Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Unmittelbar nach Ende der Frankfurter Gespräche begab sich Maximilian am 21. Juni über Aschaffenburg, Miltenberg, Rothenburg o. d. Tauber, Nördlingen und Donauwörth nach Augsburg, wo er am 6. Juli eintraf. Auf der Zwischenstation in Rothenburg fertigte er eine Instruktion für seine Gesandten zu den in Mainz versammelten Reichsständen, den Fuldaer Abt Hartmann von Kirchberg und seinen Hofmarschall Leonhard Rauber, Freiherr zu Planckenstein, an (Nr. 757). Beide Kommissare waren zwar nicht besonders hochrangig, vor allem keine Reichsfürsten, besaßen aber immerhin einige Erfahrung im diplomatischen Dienst Maximilians. Im Juli 1510 gehörte Abt Hartmann, damals noch Koadjutor in Fulda, der kaiserlichen Delegation an, die in Posen Verhandlungen mit polnischen Vertretern über den Deutschen Orden führte1, während Rauber sich 1507 an einer königlichen Gesandtschaft nach Venedig beteiligte.2 In der Instruktion verwies Maximilian zunächst auf seine bisherigen Bemühungen, den eines Adeligen unwürdigen Gewalttaten Franz von Sickingens durch ein allgemeines Reichsaufgebot Einhalt zu gebieten und ihm die Unterstützung durch seine Standesgenossen zu entziehen. Auf dem Mainzer Reichstag solle darüber und über eine zusätzliche Hilfe seitens der Reichsstände beraten werden. Maximilian versicherte, er hätte an diesen Gesprächen gerne von Anfang an teilgenommen, sei aber nun doch zu der Auffassung gelangt, dass dafür zunächst seine beiden Kommissare ausreichten. Später werde er dann auch persönlich nach Mainz kommen.
Maximilian sprach allerdings in der Instruktion noch ein weiteres Problem an, das er in den vergangenen Monaten gegenüber den Reichsständen mit keinem Wort erwähnt hatte, welches aber bald zum zentralen Thema seines politischen Handelns werden sollte: die Auseinandersetzung mit Herzog Ulrich von Württemberg. Dieser hatte 1511 Herzogin Sabine von Bayern, Tochter Herzog Albrechts IV. von Bayern und damit Nichte Kaiser Maximilians, im Rahmen einer pompösen Hochzeitsfeier geheiratet. Die Ehe wurde jedoch nicht glücklich. Zudem erschlug Ulrich 1515 Hans von Hutten, den Ehemann seiner Geliebten, gegen seine Gemahlin wurde er gewalttätig, sodass diese zu ihren bayerischen Verwandten nach München flüchtete. Im September 1516 musste er sich deswegen in Augsburg vor dem kaiserlichen Hofgericht verantworten, war aber nicht bereit, Maximilians Spruch zu akzeptieren, weshalb dieser am 11. Oktober die Reichsacht gegen ihn verhängte.Ungeachtet dessen kam es wenig später zu erneuten Verhandlungen, die am 22. Oktober mit dem Blaubeurer Vertrag endeten. Er stellte einen Kompromiss zwischen den kaiserlichen Forderungen und den Einwänden Herzog Ulrichs dar, der daraufhin aus der Acht gelöst wurde. Dennoch verübte er schon bald neue Gewalttaten. Noch auf der Heimreise von Blaubeuren ließ er das Schloss Hiltenburg Graf Ulrichs von Helfenstein niederbrennen, einige Zeit später mehrere führende Vertreter der württembergischen Ehrbarkeit wegen angeblichen Hochverrats foltern und hinrichten. Anfang April 1517 folgte ein weiteres Vergehen: Aus purer Rache brandschatzte er die Besitzungen Dietrich Späts, der früher einer seiner Vertrauten gewesen, nach dem Mord an seinem Verwandten Hans von Hutten aber zum Feind Ulrichs geworden war.
Mit diesem letzten Gewaltakt brachte Herzog Ulrich Kaiser Maximilian endgültig gegen sich auf. Dieser warf ihm in der Instruktion für die Reichstagskommissare vor, er habe während seiner eigenen kriegsbedingten Abwesenheit in Italien den Blaubeurer Vertrag massiv verletzt, plane mit Unterstützung der Aufständischen des Armen Konrads einen Angriff auf die habsburgischen Erblande, wolle dazu Knechte des kaiserlichen Widersachers Herzog Karl von Geldern in Dienst nehmen, bereite zusammen mit König Franz von Frankreich eine Attacke gegen das Reich vor und versuche dafür auch die Unterstützung der Eidgenossen zu gewinnen. Da dem zu erwartenden gemeinsamen Angriff des Herzogs und des Armen Konrads nicht ohne starke militärische Kräfte entgegengetreten werden könne, sollten die Reichsstände in ihren Territorien jeweils den 50. Mann aufbieten und diese Hilfe im Bedarfsfall zur Verfügung stellen.
Wenige Tage vor Abfassung der Instruktion hatte Kaiser Maximilian während seines Aufenthalts in Frankfurt den Kurfürsten Albrecht von Mainz, Ludwig von der Pfalz und Joachim von Brandenburg ebenfalls einen bemerkenswerten Auftrag erteilt (Nr. 788). Franz von Sickingen habe, so behauptete er, darum gebeten, ihn für sein Vorgehen gegen Worms „zu begnaden und derhalben sein entschuldigung zu horen“. Wann und wo diese Bitte ergangen sein sollte, sagte Maximilian, der sich ja seit Januar 1517 in den Niederlanden aufgehalten hatte, nicht, es liegt auch kein schriftlicher Nachweis darüber vor. Obwohl er, so Maximilian weiter, eigentlich vorgehabt habe, Sickingen für sein Verhalten „mit dem schwert zu strafen“, so habe er sich nunmehr „Got zu eren“ doch entschlossen, ihm eine Chance zu geben. Die drei Kurfürsten sollten deshalb Sickingen zu einer Anhörung nach Mainz vorladen. Dieser möge sich zudem verpflichten, in den acht Tagen nach seiner Abreise aus Mainz gegenüber Worms stillzuhalten. Je nachdem, wie das Ergebnis der Anhörung ausfalle, werde er entscheiden, ob weitere Gespräche mit Sickingen geführt werden sollten oder wie geplant gegen ihn vorgegangen werde.
Maximilian war sich aber auch darüber im Klaren, dass es zur Abstellung der von Franz von Sickingen ausgehenden Gewalt nicht ausreichte, diesen allein zu befrieden, hatte er doch viele adelige Verwandte und Freunde und zudem Rückhalt bei großen Teilen der Ritterschaft im Reich. Der Kaiser teilte deshalb den in Frankfurt anwesenden Reichsständen mit, er habe alle diesseits des Rheins und am Main ansässigen Adeligen, „so in tat oder in rat wider ir Mt. und das hl. Reich gewesen sin, dem Sigkinger anhengig“, nach Gelnhausen, Friedberg und Mergentheim geladen. Da sich offenkundig viele von ihnen als „fogelfrey“ betrachteten, glaubten sie tun zu können, „was sie wollen wider Got, Babst, Ks., Kg. und das hl. Reich.“ Diese Unbotmäßigkeit könne und wolle er nicht mehr tolerieren. Aus diesem Grund sollten sich künftig alle achtzehn Jahre alten Adeligen eidlich gegenüber Kaiser und Reich verpflichten, keine Friedbrecher mehr zu unterstützen. Wer den Eid nicht leiste, „sol lib und gut verwurkt haben“, wer weiterhin „heckenreutery oder straßreubery“ betreibe, werde bestraft. Außerdem sei ihm bekannt, wie lange es oft dauere, bis Adelige in Gerichtsverfahren mit Kurfürsten, Fürsten, Prälaten, Grafen und Städten zu ihrem Recht kämen. Um hier Abhilfe zu schaffen, solle ein neues – im Einzelnen näher beschriebenes – Ritterrecht geschaffen und künftig angewandt werden (Nr. 772).
Wenig später schickte der Kaiser Kommissare zu den rechts und links des Rheins, im Westrich, auf dem Hunsrück, im Wasgau, an der Lahn, in der Wetterau, im Odenwald, am Obermain und andernorts ansässigen Adligen, um ihnen seine Pläne vorzutragen. Zusätzlich zu den genannten Punkten sollten die Kommissare „zu eren und wolfart des frommen, loblichen adls und zu vermeidung lasters und ubltaten im hl. Reich“ eine Reform der Turniergesellschaften ankündigen, „so vor zeiten im hl. Reich umb aller geborner leut, mann und frauen, zucht und eer willen in übung gewest und aus hinlässigkait und andern ursachen ain gute zeit her nit gepraucht worden“ seien. Ihre zum 17. Februar 1518 vorgesehene Wiederaufrichtung diene dem Ziel, „damit under dem adel gut sitten und erbarkait, darauf er dann gestift ist, gehalten und das ubel verhuet werde“ (Nr. 774). Die Verhandlungen der kaiserlichen Kommissare mit den in Friedberg und auf der Burg Gelnhausen versammelten Vertretern zahlreicher hessischer Ganerbschaften verliefen allerdings aus Sicht Maximilians nur bedingt erfolgreich. Die Adeligen baten zwar darum, das neue Ritterrecht auf dem Mainzer Reichstag aufzurichten, erklärten sich auch bereit, an den Beratungen über die Reform der alten Turniergesellschaften teilzunehmen, lehnten jedoch den verlangten Eid gegenüber Kaiser und Reich in der ihnen vorgelegten Form ab. Mit ihm würden sie sich „selbs schmach und unere, als ob sie sich verwurkt hetten, uflegen“ (Nr. 775, 777). Maximilian beauftragte daraufhin die Reichsstände, die begonnenen Gespräche mit den Ganerben und Rittern auf dem Mainzer Reichstag fortzusetzen (Nr. 779, 781, 782), wozu es jedoch nicht mehr kam. Verhandlungen kaiserlicher Kommissare mit dem Ritterkanton Odenwald scheiterten daran, dass auf zwei Versammlungen in Wimpfen und Mergentheim jeweils zu wenige Adelsvertreter anwesend waren (Nr. 783–786). Diejenigen, die erschienen, erklärten sich zwar mit den Wiederbelebung der Turniergesellschaften einverstanden, lehnten jedoch die Eidesleistung ebenfalls ab und bezeichneten das neue Ritterrecht als unzureichend (Nr. 787). Damit war Maximilians Versuch, vor dem Hintergrund der akuten Sickingen-Problematik die Ritterschaft im Reich stärker an sich zu binden, ihre Unzufriedenheit mit bestimmten Rechtszuständen zu mindern, ihre latente Gewaltbereitschaft einzudämmen und eine Rückbesinnung auf die traditionellen Werte des Adelsstandes anzustoßen, gescheitert. Seine Bereitschaft, diese interessante und durchaus wegweisende Initiative fortzusetzen, dürfte jedoch nicht zuletzt auch deshalb erloschen sein, weil er sich – wie noch zu zeigen sein wird – im August 1517 mit Franz von Sickingen, einem der fragwürdigsten Vertreter des Niederadels seiner Zeit, verständigt und sogar versucht hatte, ihn für seine Zwecke, den geplanten Feldzug gegen Herzog Ulrich von Württemberg, zu instrumentalisieren.
Die beiden genannten kaiserlichen Instruktionen markieren nicht nur einen signifikanten Wendepunkt im Ablauf des Mainzer Reichstags, sondern auch einen für Maximilian typischen abrupten Wechsel in seinen politischen Zielsetzungen. Hatte er seit der Mobilisierung der Reichskreise Anfang Dezember 1516, dem damit verbundenen Aufgebot des gesamten Reiches und dem Reichstagsausschreiben vom 23. April alles auf ein umfassendes militärisches Vorgehen gegen Sickingen ausgerichtet, so änderte er Ende Juni seine Absichten innerhalb weniger Tage grundlegend. Anstatt gegen Sickingen plante er nunmehr offenkundig, mit Unterstützung der Reichsstände gegen den neuen Widersacher Herzog Ulrich von Württemberg vorzugehen. Dieses neue Ziel war für ihn augenscheinlich auch das maßgebliche Motiv dafür, nicht am Mainzer Reichstag teilzunehmen, sondern sich in seine Lieblingsstadt Augsburg zu begeben, um von dort aus unbeeinflusst durch die Reichsstände das weitere Vorgehen gegen den Württemberger planen zu können.
Währenddessen fand in Mainz vom 26.–28. Juni die von Maximilian gewünschte Anhörung Franz von Sickingens durch die Kurfürsten von Mainz, der Pfalz und Brandenburg statt. Der Befragte zeigte sich dabei wenig einsichtig oder gar schuldbewusst (Nr. 791). Vielmehr legte er in einer ausführlichen Denkschrift (Nr. 792) nochmals die Gründe für seine Fehde gegen Worms dar, erklärte diese für legitim und allein durch das schändliche Verhalten der Reichsstadt gegenüber seinem Schützling, dem damaligen bischöflich-Wormser Notar Balthasar Schlör, veranlasst. Gegen Kaiser und Reich habe sie sich nie gerichtet. Wenn sie beendet werden sollte, müsse Worms zuvor fünf klar formulierte Bedingungen erfüllen (Nr. 793). Deshalb könne und wolle er auch den vom Kaiser verlangten und von den Kurfürsten dringend empfohlenen Stillstand nicht akzeptieren.
Das Ergebnis der Mainzer Anhörung wurde umgehend dem Kaiser nach Augsburg übermittelt. Man hätte erwarten können, dass es ihn zu einer scharfen Reaktion gegen Sickingen veranlasste, doch das Gegenteil trat ein: Am 17. Juli fertigte er ein Mandat aus, in dem er behauptete, „durch etliche unser und des Reichs Kff., Ff., Gff. und ander vom adel hoichlich und mit undertenigem fleis ersucht und gebeten worden“ zu sein, Franz von Sickingen wieder zu „begnaden“, ihn zusammen mit seinen Helfern und Anhängern aus der Reichsacht zu lösen und allen ihre früheren Ehren und Rechte zurückzugeben. Er entspreche hiermit dieser Bitte und gebiete allen Reichsuntertanen, seine Verfügung zu beachten (Nr. 801). Der tatsächliche Grund für die bemerkenswerte Begnadigung des Friedbrechers war hingegen ein ganz anderer, denn nur einen Tag später beauftragte Maximilian Reichserbmarschall Ulrich von Pappenheim und Heinrich Drosch, Sickingen die Achtlösung zu überbringen und mit ihm Verhandlungen über seine Indienstnahme gegen Herzog Ulrich von Württemberg aufzunehmen. Ihm müsse allerdings geboten werden, seine Absolution „in grosser gehaim zu halten“, denn wenn sie zu früh bekannt würde, „so würde von stund des Reichs hilf, so angezogen ist, wider haimziehen und mochten wir uns hernach derselben, wann wir die geprauchen woltn, nit behelfen.“ (Nr. 803) Der Verschreibungsentwurf (Nr. 804), den die beiden Abgesandten Sickingen überbrachten, nannte auch bereits konkrete Modalitäten für seine Indienstnahme: Er sollte dem Kaiser mit 1500 Berittenen einen Monat lang auf eigene Kosten gegen Herzog Ulrich dienen. Der Gewinn, der dem bis eben noch geächteten Raubunternehmer in Aussicht gestellt wurde, mutet vor dem Hintergrund Jahrzehnte langer Bemühungen um den Friedensschutz im Reich fast skandalös an: „Was ich mit prandschatzung, raub und nam auf dem land zu Wirtemberg gewynnen mag, das sol mir zusten.“ Nach Ablauf des einen Monats sollte Sickingen dem Kaiser gegen Herzog Ulrich „bis zu end des kriegs“ weiter dienen „und mich meiner person gelegenhait und vermogen nach dermassen halten, darab sein ksl. Mt. ungezweyfelt ain gn. gefallen von mir haben wirdet.“ Dass das schon zuvor große Selbstbewusstsein Sickingens durch die überraschende kaiserliche Begnadigung noch weiter gestärkt wurde, zeigte sich in den anschließenden Verhandlungen mit den kaiserlichen Abgesandten, lehnte er es doch rundweg ab, mit 1500 Berittenen einen Monat lang in kaiserliche Dienste gegen Herzog Ulrich zu treten. Angesichts dessen blieb Maximilian nichts anderes übrig, als eine wesentlich unkonkretere Vereinbarung mit ihm zu treffen. In seiner Verschreibung vom 16. August sagte Sickingen schließlich nur zu, „ain dinst und hilf wider Hg. Ulrichen von Wirtemberg und seine helfer und anhenger“ zu leisten. Die entsprechenden Einzelheiten werde er mit kaiserlichen Vertretern besprechen (Nr. 809). Noch vorteilhafter für ihn war eine zweite Abmachung, in der er erklärte, er habe mit Maximilians Abgesandten einen „anstant“, also eine vorläufige Pause in seiner Fehde gegen Worms, vereinbart. Wenn einer der beiden Kontrahenten diese nicht mehr aufrechterhalten wolle, könne er sie der Gegenseite „14 tag vor taitlicher handelong zuvor abkunden“ (Nr. 807). Faktisch hatte Sickingen damit vom Kaiser das Recht erhalten, die bewaffneten Attacken gegen Worms mit zweiwöchiger Vorlaufzeit jederzeit wieder aufzunehmen. Dass er diese für ihn so überaus vorteilhafte Abmachung den in Mainz versammelten Reichsständen mitteilen konnte, bereitete ihm sicherlich große Genugtuung (Nr. 808).
Zwischenzeitlich hatte Herzog Ulrich von Württemberg auf die Vorwürfe, die die Reichstagskommissare im Auftrag Maximilians in Mainz gegen ihn erhoben hatten, rasch reagiert. In einem Schreiben an die versammelten Reichsstände vom 5. Juli betonte er seine ungebrochene Gehorsams- und Dienstbereitschaft gegenüber dem Kaiser, bat sie, den auf „ungestüm anhalten und unwarhaftig inbildunge unserer widerwertigen“ basierenden Anschuldigungen gegen seine Person keinen Glauben zu schenken, und bot an, seine Unschuld zu beweisen (Nr. 813). Die sichtlich um eine Entschärfung des sich immer mehr aufbauenden Konflikts bemühten Reichsstände teilten dem Kaiser mit, da ihnen das Erbieten Ulrichs, der ja immerhin ein Reichsfürst sei, „nit unzimlich“ erscheine, bäten sie darum, ihm eine Anhörung zu gewähren (Nr. 816). Doch Maximilian war längst zu keiner Verständigung mehr bereit. Gegenüber einer Abordnung der württembergischen Landstände, die zu ihm nach Augsburg gekommen war, wiederholte er nicht nur die Vorwürfe gegen Herzog Ulrich, sondern forderte sie sogar auf, die Einsetzung eines Regiments in Württemberg, also faktisch die Absetzung ihres Landesherrn, zu erwägen (Nr. 818). Die Gesandten wiesen jedoch diese „anmutungen […] ern und pflicht halb“ strikt zurück, habe doch Ulrich „bisher ftl. und erlich regiert und regiert uf disen tag so ftl., eerlich und wol, das wir siner ftl. Gn., ouch irer ret kain beswerung noch mangel, sonder ganz undertenig und gut wolgevallen haben“ (Nr. 819 [4.]). Für Maximilian hingegen kam, wie er den Reichsständen antwortete, eine Anhörung des Herzogs nur in Frage, wenn dieser dabei den Bruch des Blaubeurer Vertrag und seine nachfolgenden Gewalttaten vorbehaltlos eingestand (Nr. 821). Doch dazu war Ulrich keinesfalls bereit. In einer öffentlichen Protestation, die seine Gesandten Heinrich von Liebenstein und Dr. Johann Henninger den Reichsständen in Mainz überbrachten, äußerte er sein Befremden über die kaiserlichen Anschuldigungen, entkräftete sie Punkt für Punkt, erklärte die vom Kaiser geforderte Bewilligung des 50. Mannes für eine Strafexpedition gegen ihn für nicht erforderlich und erbot sich zu Recht vor den Reichsständen, dem Schwäbischen Bund oder den Eidgenossen (Nr. 823).
Diese Verlautbarung empörte Maximilians zutiefst und zementierte endgültig seinen Entschluss, mit aller Härte gegen den Herzog vorzugehen. Zunächst verfasste er am 28./31. Juli eine umfangreiche gedruckte „justification“, die im ganzen Reich verbreitet wurde. Darin wies er nicht nur alle Aussagen Ulrichs als unwahr zurück, sondern erinnerte auch nochmals an dessen Bruch des Blaubeurer Vertrags, die Ermordung Hans von Huttens sowie die massive Verletzung der Reichsordnung durch die Gewaltakte gegen die Besitzungen Ludwig Späts und Graf Ulrichs von Helfenstein. Außerdem habe Ulrich Anführer der Aufstandsbewegung des Armen Konrads an seinem Hof in Dienst genommen, seine Kontakte zu Herzog Karl von Geldern, König Franz von Frankreich und den Eidgenossen seien flagrante Verletzungen seiner Lehnspflicht, ja Teil eines geplanten Angriffs auf Kaiser und Reich. Das Angebot eines Ausgleichs mit dem Württemberger gelte zwar weiterhin, jedoch nur unter den von ihm, dem Kaiser, genannten Bedingungen. Den Eintritt in ein Rechtsverfahren lehne er strikt ab (Nr. 829). Gleich darauf wandte Maximilian sich erneut an die in Mainz versammelten Reichsstände. In einer Instruktion für seine Reichstagskommissare vom 1. August äußerte er sich empört über Ulrichs „beschönung seiner übeltaten“. Er habe ihn deswegen an seinen Hof zitiert, „an ime zu volziehen die strafen, darein er gevallen ist“, doch sei zu erwarten, dass er nicht erscheinen werde. Daher bleibe nichts anderes übrig, als „den krieg wider ine zu fuern“. Alle Reichsstände seien aufgefordert, dazu den 50. Mann zu stellen. Die in Mainz versammelten Kurfürsten und Fürsten könnten zwar nach Hause reisen, doch sollten sie je einen ihrer Räte zu ihm nach Augsburg schicken, um dort weiter über „des hl. Reichs, deutscher nation und gemeiner christenhait sachen und notturften zu ratslagen, zu handlen und zu besliessen“ (Nr. 923). Einige Zeit später wiederholte Maximilian dieses Ersuchen, das praktisch einer Auflösung des Mainzer Reichstags gleichgekommen wäre, noch bevor dieser mit seiner Arbeit richtig hatte beginnen können. Die Reichsstände wiesen das selbstherrliche Ansinnen mit gemessenen, aber klaren Worten zurück. Sie seien „als „diejenigen, die röm. ksl. Mt., des hl. röm. Reichs und teutzscher nation ehr, nutz und wolfart gern sehen und, sovil an ine, ires vermogens ungesparts vleiß furdern wollten“, gewillt, in Mainz zu bleiben, um über die gegenwärtige „notturft und schwer obligend“ des Reiches zu beraten und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen (Nr. 766 [1.], 767 [2.]). Ihre Aussage ließ sich durchaus als subtile Kritik am Kaiser verstehen, der nicht zum Reichstag erschienen war, sondern stattdessen in Augsburg seine ganz eigenen Ziele verfolgte. Die zahlreich in Mainz anwesenden Gesandtschaften erklärten ihrerseits, dass sie „weder mit cleidong, zerung noch in andere wege“ so ausgestattet seien, dass sie einen kurzfristigen Ortswechsel vornehmen könnten. Zudem hätten sie „von iren Hftt. des keinen besondern gewalt noch bevelch“ (Nr. 766 [2.]).
Angesichts der sich augenscheinlich immer mehr verhärtenden Fronten zwischen Maximilian und Herzog Ulrich und der unabsehbaren Folgen eines Krieges zeigten sich die in Mainz versammelten Reichsstände tief besorgt. Gegenüber dem Kaiser verwiesen sie auf „der undertanen und gemeins mans unruigkeit, elend und armut, teurung, mißwachs, auch der seltzamen, schwinden leuft und ingrieff, so sich allenthalben im hl. Reich ytzt mehr dan in vergangner zeit ereugen“, warnten vor „aufrur und krieg im hl. röm. Reich, auch der Teutschen blutvergiessen“, die sämtliche Reichsterritorien und insbesondere das Herzogtum Württemberg schwer treffen würden, und boten ihre Vermittlung an (Nr. 836). Den Schwäbischen Bund sowie Erzherzogin Kunigunde als Schwester Maximilians und Schwiegermutter Herzog Ulrichs baten sie um Unterstützung ihres Schiedsangebots (Nr. 837, 838). Als es dann aber an dessen Konkretisierung ging, kamen den Kurfürsten plötzlich Bedenken. Ursprünglich sollten dem kurienübergreifenden Moderatorenteam ein oder zwei Kurfürsten, zwei Fürsten und je ein Vertreter der Grafen, der Prälaten und der Reichsstädte angehören, doch erklärten Albrecht von Mainz, Hermann von Köln, Richard von Trier und Ludwig von der Pfalz nunmehr einmütig, sie könnten sich wegen anderer Verpflichtungen nicht beteiligen. Schließlich wurden Markgraf Philipp von Baden für die weltlichen und Bischof Wilhelm von Straßburg für die geistlichen Fürsten gebeten, die Aufgabe zu übernehmen (Nr. 840, 841).
Am 21. Juni war der Kaiser aus Frankfurt a. M. in Richtung Augsburg abgereist, wo ab dem 24. Juni eine Versammlung des Schwäbischen Bundes stattfand. Mit ganz ähnlichem Wortlaut wie in der Instruktion für seine Reichstagskommissare teilte Maximilian den Bundesmitgliedern mit, dass die von den Reichskreisen bereitgestellte Hilfe zusammen mit der vom Mainzer Reichstag noch zu bewilligenden Unterstützung wohl nicht ausreichen werde, um die doppelte Bedrohung des Reiches durch Franz von Sickingen und Herzog Ulrich von Württemberg abzuwenden. Deshalb fordere er auch sie, wie bereits die in Mainz versammelten Reichsstände, auf, den 50. Mann zu stellen und ihre Truppen mit denjenigen des Reiches zu vereinigen. Er selbst werde für das Haus Österreich 1000 Berittene und 4000 Fußsoldaten beisteuern (Nr. 1027). Daraufhin wurde zur Beratung über das kaiserliche Ersuchen für den 25. Juli eine weitere Bundesversammlung nach Augsburg einberufen. Dorthin hatte Maximilian mit seinen beiden Neffen Wilhelm und Ludwig von Bayern sowie dem loyalen Markgrafen Kasimir von Ansbach-Kulmbach auch drei ihm besonders nahe stehende Fürsten bestellt, ihnen in einer nicht weniger als achtzehn Punkte umfassenden Auflistung sämtliche bisherigen Vergehen Herzog Ulrichs von Württemberg vor Augen geführt und sie ersucht, ihn in seinem notwendigen bewaffneten Kampf gegen den Übeltäter zu unterstützen. „Wo wir darin stillstuenden, wurden zulest wir und daz hl. Reich von im übereylt. […] Darumb ist itz die recht zeit, in zu strafen.“ Auf die ihn nicht zufrieden stellende Antwort reagierte Maximilian mit „hitzig wort gegen obberurte Ff., villeicht aus bewegtem zorn“, doch letztlich musste er sie akzeptieren (Nr. 1035).
Die Reaktion des Schwäbischen Bundes entsprach ebenfalls nicht seinen Erwartungen. Wie schon die Reichsstände in Mainz boten auch die Bundesmitglieder eine Vermittlung im Konflikt mit Herzog Ulrich an, die Maximilian jedoch ebenfalls ablehnte. Da er nach dem Prinzip handle „Si vis habere pacem, prepara bellum. Ob ainer frid haben will, der berait den krieg“, kämen für ihn Schiedsverhandlungen erst nach der Bewilligung einer Bundeshilfe in Frage (Nr. 1036, 1037). Sie zu leisten, sei der Bund vertraglich verpflichtet, da es sich bei den Taten des Württembergers um einen Angriff auf die kaiserliche Ehre und Würde handle. Schließlich drohte er, wenn ihm jetzt Hilfe verweigert werde, sehe er sich, „so dem bund samet oder sonderlich not begegnen würd“, veranlasst, „irer Mt. hilf auch an sich zu halten“ (Nr. 1038). Fürchte der Bund die Macht des württembergischen Herzogs, werde er ihm weitere 1500 Berittene und 5000 Fußsoldaten, also insgesamt 2500 Reiter und 9000 Kämpfer zu Fuß zuschicken (Nr. 1039 [4.]). Doch auch diese den realen Möglichkeiten des Kaisers in keiner Weise entsprechende Zusage bewegte den Schwäbischen Bund zu keiner Hilfeleistung.
Maximilians Enttäuschung darüber, dass nach den Reichsständen in Mainz nunmehr auch der Schwäbische Bund, dessen Oberherr er doch war, die geforderte Kriegshilfe verweigerte, war groß. Eine Teilnahme am Mainzer Reichstag, die er noch einige Wochen zuvor in Aussicht gestellt hatte, kam für ihn unter diesen Umständen nicht mehr in Frage. Als das Scheitern der Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund deutlich wurde, beschloss er, aus Augsburg abzureisen. Dafür lieh ihm der reiche Jakob Fugger, der ihn in der Vergangenheit schon so oft mit stattlichen Summen aus finanziellen Notlagen gerettet hatte, ohne „alle verweisung und indresse“ weitere 8000 Gulden. Maximilian wollte sich damit laut eigener Aussage nach Innsbruck begeben (Nr. 1045). Am 20. August verließ er Augsburg, reiste dann aber doch nicht nach Tirol, sondern Donau abwärts nach Oberösterreich.
Ab Mitte August ging auch der Mainzer Reichstag allmählich seinem Abschluss entgegen. Als die beiden Reichstagskommissare am 17. August die reichsständischen Gesandtschaften erneut aufforderten, zum Kaiser nach Augsburg zu kommen, erklärten diese am folgenden Tag, da sie derzeit keine weiteren Weisungen von ihrer Herren hätten, würden sie ihren Abschied nehmen und aus Mainz abreisen (Nr. 770). Am 20. August berichtete der Augsburger Gesandte Hieronymus Imhoff, der Reichstag sei beendet (Nr. 1047).3