Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Frankfurt ISG, RTA 54, fol. 127r–133v (Kop.); AV (v.d.Hd. Lambs): Nichts. Ist hernach geendert worden.

Drei Juristen des Städteausschusses, Dr. Ludwig Gremp (Straßburg), Dr. Claudius Pius Peutinger (Augsburg) und Dr. Hieronymus zum Lamb (Fankfurt), arbeiteten die Argumentation für die Protestation gegen den Reichsabschied aus. Dr. Peutinger wurde beauftragt, auf Basis der Vorberatungen die Protestationsschrift zu verfertigen. Da der Reichsabschied zu diesem Zeitpunkt noch im Entstehen begriffen war und mehrfach geändert wurde, stellt die von Peutinger verfasste Protestation einen Entwurf dar, der später von Dr. Hieronymus zum Lamb – unter beträchtlicher Veränderung des ursprünglichen Textes – zu einer endgültigen Fassung umgearbeitet wurde (siehe Nr. 408)1. Um den Vergleich der beiden Protestationen zu erleichtern, wurde im Entwurf in eckigen Klammern eine Artikelzählung eingeführt, die jener im Endtext der Protestation entspricht.

Alß die röm. kgl. Mt., unser allergenedigster herr, die ksl. commissarien, etliche fursten und der abwesenden Kff., Ff. und stende räthe und botschaften, wie antzeigt wurdt, einer bewilligten reichshilf wider die Thurcken sich verglichen haben sollen und sollichß der erbarn deß Hl. Reichs steten Wormbs, Speyer, Rothweyll, Hagenaw und Ravennspurg gesanten jungst freitags, den 30. Martij verschinen, vermeldt, auch obwol dieselben der stett gesanten sich hievor daruber irer noturft und habenden bevelchs genugsam schriftlich und mundtlich [Nr. 102–103] vernemen lassen, warumben sie solcher gestaldt und noch zur zeit in einig hilf zu khomen nit willigen mochten, deß aber unangesehen die vorangeregte stend und derselben rathpotschaften, unerledigt der erbarn stett beschwerden, auch unverhindert der furgewendten eehaften, wichtigen und rechtmessigen ursachen, so angeregte 5 stett und dan gemeine deß Hl. Reichs erbare frei- und reichßstett und derselben gesanten auf jungstgehaltenem reichßtag alhie [RTA JR Bd. XIII, Nr. 199] eingepracht und uberflissiglich außgefuert, mit waß maß und welcher gestaldt sich wollte gepüren, in berathschlagung gemeiner reichssachen und der hilf widder den Thurcken nach alt herkhomen und gebrauch und vermög der hievor uffgerichten reichßabschiedt und der kgl. Mt. und der ksl. commissarien urkhundt und versicherung furtzufarn, das auch anderer dan derselben gestaldt den erbarn steten zum hochsten nochthailig, gantz unthunlich und den gesanthen unverantwortlich were, sich in einiche reichshandlung eintzulassen, so haben doch jetzo wir, der erbarn deß Hl. Reichs stett gesanten, abermaln angehort, wie daß berurte stend sich ferrer understünden, in solchem irem vorhaben zu beharren, der erbarn stett unverhort und obangeregten beschwerden und ursachen unerledigt, zu einem angemasten abscheidt zu greiffen und denselben alß ein reichßabschiedt auf heuten verlesen und publicirn lassen.

Soviel nun unß, die gesanten der erbarn deß Hl. Reichß stett, so der augspurgischen confession, religion und protestation verwandte, belangedt, sein wir sampt und neben der Kff., Ff. und stende gesanten berurter confession, religion und protestation unser noturft angehort, warumb wir auß den daselbst ertzelten ursachen in einiche hilf, auch diessen publicirten abschiedt nit wusten zu bewilligen, sonder darwider protestirt haben, welche gemeyne der augspurgischen confessionverwandte stende protestation und furpringen [Nr. 409] wir, der stett derselben religion, hiemit abermaln erholt und repetirt und derselben handlung durch diß unser erscheinen und fernere handlung gemeiner deß Hl. Reichs frei- und reichßstett noturft mitnichten derogirt oder preiudicirt haben wöllen.

Am andern, waß aber die vorgenante funf stett2 betreffen thut, die wir allweg willig gewesen, auch ausserhalben der augspurgischen confessionverwandte stend begern uns in handlung der reichssachen eintzulassen etc. und aber nit allain nach altem gebrauch zu der berathschlagung der furgeprachten proposition weder in auschuß noch sonst ervordert noch getzogen, sonder außgeschlossen und unß volgends auch der bedacht daruber geweigert worden, alleß allen naturlichen, der folcker geschrieben rechten, dartzu aller regimenten und pollicei vernunftigen, üblichen gewonheiten und altem herkhomen deß Hl. Reichs und gemeinß sachen zuwider, sein wir, derselben funf stett gesanten, auß unser ubergebnen schrift [Nr. 102] zuvor genugsam verstanden, daß unsere herrn und obern unß alher uf die vorige reichßabschiedt und gepflegne handlungen jungst zu Regenspurg [1541] und Speyer [1542] mit bevelch abgefertigt, und dieweil die stende dieße ire handlung particulariter, in abwesen einer grossen anzall deß Hl. Reichs Kff., Ff. und derselben potschaften und unser, der stettgesandten gemeiner stende, fur sich selber furgenomen, daß dann wir, der funf erbarn stett gesanten unerledigt der ungleichait deß Reichs anschleg und anderer unserer angezeigten beschwerden in einich ferrer hilf und handlungen nicht khonten bewilligen. Dabey wir eß nochmaln pleiben und davon protestirt haben wollen, daß, wo uff die vorige reichßabschiedt nach gebrauch und altem herkhomen im Hl. Reich und der gemeinß sachen durch gemeine reichßstend samptlich die hendel furgenomen worden, an unß zu der pillichait nichts erwunden. Und waß aber daruber und anderß durch die stende gehandlet, das sollichß berurte funf stett mitnicht[en] binden sollt noch mocht.

Waß dan sunst deß Hl. Reichs stett alle in gemein belangen thut, daß dieße etlicher Kff., Ff. und stende botschaften particular handlung und bewilligung in namen aineß reichsabschiedt promulgirt und angeben oder dahin sollte getheidt [= verhandelt] werden, daß derselb abschiedt die erbarn deß Hl. Reichs frei- und reichsstet und derselben zugewanthen mit greiffen und binden soll etc., das wissen sie, der stet gesanthen, denselben stenden mitnichten eintzureummen.

[1.] Dann erstlich, soviel die gemein der erbarn stet beschwerung und das berurt, daß sich hievor Kff., Ff. und stend und der abwesenden potschaften auf etlich gehaltenen tegen – und auch jetzunder geschehen seyen befunden wurdt – angemast, fur sich selber, der stett beschwerden nit allain unerledigt, sonder auch gantz unverhort in reichshandlungen furzuschreithen und de facto wider obermelte recht, herkhomen deß Reichs und den gemeinß sachen inen selber dieße prorogativam gern schepfen und occupirn wollten, das, waß durch Kff., Ff. und dyselben stende, der stett unverhort und unbewilligt, fur gut bedacht und angesehen, die stett deß Hl. Reichß antzunemen und dem zu geleben schuldig sein sollten etc. Darwider repetirn wir, der erbarn gemeiner stett gesanten, in namen unserer herrn und obern derselben gethane protestation, jungst in dem 26. Augusti des verschinen 42. jharß in ofnem reichsrath alhie beschehen [RTA JR Bd. XIII, Nr. 199] und dem meintzischen cantzler volgends ubergeben. Und wollen dieselben gemeiner stett protestation et narrata eiusdem tanquam in ipso eodem casu et in ipsum eundem punctum de novo alleß irs inhalts reiterirt und jetz widerumb interponirt haben, protestirn, sagen und begern wie daselbst.

[2.] Am andern, daß diesser verlesen abschiede uff gantze andere, jha widerwertige form und maß der hilfen dan hievor und uff jungsten gehaltenem tag zu Speyer durch Kff., Ff., prelaten, graven, stet und gemeine reichsstend und der abweßenden potschaften bewilligt und widerumb den gemeinen stenden, besonder den erbarn stetten, der untreglich last der ungleichen und ubermessigen anschleg auf den halß geladen wirdt, aber nit allain die so oft vertröst und jungst endtlich zugesagte ringerung der anschleg, sonder auch die vergleichung der kraiß nit furgenomen noch vollendt ist. Und demnach solchs den erbarn stetten, so mererthailß irem vermögen nach in gemein, aber alle gegen den andern stenden zu raitten mit dem römerzug gantz ubermessig uberlegt, fur allen andern stenden untreglich und unthunlich ist. Auch wir nit gesteen khonnen, daß den stenden und derselben potschaften, so sich diesser zeit allhie einig underfangen, gepuren wollt, von form und maß der vorbewilligten hilf und derselben anlage zu schreitten und dasjhenig, so gemeine stend durch vielfeltig gepflegne handlung sich endtschlossen, jetzund widerumb sturtzen und die sachen wider in den vorigen alten, ungleichen,[un]wirdigen standt zu fhuren.

[3.] Zum dritten, so haltet berurter angegebner reichßabschiedt under anderm auch diesse unleidliche beschwerdt in sich in dem, daß derselb zu ferrer außgab und reichung der hilf schreitet, unangesehen daß die erkhante und bewilligte vergleichung der kraißkisten wie ob noch nit beschehen. Daß den erbarn steten fur andere stende so viel mher beschwerlich, daß die gemeinlich alle iren gemeinen pfenning getreulich und gehorsamlich erlegt und aber der merer thail derselben stett daruber mit betzalung der iren, so auß dem gemeinen pfennig nit betzalt worden, noch weither an gelt sich entblößt und die uberigen, so noch nit betzalt, thäglichs von dem volck, so in deß Hl. Reichs dinst und zu jungstem zug widder den Thurcken abgefertigt und die außstehend monat besoldung täglichß angelangt werden, derhalben in grossen sorgen und gefhar stehn mussen. Und desto minder in irem vermögen sein will, sich in weither hilf zu begeben, alledieweil die jungst gelaiste hilf die mittel und weg, so allen stenden zugleich treglich, hingelegt und hingericht. Wurd auch der ungehorsamen und dern stend halben, so nach vermog deß speirischen abschiedts die gemeine kisten nit aufgericht noch ir gebur erlegt haben, solche mittel und weg furgenomen, bedacht und in das werck gebracht, damit die erbarn stett und andere gehorsame stend irer gehorsam nit entgolten.

[4.] Also wollt eß auch den erbarn deß Hl. Reichs frei- und reichsstett zum allerhöchsten entlegen, untreglich und unleidenlich sein, sich uff weither unbewiste anlage derjhenigen, so sich zu Passaw versamlet finden sollen, zu begeben. Demnach unsere herrn und obern nit allain alhie, sunder auch daselbst zu Passaw in irem abwesen und unverhort wider herkhomen deß Hl. Reichs und aller gemeinß hendel wider alle recht und pillichait von andern sollten belegt werden.

[5.] Und alß diesser anschlag, in jetzo bewilligter etlicher stend hilf auf die alte anlage gestellt, merer thail den stetten untreglich, demnach sich bey vielen erfunden, daß ir geliferter gemeiner pfenning nit 3 monat auf den anschlag deß romerzugs erreichen mogen. So ist es auch sunst mit den stetten also geschaffen, daß der mherer thail land und leuth in der andern stende handen und gewalt und die stet zu irer noturftigen underhaltung zuvor mit dem gewonlichen steuren also uberlegt [= belastet] und bey irem gemeinen man nit woll dan mererst [= noch mehr] zu erhalten wissen, auß welcher ursachen auch, das die zeit der erlegung der hilf also kurtz, der angeregten stend entschlossen hilf eintzupringen unmuglich sein wurdt.

[6.] Ob nun wol in verleßnem abschiedt under anderm ein punct meldung thut von einer zusamenkhunft geen Speir, allda der ringerung der anschleg halben gehandlet und beschlossen werden sollt3, so ist doch solchs hievor mher und durch gemeine stend auch geschlossen worden, aber nhie in das werck gepracht, sonder allwegen dieselben angesetzte teg one frucht abgangen. Und auch zu diessen malen die sachen also angericht, daß vor außgang der sechß monat khaineß außtrags zu verhoffen, sonder die sechß monat volliglich auf die alte anschleg erlegt werden musten. Und aber die stett, alß vor gehort, vielfeltiglich gegen andern stenden zu reiten in dem oftgenanten romerzug uberlegt und sich die bedenckhen deß abschiedts, soviell die ringerung betrifft, auch sonst also ersehen und dahin vernemen lassen, daß noch der stett erheischender noturft und gelegenhait einiger besserung deß orts nit zu gewarten etc.

[7.] So ist auch nit zu mindern beschwerden im verleßnen abschiedt gehort worden, daß die thumbcapittel den stetten, darin sie gesessen, entzogen und den bischoven zugelegt werden, demnach der vorige reichsabschiedt mit claren worten vermög, daß eineß jeden anlage sollen betzalt und erlegt werden an dem ort, da er gesessen, dan one daß (wie auch mit mergleichem [= merklichem] schaden in jungst erlegter hilf vernomen worden) augenscheinlich und unwidersprechlich wer, [dass] die stett in solcher anlage uf den anschlage deß romerzugs mererthail unvermuglich, und dasselb oben genugsam angetzeigt ist und darumb mher zulage dann abnemenß bedorfen.

[8.] Und letzlich, so die jungste reichsabschiedt zu Regenspurg [1541] und Speyer [1542] und dieselben conditionen, mittel[s] welcher die dreijherige hilf bewilligt, recht ersehen, erfendt sich, daß auch sonst in viel mher puncten in laistung der hilf widder den Thurcken nit allain viel stende denselben bewilligten reichßsatzungen bißher ireß thailß nicht gelebt noch nachkhomen, sonder auch allhie in jetz gehortem abschiedt in mher wege gestreckt [= lang] dawider bedacht und gehandelt ist, unangesehen, daß in dem speirischen abschiedt außtruckenlich vermeldt, daß darwider nichts furgenomen werden und die röm. ksl. Mt. und kgl. Mt. daß auch nit gestatten sollen. Demnach anderer gestaldt, und wo den berurten bewilligten conditionen nit nachgesetzt, gemeine stende zu statlicher hilf wider den Thurcken nit khomen mochten.

Auß diessen ertzelten und andern mher ursachen, so wir uns sampt aller ander noturft anstat unserer herrn und obern jetzo als dan und dan als jetzo außtruckenlich furgesetzt und vorbehalten haben wollen, clerlich erfolgt, daß diesser abschiedt, durch fursten und etlichen der abwesenden Kff., Ff. und stende potschaften verglichen und sampt ein gemeiner reichsabschiedt verlesen und publicirt werden will, zuwider den vorigen reichsabschieden und bewilligten conditionen, auch der kgl. Mt. urkhundt, herkhomen deß Reichs und den gemeinß sachen, die offenbare ungleichait und vielfeltige beschwerde, damit die erbarn stett widder das recht und pillichait, irenthalben auch gantz unerhort, belegt, in sich haltet.

[9.] Und darumb wir anstat unserer herrn und obern unß darein zu begeben oder denselben in ichten zu bewilligen nit stathaben, es auch unserer personen halben gegen unsern herren und obern und derselben underthanen zu verantworten nit wissten. Derhalben den vorberurten angebnen abscheidt one unser, der stet gesanten, beysein, wissen, bewilligen und also wider alt herkhomen und gebrauch im Hl. Reich und die jungst gemachte reichßabschiedt zu Regenspurg und Speier furgenomen, hiemit offentlich und zierlich widersprechen, und daß derselb unsere herren, gemein deß Hl. Reichß frei- und reichßstett und derselben zugewanthen, mitnichten binden oder begreiffen khan, moge noch solle. Und wollen unß in namen alß ob alle noturft der recht und sonst dawider bedingt und hievon zierlich protestirt, aauch unß sonst gemeinlich alle mittel und hilf uf alle schell [= schallend]furgesetzt haben–a.

Und deß noch weither antzeigende, daß, wo gemeine stende die berathschlagung der hilf widder den Thurcken und ander reichßsachen nach altem herkhomen im Hl. Reich, auch uf die jungste abschiedt zu Regenspurg und Speier und darin bewilligter und bedunckter maß alhie furgenomen, die gemeine stett und derselben gesandten nit gesondert, sonder der stet an- und obligen, beschwerden und gelegenhait wie der andern stende anghort und ermessen und also dieße gemeine sachen uf allen stenden leidenliche und tregliche wege samptlich bedacht und berathschlagen hetten wollen. Daß wir dan unß dartzu erbotten und nachmaln urpittig seind, daß an unsern hern und obern, auch unsern personen zu aller gepur deß Reichs und theutscher nation wolfarth nichts erwinden, mangeln noch fellen soll, euer Gnn. und Gg. bittende, daß nit anderst dann unserer herrn und obern hohen unvermeidenlichen noturft nach und auß habendem bevelch beschehen zu khainen ungnaden noch anderer gestaldt vermerckhen und unsere personen darinn entschuldigt und in genedigem und gonstigem bevelch haben. Sonst protestirn, provocirn, bedingen und erbieten uns, wie wir ob gethan.

Anmerkungen

1
Zur Entstehung des Entwurfs und zur Endfassung der Protestation aller Reichsstädte, d.h. der altgläubigen und der evangelischen, siehe das Nürnberger Städteratsprotokoll zum 20. April 1543: Nr. 89a, fol. 31rv.
2
Es handelt sich um die altgläubigen Reichsstädte Speyer, Worms, Hagenau (samt den Städten der Landvogtei), Rottweil und Ravensburg.
3
Siehe Nr. 404, § 17: die Kreisstände sollten am 1. Aug. 1543 in Speyer zusammentreten, um über die Moderation der Anschläge zu verhandeln, wozu es jedoch nicht kam.
a
–aIm übertragenen Sinne bedeutet die Textpassage, dass die Städte mit allen möglichen Mitteln lautstark gegen den Reichsabschied vorgehen wollen.