Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 421–434, Nr. 154/2, fol. 100r–104v (Ausf.); DV fol. 104v: Schickt inen des landgraffen schreibens und wez der Granvel bei ihme deß friden und rechtens halben gesucht copeien, mit angehengtem bevelch und ursachen, warumb sie nachmalh die turckenhulf ohne vorgesetzten zweier puncten erledigung nit willigen sollen.

Sie erhielten vom Landgrafen Unterlagen zu den Verhandlungen der hessischen Räte mit Granvelle über Friede, Recht und Türkenhilfe (Nr. 346). Nun wollen wir uns keinesweges versehen, dieweil ir aus etlichen unsern schriften verstanden, wie uns dan der landgrave zuvor auch zu erkennen geben, das man uff der ersten maynunge des friden und rechtens halben beruhen solle, das doruber, obgleich die stende zum teil in die particular handlunge des von Granvhels bracht und dorauf fallen wollten oder auf die bedencken und furschlege, so der landgrave derhalben seinen rethen geschrieben, davon wir euch copei uberschickt, sein L. auch dohin fallen und sich von uns sondern werde. Dorumb ist nochmals unser begeren, ir wollet uff voriger maynunge verharren und die turckenhulf nit willigen, es seyen dan die zwene artickel des frieden und rechten halben voriger suchunge nach erlediget. Solt aber doruber, zuvorderst des landgraven rethe halben, ain sonderung furfallen, als wir uns doch nit wollen versehen, so wollet uns dasselbige eilend und unvortzuglich berichten und dorauf unsers bescheyds gewertig sein. Doch werden ir des landgraven rethe des, wie obstehet und wes sich sein L. in deme mit uns verglichen, zu erinnern und dohin zu ermanen wissen, das sie sich doruber von euch nit absondern.

Das wir aber uf voriger maynunge beruhen, dartzu haben wir nachvolgende ursachen: Nemlich, obwol zu Nurmbergk mit aller stende wissen und ausdrucklicher bewilligung der fride und gleichmessigs recht, auch die reformation des cammergerichts und das alle und ide proceß am cammergericht suspendirt sein und soliches im abschiede vorsichert werden solle, so ist es doch ein schlecht ding, von den papistischen stenden zu bewilligen und zu gescheen lassen, dan dem wort „reformation“ werden sie iren vorstand geben, wie sie uf den speyerischen abschied [1542], so deshalben wol clarer whar, auch gethan, dorin sie auch im grunde gestanden, das mit der itzigen besetzung des cammergerichts nit ein gleichmessig und unpartheyesch recht im Reich where. Und zu mhererm schein, das wir dieses teils es dohin solten verstehen, so wurden aus beider teil stenden zu solcher reformation etzliche zu der visitation und reformacion verordent1. Dannach sties man es umb und ksl. Mt. lis sich durch irer Mt. bevhel zu der suspension solcher reformation selbst hindter uns auch bewegen. Hierumb wil uns uff dießem teil mit solcher aufdruckung im abschiede nichts geholfen sein, dan dieweil zu dem wort „reformation“ nit gesetzt soll werden „nemlich vermuge ksl. Mt. declaration“, so werden sie das wort uff iren verstand ziehen, nemlichen vermuge voriger augsburgischen [1530] und etzlicher andern reichsabschiede, die von der visitation und reformation nach irer maynung melden.

Es geben nun der konig und der Granfelh darneben ad partem von ksl. Mt. und von irer selbst wegen erclerungen und interpretation, wie sie wollen, so ist man domit eben in den vorigen disputationen. Wen man sich uf unserm teil domit behelfen und schutzen solle, so sagt man, die andern stende haben in solchen verstand nicht gewilliget, so brenge es der itzige reichsabschied auch nicht mitte, sundern nach irer deutunge das widerspiel. Und haben auch alsdan vor sich, das sie sich ausdrucklich umb das alles gegen euch, den rethen und bottschaften dieses teils, vor dem abschiede erclert hetten, wie wir dan solchs aus den negst uns uberschickten vortzeichnussen vernommen.

Das aber noch mher und beschwerlicher ist, so sollen nit alle stende dieses teils von berurten nebenerclerungen wissen, welchs ane zweivel undter anderm darumb bedacht, das undter uns, den stenden, ein trennunge daraus ervolgen solte. Dann wie beschwerlichen es den andern stenden sein wolte, das wir ain particular handlunge ane sie annemen solten, ist liederlichen [= leicht] zu bedencken. Dartzu konnen wir bey uns nit erachten, das wirs mit gewissen, fugen und ehren thun mugen, dan je unser aynunge abschiede und vertrege ain anders mitbrengen. Dartzu solle man dem kayser kainen unglimpf aufladen, wie hievor mit der declaration auch bescheen where, welches eben sovil sein wilh, als wan gleich die visitation und reformation des cammergerichts ksl. Mt. vorigen declaration, auch berurten kgl. Mt. und des Granfels nebenberichten nit gemes wolt furgenomen werden, so solten wir uns doch derselben nit vermercken lassen und also ein schwert haben, das man aus der scheiden nit ziehen noch zur notturft brauchen solte.

Eben also handelte man undter dem vorigen reichstage zu Regennsburgk [1532], domit man uns in die turckenhulf bracht, auch das wir der religion und religionsachen halben nit allain ainen friden, sundern auch ainen stillstand am camergericht in solchen sachen haben solten, des man dan ain ksl. assecuration gab [RTA JR Bd. X, Nr. 557]2, und doch, das man die in gehaim solte halten3, dan die ksl. Mt. wolte uns dabey schutzen und handhaben. Da nun die turckenhulf gelaistet whart und ksl. Mt. aus dem Reich kam, da half es nichts, dan das camergericht erlangte zu Bononien ein gegendeclaration4. Und ab man sich wol uf berurte assecuration vor dem camergerichte zoge und sich dorauf berief, so halfe es doch nichts, da was [= war] auch keine handhabunge. Die von Minden wurden doruber geechtiget, dergleichen where denen von Hamburgk auch schier widderfaren. Wir langeten die beide Kff., als Maintz und Pfaltz, an, als die undterhendler5, das sie den stenden unsers teils bekenntnus ans cammergericht wolten geben von irer handlung und des kaysers bewilligung. Das vermochte man auch nit zu erlangen. Derhalben man sich itzt eben sovil wirdet zu versehen haben, das ksl. Mt. berurte nebenbrive widder die stende des andern teils handhaben werden, wie der Granfelh gegen den hessischen rethen furgegeben, und das ire Mt. im Reich etzliche jhar wirden verharren.

Konnen derwegen bey uns nit bedencken, das wir dadurch wurden ungefhert bleiben, wan gleich etzliche churfursten, wie der landtgrafe bedenckt, in die nebenversicherung mit bewilligeten. Wan es dan auch darnach nit erfolget, so plagt man uns, die oberhaubtleute, wir sollen die und jene hie und dort furwenden. Nun lest man es billich an nichts erwinden, aber man wurde sich dieses teils selbst aus den recusationen in neue geferliche hendel furen. Beschehe nun solches, so wurde man wol erfaren, wie es des camergerichts halben und sonsten gehen wurde. Darumb unser begerunge nachmals ist, ir wollet uff voriger maynunge verharren und die turckenhulf, eher und zuvor die beide punct des friden und rechten halben erlediget, von unsern wegen nit willigen, wie wir dan dem landgrafen, das wir euch solches bevholen, auch zu erkennen gegeben, zweivelsan, sein L. werde bey uns bleiben, wie sie sich dan albereit in deme mit uns verglichen hat.

Anmerkungen

1
Es handelt sich um die für 16. Juni 1542 angesetzte Visitation des RKG, die vom Kaiser suspendiert wurde.
2
Siehe auch: E. Fabian, Urkunden und Akten, Bd. 1, Nr. 18. Der Kaiser ließ sich die Möglichkeit offen, die Regelung bis zu einem Konzil oder zu einer Reichsversammlung rechtskräftig bestehen zu lassen oder sie nötigenfalls aufzuheben, zu verändern oder zu verlängern. Siehe R. Aulinger, Die Verhandlungen zum Nürnberger Anstand 1531/32, hier S. 204.
3
Karl V. beauftragte die ksl. Unterhändler Mainz und Pfalz, die übergebene Versicherung geheim zu halten und nicht zu veröffentlichen, Regensburg, 1532 Aug. 2, in: RTA JR Bd. X, Nr. 558 und E. Fabian, Urkunden und Akten, Bd. 1, Nr. 19. Die Suspension der Religionsprozesse wurde nach dem Regensburger RT 1532 nicht, wie von den Protestanten erhofft, dem RKG oder dem Fiskal bekanntgegeben. Erst nach Drängen der Unterhändler erließ der Kaiser am 6. Nov. 1532 in Mantua ein Mandat an Kammerrichter Adam von Beichlingen und die Beisitzer des RKG, kraft dessen er alle Religionsprozesse bis auf ksl. Widerruf suspendierte; gedr. bei: E. Fabian, Urkunden und Akten, Bd. 1, Nr. 31
4
Karl V. an Kammerrichter Adam von Beichlingen und die Beisitzer des RKG, Bologna, 1533 Jan. 26: Bestätigung der Sistierung der Religionsprozesse. Eine weitere Deklaration hielt der Kaiser jedoch für unnötig und berief sich auf die in Regensburg 1532 gegebene Versicherung; gedr. bei: E. Fabian, Urkunden und Akten, Bd. 1, Nr. 46.
5
Die Suspension der Religionsprozesse wurde in Form einer persönlichen Erklärung des Kaisers garantiert (siehe Anm. 3), die den ksl. Unterhändler, den Kff. Mainz und Pfalz, zugestellt wurde; in: RTA JR Bd. X, Nr. 558. Die Unterhändler durften den Inhalt des Aktenstücks den Protestanten zwar mitteilen, aber keine Abschriften davon übergeben; die reichsrechtliche Verbindlichkeit der Vereinbarungen war dadurch nicht gesichert. Siehe RTA JR Bd. X, Einleitung S. 138f.