Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Marburg StA, PA 650, fol. 465r–468v (Außf.).

Kg. Ferdinand bemühte sich bis zuletzt, die evangelischen Stände zur Bewilligung des von den Altgläubigen beschlossenen Reichsabschieds zu bewegen, wie die dem Landgrafen übersandten Aktenstücke zeigen

Dieweil nuhn die handlungen dahin geloffen sein, das wir unß mit unsern stenden zu dem vorgemelten der andern stende abschide nicht haben begeben konnen1, so hat ir kgl. Mt. die sachen also beruhen lassen und an die protestirenden gnediglich begehrt, ir Mt. particular hulf zu thun, in was schein die beschehen mocht, wie dann euer fstl. Gn. das alles uß irer kgl. Mt. beschluß [Nr. 184] weitter gnediglich befinden werden.

Und wiewol wir von irer kgl. Mt. abgeschaiden und unß keiner verner handlung versehen, so hat doch ir Mt. volgendts montags [1543 April 23] gleich etlich der protestirenden stende, als Sachssen, Wurtemberg und die stett Augspurg, Strasburg, Ulm und andere partim einen nach dem andern ervordert und mit einem jeden umb die particular hulf gehandelt. Und nachdem wir sonderlich von irer Mt. auch beschickt sein worden, hat ir Mt. selbst aigner person unß erinnert der gnaden, mit denen die röm. ksl. Mt. und ir kgl. Mt. euern fstl. Gn. bis daher alwegen gnediglich gemeint, und das sich ir kgl. Mt. uß demselbigen gnedigen vertrauen zu euer fstl. Gn. alß zu irem sondern, freundtlichen, lieben freundt gentzlich versehen, euer fstl. Gn. wurden ir kgl. Mt. mit hulf nit verlassen. Dann es wiste Gott, das ir Mt. und der ksl. commissarius die sachen bey den andern stenden zu unserm begehrn gern gefurdert und an irer Mt. khein vleiß erwunden. Wer es aber verhindert, das wist Gott, und mußt es ir Mt. mit gedult tragen.

So wurden auch die andern stende fride halten, wie wir gestern gehort hetten, zudem das auch die braunschwigisch sachen biß zu der ksl. Mt. ankhunft und further zu bewilligter verhör angestelt und befridet und gute mittel zu hinlegung derselben sachen gefunden werden solten.

Und dieweil ir Mt. die sachen je nicht weiter und besser pringen mögen und also an irem vleiß nichzit gemangelt hett, so ersuchen sein kgl. Mt. nochmaln gnediglich, das sich euer fstl. Gn. der hulf halb irer Mt. und der christenhait zugut als ein christlich mitglid wilferig erzeigen und darinnen dise höchste noth der christenhait bedencken wolt, und sonderlich, das auch ein jeder standt solche hulf, do schon kein bewilligung oder abschidt gemacht oder beschehen were, uß christenlichen pflichten zu leisten schuldig. Wolten auch euer fstl. Gn., wie sich des ir Mt. gentzlich versehen, hulf thun, so begerten ir Mt. gnediglich, das es von euern fstl. Gn. furderlich beschehe und nicht uff die zeit verzogen wurde, biß sie irer Mt. nicht nutz were, wie dann ir kgl. Mt. ein eigen potschaft2 zu euer fstl. Gn. von Prag auß abvertigen und sie derhalben weiter ersuchen lassen werde. Nichzitdesterweniger aber solten wir dise ding an euer fstl. Gn. furderlich langen lassen.

Wir haben alle handlung und uß was ursachen wir neben und mit andern unsern stenden den abschid und also die gemeine hulf wider den Thurcken nicht willigen mochten, wider erholt, und nachdem ir Mt. sonderlich an unsere personen begert, sollich ir Mt. handlung euern fstl. Gn. furderlich zu berichten, so wolten wir solchs in underthenigkheit mit treuen thun etc. Solche anthwurt haben, wie wir vernehmen, die andern protestirenden stende auch gegeben, aber die eynungsverwandten werden uff dem nehern endtlichen schluß beyeinander ungesondert verharren und kein particular hulf thun, inhalt des artikels, den wir euern fstl. Gn. neulich uberschickt [Nr. 275].

Daneben sein wir von H. Jacob Sturmen bericht, das der konnig der particular hulf halb bey etlichen stetten unser eynung angesuchet, und alß sie ire beschwehrung dagegen angezeigt, warumb es inen untreglich und nicht moglich were, hett der könnig selbst dise wort geredt: Sie konten wol helfen, das ein furst vertriben wurde, warumb sie dann auch zu disem christlichen werk nicht wolten verhelfen. Sie wurden wol befinden, was sie gethan hetten und noch weiter thun wurden.

Daruff die stett geanthwurt, das sie nicht lust gehapt, einichen fursten des Reichs zu vertreiben helfen, sie weren aber mit andern in einer aynung und hetten das halten und voltziehen wöllen, das sie gegen andern leuthen verpflicht und verschriben weren. Wan nuhn ir Mt. bey Hg. Heinrichen sovil einsehens gethan, das er irer Mt. gepott und suspension [RTA JR Bd. XII, Nr. 257f] zu Speier bewilligt hette, so were es diser defension nicht noth gewest.

Nach dem allem ist der andern stende vermeinter abschide [Nr. 404] gelesen worden, wider welchen alle protestirenden stende vor notarien und gezeugen protestirt haben, inhalt der protestation [Nr. 409] hieneben. Dergleichen haben auch alle frey- und reichsstett wider solchen abschide protestirt [Nr. 408], und wie wir vernehmen, so sollen Coln, Thrier, auch Wurtzburg und Bamberg solchen abschide auch nit annehmen.

Wir, die eynungßverwandten, werden noch etliche tage alhie verharren und alle notturft und gelegenheit weiter bedencken. Und haben heut in unserm rathe geschlossen, das man ein schrift an die ksl. Mt. furderlich von wegen verloffener handelung und sachen von hie auß in Italien verfertigen [Nr. 280281] und ein vertraute person mitschicken soll, die des hoifs und hieiger sachen und handlungen bericht sey, welche an dem ksl. hoif der sachen, was disen stenden nachteiligß einfallen wolt, abwarten solt, biß die schickung und legation diser stende stattlicher und wie sy bedacht beschicht. So ist dem rath der statt Augspurg geschriben, nach einer solchen person zu trachten [Nr. 278].

Anmerkungen

1
In seinem letzten Schreiben an die Räte in Nürnberg aus Kassel am 27. April 1543 zog Lgf. Philipp ein bitteres Resümee aus der nicht zustandegekommenen Einigung zwischen den Religionsparteien auf dem RT und brachte eine militärische Option ins Spiel: [...] Zudem und uber das alles so sehen und befinden sy [= die Altgläubigen] wol selbst, daß man uns, disen stenden, weder friden oder recht geben wolte, sondern das der jegenteil mit seinem gemachten abschid der turckenhilf halben furzutringen unten stehe, darus unsers ermessens liderlich [= leicht] ervolgen, daß man uns, dise stende, mit der acht uff solchen abschid oder sonst beschweren möcht. Und obwol dargegen zu sagen, es were itzo di gelegenheyt des Frantzosen, Turcken und anderer halben nit darnach, das man wider uns, dise stend, mocht mit frucht und nutzen kriegen, so ist doch solcher gegenwurf ungewiß. Und darumb so deucht unß, das alle sachen so selzam sich lassen ansehen, das gemeyne unsere christliche verstentnus einen gulden oder 8000 uff etzliche gute krigsleut zu roß und fus, wilch ander krigsvolck an der hand haben, aufwendete, also daß sy gemeyner verstentnus darumb bis zu ausgang des Septembris gewarten. Fille dann unterdeß di nott fur, das man dises krigsvolcks bedurfte, so hette mans bei handen, und wer der verstentnus vast [= sehr] trostlich. Wurd mans aber nit bedurfen, so were auch dises so ein groß gelt nit, es konts di gemeyne verstentnus ye wol und an sonderlichen unstatten ertragen und erschwinden. [...] In: Marburg StA, PA 650, fol. 458r–461v, hier fol. 459rv (Konz.).
2
Dr. Andreas von Könneritz: siehe Nr. 196.