Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 16r–20r (Reinkonz. mit marg. Korr. und Erg., z.T. v.d.Hd. Dr. Jonas’).

B Wien HHStA, RK RTA 11/Konv. 1, fol. 41r–45v (Kop.); AS fol. 41r: Gemainer reichsstende ausserhalb der protestierenden antwurt.

Die Antwort an den König und die Kommissare betr. die Türkenhilfe erfolgte erst zwei Monate nach der Proposition Kg. Ferdinands. Da die evangelischen Stände ohne die Erledigung ihrer Forderungen zu Friede und Recht nicht bereit waren, über die Türkenhilfe zu beraten, verzögerte sich der Beginn der Verhandlungen beträchtlich1. Wegen der nicht zustande gekommenen Einigung mit den Protestanten entschlossen sich die altgläubigen Stände, die Antwort an den König ohne Teilnahme der Evangelischen zu verfassen. Federführend bei der Abfassung des Aktenstücks scheint Dr. Leonhard von Eck gewesen zu sein2. Den altgläubigen Reichsstädten wurde die Antwort der altkirchlichen Reichsstände auf die Proposition am 30. März vorgetragen, ohne dass sie an der Beschlussfassung mitgewirkt hätten3.

Der röm. kgl. Mt., unsers allergnedigsten herrens, und der röm. ksl. Mt., auch unsers allergnedigsten herrens verordenten commissarien gethanen proposition und furtrage, den letsten Januarij nechstverschinen gnediglich beschehen [Nr. 43], betreffendt die beharrlichen turckenhilf und andere darin angeregte obligen des Hl. Reichs, haben die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden rethe und pottschaften undertheniglich verstanden.

Und das sich die kgl. Mt. gnediglich erpieten, unbedacht irer selb, auch irer konigreich und lande langwirigen, treffenlichen ausgaben zu dem christenlichem, nottwendigen werck der expedition und gegenwer unsers hl. cristenlichen namens und glaubens erbvheindt, des Turcken, auf dis jhar abermaln stattlichen anzugreiffen und an ir nicht erwinden zu lassen, wie sich dann ir Mt. des vergangen jhars mit allem dem, so ir Mt. von derselben konigreich und lande wegen uber sich genomen, also erzeigt, adas gemeine–areichsstende an demselben woll one zweiffel ersettigt seyen etc. Sollichs irer kgl. Mt. gnedigisten, christenlichen erbietens, auch irs getreuen vleiß, muhe, arbeit und uncostens, zu widerstandt des Turcken gnedigist furgewandt und erlitten, sagen die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden pottschaften yr kgl. Mt. underthenigsten, hochvleissigen dancke, mit erbietung umb ir kgl. Mt. allzeit undertheniglich zu verdienen.

Und als die kgl. Mt. und ksl. commissarii gnediglich und guetlich begert, die handlung der hievor bewilligten beharrlichen turckenhilf zum furderlichsten und mit dem allerersten fur handen zu nemen und dise erschiesliche mittel und wege zu treffen, dardurch sollich beharrlich turckenhilf statlich in wirckung gebracht etc., haben die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden pottschaften, sopaldt sy anderer gescheft und verhinderung halb (irer kgl. Mt. und den ksl. commissarien sonder zweiffel unverborgen) darzue komen mögen, die sachen der turckenhilf zu berattschlagen fur handt genomen und sich entschlossen, das sie der röm. ksl. und kgl. Mtt. zu underthenigem gefallen und den beschwerdten landt und leuten zu tröst und rettung, auch zu schutz und schirm teutscher nation, unsers vatterlandts, fernere hilf thun und leisten wöllen.

Dieweil aber diser zeit (wie aus der kgl. Mt. zukomen vilfeltigen khuntschaften sich erscheint) der Turck mit grosser macht in treffenlicher rustung und anzug sein soll, irer Mt. konigreich Ungern zu uberziehen und andere anreinende lender zu verwusten und in seinen tirannischen gewalt zu pringen, und aber gmainen stenden nit wol muglich, vor seiner ankunft mit einem gewaltigen höerzug (wie den vergangnen sommer beschehen) gefasst zu werden und in Hungern anzukomen, in betrachtung, das die kriegsleut zu roß und fueß diser zeit hin und wider verzogen, nit zu bekommen und die zeit seer kurtz ist, so bedencken die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden bottschaften radtsam, nutzer und besser sein, das die hilf disen sommer also beschehe, das die päß und ortflecken notturftiglich wol besetzt werden, also das dem Turcken sein furzug oder doch die proviandt versperrt und gehindert werde. Dardurch ime vermittelst gotlicher gnaden meher schaden und abbruch beschehen möge, dann wo man sich vermessenlich, inne mit ungnuesamen volck zu schlachten, understunde.

Und hieruff gelangt an die röm. kgl. Mt. und ksl. commissarien der kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden bottschaften underthenigst, underthenig und freuntlich bitt, die wöllen sich gnediglich und guetlich vernemen lassen, ob ir Mt., fstl. Gnn. und G. diser weg der turckenhilf also furzunemen gefalle, und in sonderheit, das die röm. kgl. Mt., im fall da sie auß obgehorten ursachen disen weg fur nutz und bequem achteten, den stenden des Reichs gnedigst eröffnen und anzeigen lassen wöllen, was fur päß und ortflecken zu besetzen die notturft sein wölle4 und wasserlei hilf und gegenweher ir kgl. Mt. sampt iren konigreichen und erblanden dises jhar zu thun bedacht seyen, damit die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden bottschaften sich mit beratschlagung und verordnung irer hilf desto besser darnach gerichten mögen.

Wann nun aber diser turckenhilf und anderen meher des Hl. Reichs obligen und sachen nit wenigen abgang und verhinderung pringen will, das sich die stende der augspurgischen confession und derselben religion verwanten von gemeinen des Hl. Reichs stenden absöndern und nit mit inen in beradtschlagung sich einlassen, so ist der kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden bottschaften underthenigst, underthenig und guetlich pitte und begere, die röm. Mt. und ksl. commissarii geruchen nochmallen, mit denselben stenden ferner gnediglich und guetlich zu handeln und (wo immer muglich) bdarob zu sein und ze verfuegen, das–bsie sich von berattschlagung und schliessung der turckenhilf und anderer reichssachen nit absondern und dises gemein, nottwendig, christenlich werck neben gemeinen des Hl. Reichs stenden zu erredtung und uffenthaltung unsers vatterlands, leib und gutter treulich handeln, furderen und vermittelst gotlicher gnaden zu gueter entschaft pringen helfen, cinmassen dann die kgl. Mt. und ksl. commissarii deshalb von den stenden mermal undertheniglich ersucht und di stende der augspurgischen confession von inen selbs auch gebetten und ersucht sein–c, damit di hilf umb sovill meher gesterckt und auch dester unbeschwerlicher von den stenden geleist und volnzogen werden möge. dDann sollten sie die hilf nit mitleisten und dise stende von ir underthanen anlage uffheben mussen und aber der andern stende underthanen derselben uberhaben pleiben, mochte es der gehorsamen stende verwanthe underthanen, die mit den andern grenitzen und an vill orten hin und wider neben inen in den flecken vermischt wönen, zue nit kleinem widerwillen und villeicht auch schedlichen empörungen wider ire oberkeiten ursach geben–d.

Ferer haben die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden pottschaften für nottwendig und diser christenlich expedition fur nutzlich und furderlich bedacht, das nit allein von den kreyßinnemer rechnung laut der kgl. Mt. und ksl. commissarien proposition empfangen oder doch derselben halb geburenden relation gehort und aufgenomen und darauf geburendt vergleichung under den kreisen gemacht werde, besonder auch, das di mengel und abgeng, so sich in jungster expedition zugetragen, erkundigt und von den stenden notturftiglich bewegen, auch dargegen in jetziger expedition geburende fursehung und verordnung beschehe, damit, was zu den sachen dienstlich, behalten und, was verhinderlich ist, verhuet pleiben möge. Zu wellicher sachen verrichtung und erörterung auch der augspurgischen confession verwandten stende zu erfordern und zu beruffen sein, auf das darin laut voriger abschiedt gehandelt und furgefaren werden möge.

Und als nun aber allen hilfen und anlagen nit ein geringe verhinderung pringt, das bishere so oft gesucht pillich ringerung der anschleg, wellicher die stende uf etlichen gehalten reichstegen zu mermallen vertröst sein, noch unerledigt und die ungleicheit, so in des Reichs anschlegen befunden, noch unabgeschafft pleibt, so bedencken die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden potschaften, das in diser jetzo vorsteenden hilf dermassen geburendt, pillich insehen gesucht und verfuegt werden solle, das dieselbig one sondere beschwerung eder stend–eunverzugenlich in das werck pracht und geleist werden möge, und das doch nichtdestoweniger daneben auch uff di mittel und wege geratschlagt und geschlossen werden soll, dardurch die beschwerdten stende mit der pillichen ringerung irer anschlege nit weiter uffgehalten, sonder furderlich der gebur nach geringert werden.

Das wöllen der kgl. Mt. und ksl. commissarien die kfl. rethe, fursten und stende und der abwesenden potschaften uf ir gnedige proposition fur antwort nit verhalten, und pitten ir kgl. Mt., fstl. Gnn. und G., die geruchen, sollich ir underthenig antwort von inen gnediglich und gutlich uff- und anzenemen5.

Anmerkungen

1
Manche reichsständische Gesandte waren sich nicht im Klaren darüber, wie sie sich in den Verhandlungen zur Türkenhilfe angesichts der protestantischen Politik der Verweigerung verhalten sollten. So bat Dr. Christoph Welsinger Bf. Erasmus von Straßburg um ausdrückliche Weisungen in dieser Frage, Nürnberg, 1543 März 15: [...] Dieweil dan die sachen sich dohin schicken wöllen, wo die protestirenden sich ie in kein hilf noch handlung inlassen wurden, das die kgl. Mt. nitdesterweniger ein hilf widder den Turcken von den anderen steenden begeren wurdt, welche dan on die protestirenden zu bewilligen gantz beschwerlich, gefaarlich und sorglich, auch nit statlich beschehen mag. Im faal dan solche die andere steend, und sonderlich die geistlichen, bewilligten und ich aber nit weiss, weess ich mich euer Gn. halb halten sol, so ist an euer Gn. mein underthenig bit, die wölle mich zum furderlichsten ires gemuets verstendigen, domit ich mich in solcher schweren handlung wisse im rhat dester baass zu halten und richten. Dan wie ich vernim, so wöllen die kgl. Mt. sampt den ksl. comissarien in namen und von wegen ksl. Mt. ein wissens haben, welche [Reichsstände] irer Mt. in gemeiner not wöllen widder den Turcken hilf thun oder nit. Derhalben so wöllen mich euer Gn. an antwort nit lassen. Sovil hab ich euer Gn. von reychshandlungen zu diessem maal schreiben könden, weiss auch nichts meer nach verners anzuzeigen, dan das alle sachen in höchster und gröster gefaar bey uns stön und ie lenger wyr beradtschlagen, ie erger alle handlungen werden. [...]. In: Straßburg AD, 15 J 18, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Welsingers). Dr. Werner Koch, der Gesandte der Bff. von Freising, Worms und Speyer, berichtete am 28. März 1543 an Bf. Philipp von Speyer, dass noch immer keine Beschlüsse zur Türkenhilfe gefasst worden seien: Euer fstl. Gn. wissen sich gnediglich zu erinnern, was euer fstl. Gn. von dem landschreiber [= Konrad Junge] und mir von wegen der alhieign reichshandlung, und sonderlich der protestirenden halbn, bericht gethan und zugeschribn worden ist. Darauf fug ich denselben zu vernemen, das noch biß anher zu den haubtpuncten nit gegriffen noch von den protestirenden in die vorhabend turckenhilf zu laistn bewilligt worden, sonder noch uf irem furhabn stracks verharrt, aber wie man vermeint und hoffenlich, sy werden sich noch zu pillichn mittln und weg pringen und thedigen lassn. [...]. In: Straßburg AM, AA 503, fol. 179rv (Ausf. v.d.Hd. Kochs). In einem nicht datierten „Gedenckzettel“ (ebd., fol. 181rv) richtete Dr. Koch folgende Fragen an seinen von Nürnberg abgereisten Mitgesandten Konrad Junge betr. die Haltung des Bf. von Speyer zu den am RT verhandelten Materien: Erstlich von underhaltung und bezalung des winterlegers in Hungern. 2. Von der hilf des gegenwurtigen jars, ob mein gnediger herr die wol helfen laisten oder nit. Item durch wes mittel mein gnediger furst und her von Speier vermain, das kunftig hilf anzestellen und zu verrichten sey. 3. Zu dem drytten, wo die gemein reichshilf erliegen wurde, ob meyn gnediger her uff kgl. Mt. oder etlicher anderer fursten ansuchen sich in sondere hilf inlasen wolle. 4. Zu dem vierten, der frei- und reichstedt begerte stime und sesion im reichsratht etc. [5.] Zu dem letsten, dieweil die ksl. Mt. durch den H. von Granvella von den reichstenden hilf contra Franckreich und Gulch begerdt, wes uff sollich begern von irer fstl. Gn. zu bewilligen.
2
Siehe das Schreiben der Hgg. von Bayern an Dr. Eck, München, 1543 Erichtags in den hl. Osterfeirn [März 27]: [...] Der turckhenhilf halben lassen wir uns dein guetbedunckhen durchaus wol gefallen. Ist auch unser maynung und bevelh, das du neben andern unsern reten von unsern wegen sambt den saltzpurgischn der sachen ainen anfang machest, allermassen dein schreiben [fehlt] vermage und ausweist. Du sollest dich auch bei deinen verwanten und bekhanten, sovil dir menschlich und muglich, bemuehen, dieselben auf dein vorhaben ze bringen, damit in diser nott sachen nit so boslich gehandlt, die zeit verlorn, sonder hierin zum furderlichistn gehandlt und furfarn werde, wie du zu thun wol waist und unser gnedigs vertrauen zu dir steet. [...]. In: München HStA, KBÄA 3159, fol. 482r–483v, hier fol. 482rv (Ausf.). Siehe auch das Postskriptum eines (fehlenden) Berichts des Salzburger Gesandten, Bf. Hieronymus von Chiemsee, an den Ebf. von Salzburg, Nürnberg, 1543 März 28: [...] Weitter, so khan ich euer fstl. Gn. nit pergen, das mir Dr. Egkh hat anzaigt, wie er an ainem brieff ainer khunftigen vergleichung der thurckhenhilf halber schreib und vermain, es sei der nächst weg, den man geen mug. Hat mir auch etliche articl erzellt, darauf der begriff gestellt werden soll. Darumb, sopald ich vom rathaus in die herwerg khomen, hab ich mir zu ainem memorial dieselb maynung, sovil ich doch behalten mugen, in schriften und auf etlich articl pracht, davon ich euer fstl. Gn. hieneben copi [fehlt] zuschickh. Und so dann in euer fstl. Gn. instruction [Nr. 50] dieser weg gar nit gemeldet noch im rathschlag, darauf die instruction gestellt, bedacht worden ist, so wär nit bös, das euer fstl. Gn. sich hieruber furderlichen entschlussen und ir gmuet hieher anzaigen liessen, damit man sich demselben gmäs wuste ze halten, wiewol ich sorg trag, es mochte die sach eher fur die hand genomen werden, als euer fstl. Gn. resolution hieher khomen mag. Aber es soll dannoch vleis gehapt werden, damit euer fstl. Gn. nichts uberschwencklichs aufgelegt werde. In: München HStA, KBÄA 3159, unfol. (zwischen fol. 459 und fol. 460), (Kop.).
3
Siehe dazu den Protest der Reichsstädte von 1543 April 1 (Nr. 102).
a
–aAus B, in A gestr.
4
Siehe das Verzeichnis der zu befestigenden Orte (Nr. 93), das im Reichsrat am 1. April 1543 verlesen wurde.
b
–bV.d.Hd. Jonas’ marg. korr aus.: die leidenlichen mittel und wege zu eroffen, dardurch.
c
–cIn A marg. nachgetr.
d
–dIn A marg. nachgetr.
e
–eIn A marg. nachgetr. v.d.Hd. Jonas’.
5
Auf die schriftliche Antwort der altgläubigen Reichsstände erfolgte eine nicht erhaltene mündliche Stellungnahme Kg. Ferdinands und der ksl. Kommissare, wie einer Notiz der Mainzer Erzkanzlei v.d.Hd. Dr. Jonas’ zu entnehmen ist; in: Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 20v: Uff söllich schriftliche antwurt [Nr. 92] hat die röm. kgl. Mt., unser allergnädigister herr, sampt den ksl. commissarien mundtlich replicieren und antwurt geben lassen, wie die in des secretarii Udalrici Müllers protocoll soll befunden werden, der es auß des cancellarii relation, derhalb den reichsstenden gethon, excipieren mögen. Und daneben ist die verzaichnuß, wie und was für päss und bevestigungen ze besetzen seyen [Nr. 93], ingegeben worden, wie hernach steet. Und daruff ist von den stenden volgende triplickschrift [Nr. 94] der kgl. Mt. und ksl. commissarien nachgendts übergeben worden.