnberg nachgesandt bekam, ist nicht feststellbar. Nach Zwickers Abreise Anfang April war Georg Maurer der Vertreter von Memmingen, Leutkirch und Lindau in Nürnberg.
2
Fehlt in den einschlägigen Beständen.
3
D.h. bei der Einhebung des Gemeinen Pfennigs.
4
Der Vorschlag Memmingens, die Kosten für die beharrliche Türkenhilfe zu vierteln und auf die vier Gruppen der Reichsstände aufzuteilen war dem Bedürfnis des Rates geschuldet, eine Verringerung der Kosten für Memmingen und eine Belangung der säumigen Zahler zu erreichen. Siehe dazu: P. Frieß, Die Außenpolitik der Reichsstadt Memmingen, S. 190–192.