Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Hannover NLA, Celle Br. 1, Nr. 22, fol. 276rv, 284r (Kop.); ÜS fol. 276r: Memorial.

Erstlich alß wir bey uns bedengken, das unser begeren unsers gepurlichen erbteilß [Nr. 56b], so in frischer handlung samptlich einzuthun, villeicht allerley vordechtigkeit, gleich alß ob wir etwas anders darunder suchten, euer Ll. und anderen zu nachteilh, uff sich tragen mugte, wiewol wir uns solchs vor Got dem Allmechtigen und bey der welt unschuldig wißen, sonderlich dieweil wir auch mit unserem bruder in rechtfertigung zu komen villeicht gedrungen werden mugen, das darumb im fall bemelte ir Ll. und einungsvorwanten uns eine ansehenliche summa gelts aus unserem vaterlandt, dem furstenthumb Braunschweig, jerlich zu geben vorsicheren, so lang biß zu einer anderen gelegen zeit und bestendiger einigkeit des furstenthumbs Braunschweig ferner und entlich gehandelt und beschloßen muge werden.

2Item so sich auch uber kurtz oder lang zutruge, das zwischen den ainungsverwanten und unserem bruder, Hg. Heinrichen, einige gutliche handlung, belangend das furstenthumb Braunschweig, furgenomen wurde, bitten wir, das euer Ll. und Gg. zu keiner handlung sonder unser vorwissen schreitten wollen, uns desselben zu vorstendigen und als einen miterben bemeltes furstenthumbs Braunschweig darzuthun forderen.

Und dieweil berurte stende das furstentumb Braunschweig dieses 42. jars mit aller nutzung an sich gepracht und wir vor einnhemung desselben dieses 42. jars von unserm bruder etzliche summen gelts zu behuff [= wegen] unser not und schulden gewertig gewesen sind und doch nicht bekomen haben, sonder zu unserm großen schaden und nachteil daran verhindert, so seind unser gar freuntlich bitten und begern, das ire Ll. und Gg. uns zu ergetzung [= Ersatz] desselbigen ausstandts aus freuntlicher lieb und zuneigung mit einer furtrefflichen summa gelts freuntlich und gunstiglich verhelfen wollen, darmit wir solchs schadens3, so uns aus sochnem [= solchem] recht ersproßen, nochmals einpringen und erholen mugen, und sonderlich dieweil uns nach einnhemung bemelts furstenthumbs Braunschweig unsere geistliche gefelle unser dreier probsteien, St. Blasii4zu Braunschweig, Zum Hl. Creutz5 und Uffm Berge6 in- und ausserhalb Hildensheim unvorschulter sachen arrestirt und zu mergklichem unserem schaden abgeschnitten und vorenthalten werden7.

Dieweil wir auch unser auskhunfts [= Einkünfte] zum theil, wie ir Ll. und ainungsvorwanten bewust ist, zu Bremen, Strasburg, Braunschweig und im stift von Hildensheim haben und unser noturft zum theil erfurdert, zu zeiten etlich der ort zu residieren, darmit wir auch desto vertiger [= bereiter] sampt den unseren unser gelegenheit nach uff- und abziehen, pitten wir gantz freuntlich, ir Ll. sampt deren miteinungsvorwanten wollen uns zu der behuff sampt ein frey, sicher geleit zustellen. Demselben wollen wir uns auch hinwiderumb gemes und gleitlich, wie sich gepurt, halten8.

Anmerkungen

1
Es ist anzunehmen, dass das Memorial zeitgleich mit der Kredenz (Nr. 56a) verfasst wurde.
2
Der folgende Absatz entspricht inhaltlich dem letzten Absatz der Instruktion (Nr. 56b).
3
Im Sinne von „Zins“, mit Bezug darauf, dass ein Gläubiger bei Zahlungsverzug sich genötigt sieht, das Geld (gegen höheren Zins) bei einem anderen aufzunehmen. In: Schweizerisches Idiotikon digital Bd. VIII, S. 168.
4
Das Kollegiatstift St. Blasius, innerhalb der Burg in Braunschweig gelegen, hatte vom 12. bis zum 19. Jhdt. enge Verbindungen zur Welfendynastie, besonders zu den in der Burg Wolfenbüttel residierenden Herzögen. Während der Reformation, der sich die Stadt Braunschweig 1528 anschloss, geriet das Stift zwischen die Fronten. Hg. Heinrich d. J., der dem alten Glauben treu blieb und der seit der Hildesheimer Stiftsfehde einen großen Teil des Stiftsterritoriums besaß, bemühte sich um die Beibehaltung der bestehenden Verhältnisse im Stift. Die Eroberung des braunschweigischen Landes durch die Schmalkaldener und die Vertreibung des Herzogs im Jahr 1542 hatten für St. Blasius zur Folge, dass sich die Stiftsherren zeitweise nach Halberstadt zurückziehen mussten. Dem Propst des Stiftes, Hg. Georg von Braunschweig, wurden die ihm zustehenden Einnahmen aus dem Propsteigut vorenthalten, wogegen sein Gesandter 1543 vor den Schmalkaldenern und vor den Reichsständen in Nürnberg Protest einlegte. Ausführlich zu St. Blasius: J. Dolle, Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 1, S. 102–123.
5
Im Hildesheimer Kollegiatstift Hl. Kreuz stand die Heiligkreuzverehrung im Mittelpunkt des geistlichen Stiftslebens. Das Kapitelsgut war vom Sondergut des Propstes geschieden. Während der Reformation behauptete das Stift seinen katholischen Charakter, allerdings verbot der Rat von Hildesheim im Herbst 1542 öffentlice Gottesdienste, Chorgesang, Glockengeläut und Orgelspiel. Ähnlich wie beim Stift St. Mauritius gab es Auseinandersetzungen um die Propstei, die Heinrich d. J. in der Person seines Bruders Hg. Georg und danach durch seinen natürlichen Sohn, Heinrich Karl von Kirchberg, dem Welfenhaus sichern konnte. Siehe: J. Dolle, Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 712–79.
6
Das Kollegiatstift St. Mauritius auf dem westlich von Hildesheim gelegenen Zierenberg (= Uffm Berge) galt neben dem Domstift als das angesehenste in Hildesheim. Während der Reformation stellten sich die Kanoniker 1526 unter den Schutz Hg. Erichs I. von Braunschweig-Lüneburg. 1534 wurde Hg. Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel zum Propst des Stiftes bestellt, was die Sicherung des katholischen Charakters des Stiftes begünstigte. 1558 verzichtete Hg. Georg zu Gunsten seines Neffen Heinrich Karl von Kirchberg auf die Propstei. Siehe:J. Dolle, Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 698–705.
7
Über diesen Rechtsbruch beklagte sich auch Bf. Valentin von Hildesheim in seiner Supplikation (Nr. 248, Punkt 3).
8
Zur Antwort der Schmalkaldener auf die Eingabe Hg. Georgs von Braunschweig-Wolfenbüttel siehe Nr. 252–253.