Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Marburg StA, PA 650, fol. 365r–368v (z.T. Kop., z.T. Konz. von verschiedenen Händen).

Der Lgf. von Hessen sendet den Räten die Kopie eines Schreibens des Kf. von Sachsen betr. die Geldernverhandlungen1. Er ist sich nicht völlig im Klaren, wie die von den jülichschen Räten gegenüber den kursächsischen Gesandten gemachten Vorschläge zur Konfliktlösung zu verstehen sind. In jedem Fall sollen die hessischen Gesandten alle in Zusammenhang mit den Geldernverhandlungen erhaltenen Informationen geheim halten und sich mit niemandem darüber austauschen. Dann dweil dise sach nit unser, sondern eines andern ist, so wolten wir gern, das die desto geheymer gehalten wurde, sondern ir beide2 allein zum H. Granvelle gehet und sonst nimants mer zu euch zihet, euch erstlich gegen im betingtet [= übereinkommt, verabredet], was ir mit im werdet reden, daß wir solchs treulich und zum besten ksl. und kgl. Mtt. meynen und im darnach anzeiget, das wir bedechten, so di ksl. und kgl. Mtt. wolten di erste krig fhuren uff Hungern gegen dem Turcken an einem ort und gegen Franckreich am andern ort und dan disen krig gegen Gulch, so were wol so gut, ir Mt. lisse den Hg. von Gulch wider tzu gnaden komen und sonderlich uff nachvolgende wege, wann man di konte also bei Gulch erhalten:

Erstlich, das sich Gulch verpflichte, uff geheiß und bevelch ksl. und kgl. Mtt., auch Kff., Ff. und stend des gantzen Reichs dem Frantzosen nit mer antzuhangen, im keine leute mer tzutzihen ze lassen, sondern seiner gentzlich mussig zu stehen.

Zum andern, das Gulch alle forderung, so er tzur ksl. Mt. hette, lisse fallen, als nemlich di er zu Braband und Frißland hat, item di schulden, wilche ksl. Mt. im von wegen seiner furfarn zu thun sein mocht und was dero mer seyn möchten.

Zum dritten, das Gulch der ksl. Mt. widerumb zustelte alles geschutz, alle fenlin und alle gefangen, so er in itziger schlacht3 gewonnen, item das dem von Arburg widerumb tzugestelt wurde das haus Arburg4, item den Burgundern alle ire heuser und ligende gutter, so inen in itztiger vhede abgenommen sein wurden. Und es solt auch der Hg. von Gulch di ksl. Mt. neben andern seinen hern und frunden bitten, das ir ksl. Mt. die ungnad, so sy zu im trugen, fallen lisse.

Darauf solt ksl. Mt. – und sonderlich auch uff di unterthenige bitt der chur- und fursten und anderer stend deutscher nation, als des von Gulichs hern und frunden – ire gefaste ungnad, so sie wider Gulch haben, gnediglichst fallen lassen. Auch di, so dem von Gulch abgefangen [= gefangen genommen] weren, widerumb zu gnaden ledig lassen. Item das land tzu Geldern dem Hg. von Gulch als ein afterlehen zu manlehen leihen [Nr. 225], wilch land zu Geldern ein Hg. von Burgund von eynem keiser zu lehen tregt.

Item es solten auch dem Hg. von Gulch, was im von schloßen, stetten oder flecken – als Heinsberg und anders, so tzum hertzogthumb Gulch gehoret – ausstehet, widerumb ingeraumpt werden. Und hirdurch solten di partheien, auch alle, di zu diser vhede geholfen oder geraten, heimlich oder offentlich, oder des verdacht weren, vertragen, di vhede aufgehaben sein, di scheden gegeneinander verglichen und gentzlich ufgehaben sein, auch diser ding in ungutem nit mer gedacht werden.

Hirneben saget dem Granvel, das es daraff stehe, dweil der Hg. von Gulch ein eintzige person und nach ein junger man sei, das er wol so [= ebenso] pald one manliche erben versterbe, als das er dero erwerb und hinder im lasse. Wann nun solcher falle beschee, so were das hertzogthumb Geldern dann in der hand des haußes Burgundi.

Saget im auch, so er wurde der Kgn. von Navarra5 gedencken, dweil Gulch im di genomen zu eynem eheweib, so sei bei im nun nit anderß zu erlangen, dan das Gulch di behalt. Wiwol daroff stehen kunte, wann der Frantzos erfure, das sich Gulch mit der ksl. Mt. vertragen, das er dan im, dem hertzogen, di Kgn. von Navarra nit mocht volgen lassen. Weiter saget im, wann inen bedeucht, das uff solche obbemelte mittel mocht zu handlen und di bey der ksl. Mt. zu erheben sein, so wolten wir mit allem treuen vleiß daruff handlen.

Befindet ir aber, das der Granvell meinte, das uff dise mittel gantz nicht zu handlen sein möcht, so schlaget im, wie wir euch in dem nebenbriff [fehlt] schreiben, das mittel mit dem anstand fur, nemlich das ein anstand uff funf oder vir jar oder zum wenigsten uf 3 jar gemacht und underdeß di sachen in der gut hingelegt wurden.

Doch so sollet ir zum furderlichsten und ehr dan ir zum Granvelle gehet und dise ding mit im reddet, zu dem von Fladen6 gehen und im anzeigen, wir hetten uff dise obbemelt mittel des vertrags gedacht, ob er bedecht, daß solh mittel bei seinem hern zu erheben oder daruff zu handeln sei. Bedecht er nun, es wer nit bei seinem hern zu erheben oder daruff zu handlen, so zeiget im an das ander mitel des funf-, vir- oder dreijerigen anstands und horet uff dasselbig, was er meyne, daß bei seinem hern zu erheben sey. Wilchs mittel unter disen zweien er dan bedenckt, daß es bei seinem hern gehen zu erheben oder druff zu handlen sein mocht, dasselbig mittel zeiget dem H. Granvell, das es also von uns bedacht sey, an. Wurde aber der von Fladen bedencken, daß diser beider mittel keins bey seinem hern zu erheben sein mocht, so zeiget auch dem H. Granvel der mittel keins an, dan solt der Granvel euch uf der mittel eines sagen, daß di ksl. Mt. drauf handlung leiden mocht und Gulch wolt darnach daruff kein handlung leiden, so wirden di sachen dadurch noch mer verpittert7.

Anmerkungen

1
Im vorliegenden Aktenbestand ist dieses Schreiben des Kurfürsten an Lgf. Philipp von Hessen nicht vorhanden. Es könnte sich dabei um den Vorschlag Johann Friedrichs handeln, Geldern als brabantisches Afterlehen an Hg. Wilhelm von Jülich zu vergeben: siehe dazu Nr 225.
2
Vermutlich Rudolf Schenk und Dr. Johann Fischer, gen. Walter.
3
Gemeint ist die Schlacht von Sittard vom 24. März 1543, die mit einem Sieg der jülichschen Truppen über die Burgunder endete.
4
Schloss Arburg, das die Burgunder als Stützpunkt für neuerliche militärische Angriffe auf Jülich nützen wollten, war Anfang 1543 von den Truppen Hg. Wilhelms eingenommen worden. Siehe dazu P. Heidrich, Der geldrische Erbfolgestreit, S. 77f.
5
Jeanne d’Albret, Nichte Kg. Franz’ I. von Frankreich, 1555–1572 Kgn. von Navarra, von 1541 bis 1545 mit Hg. Wilhelm von Jülich verheiratet, die Ehe wurde nicht vollzogen und 1545 annuliert.
6
Johann von Vlatten, jülichscher Rat.
7
Die hessischen Räte antworteten Lgf. Philipp in Bezug auf die Geldernfrage im PS eines Schreibens vom 13. April 1543: Die gulchisch mittel, davon euer fstl. Gn. unß geschriben und bevelch gegeben, haben wir den gesandten unsers gnedigen hern von Gulich und sonderlich dem von Flatten und dem hoiffmeister [= Werner von Hoesteden] vertreulich angezeigt. Daruff sie unß beanthwort: Nachdem die stende alhier ein außschuß verordnet, welcher der gelderischen sachen halben sich in underhandlung gelassen und dann disse mittel die eussersten weren, wollten sie unß gepeten haben, mit denselbigen noch zur zeit in ruhe zu stehen und davon dem H. Granvell khein meldung zu thun, bis so lang man sehe, was der ausschuß erlangen werde ader nit. Wo dann dieselbige handlung ohne frucht zerschlagen, das wir alsdann mit dem Grandvella von wegen solicher mittel unß inlassen wollten, welchs wir unß also zu thun erpotten. Und haben daruff mit dem H. Granvell wegen solicher mittel nichts gehandelt. In: Marburg StA, PA 650, fol. 417r–423v, hier fol. 420r (Ausf.). Auf die Vorschläge Lgf. Philipps zur Lösung des Geldernproblems wurde im Laufe der Verhandlungen zwischen dem Geldernausschuss und Granvelle tatsächlich zum Teil zurückgegriffen, wie der Vorschlag des Ausschusses vom 20. April (Nr. 228) zeigt.