Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, RK RTA 11/Konv. 2, Nr. 2, unfol., (Kop.); ÜS: Unser von Gottes genaden Johanns Friderichen, Hg. zu Sachsen, des Hl. Röm. Reichs ertzmarschalch und Kf., Lgf. in Durringen, Mgf. zu Meissen und Bgf. zu Magdeburgkh antwort dem vesten und hochgelerten H. Anndresen von Khonneritz Dr. auf seine werbung, so er von röm. hungerischer und behemischer kgl. Mt., unsers allergenedigisten herrn, wegen an uns gethan, gegeben.

B Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 463–466, Nr. 163, fol. 30r–47r (Kop.).

Teilw. Regest: L. Groß/R. von Lacroix, Urkunden, Bd. 1, Nr. 290, S. 199.

Dankt für Werbung des Dr. Könneritz (Nr. 6). Bereitschaft, zum Wohl der Christenheit und der deutschen Nation zum Frieden beizutragen.

[Persönlicher Besuch des Reichstags] [...] Und sonderlich wären wir auf bemelten reichstag darumb persondlich zu khumen dest meer genaigt, dieweil wir aus beschehner werbung vernomen, das ire kgl. Mt. genedigkhlich genaigt, in der vorabschiedeten handlung, di kgl. waall betreffendt, daselbst zu Nurnberg vortzufarn, nachdem wir selbst auch bedenkhen, daß solhe handlung nit pesser geschehen khunt, dann do ire kgl. Mt. und wir persondlich zur stette und gegenwertik wären. Wegen des Krieges in Jülich kann Kf. Johann Friedrich sein persönliches Kommen zum Reichstag jedoch einstweilen nicht zusagen, wie er in einem Schreiben an Kg. Ferdinand (Nr. 7) begründete und gegenüber Könneritz wiederhole. So wierdet er [= Könneritz] one zweifl bey ime selbst unser gelegenhait dest baß auch wissen hierin zu ermessen, wie wir uns noch zur zeit derwegen anders und weitters khonnen vernemben lassen, auch was unser persondtliche gegenwurtickheit, sovil in sonderhait die turggenhilf belanget, meer nutzlich oder dienstlich auf berurtem reichstag sein wollte. Dann so wir unsere rette mit gewalt und volmacht, als wir dann in alweg durch gotliche verleihung zu thun bedacht sein, dahin schickhen und nit allein den reichshändlen mit ob zu sein, sonder auch beruerter handlung di waall und anders, davon der abschidt, so nunmeer ain jar zwischen ir kgl. Mt. rat und diener, den edln H. Hansen Hofman, Frh. zu Gruenenpuhl etc., unsern besondern lieben, mit uns zu Torgaw1 abgeret und durch ir kgl. Mt. volgendts genedigkhlich bewilligt, zu gewarten und sy von unserntwegen widerumb vernemben zu lassen.

[Türkenhilfe] Aber die weittere antzaigung belangendt, daß wir durch den khriegßrat des sechsischen craiß solten bericht sein worden, wie und was von wegen des winterlegers in Hungern gehandlt und beslossen worden sein soll, nemblich daß 1000 wolgeruster und 2000 geringer phärt sambt 4000 zu fueß bis auf den khunftigen reichstag und der stende ferrer versehung in des Röm. Reichs costen underhalten sollen werden, derhalben kgl. Mt. begern, daß wir an unser gebur gemelts unchosten halben nit wolten mangl sein noch ychtwas abgeen lassen, solches auch in gleichnuß bey den andern stenden des obersechsischen craiß befurdern etc., so mugen wir mit bestendigen grunt antzaigen, daß uns von gemeltem khriegßrat noch khain bericht bis auf den heuttigen tag davon beschehen, und one zweifl auß deme, das er zu solhen handlungen nit wierdet getzogen worden sein. Ist er aber dabey gewest, so wollen wir uns versehen, gemelter khriegßrat werde nit underlassen, uns nochmals davon antzaigen zu thuen, welchen wir auch darnach gerne an di andern unsere khrayßstende wellen gelangen. Dann fur uns selbst allain uns darauf dismals vernemben zu lassen, khan darumb nit beschehen, das wir bißhere, wie auch andere meer, khain weittere turggenhilf in Hungern auf die verschine sechs monat gewilligt, welche wir underthenigkhlich und gehorsamblich gelaistet und unsers thails sunder ruem khainen mangl haben sein lassen. Zudeme haben wir auch dem Kf. zu Branndenburg als des Reichs oberstem haubtman 2000 fl. auf die speierische reichshandlung furgesetzt und dartzue den vierden monat zu der eillenden reichshilf vorm jare, welcher vierder monat doch mit bewilligung gemainer reichsstende gefallen und abgekhurtzt worden, getuppelt erlegt. Solch gelt uns noch alles unbetzalt aussensteet. Uber das wissen wir auch nicht, ob beruerte underhaltung von andern Kff., Ff. und stenden des Reichs in gleichnuß wil gewilligt werden, desgleichen wievil ainem curfursten dartzue zu erlegen geburn soll.

[Reichskammergericht] Und im faall, daß es gleich sölhe ursachen und einrede unsern halben nit hat, so wierdet doch uns und unsern cristlichen einungsverwanten bedenkhlich sein und schwär fallen, in ainiche underhaltung oder weittere turggenhilf zu bewilligen, es sein dann zuvor di vermainten und nichtigen proceß an dem chamergericht gentzlich und wurkhlich abgeschafft. Dann weß sich dasselbe chamergericht gegen uns und gemelten ainungsverwanten des braunschweigischen defensionzugs halben yetzt auch thuet anmassen, sölchs haben unser freundlicher, lieber vetter und brueder, der Lgf. zu Hessen, und wir kgl. Mt. vor langst durch unser sambtlich schreiben zu erkhennen gegeben. Darauf uns noch zur zeit auch khain antwort von ir kgl. Mt. gefallen.

[Werbungen und Rüstungen Kursachsens und Hessen] Die Bedenken Kg. Ferdinands bez. der Aufrüstung der Schmalkaldener werden durch das Schreiben Johann Friedrichs von 1542 Nov. 11 (Nr. 7) und durch ähnliche Ausführungen des sächsischen Kurfürsten gegenüber Kgn. Maria entkräftet. Diese Ausführungen sind dem kgl. Gesandten Dr. Könneritz vorzulesen.

[Konflikt im Herzogtum Jülich] Als Kf. Johann Friedrich von dem Angriff der Burgunder gegen den Hg. von Jülich erfuhr, bemühte er sich, die rheinischen Kurfürsten2und einige Fürsten3als Vermittler in diesem Konflikt zu gewinnen. Obwohl sich der Kf. von Köln und der Lgf. von Hessen zur Vermittlung bereit erklärten, setzte das burgundische Heer die kriegerischen Angriffe gegen Jülich fort. Und solichs zaigen wir kgl. Mt. geschickhten auch hierumb genedigkhlich an, daß wir uns aller unbillichen verursachung solher und dergleichen beschwärung, wie yetzt gemelt, und so sich die, daß Gott wende, zutragen soldt, gotlob gentzlich entschuldigt wissen.

Hätte Hg. Wilhelm von Jülich kriegerische Absichten gegen die Niederlande gehabt, so hätte er nach dem Ende des braunschweigischen Feldzugs das frei gewordene Kriegsvolk für seine Zwecke verwendet, was jedoch nicht der Fall war. Er leistete stattdessen seinen Beitrag an Reitern und Fußvolk zur Reichstürkenhilfe.

Dartzue halten wir es auch darfur, wie unser vetter und brueder, der landtgrave, und wir fur uns selbst und von wegen unser ainungsverwanten gegen kgl. Mt., auch Kff., Ff. und stenden des Reichs auf negstgehaltnem reichstag zu Nurmberg [1542] nach beschehner gegenweer im landt zu Braunschweig durch unsere räte und gesanten underthenige, freundliche, auch genedige erbiettung thuen lassen4, vorberuert khriegsfolckh von uns oder mit unserm zuthuen in ksl. Mt. oder des Reichs widerwertigen handen nit khumen zu lassen, so sey desselben volckhs vil dem burgundischen [Kriegsvolk] zukhomen. Und so wir es bey uns dafur hetten achten oder versteen mugen, daß unser schwager meergemeltem einfaall in Burgundien verwant [= zugetan, daran beteiligt] gewest und heten sein L. furschube darinn thuen wellen, so hetten wir nach beruerter eroberung des landes zu Braunschweig di wege wol finden khonnen, daß sein L. desselben volckhs auch ein guetter thail zuekhomen wäre, welches doch nicht beschehen, auch uns mit grunde nit mag aufgelegt werden. Und dieweil dann derselbe unser schwager, in vertrauen seiner L. bewissena unschuldt, so gar ploß [= ungeschützt] funden, als sein L. durch der khunigin und regentin khriegsfolckh ubertzogen, so mueß dannoch solhs bey menigkhlich nit ein geringe vermuettung und antzaigung unsers erachtens derselben seiner L. unschuldt machen.

Kf. Johann Friedrich dankt Kg. Ferdinand, dass dieser ihn durch Dr. Könneritz über den Stand der Verhandlungen im Konflikt um Jülich benachrichtigte. Der Kurfürst kennt die Rechtsposition des Kaisers und jene des Hg. von Jülich in diesem Streitfall. Er ließ die kursächsischen Rechtsgelehrten dazu Stellung nehmen; sollten sie in ihrem Bericht zum Schluss kommen, dass der Herzog im Unrecht sei, so wolten wir seiner L. denselben [Bericht] auch nit verhalten und seiner L. freundliche und notturftige undersagung darauf gethan haben. Der Herzog werde sich dann der Billigkeit nach verhalten.

Hoffnung Kf. Johann Friedrichs, dass der König sich im jülichschen Konflikt um gütliche Verhandlungen zwischen den Parteien oder um einen rechtlichen Austrag der Angelegenheit bemühen werde. Johann Friedrich nimmt an, dass der burgundische Angriff gegen Hg. Wilhelm von Jülich nicht mit Wissen und Einverständnis des Kaisers erfolgte, sondern dass es sich um einen Racheakt für den im Sommer 1542 erfolgten Überfall auf die Niederlande handelte. Die Gesandten Hg. Wilhelms von Jülich legten auf dem Reichstag in Nürnberg 1542 den Reichssständen die Unschuld ihres Herrn an diesem Überfall dar (RTA JR Bd. XIII, Nr. 122). Hg. Wilhelm wird seine Gesandten zur weiteren Klärung der Angelegenheit auf den kommenden Reichstag nach Nürnberg abfertigen und wird den König und einige Reichsfürsten um sicheres Geleit für seine Räte ersuchen.

Achten es derhalben dafur, auf gemelten reichstag werde sich uber die entschuldigung, die sein L.[= Hg. Wilhelm von Jülich] auf negstgehaltnem reichstag zu Nurnberg bereittan und sonst haben thuen lassen, seiner L. fueg und unfueg, wo sein L. solche vergleithung der iren halben erlangt, clar und genuegsam befinden, desselben zu iren fromben zu geniessen oder schaden zu entgeltn.

Über die gegen den Hg. von Jülich vorgebrachten Anschuldigungen soll auf dem künftigen Reichstag verhandelt werden. Der sächsische Kurfürst bestreitet, dass Jülich mit dem Kg. von Frankreich eine Allianz gegen die ksl. Niederlande eingegangen sei und sich des offenen Landfriedensbruchs schuldig gemacht habe. Hingegen sei der Angriff der Burgunder auf Jülich offenkundig und unrechtmäßig. Auch beklage sich die Mutter des Hg. von Jülich über die Brandschatzung ihres Wittums durch die burgundischen Streitkräfte.

Wilhelm von Jülich sei 1541 in Frankreich gewesen, um seine Heiratspläne mit Jeanne d’Albret III. zu verwirklichen5. Diese Verheiratung, nicht die geheime Unterstützung des Kg. von Frankreich gegen die burgundischen Niederlande, sei der Grund, weshalb Wilhelm einen ständigen Gesandten am französischen Hof (= Dr. Hermann Cruser) habe. Alle Vorwürfe, dass der Herzog seine Untertanen dem Kg. von Frankreich zuziehen lasse, seien haltlos, vielmehr stünden jülichsche Amtleute im Dienst der Burgunder gegen Frankreich; sie hätten auch Hg. Heinrich von Braunschweig gedient. Martin van Rossem, der geldrische Marschall, sei entgegen dem Willen des Hg. von Jülich in den Dienst des französischen Königs getreten. Zu den von Kgn. Maria abgefangenen Briefen, die des Herzogs Kooperation mit Frankreich beweisen sollen, werden der Herzog bzw. seine Gesandten am Reichstag Stellung nehmen. Die Rechtfertigung des Herzogs hätte vor dem Angriff der Burgunder auf Jülich gehört werden müssen.

Der Kurfürst hofft, es werde dem Kaiser und Kg. Ferdinand nicht missfallen, dass er dem mit ihm verwandten Hg. von Jülich aus den oben angeführten Gründen seine Unterstützung zugesagt hat. Außerdem hoffe er, dass das burgundische Militär wieder aus Jülich abgezogen werde, bevor es zu weiteren kriegerischen Ereignissen komme. So werde die kgl. Mt. mit genedigem ernst und vleiß die dinge also underfahen, damit di sachen aller zu ainem bestendigen friden und entlichen guetlichen vertrag oder rechtlichen erkhantnuß obgemelter Kff., Ff. und stende des Reichs furderlichen gericht werden. Dann was wir fur unser person dartzue vermugen zu thuen und thuen sollen, dartzue wollen wir uns sovil muglich underthenigkhlich und guetwillig hiemit und in alweeg erbotten haben.

Gerade in Zeiten der Bedrohung durch die Türken solle das Reich vor inneren Kriegen verschont bleiben; Jülich solle dem Herzog wieder zurückgegeben werden und ein Vergleich zustande kommen.

So ist auch ane not, das wier uns der krigsrustung halben, so uns bei kgl. Mt. aufgelegt worden, entschuldigen, dan das wir in keiner krigsrustung sein, zeigt an der offentliche augenschein in unsern landen und furstenthumben. Darumb uns auch wenig entschuldigung gegen kgl. Mt. dawider vonnotten, allein das wier etzliche unserer hauptleute uff unsers ohmen und schwagers freuntliche bitt und ansuchung – vor dieser zeit als das burgundisch krigsvolck noch im lande zu Gulich gelegen – abgefertigt, unserm ohmen und schwager zu rettung seiner L. lande und zu derselben gegenweer aus meergemeltn ursachen ain antzal khnecht anzunemen und sein L. zutzefuern.

Für Johann Friedrich hänge der persönliche Besuch des Reichstags von der Antwort Kg. Ferdinands auf die Bedenken und Beschwerden des Kurfürsten ab (Nr. 7). Nachdem wir auch aus des gesanten von Khonneritz werbung vermerkhen khonnen, daß wir durch unsere widerwärtigen bey kgl. Mt. etwas beschwärlicher und weitter, dann sich die dinge im grunt erhalten, sein angetragen worden, so wil unser notturft sein, den sachen weitter nachzugedenkhen. Falls nötig, werde Johann Friedrich dem Kaiser und dem König weiteren Bescheid zukommen lassen.

Anmerkungen

1
Siehe Nr. 7, Anm. 3.
2
Die Kff. von Köln, Trier, Pfalz und Mainz.
3
Lgf. Philipp von Hessen, die Gff. von Nassau und die Gff. von Neuenahr.
4
Siehe die verschiedenen Rechtfertigungen Kursachsens und Hessens wegen des braunschweigischen Feldzugs: siehe RTA JR Bd. XIII, Nr. 134, Nr. 137–138.
a
In B: bewusten.
5
Zur Reise Hg. Wilhelms von Jülich nach Frankreich im April 1541 und zur dortigen Feier seiner Vermählung mit Jeanne d’Albret, Nichte Kg. Franz’ I. von Frankreich und späte Kgn. von Navarra, am 14. Juni 1541 siehe: P. Heidrich, Der geldrische Erbfolgestreit, S. 52f.