Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Augsburg StadtA, Lit. 1543, unfol. (Kop.); ÜS: Was auf den 12. tag Marcij in der reichsversamblung durch die ksl. commissarien2 gehandlet. DV: Handlung der ksl. comissarien auf 12. Martzo anno 43 im reichsrhat.

B Wolfenbüttel HAB, Cod-Guelf. 52. Aug. Fol., fol. 217r–219r (Kop.); ÜS wie in A.

aPfgf. Fridrich aigner person sagt–a:

Die gegenwurtigen stend und deren abwesende botschaften hetten sich zu erinnern, was die röm. kgl. Mt., auch sy, die commissarien, verschiner zeit bey gemeinen stenden geworben. Und obwol daneben gemainen stenden allerlei warhafte neue zeitung und kontschaft auß Hungern und andern orten furgelegt, das sich der Turck in grosse rüstung begebe, erhiebe und eigner person schiersten ankommen sollt, so hette doch bißher in der sachen nit wollen furgeschritten werden, alles zu ubergrosser beschwardt und unwiderpringklichem nachteyl des Reichs und der cristenheit. Und als sich etwas mißverstandt etlicher puncten und artickel zwuschen den stenden gehalten, welche durch gepflegne der kgl. Mt. und ir, der commissarien, handlung irs erachtens nunmer erledigt, wer ir Mt., auch der commissarien gnedigst, gnedig und freuntlich begern, die stend, die wollten sich wie bißher nit mer sondern, sonder in gemein die obligen und beschwarden des Reichs und teutscher nation in fürgetragnen puncten beratschlagen etc.

Darauf seind der andere3 Kff., Ff. und stett botschaften nach altem gebrauch jede in iren rhat getretten, Sachssen und Hessen und die ainigungsverwanten sindt – ausserthalben Mgf. Hannsen gesanten4  – außgedretten und die andern protestierende gleichsfals in der rhatstuben bliben. Sich also jede theil auf das bescheen furbringen underredt und die stendt, so in der stuben beliben, biß an [= auf] die stett, ainer ainhelligen antwurt verglichen; dieselben den stetten, so auch in der stuben bliben, furgehalten. Und haben die stett darauf ein bedacht genommen; das haben der mentzisch cantzler und die andern etlich mal in den churfursten- und furstenrhat hin und wider getragen, ob der bedacht zuzulassen oder nit. Zulest sich entschlossen, onangesehen des begerten bedachts die verglichen antwurt zu geben, als wir versteen.

Und sovil den stetten furgehalten worden ungevarlich diß inhalts: Das es an inen5 bißher nit erwunden, gemeine obligen und sachen des Reichs zu beratschlagen; sy werendt auch darauf mit bevelch irer herren abgevertigt. Das sich aber die andern stende von inen gesondert, das hetten sye gescheen muessen lassen, verhoffendt, die röm. kgl. Mt., auch die ksl. commissarien, solten das abgestellt haben, und nochmaln bittendt, das dieselben ir Mt. und die ksl. commissarien es nochmaln bey den andern stenden (uns6 meinende) dahin fürdern wollten, damit die sich in gemeine beratschlagung neben inen begeben wollten7. Wo sye die aber je nit vermogen konnten, so weren sy urbuttig, irs theyls ainig sich niderzusetzen und die furgeschlagne puncten laut der speyrischen [1542] und jungsten nurmbergischen reichsabschid [1542] zu beratschlagen und sich in handlung in[zu]lassen.

Hernach haben die einigungsverwandten stendt der augspurgischen confession offentlich antwurt durch den sachsischen cantzler8 gegeben, mit erholung der vorgepflegnen handlung, was allenthalben schriftlich und muntlich bey der kgl. Mt. und den commissarien eingebracht. Dorauß zu befinden were, an wem es erwunden und das die stend der augspurgischen confession bißher zu gemeyner beratschlagung nit khommen khondten, unerledigt der artickel des bestendigen fridens und gleichen rechtens im Hl. Reich. Und als dernhalben beiderseitz mermalen schriftlich und muntlich gestritten, das (wie man befunden) mer zu verlengerung dann zu abhandlung der sachen dienlich gewesen, so hetten die stendt der augspurgischen confession begert, das ain unpartheyscher ausschus von gemeinen stenden daruber verordnet, dem dise sachen zu beratschlagen bevolhen wurd, deß versehens, die andern stendt wurden darzu nit weniger geneigt, und das auf sollichen weg der sachen am besten hette sollen mogen geholfen werden9. Aus dem die ksl. commissarien, die gemeine stendt und mennigklich wol abzunemen, das es an disen stenden und derselben gesanten nit erwunden, das nit zu gemeiner beratschlagung der sachen kommen, nochmalen bittendt, das sy, die commissarien, den ausschus wie begert furdern, des versehens und der hoffnung wie gehort etc. Und so dann die vorerzelten zwen puncten abgehandelt und der notturft nach erledigt, weren sy urbuttig, sich in gemeine beratschlagung einzulassen, neben und sampt andern stenden das best sy vermochten vermog irer habenden bevelch zu verhelfen. Sollte und wurde aber das nochmaln nit angesehen werden noch volg haben mogen und darauß verhinderung gemeyner sachen, merer mißvertrauen der stend im Reich oder andere beschward erfolgen, das Got gnedigklich verhuetten wollt, so verhoffen ire herren und obern, auch sy, die gesandten, das sy irsfals darzue mitnichten ursach gegeben, sonder desselben in irem gewissen, auch bey Gott dem Allmechtigen, röm. ksl. und kgl. Mtt., den gemeinen stenden und allermenigklich wol entschuldigt sein.

Darauf Pfgf. Friderich fur sich und die andern commissarien nach gehaltner underrede ferrers geantwurt, das die der augspurgischen confession verwante stendt sich der gephlegne handlung zwuschen der kgl. Mt., den commissarien und inen, den stenden, zu erinnern. Und hielten, das darinn gnugsam befunden, das die strittige puncten rechtens und fridens auf die vorgeende handlung notturftigklich erledigt. Were der kgl. Mt. und ir, der commissarien, beger, wie vormaln gehort, zu gemeyner berathschlagung kommen und die sachen nit lenger verziehen etc.

Darauf die einigungsverwanten stend durch den sachsischen cantzler alsbald geantwurt, das die nit vermeinen konnten, das die artickel fridens und rechtens erledigt und in kraft ir habende bevelch, wie allwegen gehort, unerledigt derselben artickel zu khaine gemainen beratschlagung kommen konnten. Das betten sie sich fur ire personen, als die diener, entschuldigt zu halten. Und das nochmaln dem aussschus die sachen bevolhen wurd etc.

Darauf Pfgf. Friderich ferner geantwurt, die kgl. Mt. verstuende die handlung wie vor gehort. So hette die ksl. Mt. den commissarien auf die jungste speyrische [1542] und nurmbergische [1542] reichsabschid befelch geben und sy, die commissarien, hierinn gethon, was und sovil sy vermogt, und bevelch gehapt, diß wie angehort an gemeine stendt zu begeren und darauf zu verharren. Und seindt damit abgetretten etc.10

Anmerkungen

1
Es ist nicht klar, von welchem Reichsstand die nachträglich zusammengestellten protokollartigen Notizen stammen. Ähnlich lautende, weniger ausführliche Schilderungen finden sich in einigen Protokollen unter dem entsprechenden Datum: RT-Protokoll Lambs (Nr. 86a, fol. 275r-277v), Esslinger Protokoll (Nr. 85, fol. 10v), pfalz-neuburgisches Protokoll (Nr. 82, fol. 15rv), Tetleben-Protokoll (Nr. 80, fol. 780r–781r), württembergisches Protokoll über die Beratungen der Schmalkaldener (Nr. 84b, fol. 13r–14v). Siehe auch zwei Berichte von Dr. Johann Marquardt an Mgf. Ernst von Baden über die Vorgänge im Reichsrat am 12. und 13. März, in: Karlsruhe GLA, 50/59, Nr. 6und Nr. 7, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Dr. Marquardts).
2
Kg. Ferdinand ließ die Reichsstände am 12. März zeitig in der Früh einberufen und ritt zu Mgf. Georg von Brandenburg-Ansbach nach Cadolzburg für Besprechungen. Die Reichsratssitzung wurde von den drei ksl. Kommissaren geleitet. Siehe dazu das Schreiben Gregor von Nallingens an Heinrich Steindecker, Nürnberg, 1543 März 13 (Nr. 376).
a
–aIn A v.a.Hd. nachgetr.
3
Gemeint sind die altgläubigen Reichsstände.
4
Gesandter Mgf. Johanns von Brandenburg: Hans von Minckwitz.
5
D.h. an den altgläubigen Reichsständen.
6
D.h. die evangelischen Reichsstände.
7
Dr. Johann Marquardt berichtete am 12. März 1543 über das Misstrauen unter den Reichsständen: [...] Das misvertrauen under allen stenden wirt jhe lenger jhe grösser, nit alleyn gegen kgl. Mt., sonder auch gegen inen selbs undereinandern. Des Bf. von Munster, Hg. Ottheynrichs, des Hg. von Gulchs bottschaften, retth und gesandten bliben in des gemeyne Reychs ratth sitzen; horen und sehen alle sachen, helfen beratthschlagen und beschliessen nach irer mainung, unangesehen das kuntlich und offenbar, welcher parthy sie anhengig. Dazwischen bringt ieder theyl synes herrn sachen zu synem vortheyl in des Reychs ratth, macht innen freund, sucht hilf und bystand, erlernet die hertzen und gemuter aller theyln, darnach er sich hab zu richten, wie der welt und weltkinder gebrauch ; sollich lasset man geschehen. Ob wol imanths dawider reden wolte, der wurd wenig gelten und ime selbs mehr zu schaden, dann gemeynem nutz zu gutem reychen. Diser versamlungstag ist ein erfarnustag, damit ieder theyl zu weyterm zusamenkomen gefasset machen und sich in synen vortheyl schicken konde. [...]. In: Karlsruhe GLA, 50/59, Nr. 6, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Dr. Marquardts.).
8
Dr. Melchior von Ossa.
9
Die Altgläubigen standen der Bildung eines von beiden Konfessionen beschickten gemeinsamen Ausschusses zur Beratung über Friede und Recht ablehnend gegenüber. Dr. Marquardt berichtete dazu in seinem Schreiben an Mgf. Ernst von Baden vom 13. März 1543: [...] Als dise meynung in gemeynem reychsrath zu berathschlagen furbracht in abwesen der confesssionverwanten, ist hin und wider disputiret und berathschlagt worden und, wie ich ausserhalb rath vernomen, ist durch die mher stimen beschlossen, das sollicher ausschutz nit zuzelassen, were auch nit wol zu finden, mechte zu keynem friden, wol zu weyterung dienen und viel unraths daraus volgen, wo zwo widerwertig parthien von obgemelten stritigen puncten under inen selbs one einichen richter und obman solten disputiren. Zudeme wer es im Hl. Reych nit also herbracht, das von zween parthien, sonder were von einem und gemeynem reychsratth allemal im anfang des reychstags ein gemeyner ausschutz von geystlichen und weltlichen in glicher anzal gemacht worden. Das itzig begern were ein unzulessige neuerung etc. [...]. In: Karlsruhe GLA, 50/59, Nr. 7, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Dr. Marquardts).
10
Über die Demarche der altgläubigen Reichsstände bei Kg. Ferdinand am folgenden Tag berichtete Dr. Johann Marquardt am 13. März 1543 an Mgf. Ernst von Baden: [...] Uff heuth dato [1543 März 13] hat die röm. kgl. Mt. durch iren hoffmeyster, den von Madrutz, in gemeynem rath in abwesen der confessionverwanten furbringen lassen, wie ir Mt. angelangt, syent etlich der gehorsamen stende und bottschaften, denen nit zuwider sein solte, durch einen ausschutz mit den confessionanhengigen zu handlen. Wan dem also, sy ir Mt. gmuth, mit gemeynen stenden rathsweys davon wieter reden zu lassen. Daruber haben gemeyne stende etlich aus inen zu kgl. Mt. verordnet, dem anzuzeigen, wie durch die mher stimen beschlossen, das in sollichen zwispaltigen ausschutz nit zu bewilligen sey aus erzelten ursachen. Nun ist wol zu vermuthen, die röm. kgl. Mt. werde nit bald – one erlangt der turckenhilf – abweychen, sonder alle mittel und weg suchen, darzu dienstlich. Wo nichts wieters zu erhalten, das doch die sachen uffgezogen werden bitz zu ksl. Mt. selbs ankunft in Teuthsland. Und wiewol die stende, auch der abwesenden bottschaften durchaus unlustig und gern verreyten wolten, so wartet [= achtet] doch ein parthy uff die andern, hoffiren und prangen um den vordrith. Es wil keyner der bösest seyn; falsch und untreu ist hie gar wolfeyl. Sunst synth alle ding gantz theur etc. [...] In: Karlsruhe GLA, 50/59, Nr. 7, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Dr. Marquardts).