Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Im Vergleich zu den Fragen von Friede und Recht, um deren Lösung zwischen den Konfessionsparteien und den Habsburgern während des ganzen Reichstags gerungen wurde, nahmen die eigentlichen Verhandlungen zur Türkenhilfe (Kap. IV.A) nur wenig Zeit in Anspruch. Sie wurden im Kurfürsten- und im Fürstenrat von den altgläubigen Ständen geführt, manchmal auch in Anwesenheit der Konfessionsneutralen und einzelner protestantischer Stände, die den Beratungen folgten, aber nicht an der Beschlussfassung beteiligt waren. Obwohl der König in der Proposition vom 31. Januar 1543 (Nr. 43) die Reichsstände ersucht hatte, für die Realisierung der 1542 beschlossenen beharrlichen Türkenhilfe „erschießliche mittel und weg“ zu bewilligen, verzögerte sich durch die kontroversiell diskutierte Friedens- und Rechtsproblematik der Beginn der Beratungen über die Türkenhilfe um sieben Wochen. Erst in der vom König einberufenen Reichsratssitzung vom 22. März wurde die Türkenhilfe von den Altgläubigen langsam in Angriff genommen, ohne Teilnahme der Protestanten1. Erste schriftliche Vorschläge zum Thema Türkenhilfe wurden Ende März 1543 fertiggestellt und am 30. März vor den altgläubigen Reichsstädten verlesen, die an diesem Beschluss nicht mitgewirkt hatten (Nr. 92, Nr. 102–103). Es stellte sich heraus, dass die Reichsstände nicht bereit waren, dem König als Kompensation für die zum Teil noch immer ausstehenden Zahlungen der Türkenhilfe von 1542 beträchtliche Mittel zur Abwehr der Türken zur Verfügung zu stellen. Sie wollten lediglich eine Defensivhilfe bewilligen unter der Bedingung eines vorherigen finanziellen Ausgleichs unter den Reichskreisen und der Ringerung der Anschläge. König Ferdinand und die kaiserlichen Kommissare lieferten ein Verzeichnis der zu befestigenden Orte entlang der Donau und an der Militärgrenze (Nr. 93). Im Zuge längerer Beratungen durch einen altgläubig besetzten Ausschuss zur Türkenhilfe unter der Führung Dr. Ecks entstanden in den beiden ersten Aprilwochen zwei Fassungen eines Gutachtens (Nr. 94), welches in seiner sukzessive erarbeiteten Form größtenteils mit den entsprechenden Paragraphen des Reichsabschieds identisch ist. Die Reichsstände beschränkten sich demnach auf eine Geldhilfe in der Größe der Romzugshilfe für sechs Monate, die König Ferdinand für defensive Aufgaben (Besatzung zum Schutz der Grenzen und Pässe, Sicherung der Befestigungen) zugesagt wurde2. An der Aufbringung der Hilfe wurden die Kreise – im Gegensatz zu 1542 – nicht mehr beteiligt. Man griff wieder auf das Matrikularsystem zurück, wobei die von den Reichsständen dringend geforderte Moderation der Matrikel den Kreisen übertragen wurde3. Auf den Gemeinen Pfennig, dessen wiederholte Erhebung 1542 beschlossen, aber nicht durchgeführt worden war, stützte sich der Beschluss zur Türkenhilfe nur insofern, als den Ständen die Möglichkeit eingeräumt wurde, durch Erhebung des Gemeinen Pfennigs die Untertanen einen Teil der Anlage zahlen zu lassen (Nr. 404, § 24)4. Die Gesandten der Bischöfe von Bamberg, Würzburg und Eichstätt nahmen die Beschlüsse zur Türkenhilfe nur unter dem Vorbehalt des Hintersichbringens an (Nr. 95). Der König fügte in seiner Antwort dem Gutachten noch einige Ergänzungen hinzu und bedauerte das Ausbleiben einer Offensivhilfe (Nr. 96). Die altgläubigen Reichsstände ergänzten in ihrer letzten Antwort an König Ferdinand vom 16. April noch einige Details zur Türkenhilfe (Nr. 97).

Von einem Sonderproblem der reichsständischen Veranlagung zur Türkenhilfe, das schon mehrere Reichsversammlungen beschäftigt hatte, war König Ferdinand als Landesherr betroffen. Es handelte sich dabei um die Beschwerden des Erzbischofs von Salzburg und der Bischöfe von Freising, Bamberg, Regensburg und Passau über die Doppelveranlagung zur Türkenhilfe im Reich und in den österreichischen Erblanden. Trotz einer in Speyer 1542 ausgestellten königlichen Urkunde (RTA JR Bd. XII, Nr. 59) und weiteren Bemühungen um eine vertragliche Regelung in Nürnberg 1542 (RTA JR Bd. XIII, Nr. 98) rissen die Klagen über die Doppelveranlagung nicht ab und die Suche nach einer befriedigenden Lösung war Thema der Verhandlungen zwischen König Ferdinand und den betroffenen Bischöfen (Nr. 146–150).

Zu weiteren Themen, die sich unter den Oberbegriff der Türkenhilfe subsumieren lassen und die Reichsversammlung beschäftigten, zählen: Ansuchen um Unterstützung im Kampf gegen die Türken; Rechnungslegung der Reichskreise über die vergangenen Türkenhilfen (Einleitung Punkt 7.3); Verweigerung der Türkenhilfe durch die Reichsstädte (Einleitung Punkt 7.4), Berichte und Abrechnungen über die Türkenhilfen 1541/1542; finanzielle Forderungen der Hauptleute der Türkenkriege 1541/1542 wegen ausstehender Besoldung; Supplikationen wegen Ringerung der Anlagen; Winterlager der Truppen in Ungarn 1542/1543; Kundschafterberichte; Mandate und Aktenstücke zur Organisation der Türkenhilfe 1543.

Anmerkungen

1
Siehe den Bericht von Gabriel Arnold vom 22. März 1543 an Pfgf. Ottheinrich über den Beginn der Verhandlungen zur Türkenhilfe: Nr. 91.
2
W. Steglich, Die Reichstürkenhilfe in der Zeit Karls V., hier S. 53.
3
Zur Gegenüberstellung von Matrikularabgabe und Gemeinem Pfennig siehe: E. Eltz, Zwei Gutachten des Kurfürstenrates über die Wormser Matrikel und den Gemeinen Pfennig, S. 273–301; P. Schmid, Reichssteuern, Reichsfinanzen und Reichsgewalt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, S. 153–216.
4
A. Laufs, Der Schwäbische Kreis, S. 191f.; W. Dotzauer, Die deutschen Reichskreise (1383–1806), S. 56f.