Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Wien HHStA, RK RTA 10/Konv. 1, fol. 65r–67r (Kop.); ÜS fol. 65r: Verzeichnus der handlung, so ich, Wolff zu Bappenhaim, des Reichs erbmarschalkh, mit etzlichen verordnetten des raths zu Nuremberg, als Grundtherr und anderer etwan ine zugeben seyn worden, von wegen jetzgehaltens reichstags des erbmarschalhampts und judengelaytzs halb, so ich als der eltest von meinem gnedigisten herren, dem Kf. zu Sachsen, zu lehen trag und verwesen solte.

Beilage: ebd., fol. 68rv (Reinkonz.); DV fol. 72v: Revers derer von Nürnberg die judische verglaittung belangendt2.

Item als ich erstlich uff disen reichstag herein geen Nurnberg khumen, habe ich meinem untermarschalh und diener bevelh und etliche verzaichnuß, was sich dan der amptsverwaltung diß wessenden reichstags die notturft geburen hat wollen, zu dem Grundtherren3 geschickt, fursehung und ordnung ze machen laut hiebeyligendts zetls [Nr. 33] und weytters mundtlichs berichts.

Unter sollicher ordnung und handlung hat sich zugetragen, das mein genediger furst und herr, Hg. Friderich Pfgf. etc., von wegen aines juden an mich, als jetz des erbmarschalkhampts eltister verweser,[herangetreten], solchen juden – wie byßhere gebreuchig und lang hergebrachter freyhayt – zu verglaytten, wie ich dan solches thon. Auf das ist Grundtherr zu mir komen und unter andren auß bevelh aines erbarn raths mir angezaigt, ain erber radt were deß uß vyll und allerlay bedenckhens, unradt und pratica zu verhieten, so durch die juden beschehen mochten, danerhin [!] gesindt, das sie sich mit mir fur solch judenverglayttung ditzs reichstags und derselben nutzperkayt vergleichen und abtrag thun, damit kayn jude diß wesenden reichstags in ihr stat komen, wie sie dan sollichs nehers reichstags vergangen meinem vhettern, dem Jorg marschalckh, so in abwesen mein solich ampt verwesen, auch gethan und geschehen sey4.

Auf sollichs habe ich gemeltem Grundtherr die antwurt geben, es were mir die sach nicht sonders zuwider, ich wolte als mehr ayn samethaft gelt nemen miteinander als also aintrechtig nacheinander, aber ich werde und khunde[mich] an vorwyssen meins genedigen herrn, des Kf. zu Sachsen, als ertzmarschalh und lehensfursten meines tragenden erbmarschalhampt oder derselben meines genedigsten herrn kfl. verordneten rethen, so yetzt alhie erschinen, entlich mit antwurt aussenthalb ires vorwyssens und wyllens nicht einlassen und dergleichen worten mehr5.

Und also auf solche gepflegne rede und handlung ist die sachen etlich tag verharret und weytters mit mir nicht gehandelt worden. In dem etlich mehr juden komen, gelaydts an mich als den erbmarschalk begert, deß ich inen auß lang alter, hergeprachter freyhayt und gebrauch, auch amptsgerechtigkayt gewilligt und gegeben hab. Uber das seyn der von Nurnberg diener zugefaren und mir zwen verglayt juden fenglich angenommen und hertigklich eingelegt, deß mir unbewyst gewesen. Sobald ich aber solchs erfaren, habe ich zu Grundtherren meinen untermarschalkh geschickt, mit beger, mir die verglaytten juden on alle entgeldtnuß ledig zue geben. Uff das Grundther geantwurt, es solle gleich geschehen. Uber solich antwurt haben die zwen juden noch dieselben nacht in solcher fengkhnuß ligen bleyben und erst am morgens ledig mit ainer beschwerlichen urphede und anhengen beladen schweren, unangesehen mein verglayttung gleich der stat verwysen und enteussern muessen. Deß zuvor meynem genedigisten herrn chur- und lehensfursten, auch mir und meinen vhettern an unserem lehens erbmarschalkhampt und derselben gerechtigkayt gantz beschwerlich und nachtayllig etc.

Und aber uber solche gepflogene und auch beschehne handlung seyn die von Nurnberg zugefaren und an die kgl. Mt. geschwinder [= listiger] weyß begert, ihr Mt. wolle mit mir handlen lassen, damit die juden diser weylen in die stat zu disem reichstag nit glaydt solten werden, mit darthun vilerlay ursachen der practica des Turcken etc. Darauf durch ihr kgl. Mt. hoffmayster, H. Linhart von Fels, mit mir gehandelt und auf maynungen, solcher verglayttung dißmals uß vilerlay bewenden ursachen etc. zu verbleyben lassen, doch sey ihr kgl. Mt. maynung und wylle, sie, die von Nurenberg, umb solchen abgang und nutzberkayt gepurender weyß zu vertragen.

Darauf ich wider gleichermasen an ihr kgl. Mt. hoffmayster mit antwurt begegnet, wie hievor ich Grundtherren gegeben, an vorwyssen und wyllen meines genedigsten herren verordnete rethe nicht in handlung einzulassen. Deß dan abermals ain zeyt etlicher tag in rue gestanden. Darauf aber sie, die von Nurnberg, mir derweylen ain coppey aines revers, wie die hiebei liegt6, zugeschickt, mich darinnen haben zu ersehen, deß sich dan aber etwan ain zeyt verlengt. In mitler weyle habe ich meinen diener undt untermarschalkh zu Grundtherrn geschickt und doch an ine begert, mich deß abtrags und ergetzlichayt der suma namen zue geben und auch, das ich meines genedigisten herren deß churfursten verordnette rethe selbs auch[benachrichtige], wie hievor meermalen von mir an sie, die von Nurnberg, durch Grundtherren furgeschlagen und begert sey worden. Deß nun aber auf jetz beschehnen mein anbegeer ainen tag oder etlich mich one antwurt verbleyben lassen.

Und wie angeregt etzlich tag verschinen, ist vilgemelter Grundtherr sampt noch aynem verordnetten deß raths, aber derselb mir nicht bekannt, zu mir khummen und mir uff hie negst mein anbegere die antwurt gegeben: Dieweyl ich deß abtrags gern der suma wyssen wolten, soferr dan der revers inmassen der copey lautter verfertigt, haben sie von wegen deß raths zu Nurnberg bevelh mir anzuzaigen, das sie mir 64 fl.7 fur sollichs, wie hievor nehers reichstags meinem vhettern auch uberlyffert worden, darlegen und liffern. Und sovil belangen die kfl. rethe auch zu ersuchen, gedencken sie, nicht zu thun, dan sollich von unnöten sey. Wolle ich solchs annemen, habe seyn maß; wo nicht, muge ich die juden verglaytten, doch mit disem betroglichen anhang, wo auch nachtayl und schaden uß disem ervolgt, wysten sy sich wol zu erinnern, wo sie solichen schaden wider erholen wolten.

Darauf ich wider mit antwurt begegnet und anzaigt, das ich solche summa geltzs der 64 fl. nicht gedencke zu nehmen, ich wolle aber ir von wegen eines erbarn raths gegeben antwurt an meines genedigsten herren verordnete reth lassen gelangen. Also, gunstige, liebe herren und freunde, ist dise handlung in somarien verloffen, darauf es ditzmals noch beruedt etc.

Anmerkungen

1
Zur Datierung und zum Verlauf der Verhandlungen, die zwischen Wolfgang von Pappenheim und dem Rat von Nürnberg während des RT iimmer wieder stattfanden, siehe die Aufzeichnungen der Nürnberger Ratsbücher (Nr. 89b, fol. 167v–168r, fol. 185v).
2
Der nicht datierte Entwurf dieses auf Wolfgang von Pappenheim ausgestellten Reverses ist laut Nürnberger Ratsbüchern (Nr. 89b, fol. 167v) Kg. Ferdinand am 9. Febr. 1543 vorgelegt worden. Mit Ausnahme einer Passage entspricht der Revers wörtlich jenem vom 2. Aug. 1542 für Georg von Pappenheim, der damals seinen Vetter Wolfgang in allen Funktionen vertrat. Die im Vergleich zum Reverstext von 1542 geänderte Passage betrifft die Dauer der Gültigkeit der Abmachung: [...] in zeyt dises jetzigen reichstags und so lang derselb weren oder, wo der nicht zu ende abgehandelt, sonder erstreckt oder von neuem hieher angesetzt wurde, keynen juden oder judin, jung oder alt, in diese stat zu verglaytten bewylliget [...].Letztendlich wurde der Revers 1543 nicht ausgefertigt, da Wolfgang von Pappenheim – im Gegensatz zu seinem Vetter Georg 1542 – nicht auf das Geleitrecht für die Juden verzichtete. Durch Vermittlung der kursächsischen Gesandten wurde erreicht, dass die Stadt Nürnberg alle gefangen genommenen Juden ohne finanzielle Abgeltung frei lassen musste und dass der Erbmarschall in der Ausübung seines Geleitrechts nicht behindert werden durfte: siehe Nr. 35a.
3
Paul Grundherr, Nürnberger Ratsherr.
4
Revers von Bgm. und Rat der Stadt Nürnberg für Georg von Pappenheim betr. dessen Verzicht auf das Judengeleit für die Dauer des Reichstags, Nürnberg, 1542 Aug. 2, in: RTA JR Bd. XIII, Nr. 15, S. 153f.
5
Wolfgang von Pappenheim erbat während des RT 1543 in einem Schreiben an Kf. Johann Friedrich von Sachsen weitere Instruktionen, wie er sich in der Frage des Geleitrechts für die Juden gegenüber dem Rat von Nürnberg verhalten solle. Das Schreiben liegt lediglich als nicht datiertes Konz. vor, in: Wien HHStA, RK RTA 10/Konv. 1, fol. 73r–74v.
6
Siehe oben die Beilage zu Nr. 35b sowie Anm. 2.
7
Georg von Pappenheim waren auf dem Nürnberger RT 1542 vom Rat der Stadt 60 fl. für den Verzicht auf das Recht des Judengeleits angeboten worden, seinem Sekretär (Sixtus Sommer) 4 fl. als „verehrung“: siehe RTA JR Bd. XIII, S. 146.