Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer
Die Eroberung des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel durch die Schmalkaldischen Bundeshauptleute und die Vertreibung Hg. Heinrichs d. J. im Aug. 1542 hatten eine Situation im Reich geschaffen, die nach Klärung verlangte. Das Fürstentum stand seit Sommer 1542 unter der einstweiligen Verwaltung durch die von Kursachsen und Hessen eingesetzten Statthalter und Räte zu Wolfenbüttel. Im Vorfeld des Reichstags und währenddessen beschäftigten sich mehrere Reichsstände wie Kursachsen, Hessen, Bayern, Württemberg, Straßburg und Frankfurt mit der Frage einer endgültigen Regelung der Verhältnisse im Herzogtum. Die Hgg. von Bayern boten sich als Vermittler zwischen den Schmalkaldenern und Hg. Heinrich in der Causa Braunschweig an1, wobei sich der Ausschuss der Schmalkaldener unter bestimmten Voraussetzungen zu gütlichen Verhandlungen am Reichstag bereit erklärte (Nr. 243). Wie das von 21. Febr. bis 10. März 1543 geführte Ausschussprotokoll (Nr. 244) zeigt, endeten die Verhandlungen ergebnislos, da die kursächsischen und hessischen Räte lediglich die Rückkehr der Kinder Heinrichs unter gewissen Bedingungen akzeptierten, nicht jedoch die von Bayern ins Spiel gebrachte Restitution des Herzogs (Nr. 245). Die Meinungen in dieser Frage waren innerhalb des Schmalkaldischen Bundes keineswegs einhellig, wie das Straßburger (Nr. 246) und Frankfurter Gutachten (Nr. 256) zeigen.
Die Folgen der Eroberung Braunschweigs durch die Schmalkaldener sind Gegenstand mehrerer Supplikationen, die den Reichsständen oder den Schmalkaldenern vorgelegt wurden. Der braunschweigische Kanzler Dr. Stopler versuchte, den König und die Reichsstände, wie schon auf dem Nürnberger Reichstag von 1542, von der Unschuld seines Herrn zu überzeugen und verlangte dessen Restitution (Nr. 247). Bf. Valentin von Tetleben bemühte sich um Restitution der Hildesheimer Stiftsgüter, soweit diese nun in den Händen der Schmalkaldener lagen. Außerdem beklagte er sich über die in der Stadt Hildesheim nach der Eroberung gewaltsam eingeführte Reformation und die Vorenthaltung von geistlichen Einkünften (Nr. 248). Die altgläubigen Reichsstände und Kg. Ferdinand nahmen zur Supplikation Tetlebens Stellung (Nr. 249). Hg. Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Bruder Hg. Heinrichs und Dompropst von Köln und Bremen, fühlte sich durch die Eroberung Braunschweigs um seine erblichen Ansprüche auf das Fürstentum gebracht und drängte sowohl bei den Schmalkaldenern (Nr. 56) als auch bei den Reichsständen (Nr. 257) auf die Einbeziehung seiner Person in alle Verhandlungen über das weitere Schicksal des Landes Braunschweig-Wolfenbüttel. Die Schmalkaldener machten in ihrer Antwort mit Hinweis auf die nicht beendeten Verhandlungen keine Zusagen, erklärten sich aber bereit, ihre Räte und Statthalter in Wolfenbüttel zur Ausfolgung der geistlichen Gefälle an Hg. Georg anzuhalten (Nr. 252–253).
Als die unter Vermittlung Bayerns stattfindenden Verhandlungen am 10. März 1543 wegen Rückfragen der kursächsisch-hessischen Räte bei den Bundeshauptleuten unterbrochen wurden, schaltete sich Kg. Ferdinand ein. Er schrieb für den 1. April 1543 eine Tagsatzung nach Nürnberg aus, bei der die gütlichen Verhandlungen fortgesetzt werden sollten (Nr. 249). Hg. Heinrich war damit einverstanden und sicherte die Suspension der Kammergerichtsprozesse für die Dauer der Verhandlungen zu (Nr. 251). Ein kgl. Mandat an das Reichskammergericht ordnete die Suspension der Prozesse an (Nr. 254). Als die Tagsatzung beginnen sollte, wandten sich die kursächsischen und hessischen Räte an den König und verweigerten die Teilnahme im Namen ihrer Herren, da das Ausschreiben zu spät erfolgt sei, um vorherige Beratungen der Schmalkaldener zu ermöglichen. Sie ersuchten um Aufschub der Verhandlungen bis zur Ankunft des Kaisers im Reich (Nr. 255). Kg. Ferdinand war damit einverstanden und wies seinen Rat Lorenz von Streitberg an, den Hgg. von Bayern und Hg. Heinrich den Aufschub der Verhandlungen bekannt zu geben. Sollten die gütlichen Verhandlungen unter Leitung des Kaisers scheitern, würde die Angelegenheit wieder dem Reichskammergericht übertragen werden (Nr. 258).