Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 484r–485v (Konz. v.d.Hd. Jonas’ mit Streichungen und Erg.); DV fol. 487v: Furtrag Gulichs halben.

Regest: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 299, S. 204.

Die kfl. rhät, fursten und stend und der abwesenden potschaften haben gesterigs tags für hand genomen und stadtlichen beradtschlagt, was desselben tags und davor zue andern zeiten von wegen der kriegshandlung, so sich zwischen der kgl. Wd. zue Hungern und Beheim wittib, hochgedachter ksl. Mt. nidern erblanden regentin, meiner gnädigisten frauwen, an ainem und dann meinem gnädigen herren, dem Hg. zue Cleve etc., zuegetragen und noch erhalten, schriftlich und mundtlich ist furbracht. Und verstanden, das hochgedachts hertzogen gesandten sich aller söllicher spruch und vorderung, auch anderer sachen halben, zue guetlicher verhör und entlichem rechtlichen außtrage vor gmeine reichsstende erpotten.

Nun haben gmaine stend des Reichs mit zeitungem [= reifem] rhate erwegen, welchermassen das Reich teutscher nation dißer zeit mit vilerlay beschwärlichen obligen und beschwärden beladen, darunder nit die geringst ist, das gemainer christenhait erbfeind, der Turck, in treffenlicher, grosser rüstung und anzug ist, euer kgl. Mt. königreich Hungern und (wo ime möglich) auch andere anrainende lender teutscher nation ze überziechen, ze verwusten und in seinen tyrannischen, vihischen gwalt ze bringen. Derwegen die unvermeidenlich höchste notturft erhaischen will, das demselbigen mit ansechenlicher hilf und gegenwer entgegengangen werde. Söll nun aber dieselbig stadtlich beschechen, so will der stend undertänigem guetbeduncken nach die notturft ervorderen, das alle stende des Reichs yr ansechenliche hilf einhelliklich darzue thueen, welches aber gemainer stend erachten nach nit wol möglich sein kan,[be]vor die innerliche krieg in dem Hl. Reich nit abgestelt und beigelegt wurden, also das alle stend zue söllicher hilf unverhindert bewilligen und die laisten mögen.

Darumb bedencken sy, dieweil diße innerliche kriegsiebung zwischen ksl. Mt., unßerm allergnädigisten herren und heupt, und dann zwischen dem Hg. zue Cleve und Jülch als ainem fursten und mitglid des Reichs erhalten, das die mittel und weg für hand ze nemen, dardurch sölliche kriegshandlung abgeschafft, die irrungen in der gueti beigelegt oder gepürlich und endtlich entschaiden werden. Dann solte das nit beschechen und diße innerlichen zwaiung und kriegshandlungen yrn fürgang haben, so möchte von den landschaften, darin die krieg sein, und vileicht auch durch derselben anstossende und genachpurte stend wider den Turcken schwärlich hilf gelaist und also nit ain gmaine, ainhellige hilf gegen dißem erbfeind uffbracht werden mögen. Darauß zue besorgen, das dem Turcken und feinden ain sonder freud und hertz gemacht und das christlich kriegsvolck geschwecht und mit söllicher ungnuesamen hilf wenig erschießlichs gehandlet werden möcht.

Dem allem nach und damit dem gmainen, grausamen erbfeind, dem Turcken, desto stadtlicher widerstand bescheche, auch frid und rhue im Hl. Reich gepflantzt und erhalten werden möge, so haben ir fstl. Gnn., Gnn. und Gg. bedacht, euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. undertönigist, undertöniklich und dienstlichs vleiß zue pitten, das dieselben mit und neben gmainen stenden sich gnädigist, freuntlich und gnädiklich guettlicher underhandlung underziechen und zum fürderlichsten rhaten und die mittel und weg fürnemen helfen wöllen, dardurch die kriegshandlung von baiden tailen furderlich ab- und in rhue gestelt werde und die schwebenden irrungen und spän in der gueti beigelegt und vertragen und zue endtlicher erörterung oder doch in ainen fridlichen anstand gebracht werden mögen2.

Daran thuen euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. ain rüemlich, loblich, guet werck, das zue erhaltung gueter rhue, frid und ainikait im Hl. Reich und zue erschießlichem, fruchtbarem widerstand des Turcken furderlich und nutz sein würdet. Das auch um euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. Kff., Ff. und gmaine stende des Hl. Reichs undertönigist, freuntlich, auch undertöniklich und guetwillig ze vordienen, erkennen und vergelten nimmer vergessen werden.

Und sind auch bedacht, gleicher gestalt bey ksl. Mt. generalorator, dem H. von Granvell, ansuechung ze thuen, der undertönigisten, undertönigen und freuntlichen zuversicht, euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. werden auch nit underlassen, bey demselben und hochgedachter königin gesandten alle gnädige und guete befurderung ze thuena.

Anmerkungen

1
Zur Datierung siehe das Schreiben Dr. Johann Marquardts an Mgf. Ernst von Baden von 1543 März 26 (Nr. 378) und den Bericht der jülichschen Gesandten von 1543 März 24 (Nr. 213).
2
Die Vermeidung eines offenen militärischen Konflikts um den Besitz von Geldern lag sowohl im Interesse der altgläubigen Reichsstände als auch in jenem der Protestanten. So schrieben die Hgg. von Bayern an Dr. Leonhard von Eck, München, 1543 März 27: [...] Lassen uns furs erst wol gefallen, das in der Kgn. Maria etc. und des Hg. von Gulch sachen durch die stende bey der kgl. Mt. und dem von Granvella, dermassen wie dein anzaigen ausweist, gehandlt worden ist [Nr. 212]. Wessten diser zeit gemainer cristenhait und sonderlich teutscher nation nichts nutzers noch ersprieslichers, dann das diser krieg gericht oder doch zum wenigisten in ainen anstand gebracht, dardurch wurde die turckhenhilf zum hochsten gefurdert und alle andere zwyspalt im Hl. Reich dest leichter gestillt und zu pesserm wesen erdeihen, wie du selbs und menigclich zu erwegen hat. Darumben wöllest, sovil dir ymmer muglich, hiein fur dich selbs haben und bey andern arbaiten, ob es der obangeregten wege ainen erlangen möchte. Was sich dann hiein weiter zuetregt, waistu uns zu berichten. [...]. In: München HStA, KBÄA 3159, fol. 482r–483v, hier fol. 482r (Ausf.).
a
Es folgt danach gestr.: Die gesandten der stedt sagen: Diewil sy geordnet ze handlen, was zue widerstand des Turcken dienlich, und aber wissen, das dieselbig also bewilligt, das frid und recht im Reich sey, darzue diße mal [...].Der Text bricht hier ab.