Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Brüssel AG, Secrétairerie d’Etat allemande 775, fol. 83r–98v (Kop.); ÜS fol. 83r: Mémoire et instruction pour Wilrick, Sr de Crahenge et de Puttenge, et Messe Viglius de Zwychem, docteur en droiz et conseiller de l’empereur, de ce qu’ilz auront à faire, dire et proposer en la prochaine diète impériale, qui se commencera au 14e du mois de novembre prochain, où la royne douagière de Hongrie, de Bohême etc., régente et gouvernante des pays de par deçà, les envoye, et ce oultre et par-dessus l’instruction dud. conseiller Viglius qu’il a eu pour la dernière diète impériale tenue en la ville de Nuremberge au mois de juillet dernier en date du 16e d’aoust dernier [RTA JR Bd. XIII, Nr. 22b]2.

Druck: K. Lanz, Staatspapiere, Nr. 64, S. 316–332.

Teilw. Druck: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 285, S. 193–197.

Franz. Regest: E. de Borchgrave, Histoire des rapports de droit public, S. 141–145.

1. Konflikt mit Frankreich und Jülich-Kleve:

Gleich nach ihrer Ankunft in Nürnberg sollen sich die Gesandten zu Kg. Ferdinand und den ksl. Kommissaren begeben, ihren Auftrag übermitteln und um baldige Audienz vor den Reichsständen ersuchen. So könnten die Reichsstände noch vor dem Auftreten der jülichschen Gesandten über die Gründe des militärischen Vorgehens Kgn. Marias gegen Jülich informiert werden. Die Friedensbemühungen des Kaisers wurden vom Hg. von Jülich durchkreuzt, wie sich bereits auf dem Reichstag 1541 zeigte, als er unter dem Vorwand der Verheiratung mit Jeanne d’Albret nicht in Regensburg erschien und sich mit Frankreich verbündete, um Unruhe gegen den Kaiser zu schüren3. Der Herzog ließ sich auf eine Allianz mit Kg. Franz I. ein, von der nicht zuletzt die Präsenz eines ständigen französischen Gesandten4 am klevischen Hof zeuge, der mit Wissen des Herzogs unter Führung des geldrischen Marschalls Martin van Rossem Kriegsvolk für Frankreich rekrutiere, um die ksl. Niederlande zu überfallen. Diese Angriffspläne seien zu Tage getreten, als Briefe von Serrant an Kg. Franz I. beim Transport durch Luxemburg abgefangen wurden. Statt alle militärischen Kräfte zur Bekämpfung der Türken zu verwenden, wurde Kgn. Maria deshalb gezwungen, ihre Territorien gegen Frankreich und Kleve zu schützen. Die feindseligen Rüstungen van Rossems, über die der Hg. von Jülich informiert war, sie jedoch durch seine Gesandten auf dem Reichstag in Nürnberg 1542 abstreiten ließ (RTA JR Bd. XIII, Nr. 122), stellten einen Verstoß gegen das Friedensgebot des Speyerer Reichsabschieds von 1542 dar. Hg. Wilhelm habe seine Lehenspflicht gegenüber dem Kaiser in dessen Funktion als Hg. von Brabant gebrochen, deshalb habe Kgn. Maria den Befehl zum Einmarsch in Jülich gegeben.

Der französische König kooperiere seit langem mit den Türken und wolle die Türkenhilfe der Reichsstände verhindern, wobei ihn Hg. Wilhelm unterstütze, wie aus den abgefangenen Korrespondenzen mit dem klevischen Agenten am französischen Hof5hervorgehe. Die Gesandten Kgn. Marias sollen sich bei den Reichsständen dafür einsetzen, dass der Herzog bzw. seine Gesandten den Chiffrenschlüssel der Korrespondenzen offenlegen müssen. Dadurch sollen die Stände von der Rechtmäßigkeit der burgundischen Angriffe gegen Jülich-Kleve überzeugt werden, die eine unerlässliche Verteidigunsmaßnahme darstellen.

2. Türkenhilfe des Burgundischen Kreises und von Utrecht und Overijssel6:

Falls die Reichsstände oder Kg. Ferdinand Erklärungen und Entschuldigungen wegen der Nichtteilnahme des Burgundischen Kreises an der Türkenhilfe 1542 verlangen, sollen die Gesandten folgendermaßen antworten: Vor Ausbruch des Krieges gegen Jülich sei Kgn. Maria bereit gewesen, für die habsburgischen Besitzungen Utrecht und Overijssel das festgelegte Kontingent zur Türkenhilfe beizusteuern; nun benötige sie ihre Soldaten aber gegen Jülich und könne daher nichts zum Türkenkrieg beitragen. Was den Burgundischen Kreis betreffe, so hätten sich dessen Stände bisher nie an der Türkenhilfe beteiligt. Nur auf Basis eines wechselseitigen Beistandsvertrages mit dem Reich sei dem Kreis eine Beteiligung an der Türkenabwehr möglich7. Im Fall eines Krieges gegen Frankreich müsse dem Burgundischen Kreis entweder der Beitrag zur Türkenhilfe erlassen werden oder das Reich müsse Burgund im Kampf gegen Frankreich unterstützen. Utrecht und Overijssel sollen in diesen Vertrag mit eingeschlossen werden. Falls die Reichsstände einer solchen Vereinbarung nicht zustimmen und auf der Türkenhilfe des Burgundischen Kreises gemäß dem Speyerer Reichsabschied von 1542 beharren, sollen die Gesandten ablehnen und sich auf mangelnde Befehle Kgn. Marias berufen. Die Angelegenheit solle dann bis zur persönlichen Ankunft des Kaisers aufgeschoben werden.

3. Maastrichter Jurisdiktionsstreit mit den Erben der Familie Vrentz:

Die Gesandten sollen alle bisherigen Akten zu ihrer Information erhalten, um die Reichsstände über die Rechte des Kaisers in diesem Jurisdiktionsstreit aufzuklären. Vorschlag Kgn. Marias für einen Vergleich: Der Kaiser als Hg. von Brabant und der Bf. von Lüttich als Stadtherr von Maastricht sollen je zwei Kommissare bestimmen, die in dem Konflikt der Vrentzen Erben mit der Stadt Maastricht Recht sprechen sollen. Die Appellation der Vrentzen Erben an das Reichskammergericht verletzt die Rechte des Kaisers als Hg. von Brabant.

4. Konflikt zwischen Luxemburg und dem Kf. von Trier: Die Gesandten sollen sich an früheren Instruktionen und Vergleichsvorschlägen orientieren8.

Anmerkungen

1
Das Kredenzschreiben Kgn. Marias für die oben genannten Gesandten für ihre Mission auf dem RT in Nürnberg, dat. Löwen, 1542 Okt. 27, in: Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 216rv (Ausf. mit Siegel). Regest gedr. bei: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 285, S. 192. Kg. Ferdinand gab seiner Schwester Maria zu verstehen, dass er ihre Gesandten auf dem RT in allen Belangen unterstützen werde, Nürnberg, 1543 Jan. 20, in: Wien HHStA, Belgien PA 11/4, fol. 142r–143v (Ausf. mit Siegel): Vous avez, Mme, en tous advénemens très bien advisé d’envoyer voz commissaires en ceste diette à la fin contenue en vosd. lettres, lesquelz se sont trouvez devers moy, me communicquant les affaires de leur charge, lesquelz, Mme, favoriseray austant que les miens propres, et pour la bonne direction d’iceulx presteray à vosd. commis toute ayde, faveur et assistence possible.Kgn. Maria stellte es Granvelle anheim, falls er die Dienste Weirichs von Kriechingen in Nürnberg nicht benötigen würde, diesen in die Niederlande zurückzusenden. Das ist ihrem Schreiben an Granvelle aus Gent vom 28. Jan. 1543 zu entnehmen: Au surplus pour ce que le Sr de Créhenges, qui est commis avec le conseillier Viglius à la présente journé de Nuremberg, se plainct fort de la chiereté qui est aud. Nuremberg et que à votre venue illecq il servira bien peu, j’avoye advisé, s’il vous semble convenir, qu’il puist retourner au logis en retenant avec vous led. Viglius, lequel, comme j’espère, vous pourra faire bon service, vous requérant, que s’il vous semble qu’il n’est requis laisser led. de Créhenges par delà, le renvoyer pour l’employer à faire service au fait de la guerre. In: Wien HHStA, Belgien PA 35/2, fol. 40r–47v, hier fol. 46v–47r (Ausf. z.T. chiffr. und dechiffr.).
2
Da Viglius erst am 26. Aug. 1542 kurz nach Verlesung des RAb in Nürnberg eintraf, konnte er seinen Auftrag bei den Reichsständen nicht erfüllen.
3
Siehe dazu: P. Heidrich, Der geldrische Erbfolgestreit, S. 52f.
4
Magdalen de Brie, Sr de Serrant.
5
Dr. Hermann Cruser.
6
Die Instruktion Kgn. Marias betr. die Türkenhilfe des Burgundischen Kreises nimmt wesentliche Punkte im Verhältnis Burgunds zum Reich vorweg, die im burgundischen Vertrag vom 26. Juni 1548 (in: RTA JR Bd. XVIII, Nr. 260) Rechtskraft erhielten. Siehe dazu E. de Borchgrave, Histoires des rapports de droit public, S. 141–145.
7
Die umstrittene Frage der Türkenhilfe des Burgundischen Kreises taucht schon vor dem RT 1543 als Thema in der Korrespondenz zwischen Kg. Ferdinand und Kgn. Maria auf. So gab Maria ihrem Bruder Ferdinand aus Namur am 18. Sept. 1542 zu verstehen: Quant à ce que votre Mté m’a fait admonester de vouloir furnir et satisfaire à la contribucion de l’Empire pour le contingent du cercle de Bourgoingne, tant pour le contentement des estatz de l’Empire que pour non donner occasion à autres de refuser leur contingent, certes, Monsr, je vouldroye de tout mon pouvoir bien satisfaire à vostre admonicion pour en mon endroit assister à la résistence contre le Turcq [...]. Mais quelque bonne volunté que j’ay, je ne voye conduisable de induire les pays de par deçà à vouloir consentir à lad. contribution, n’est par l’ordonnance de sa Mté et le respect que les subgectz ont à icelle, qui ne sera sans grant mistère en tant qu’ilz n’ont jamais contribué avecq l’Empire. [...]. In: Wien HHStA, Belgien PA 42/1, fol. 36r–39v, hier fol. 36rv (Kop.), teilw. in: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 282, S. 188–191. Kg. Ferdinand antwortete seiner Schwester aus Wien am 17. Okt. 1542: Et quant à ce que désirez savoir que c’est du cercle de Bourgoigne, je vous envoie ici joint copie de ce qu’en est contenu ès régistratures de l’Empire, par où pourrez veoir ce qu’en peult estre. Et pour ce sera, Mme, besoing que à la prouchaine diette de Nueremberg les dépputez que y envoierez de votre part soient bien instruictz et informez, comme en cest endroit ilz se auront à conduyre, car c’est ung point à quoy les estatz de l’Empire ont tousjours persisté, comme sans doubte feront encoires en lad. diette plus que jamais. Et je tiendray voulentiers main en tant que en moy sera que vosd. commis se puissent raisonnablement accorder avec lesd. estatz, tant pour le respect de la guerre avec France que autres considérations contenues en vosd. lettres. In: Wien HHStA, Belgien PA 11/3, fol. 130r–131v, hier fol. 130r (Ausf. mit Siegel), teilw. gedr. in: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 284, S. 192.
8
Siehe K. Lanz, Staatspapiere, Nr. 64, S. 331f.