Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 633r–636v (Kop.); DV fol. 636v (v.d.Hd. Dr. Jonas’): Der gehorsamen stedt supplication. AV fol. 636v: Lectum in consilio imperiali die 14. Aprilis anno 43.

B Ravensburg StadtA, Bü. 152b/2.9, unfol. (Kop.); DV: Der sechs stett gesandten ubergebne schrift, so sy den chur- und fursten und gmainen reichsstenden zu Nyerenberg im 43. jar ubergeben haben. Vor den reychsstenden ubergeben und offentlich verlesen worden sambstags, den 14. Aprilis anno etc. im 43.

Eur fstl. Gnn., Gnn. und Gg. wissen sich one zweifel noch gnedig und gonstiglichen zu erynnern, als von euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. uns gnedig und gonstiglichen freitags, den 30. tag Marcij, eroffnet worden, das euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. sich entschlossen, ein hilf wider den Turcken zu bewilligen [Nr. 92] etc., welchermassen wir, der nachbenanten stedt gesanten, euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. unsre habende bevelch schriftlich [Nr. 102] und daneben underthenig angezaigt, das wir von unser obern wegen in kein hilf weiters bewilligen kondten oder möchten, es wurde dan dieselbig hilf, wy im Hl. Reich herkhomen, beschlossen und gelaistet, auch vor allen dingen die lang versprochen ringerung und dan zu Speier verabschidte zugesagte vergleichung der kraiskasten zu wurcklichem ende gepracht, darzu wir uff euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. bedencken ydesmals notturftiglichen gehoret, welche unsere ubergebne schrift wir hieher alles inhalts wollen erholet haben.

Als aber euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. uns daruber und weiters ein bedenckens, welchermassen und gestalt dy gemelte bewilligte hilf zu laisten sein solt [Nr. 94] furhalten lassen, befinden wir, das in demselben und, wue der abschide daruff vorfertigt werden solt, durch denselben unsere obern uber dy maß enormiter ledirt und beschwerdt wurden, darumb auch beden, dem furgehaltenen bedenckens [Nr. 94] und daruff gevolgtem abschide, zue bewilligen, anzenemen und zu volziehen nit schuldig weren, nemlich auß nachvolgenden gegrundten ursachen:

Und erstlichen, das angeregt bedenckens, und wue ein abschid daruff vervolgen solt, nit wy im Hl. Reich herkhomen, sonder particulariter wider alten geprauch und auch gemayner erbarn frey- und reichstedt herkhomens unser unverhört und unser obern beschwerden unerleichtert, doe uns auch der bedacht gewaigert worden, furgenomen und fur beschlossen geacht sein will.

Zum andern, das die lang versprochen ringerung der beschwerten stende, welcher ringerung unsre obern, auß ursachen, das sy gantz untreglicher weiß angeschlagen, zum hochsten notturftig sein und uns mherer thails darumb anzuhalten sonderlichen hieher abgefertigt haben, vor diser neuen beschwerlichen hilf und anlag, uff das nymant vor dem andern beschwerdt wurde, wy pillich sein sollte, noch nit bescheen, auch sich derselben, wy die in gemelten bedenckens angerurt wurdt, wenig zu verdrosten haben.

Zum dritten, das unsre obern von dem ferdigen [= vorjährigen] zug wider den Turcken noch in mercklichen kundtparlichen schulden verhaft sein und deglichen bedraulicher, gefarlicher weiß darumb angefordert werden, aber die verhaißne und verabschidte vorgleichung der kraiskasten, dardurch sihe derselben schulden erledigt worden sein solten, keynen wurcklichen furgang erraicht und unsere obern also, wider mhermals versprechen und verabschiden, in neu obligenden schulden unenthebt verlassen pleiben.

Zum vierdten, das in gerurten bedenckens im puncten des zuzugs [Nr. 94, Art. 10] gesetzt wurdt, waß zu Passaw von den kraissen beschlossen und eynem yden standt ufferlegt und zugeschrieben wurdt, das der dasselbig alsbald bezalen und erlegen soll, ungeacht das solliche ufflag unsern obern, nachdem sy uff den tag zu Passaw nit khomen noch der notturft gehöret wurden, also uberlegt und unwyssend wider dy art gemayner hendel beschwerdt werden möchten. Das inen dieselbig ufflage nit treglich noch one ir endtlich verderben möglich zu laisten.

Zum funften, das die gemelt neu hilf und der daruff gesetzt anschlag unsern obern umb ein groß weiter lauft und lauffen wurdt, dan ir gemaynner pfennig (daruff doch die hilf wider den Turcken zu Speyer endtlichen gestelt und verabschidet worden) ertragen mag. Darzu die zeit der erlegung also kurtz gesetzt, das der gemain pfenning darin nit mag eingepracht werden.

Zum sechsten, das durch das verlesen bedenckens, und wue der abschid demselben gemeß gestelt, der zu Speyer bewilligte und verabschidte gemayne pfenning, auch der gebrauch desselben gar umbgestossen, wider denselben speyerischen abschide dem gemaynnen werck entzogen und zu mercklicher ungleichhait eynnem yden, ime selbst zuguttem zu gebrauchen, heymgestelt ist.

Zum sibenden, das sonderlichen der stedt Worms und Speyer gesanten obern zum hochsten beschwerlichen, das dy dhomcapitel dem jungst zu Speyer uffgerichten besigelten abschide [RT XII, Nr. 285, §§ 68 und 69] zuwider ire anlag nit zu den stedten, sonder iren bischoven erlegen sollen, und dan andern vil mher beschwerlichen ursachen, so wir umb kurtz willen hie underlassen1.

So ist darumb an euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. in namen unser obern unser underthenig bitt, euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. wollen sy, unsere obern, und das inen ein neue hilf oder anlag, zuvor und ehe sy der angeregten irer alten beschwerden erleichtert, zu laisten nit treglich noch möglich, gnedig und gonstiglichen bedencken, auch solliche gnedige und gonstige versehung thun, damit sy, als die sich biß anhere – on rhom ze melden – in allen dreglichen dingen und etwo uber ir vermogen der gehorsam beflissen, uber diß ir anzeigen und sonderlichen den inhalt des jungsten speierischen abschids nit getrungen noch ainnicher weyß belestigt werden. Dan wue sollichs nit bescheen solt, so haben euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. auß voriger unser ubergebner [Nr. 102] und diser schriften gnedig und gonstiglichen zu erwegen, das wir in mhergedacht bedenckens und daruff volgenden abschid unserm habenden bevelch nach nit konden oder mögen willigen, wöllen auch itzt als dan und dan als itzt in denselben abschide, auch sein besiglung keinswegs bewilligt haben. Des wir unß hiemit, wy sich gepurt, bezeugen, welchs euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. wir hiemit anzuzeigen nit umbgen mogen, gantz trostlicher zuversicht, euer fstl. Gnn., Gnn. und Gg. werden sich uff dise unsere hochnotwendige bitt gnedig und gonstig beweisen. Das werden und wollen unsere obern und wir sampt der pilligkait undertheniglichen verdyenen.

US: Dye gesanten der erbarn frey- und reichstedt Worms, Rotweyl, Speyer, Hagnaw – mit bevelch der stedt der landtvogtey Hagnaw – Ravenspurg und Wetzflar2.

Anmerkungen

1
In der Überlieferung der Hgg. von Pommern (Stettin AP, AKW Sign. 95, fol. 207r–210v, Kop.) werden die obigen reichsstädtischen Kritikpunkte an den Reichstagsbeschlüssen in beinahe gleichlautender Weise zusammengefasst. Allerdings wird noch ein zusätzlicher achter Punkt angeführt, der sich direkt auf den RAb Nr. 404, § 28, bezieht: Zum achten[in der Vorlage: siebenden ], das gantz beschwerlichen in diesem abschiede gesetzt wirt, das diejenen, so uf der comissarien erst ersuchen ir angepur, wie die röm. kgl. Mt., unser allergnedigster herr, einem jeden antzeigen und mandiren sol, nit schicken und erlegen werden, von stundt an on ferrere declaration in acht und aberacht gefallen, menniglichen erlaubt, aller freiheiten entsetzt [und]priviert sein und nit mehr zu gnaden (was doch der Almechtige keinem begerenden je versagt) komen oder gelassen werden sollen, unbedacht, das niemant unerhort verdampt werden, auch niemant zu unmuglichen dingen verbunden. Und solcher anschlag unsern obern, die sich (ohne rhum zu melden) bis anher in allen disen dingen underthenig und zu zeiten uber ir vermogen gehorsam bewiesen haben, unbillich und untreglich ist.
2
In den vorliegenden Korrespondenzen und Akten findet sich keine Erklärung, weshalb Wetzlar die obige Eingabe mit unterzeichnet haben sollte. Es scheint sich um einen Irrtum zu handeln. Wetzlar war auch – im Gegensatz zu den fünf anderen genannten Reichsstädten – an der Protestation vom 1. April (Nr. 102) nicht beteiligt; die Stadt war bereits 1525 von der reformatorischen Bewegung erfasst worden. Wie auf den vorangegangenen Reichstagen sandte Wetzlar auch 1543 keinen eigenen Gesandten nach Nürnberg, sondern wurde von Frankfurt vertreten. In einem im ISG Frankfurt überlieferten Entwurf für die obige Supplikation (in: RTA 54, fol. 127r–133v) ist nur von fünf Reichsstädten die Rede. Die tatsächlich übergebene Supplikation wurde gegenüber dem Frankfurter Entwurf stark verändert.