Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Frankfurt ISG, Reichssachen II 964, unfol. (Kop.); ÜS: Die antzaigung, so der Kff., Ff., graven, stett und stendt der cristenlichen vereynigung rethe und gesanthen der röm. kgl. Mt. und auch der röm. ksl. Mt. verordenten comissarien alhie zu Nurmberg den 25. Januarij anno 43 muntlich gethan. Ist ungeverlich uff volgende meinung gericht gewesen.

B Weimar HStA, EGA, Reg. E 150, fol. 197r–201v (Kop.); DV fol. 201v: Antzeig kgl. Mt. und den ksl. comissarien durch die stende der cristlichen verain den 26. [!] Januarij des chammergerichts proces halben beschehen. Nurmberg 1543. ÜS wie in A.

C Hannover NLA, Celle Br. 1, Nr. 22, fol. 214r–219r (Kop.); AS fol. 214r: Anzeig der ainungsvorwanten, der kgl. Mt. und ksl. commissarien bescheen, umb abschaffung der proceß am camergericht, uff die nicht gegeben underhaltung und uff die braunschweigische defension.

D Wien HHStA, RK RA i.g. 13f/Konv. 1, fol. 1r–4v (Kop.); DV fol. 4v: Vertzeichnus, was die reth und pottschaften christlicher verein der röm. kgl. Mt. und ksl. Mt. commissarien umb abschaffung des cammergerichts vermeinten geschwinden processen mundtlich furgetragen, donrstags den 25. Januarij anno etc. 43 in Nurmberg.

Erstlichen, das die gesanthen vorberugter stende auf bevelch irer hern und obern uff diesem reichstag gehorsamlich erschyenen; hetten auch bevelch, die hendel inhalts irer habenden instruction zu beratschlagen helfen. Sie komen aber in erfarung, das das unreformirte und partheyisch camergericht jetzo wider ire gnedigsten, gnedigen hern und obern in vielen sachen zu procediren sich understanden, sunderlich von wegen der nichtunderhaltung des camergerichts und auch von wegen der rechtmessigen und notwendigen defension, so ire herren und obern wider Hg. Heinrichen von Braunschweig vorgenhomen, und das auch an bemeltem camergericht in diesen sachen gantz geschwindt und eylents procedirt wirdt. Daruß wol zu vermuten, das sie in arbeit stunden, die stendt der cristenlichen vereyn, weil sich die vor inen auß hievor oft ertzelten ursachen nicht einlassen konthen, under dem schein vermeinter continuation in die acht vermeinlich zu erkennen und dardurch im Hl. Reich hochsten unrath zu verursachen.

Nhun were der gesanthen meynung nicht, ire röm. kgl. Mt. und die ksl. comissarien mit langwiriger ertzelung der grossen beschwerung, so diesen stenden von diesen camergerichtspersonen in vil weg begegnet, zu bemuhen, dan ire röm. kgl. Mt. und auch die ksl. commissarien hetten des sunder zweyffel hievor notturftigen bericht bekomen, wie dan auch ire röm. kgl. Mt. und die commissarien hernachmals derhalben weitter bericht beschehen solte.

Aber das wusten ire röm. kgl. Mt. und auch die ksl. comissarien, das die röm. ksl. Mt. zu abwendung solcher dieser stende beschwerung hievor zu Regenspurg geordnet, daß das camergericht uff ein benante zeit visitirt und reformirt werden solt, inhalts irer ksl. Mt. declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949], diesen stenden zu Regenspurg gegeben. So vermochte auch solchs seyner röm. kgl. Mt. speyrische caution und versicherung [RTA JR Bd. XII, Nr. 148]. Es were aber des alles ungeachtet solche visitacion und reformation verplieben, obwol diese stende uff gepurliche zeyt die iren derhalben ghen Speyer geschickt und, sovil an inen, hierin nichts hetten erwinden lassen.

Und weil aber gleichwol solch unreformirt cammergericht nichts weniger mit iren vermeinlichen processen vor[t]gefarn, die stende auch die bewilligt visitacion uber allen angewenten vleiyß nicht hetten konnen wircklich erhalten, so hetten sie unvermeidlichen zu dem rechtlichen mittel der recusation schreitten mussen, dardurch one zweyvel des camergerichts jurisdiction und gerichtbarkeit, ob sie der mangelung halben der bewilligten visitacion und reformation einiche gehabt, suspendirt und aufgetzogen, zum wenigsten biß die ursachen des verdachts coram arbitris und wilkurlichen [= freiwilligen]  richtern, dartzu sich diese stende erpotten, außgefurth worden.

Das nhun die beysitzer des camergerichts hieruber also beschwerlich wider diese stendt procedirten, des hetten sie der gesanthen acht nach kein fug, hilten es auch darfur, das sie daran der röm. ksl. und irer kgl. Mt. nicht zu gefallen thetten, des auch bei beiden iren Mtt. wenig zufals haben wurden.

So wusten auch ire röm. kgl. Mt. sich zu erinnern, das inen diese stende zu Speyer mit seiner röm. kgl. Mt. wissen clerlich zuvor behalten, wo die visitacion und reformation des camergerichts uff bewilligte zeit nicht würde ervolgen, das sie vor demselbigen nicht gesteen, dasselbig auch nicht underhalten helfen wolten, wie dan solche der stende bedingung irer röm. kgl. Mt. gegebenen versicherung und caution [RTA JR Bd. XII, Nr. 148] eingeleipt were. Weil dan, wie obgemelt, solche visitacion nicht ervolgt, so kunthen auch die beysitzer nicht befugt sein, die stendt solcher underhaltung halben des camergerichts mit processen zu beschweren.

Dergleichen hetten ire röm. kgl. Mt. und auch die ksl. commissarien auß dem offentlichen außschreyben der chur- und fursten zu Sachsen und Hessen[RTA JR Bd. XIII, Nr. 134], auch der antwurt, so ire chur- und fstl. Gnn. irer kgl. Mt. und der ksl. comissarien, auch der stende des Reichs gesanthen zu Braunschweig gegeben [RTA JR Bd. XIII, Nr. 138] und auch auß der antzaig, so irer chur- und fstl. Gnn. rethe uff nechst alhir gehaltenem reichstag irer röm. kgl. Mt., den ksl. commissarien und den stenden des Reichs gethan [RTA JR Bd. XIII, Nr. 137], notturftiglich verstanden, auß was unmeidlichen ursachen die obberurt defension wider Hg. Heinrichen von Braunschweig, der weder der ksl. noch auch irer röm. kgl. Mt. suspension, mandaten und gescheften hette parirn wollen, hat furgenhomen werden mussen, auch wes ire chur- und fstl. Gnn. und andere stende sich derhalben erbotten, daruff auch ire Mt. und die ksl. commissarien diesen stenden solcher sachen halben ein frieden gegeben [RTA JR Bd. XIII, Nr. 141], welcher den stenden, do den unreformirten partheyischen camergerichtspersonen dermaß ir will solte gelassen werden, weder nutz noch fruchtbar sein mochte.

Weil aber gleichwol obberurt unreformirt camergerichtspersonen uber die ksl. regenspurgische declaration, auch irer röm. kgl. Mt. speyrische versicherung, gegebnen frieden, auch die furgewanthen recusation also geschwindt und eylents wider diese stende vermeinlich vortfhuren, zudem daß gleichwoll von allerlei sunderlichen krigsrustung im Reich starcke sag were, so hetten ire röm. kgl. Mt., auch die ksl. commissarien zu beachten, da bey obbemelten camergerichtspersonen uber diese underthenigste ansuchung ir furnemen nicht abgeschafft, das solchs der gesanthen hern und obern allerlei nachdencken verursachen wurde.

Do auch die stende der cristenlichen vereyn also teglich solten gewarten, das die unreformirten, verdechtigen camergerichtspersonen sie dergestalt in die acht ercleren und sprechen aber [= oder] je die sach mit irem procedirn dahin lenden [= lenken] mochten, das sie alsdan zu aller zeit, wan es ire gelegenheit und bequemheit, mit der acht vertrucken konthen, das were diesen stenden zum hochsten beschwerlich, auch untreglich, wie auch diesen stenden thunlich sein wolte, mit solcher sorg und befarung dieses reichstags personlich oder aber durch ire gesanten abwarten zu lassen, das konthen ire röm. kgl. Mt. und auch die ksl. commissarien selbst bedencken.

Darumb haben die gesanten underthenigst und dinstlich gebetten, das die röm. kgl. Mt. und auch die ksl. commissarien anstatt der röm. ksl. Mt. solche furgenhomene proceß des unreformirten, partheyischen, verdechtigen camergerichts furderlich dergestalt wolten abschaffen, das diese stende solcher proceß halben keiner beschwerung zu gewarten und hierzu solche mittel und weg brauchen, dardurch den berurten beisitzern alle ursachen, derhalben sie sich solcher abschaffung zu parirn weygern mochten, abgeschnitten und auch diese stende aber derselbigen gesanthen, welcher gestalt solche abschaffung wircklich geschehen, forderlichen gnedigst verstendigen.

Dan one das und do das camergericht wider diese stende dermaß furfarn solt, wurden die chur- und fursten zu Sachsen und Hessen ire reth und gesanthen von hynnen abfordern und wol vermutlich, do diß geschehe, das die andern stende dieser veraynigung solchs auch zu thun vor ir notturft achten wurden2, dan es wurde auf diesen fal, do man solcher hochsten beschwerung des camergerichts der processen halben auf die acht solte gewarten, eins jeglichen stants notturft sein, sampt den seinen hirgegen auf notturftige versehung zu trachten.

Ob dardurch die reichshendel gefurdert, dartzu doch die gesanthen, do es ane obberurte verhinderung inhalts irer instruction willig, und auch was beschwerlicher unrath auß solchem des camergerichts vorhaben im Hl. Reich wolle erfolgen, das konten ire röm. kgl. Mt., auch die ksl. commissarien auß hohem und grossem verstant fuglicher betrachten, dan daß ire röm. kgl. Mt. und die ksl. commissarien mit langwiriger ertzelung derselbigen aufgehalten werden solten.

Es wolten aber die gesanthen in underthenigster hoffnung steen, ire röm. kgl. Mt. und auch die commissarien wurden also gelegenheit dieser sachen und auch aller hievor derwegen ergangnen handlungen gnedigst und guttwillig betrachten und die gesanten uff diese ire nottwendige und unmeidliche suchung mit genedigster und gutter antwurt forderlich bedencken, damit sie ire hern und obern der uff[s] erst hetten zu berichten, wie sie dan auch des sunderlichen bevelch hetten. Das auch beide, die röm. kgl. Mt. und die ksl. commissarien, diese suchung nit anderst vermercken wolten, dan das die zu gemeiner wolfarth des Hl. Reichs treulich gemeint.

Das alles wurden Kff., Ff., graven, stedt und stendt der cristenlichen vereynigung umb die röm. ksl. und ire kgl. Mtt. underthenigst verdienen. Dartzu sich dan die gesanthen auch wollen erbotten haben.

Anmerkungen

1
Die Eingabe der Schmalkaldener an Kg. Ferdinand und die ksl. Kommissare erfolgte am 25. Jan. um 7 Uhr morgens in mündlicher Form. Da der König eine schriftliche Zusammenfassung des Ansuchens verlangte, kamen die Vertreter des Schmalkaldischen Bundes am Abend des 25. Jan. der kgl. Forderung nach und übergaben das oben abgedruckte Schriftstück. Siehe dazu das CA-Protokoll Lambs (Nr. 86c) zum 25. Jan. 1543 und das Schreiben Kf. Johann Friedrichs von Sachsen an verschiedene Schmalkaldische Bundesstände, Torgau, 1543 Jan. 29 (Nr. 271).
2
Jakob von Zitzewitz, der gemeinsam mit den württembergischen Gesandten und anderen evangelischen Ständen, die nicht am braunschweigischen Feldzug teilgenommen hatten, bei der Übergabe des Aktenstücks an Kg. Ferdinand anwesend war, ersuchte Hg. Philipp von Pommerm um Weisung, wie er sich im Fall einer vorzeitigen Abreise der Protestanten aus Nürnberg verhalten solle, Nürnberg, 1543 Freitag nach Conversionis Pauli (Jan. 26): [...] Weyll wir aber derhalben keinen außgedruckten befehelich haben und euer fstl. Gn. sich dennoch szowoll der proceß und folgender acht alß die anderen stende zu befaren haben, derhalben ich auch alleine neben Wirteberg und anderen, szo sich der brunsweickeschen kreigsübung [!] nicht anmassen, mith zur kgl. Mt. gegangen, idoch in keine radtslege oder einigh handtlung der einung mich gelossen, sunder disse beswerung abzuwenden bitten helfen, damit der austehende reichstagk vor sich gehen muchte, auch auß andren ursochen, die ich zu meiner ankunft euer fstl. Gn. weitter will anzuzeigen wyssen. Hoff auch, es werde euer fstl. Gn. zu keinem nachteyl, auch zu keinem ungnedigen willen gerathen. Bitte demnach, euer fstl. Gn. wolte zum forderlichsten mir sriftlich anzeigen und wissen lassen, waß ich mich halten soll, dan ob es sich zudruge, das solch außreissen werden wurde und die anderen stende alle hie bleiben, szo wurde ich, eher dan ich von euer fstl. Gn. bescheidt entfangen, von hinnen nicht vorrucken, idoch auch mith den papisten nicht zu radt gehen, sunder auffs untherthenigste helfen suechen und bitten, das die beswerungen des camergerichts muchten suspendiret werden und die vorruckten stende darauff widerumb zur handtlung beruffen werden. [...] In: Stettin AP, AKW Sign. 95, fol. 63r–67v, hier fol. 64rv (Ausf. v.d.Hd. Zitzewitz’). Bgm. und Rat von Frankfurt gaben ihren Gesandten am 1. Febr. 1543 für den Fall einer vorzeitigen Abreise der kursächsischen und hessischen Räte aus Nürnberg folgende Weisung: [...] Ist unser bedencken und bevelh, sover sich die sachen dergestalt zutragen, das unser gnedigst und gnedig herrn, der Kf. zu Sachsen und Lgf. zu Hessen ire räte von Normberg abfordern und anderer stett der ainigung gesandten daruf zu verreiten auch zu rat werden, mit denen ir euch dan derhalben underreden und vergleichen sollet, das ir euch in dem auch wie andere halten, doch also dweil auß disem abreisen merckliche weiterung im Reich ervolgen mocht, das ir zuvor mit der erbarn frei- [und] reichsstett gesandten, dern zu Normberg synt, die seien der ainigung verwandt oder nit, ainen freundtlichen abschid zu machen nit underlassen sollet, dahien gerichtet, wo ainiche stat verneme oder vermerckte, das der andern zu nachteil raichen mochte, das sy das an dieselb der verwandtnus und treu nach, damit ein erbar stat die ander pillich mainen soll, jederzeit gelangen lassen und also aine die ander vor schaden warnen, auch ain jede wissen mochte, wes sie sich in nöten zu der andern zu versehen hette. [...]. In: Frankfurt ISG, Reichssachen II 963, unfol. (Ausf.).