Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Frankfurt ISG, Reichssachen II 964, unfol. (Kop.); AS: Bedencken, ob ainer oder mehr stend der ainigung uber gethane recusation am camergericht mit processen oder sonst beschwert werden, wie denen zu helfen. Lectum [Frankfurt], sontags, den 4. Martij anno 43.

B Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 421–434, Nr. 154/3, fol. 145r–148r (Kop.); DV fol. 148r: Copei des gestelten bedenckens, welcher gestalt die stende der christlichen verein einander bei der geschehenen recusation schutzen und handthaben sollen. 1543 Freitag, den 16. Februarij.

C Stuttgart HStA, A 262, Bd. 24, unfol. (Kop.); DV: Cristenlicher verain geschickten rethe rath und bedencken, da ain stand uber jungst beschehene recusation von den vermeinten beisitzern des ksl. camergerichts beswerdt werden wolt, wes man sich dargegen gebrauchen und erzeigen sollt. 1543 Nurmberg, den 16. Februarij. Nichtsa.

Als sich auch etliche stende beclagend, das sie von den personen, so sich das ksl. chamergericht zu verwalten anmaßen, mit proceßen, peen und acht uber jungst beschehene recusation beschwerdt werden, auch eins thails sich sollicher beschwerung khunftig besorgen und derwegen der stend rath und bedencken gebetten, ist bedacht gut zu seyn, das uff den vhall, do man sich des chamergerichts halben alhie nit verglichen, die chur- und fursten Sachßen und Heßen als die oberhauptleut von wegen irer chur und fstl. Gnn. und auch derselbigen eynigungßverwanten stenden bemelten personen sunderlich schreyben wollten, mit antzeyg, mit was unpillicher beschwerung und zerruttung aller teutscher nation ir furnemen, des sie sich uber alle ksl. und kgl. Mtt. gegebnen declarationen, versicherung, auch die friedstend und das rechtmeßigen mittel der recusation anmasten, gereichen wollt, mit verwarung, do sie also mit iren vermeintlichen proceßen und beschwerungen wider dießer stende furthfaren wurden, das ir chur- und fstl. Gnn. sampt iren einigungsverwanthen stenden sich alles unraths und scheden, so darauß ervolgten, so viel moglich an iren leib und gutern erholen wolten. Darneben khondten ir chur- und fstl. Gnn. an rath der stat Speyer auch ein glimpfliche schrift thun, mit notturftiger erzalung und außfuerung, auß was ursachen vorgemelte angemaßte chamergerichtspersonen solcher irer furhabenden proceßen nit befugt und zu was beschwerlichem nachtail solch ir furnemen der gantzen teutschen nation reichen werden, und darauf suchen, das bemelter rath dieße vermeinte chamergerichtspersonen – nit allain dießen stenden, sonder auch dem gantzen Reich zu nachteil – bey sich lenger nit wollten dulden2.

So mochten auch ir chur- und fstl. Gnn. den churfursten, so ire beisitzer nochmals am chamergericht haben, dießen handel, und was darauß ervolgen wolte, auch zu khennen geben und bey iren kfl. Gnn. freundtlichen bitten, das die allem friedtlichen wesen zum besten und vernern unrath in theutscher nation, den diese leuth verursachen mochten, zu verkhumen, die iren abfordern und sonsten hierin ein geburlich einsehen im Reich haben wollten, darmit diß chamergericht in andere leichtliche [= leidliche] weg besetzt wurde, wie nhun ir chur- und fstl. Gnn. wol weiter werden zu betrachten wißen, welcher gestaldt und auch was maynung alle obernente schriften zum fuglichsten gefertigt werden mugen. Weyl aber gleichwoll beisorg zu haben, das der sachen durch alle oberurte weg grundtlich und gentzlich nit mochte geholfen werden, und aber der schweinfurtische abschiedt clerlich vermag, das die stend der christlichen verein von der beschehenen recusation nicht wollten abweichen, sondern derhalben fur einen man sthen, auch eynander darbey schutzen und handthaben, alß haben sich die gesanthen der stende von wegen irer herrn und obern, solchen abschiedt zu volgen, deß vereinicht, verglichen und entschloßen, do einer oder mher stende dießer vereyn von wegen der braunschweigischen defension oder aber nichtunderhaltung halben deß ksl. chamergerichts mit peen oder achten aber [= oder] sonsten mit der that beschwerdt wurde, das denselbigen dießer sachen halben beschwerden stenden nicht weniger dann in religionsachen inhalts der verfaßung und auch, do es die noturft erfordern wurde, inhalts der verstentnus hilf, schutz und rettung beschehen solle.

Wurde aber einicher standt in andern außerhalb oberurter sachen, darinnb er vor dem chamergerichts active oder passive nicht verfhert, sonder sich der vorgewenthen recusation heldet, mit proceßen, peen, achten oder sonsten mit der that beschwerdt, so sollen die oberhauptleut dem gegenthayl schreyben, das er sich mit dem beschwerden stande eins anderen gleichmeßigen außtrags außerhalb des recusirten chamergerichts vor unpartheyischen commissarien oder sonsten vereynigen wollten3. Wegerte diß des beschwerden standts gegenthayl und wolle auch dießer stende erkhentnuß, do im dis angebotten wurde, nicht dulden, so sollt alsdan demselbigen beschwerden stande in dießen vhelen auch nit weniger dan samptc were er in der religionsachen beschwerdt inhalts der verfassung und, do es noth, vermug der verstentnus hilf, rath und beystandt geleist werden.

Befinden aber dannocht dieße stende der christlichen vereyn, das eyner oder mher standt irem gegenthail under dem scheyn dieses schutzes der billichkhait offentlich fursein wollt, so sollen sie denselbigen darvon ab- und dahin halten, das er seinem gegenthayl, was gleich und billich, widerfaren laß. Und do er sich des wegerte, sollen die stymmen darinn, was dießem stande, so dißfhals hilf sucht, seim gegenthayl zu thun geburt oder nicht, nach genugsamen bericht erkentnuß zu thun haben. Und ihm fhall, do derselbige standt dis zu vervolgen wegerte, soll ime obangetzeigte hilf nicht gelaistet werden, sonder mag die sach auf sein abentheur hinauß furen.

Als aber auch hievor angeregt, daß zu handthabung der vorgewanthen recusation dießer der sicherst weg sein sollt, das diese stende die verein auch uff prophansachen erstreckten4, doch mit noturftiger versehung geburlicher außtreg, und aber die gesanten uff sich genomen, diß an ire herren und obern gelangen ze lassen und sich darauf beschaidts zu erholen, so soll alsdann neben oberurtem bedencken dißer artickel auch furgenomen und beratschlagt werden.

Anmerkungen

1
Zur Datierung siehe das CA-Protokoll Lambs Nr. 86c, fol. 225r.
a
Bedeutung unklar.
2
Frankfurt war nicht damit einverstanden, die Stadt Speyer durch ein Schreiben der Bundeshauptleute Kursachsen und Hessen in dieser Form in die Auseinandersetzung mit dem RKG hineinzuziehen und zu belasten. Deshalb erhielten die Frankfurter Gesandten von Bgm. und Rat am 5. März 1543 die Weisung, das Ansuchen an Speyer gemeinsam mit anderen Städtegesandten möglichst zu verhindern: [...] Das aber auch an die statt Speyer auf solche meynung solt geschrieben und an sie begert werden, die personen des camergerichts bey sich lenger nit zu dulden, konnen wir nit erachten, wie es den stetten gepurn wollt, die von Speier ires thails mit einer solchen schrift zu beschweren, dieweil den stenden der aynigung und meniglich wol bewust, das es in irer, deren von Speyer, macht nit steet, sich des cammergerichts solcher gestalt zu entschlagen. Und wissen demnoch in dieselb schrift, an die von Speyer dieser weiß zu thun, unsers theyls nit zu willigen, sunder bevelhen euch, das ir dasselb, so fuglich als es beschehen mag, neben und sampt anderer stett gesanthen understeet zu verhindern. [...] In: Frankfurt ISG, Reichssachen II 963, unfol. (Ausf.).
b
In BC besser verständlich: darumb das [= weil].
3
Ein solches Schreiben richteten Kf. Johann Friedrich von Sachsen und Lgf. Philipp von Hessen an die Gff. von Hohenlohe betr. deren Streitigkeiten mit Schwäbisch Hall: Nr. 259.
c
In BC: sam [= als].
4
Einer Ausdehnung der Verfassung des Schmalkaldischen Bundes auf weltliche Angelegenheiten standen Bgm. und Rat von Frankfurt äußerst skeptisch gegenüber, wie sie am 8. Febr. 1543 in ihrer Weisungen an die Gesandten in Nürnberg zum Ausdruck brachten: [...] Das aber noch zur zeit, auch ehe und zuvor man wisse, was bei der kgl. Mt., den ksl. commissarien, auch gemainen reichsstenden erhalten wirdt, davon solt geredt werden, wie die verstendtnuß auch uff die prophansachen ze stellen, das bedengkt uns vil zu frue und ain unzeittig dieng sein, auch ein anzeigen sein, warumb die oberhauptleutte uf gemaine recusation so heftig getrungen und das inen villeicht nit grosser ernst sein wirdt, bei der kgl. Mt., den ksl. commissarien und gemainen stenden obbemelter massen anhalten zu helfen, sonder ist hochlich zu besorgen, das hierunder ain anders gesucht werde, darauß gemainer erbarn stett, sonderlich der ainigung verwandt, ewigs verderben gewißlich ervolgen wurde. Derhalben sovil desto mehr vonnöten, das sich der oberlendischen gesandten hiruber gleichwol und ernstlich besprechen und vergleichen, damit von disem puncten noch zur zeit wenig noch vill nit geredt werde, dan bei uns hat es noch gar ainen grossen zweifel, ob einiche verstendtnuß mit den fursten in prophansachen anzunemen. Wir geschweigen, das allgeraidt davon geredt werdt, wie dieselb ze stellen sein solle, sonder wir achten hievon zu frue, unzeittig und gantz unnottig ze reden und lassen es pei vorigem bevelh nochmals pleiben. Dieweil sich auch solche unversehene ding zuetragen wollen, so seint wir unbedacht [= nicht gewillt], den actum der protestation, ratification und revocation am camergericht von unsern wegen volnpringen ze lassen, sonder gedencken hierin zum wenigsten der kgl. Mt. antwurdt zu erwarten. [...]. In: Frankfurt ISG, Reichssachen II 963, unfol. (Ausf.). Die Gesandten Ogier von Melem und Dr. Hieronymus zum Lamb berichteten zu dieser Frage am 18. März 1543 an Bgm. und Rat von Frankfurt: [...] Es haben auch alle gesandten diesser stende, so der recusation anhengich, ausserhalb unser, die wirs auf hintersichpringen genomen, inen dieselben als pillich und notwendig also lassen gefallen. Das aber dardurch die verstenthenus auf die prophansachen gezogen oder gestelt seye, ist keins gesandten meinong oder vorsorg nie gewesen, dan zu demselben wolte ein anders gehoren, nemlich daß diesse stende sich aller ding halben von neuem miteinander verbunden, ein sondern pundtsrath und außtrag machten und in soma gahr ein andern verstandt und pundtnus miteinander hetten, dan sie bisher in der verstentnus gehapt, von welchem gleichwol die sechsischen und hessischen gehrn geredt hetten. Aber das hat die uberigen, und sonderlich der stet gesandten, gahr nyhe vor rathsam ansehen wollen, wie wir euer W. das hiebevor einmol zu erkennen geben, derhalben dan zu ende obgemelts bedenckens [siehe den letzten Absatz des oben abgedruckten Gutachtens Nr. 272] ein sonder artikel angehangt worden, daraus der untherschiedt disser beyder puncten wol abzunemen. Darumb sein obgemelte mittel und weg allein dahin bedacht, das disse stende sich dardurch in den itzt rechthengigen sachen bey gethoner recusation, bis das gericht wie sich gepurt reformirt wirt, handthaben. [...]. In: Frankfurt ISG, Reichssachen II 962, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Melems).