Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
1.1 Beratungsschwerpunkte und Ergebnisse
Der Reichstag zu Regensburg 1556 hätte laut der Einberufung im Reichsabschied 1555 am 1. März zusammentreten sollen, doch verzögerte sich bereits die Eröffnung bis zum 13. Juli1. Anschließend zogen sich die Beratungen bis 16. März 1557 hin, der Reichstag dauerte also über den Winter hinweg 35 Wochen, länger als jede andere Reichsversammlung des 16. Jahrhunderts mit Ausnahme des Reichstags 1547/482. Die lange Dauer war 1556/57 nicht der problematischen Programmatik geschuldet, sondern sie war das Resultat wiederholter Aufschübe der Verhandlungen, die im Grunde erst mit der Ankunft König Ferdinands am 7. Dezember begannen, also 21 Wochen nach der Eröffnung. Bis dahin hatte aufgrund der Verhandlungshindernisse im Kurfürstenrat3 weitgehend Stillstand geherrscht. In zwei zwischenzeitlichen Beratungsphasen von Mitte September bis Mitte Oktober und sodann vom 19. November bis zur Ankunft des Königs beschäftigte sich der Reichstag nicht mit den Artikeln der Proposition, sondern mit Fragen der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit der Debatte um den Geistlichen Vorbehalt. Dagegen wurden die Kernthemen anschließend seit Anfang Dezember 1556 relativ zügig in 14 Wochen bis 16. März 1557 abgehandelt.
Inhaltlich bezog die Versammlung 1556/57 ihre Agenda aus dem Reichsabschied 1555, der zwar mit dem Religionsfrieden das konfessionelle und mit der Exekutionsordnung das institutionelle Friedenswerk zu Ende führte und damit zur künftigen „Grundlage der Reichsverfassung machte“4, den Religionsvergleich und daneben den Vollzug der Reichsmünzordnung aber nicht mehr erledigte, sondern einem künftigen Reichstag auftrug. Aus dieser Perspektive erscheint das Resultat von 1556/57 als der pflichtgemäße, wenig engagierte Vollzug dieser Vorgabe, um die beiden vertagten Artikel im Reichsabschied neuerlich an anderweitige Gremien, das Religionsgespräch und den Reichsmünztag, zu verweisen. Stand der Reichstag 1556/57 also lediglich im Schatten der epochalen Tagung von 1555, war er nur ein „appendix unnd execution der vorigen, zu Augspurg gehaltenen versamblung“, wie ein kursächsischer Gesandter formulierte5?
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass König Ferdinand das Programm des Reichstags um weitere Artikel ergänzte und damit das Themenspektrum gegenüber der Prorogation 1555 erweiterte: Hinzu kamen die Türkenhilfe, die in der Intention des Königs eindeutig in den Vordergrund rückte, und die Landfriedensproblematik als Hauptartikel der Proposition sowie später Nebenthemen wie die Livlandfrage und Einzelaspekte des Reichsjustizwesens als weiterer Hauptpunkt. Zum anderen ist die Frage nach der Bilanz des Reichstags zu stellen, um seinen Stellenwert gegenüber Augsburg 1555 und im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Reichspolitik zu bestimmen.
1) Religionsvergleich: Hauptverhandlungen zur Behebung der Glaubensspaltung, wie der Reichsabschied 1555 sie vorsah, wurden in Regensburg nicht geführt, obwohl Ferdinand sie zeitweilig anstrebte6, um mit der theologischen Wiedervereinigung eines seiner zentralen Anliegen7 zu realisieren. Da dies am Reichstag nicht möglich schien, verständigten sich der König, die weltlichen katholischen und die CA-Stände gegen den Widerstand der geistlichen Stände, die das Generalkonzil forderten, auf die Anberaumung eines Kolloquiums. Dessen Einberufung mit der Festlegung des Vergleichsforums und seiner Modalitäten stellte den vorerst letzten Versuch dar, die Glaubenseinheit durch einen theologischen Ausgleich auf Reichsebene herzustellen. Verfolgte Ferdinand diese Zielsetzung mit ernsthaftem Interesse, so belegen Aussagen der wortführenden Protestanten, dass es ihnen dabei nicht mehr um die Sache selbst, die Beilegung der Glaubensspaltung, ging, sondern darum, vordergründig ihren guten Willen zum Ausdruck zu bringen8 und das Kolloquium als Forum für die Propagierung ihrer Glaubensgrundsätze zu nutzen. Abstriche an der CA kamen nicht infrage, vielmehr wurde die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit einer Vergleichung außerhalb der CA bestritten9. Die geistlichen Stände verwehrten sich im Hinblick auf Generalkonzil und Kurie anfänglich grundsätzlich gegen ein Kolloquium als nationale Lösung. Die widerwillige Zustimmung erfolgte nur, um dem Wunsch des Königs zu entsprechen, und verknüpft mit Bedingungen, die die Autorität von Papst und Konzil sichern sollten10. Eine tiefere Bereitschaft zur konfessionellen Wiedervereinigung ist auch hier nicht erkennbar11.
Bedeutsamer als die taktisch geprägte Entscheidung für den Religionsvergleich war als eines der zentralen Resultate des Reichstags in der künftigen Wirkung die Bestätigung und Bekräftigung des Religionsfriedens12, der gegenüber der Fassung von 1555 erweiterte Rechtssicherheit bot, indem im Reichsabschied festgehalten wurde, dass er in Verbindung mit dem Landfrieden unabhängig von künftigen Religionsverhandlungen „alles seines jnhalts bestendig inn seinen krefften bleiben vnd jmmerwerendt gehalten“ werden solle13. Schon zuvor hatten die Reichsstände als Bedingung für das Kolloquium vorausgesetzt, „dz auf unnd in allen fellen der aufgericht jungst zu Augspurg unnd beschlossen religion- unnd prophan friede (die vergleichung der religion erfolge durch disen fursteenden oder annderen weeg jetzt unnd khunfftig oder nit) nicht desto weniger ewig imerwerendt bleibe unnd bestenndig gelassen werde“14. Der Reichstag 1556/57 leistete mit dieser unbefristeten Bestätigung einen wichtigen Beitrag dafür, dass sich die 1555 limitierte und mit Zugeständnissen verbundene Lösung „unerwartet rasch [...] zur Grundlage der Reichspolitik“15 entwickeln konnte.
2) Türkenhilfe: Der König stellte den türkischen Vorstoß in Ungarn sowie die Aufstände dort und in Siebenbürgen in der Proposition prononciert an die erste Stelle noch vor die Religionsfrage und kam am Ende nochmals als Hauptartikel darauf zurück, um in seinem Kernanliegen beim Reichstag, das ohne Beeinträchtigung durch andere Themen möglichst rasch erledigt werden sollte, eine Reichshilfe von 16 Römermonaten zu fordern. Trotz der Störungen in der Anfangsphase des Reichstags konnte Ferdinand als großen Erfolg verbuchen, dass seine Bitte ohne Abstriche bewilligt und lediglich die spätere Zusatzforderung16 abgelehnt wurde. Die Fürstenkurie hatte sich sehr bald für 16 Römermonate ausgesprochen17, während der Kurfürstenrat mehrheitlich lange Zeit auf 12 Römermonaten beharrte und erst Ende Februar 1557 die Gesamtforderung zusagte, wobei Kurmainz und Kurpfalz bis zuletzt dissentierten18. Die größte Unterstützung erhielt der König im Kurfürstenrat von Kursachsen, das nicht nur die 16 Römermonate, sondern eine wesentlich höhere beharrliche Hilfe empfahl19. Doch stellten selbst die beschlossenen 16 Römermonate die bis dahin höchste Steuerbewilligung dar. Erst beim Reichstag 1566 erreichte die Türkenhilfe mit 48 Römermonaten eine neue Dimension20.
3) Im dritten Hauptartikel bestätigte der Reichstag die Exekutionsordnung und mahnte ihren Vollzug in den Reichskreisen an. Dies war möglich, weil die Exekutionsordnung 1555 die Landfriedenssicherung auf die Kreisebene verlagert hatte.
4) Das Thema Reichsjustiz wurde nicht vom König proponiert, sondern kam erst auf die Initiative des Kurfürstenrats hin in Verbindung mit der Aktenvorlage der außerordentlichen Reichskammergerichtsvisitation 1556 zur Sprache. Die Beschlussfassung beschränkte sich auf Maßgaben zur Besetzung vakanter Assessorenstellen, während alle übrigen Probleme, die bei der Visitation zutage getreten waren, an einen Reichsjustiztag in Form eines außerordentlichen Reichsdeputationstags nach Speyer verwiesen wurden.
5) Auch die weiteren Verhandlungen zum Vollzug der Reichsmünzordnung 1551 stellte der Reichstag nach nur knappen Beratungen in der Schlussphase einem künftigen Reichsmünztag in Speyer ebenfalls in Form eines außerordentlichen Reichsdeputationstags anheim. Der Reichstag leitete mit der Anberaumung der jeweils kleineren, mit Sachverständigen zu besetzenden Gremien, die bei diesen Materien mehr Erfolg versprachen als das große Forum der tagenden Versammlung, die nachfolgenden konstruktiven Beschlussfassungen ein, die im Fall des Reichsjustiztags rechtsverbindlich waren21, während die Verabschiedung des Reichsmünztags ein nachfolgender Reichstag ratifizieren musste22.
Nicht im Reichsabschied enthalten sind die Maßnahmen, die König und Reichsstände zur Beilegung der Koadjutorfehde in Livland einleiteten. Die in Regensburg beschlossene Vermittlungsgesandtschaft23 trug wesentlich zur Beendigung des Konflikts in den Verträgen von Pozwol zwischen den livländischen Ständen und Polen-Litauen im September 1557 bei und ist damit als sehr positives Ergebnis des Reichstags 1556/57 zu werten24.
Die greifbare Bilanz des Reichstags 1556/57 besteht demnach in der Bestätigung und Verankerung des Augsburger Friedenswerks, der Einberufung des Kolloquiums als Forum für die Herstellung der Glaubenseinheit sowie des Reichsjustiz- und des Reichsmünztags, in der Verabschiedung einer beträchtlichen Türkensteuer, die der anfänglichen Forderung des Königs25 in vollem Umfang entsprach, und im vermittelnden Engagement in Livland.
Die zwangsläufig knappe Beschreibung des Reichstags in neueren Überblicksdarstellungen beschränkt sich überwiegend auf die beiden Hauptthemen Türkenhilfe und Religionsvergleich. Als dritter Aspekt fließt in die Beurteilung zu Recht die Debatte um den Geistlichen Vorbehalt mit ein26, dessen Aufhebung Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz im Junktim mit der Verweigerung der Hauptverhandlungen initiieren wollte. Doch konnte Kurpfalz weder innerhalb der eigenen Reihen das Junktim namentlich mit der Türkenhilfe durchsetzen noch gelang es den CA-Ständen insgesamt, dem König ein Zugeständnis abzuringen: Die Steuerzusage beim 2. Hauptartikel erfolgte, ohne dass der Geistliche Vorbehalt auch nur modifiziert worden wäre. Die Diskussion darum27 vollzog sich zunächst im Herbst 1556 im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte in den Kurien des Reichstags, anschließend nach der Ankunft Ferdinands außerhalb der Kurien in der direkten Auseinandersetzung zwischen dem König und den CA-Ständen. Von entscheidender Bedeutung dafür und damit für den Verlauf des Reichstags insgesamt war die Position Kurfürst Augusts von Sachsen, dessen Gesandte in den innerprotestantischen Beratungen bereits im ersten Stadium die Kurpfälzer Initiative für eine umfassende Freistellung auf die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts beschränken konnten und die Forderung stets mit der Bedingung verknüpften, dass dadurch weder der Religionsfrieden zur Disposition gestellt noch die Türkenhilfe gefährdet würde. Den von Kurpfalz intendierten Verhandlungsboykott konnten sie aufbrechen, indem die Hauptberatungen aufgenommen wurden und erst die definitive Beschlussfassung von der Klärung des Geistlichen Vorbehalts abhängen sollte. Später wurde diese Vorgabe nicht mehr realisiert, da Kursachsen mit der Unterstützung anderer namhafter CA-Stände bis zum Ende des Reichstags seine Prämisse der Wahrung des Religionsfriedens und der Sicherung der Türkenhilfe auch auf Kosten des Geistlichen Vorbehalts gegen Kurpfalz verfocht und sich damit gegen das Junktim durchsetzen konnte. Es blieb lediglich bei einem Protest der CA-Stände28, der für die Gewährung der Türkenhilfe ohne Folgen blieb.
Die Politik Kurfürst Augusts von Sachsen, die bereits 1556 „eine ausgewogene Balance zwischen konfessioneller Bindung und reichspolitischer Verantwortung suchte“29, erwies sich als Gegenpol zur aggressiven Konfessionspolitik Ottheinrichs von der Pfalz in zweifacher Hinsicht als prägend für den Verlauf des Reichstags: Er war es, der unablässig darauf insistierte, dass der Wahrung des Religionsfriedens oberste Priorität einzuräumen sei, und vorrangig seinem Engagement hatte König Ferdinand es zu verdanken, dass er die Türkenhilfe, an der Kursachsen aufgrund der geografischen Lage ein genuin eigenes Interesse hatte, in der gewünschten Höhe ohne konfessionspolitische Zugeständnisse erhielt. Damit wurde im Anschluss an den Regierungsantritt Kurfürst Ottheinrichs beim Reichstag 1556/57 die innerprotestantische Konstellation sichtbar, wie sie die künftige Politik ganz wesentlich beeinflussen sollte: Der Gegensatz zwischen Kursachsen als einer der Garantiemächte des Religionsfriedens sowie Kooperationspartner des habsburgischen Kaiserhauses und der „militant revisionistisch“ angelegten, antihabsburgischen Kurpfälzer Religions- und Reichspolitik30. Die Politik Kurfürst Augusts bildete 1556/57 wie in den folgenden Jahren einen entscheidenden Faktor für die nach 1555 eingeleitete Phase der Stabilität und Integration im Reich, die er in enger Abstimmung mit dem Reichsoberhaupt prägend mitgestaltete und damit großen Anteil „am funktionierenden System des Augsburger Religionsfriedens“ erlangte31.
Der Reichstag 1556/57 gewinnt auf dem Hintergrund dieser Ergebnisse seinen eigenständigen Stellenwert über die erwähnten Resultate im Reichsabschied hinaus mittelbar aus der hier sichtbar werdenden Vorprägung des künftigen Bildes der Reichspolitik: 1) Die mehr oder minder offen ausgedrückte Akzeptanz der Glaubensspaltung, die sich nach 1557 im Verzicht auf weitere Einigungsbemühungen manifestierte; das sich künftig wiederholende, erfolglose Insistieren auf der Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts durch die protestantischen Stände, das aber für die Bewilligung einer Türkenhilfe letztlich folgenlos blieb und bleiben würde; die Bestätigung des Augsburger Friedenswerks als Grundlage der künftigen Reichspolitik. 2) Die Festlegung der politischen Allianzen, welche die folgenden Jahre bestimmen sollten32: Auf der einen Seite die Intensivierung der Kooperation Kurfürst Augusts von Sachsen mit Ferdinand I. und nachfolgend mit Maximilian II., in die neben Kurbrandenburg auch Bayern und später Kurmainz einbezogen wurden, während sich Ferdinand 1556/57 endgültig von der Kurpfalz als reichspolitischem Partner abwandte, nachdem Kurfürst Ottheinrich dort einen rigiden antihabsburgischen Kurswechsel eingeleitet hatte. Auf der anderen Seite die erwähnte Bildung der innerprotestantischen Fronten mit Kursachsen und der Kurpfalz als Antipoden und dem Erfolg der kursächsischen Konzeption. Nicht zuletzt dieser war es zu verdanken, dass der Reichstag 1556/57 ein ganz wesentliches Element für „die Festigung des Religionsfriedens“33 ausmachen und damit im Zusammenwirken mit dem Augsburger Gesetzgebungswerk von 1555 einen wichtigen Beitrag zur Einleitung der künftigen Stabilitäts- und Friedensperiode im Reich leisten konnte.
1.2 Überlieferung und Forschungsstand. Verhandlungen neben dem Reichstag
Die Editionsgrundlagen für vorliegenden Band orientieren sich in allen Bereichen an den Vorgaben, wie sie für die Reihe der „Reichsversammlungen“ programmatisch entworfen wurden. Dies betrifft neben der Präsentationsform von Protokollen, Hauptakten und Supplikationen, der selektiven Auswertung der Reichstagskorrespondenz im Kommentar und den Transkriptionsregeln auch die Recherchen zur ungedruckten Überlieferung, die sich demgemäß auf ausgewählte Archive und Aktengruppen34 beschränken. Das Grundgerüst der Dokumentation bilden sowohl bei den Protokollen wie bei den Verhandlungsakten die Überlieferungen der königlichen und der Kurmainzer Kanzlei. In der königlichen Kanzlei finden sich in der Reichstagsaktenreihe für 1556/57 fünf Bände35, die weitgehend chronologisch geordnet die Korrespondenz des Königs zur Vorbereitung, seine Reichstagswerbungen, den Schriftwechsel mit den Kommissaren in Regensburg bis zur eigenen Ankunft, die meisten Hauptakten von der Proposition bis zum Reichsabschied, einen Großteil der Supplikationen und das österreichische Fürstenratsprotokoll beinhalten. Allerdings fehlt ein Protokoll des Geheimen Rates, das die internen Entscheidungsvorgänge am Hof Ferdinands erhellen würde. Das Mainzer Erzkanzlerarchiv verwahrt ebenfalls fünf Bände, die zwar die Verhandlungsakten nicht vollständig und die Supplikationen nur zu einem kleinen Teil erfassen, aber den Verlauf des Reichstags mit den umfangreichen Berichten der Gesandten und den Weisungen des Kurfürsten36 sowie in erster Linie anhand der Protokollierungen für den Kurfürstenrat, den Religionsausschuss, die Versammlungen der katholischen Stände und teils für den Supplikationsrat gut wiedergeben.
Von den weltlichen Kurfürsten bieten Kursachsen und Kurpfalz geschlossene Überlieferungen mit Korrespondenzen zur Vorbereitung, der Instruktion, der Reichstagskorrespondenz, jeweiligen Protokollen für den Kurfürstenrat und den Religionsausschuss, einem Großteil der Verhandlungsakten, ausgewählten Supplikationen und dem Reichsabschied. Kurpfalz überliefert daneben das beste Protokoll für die Sitzungen der CA-Stände. Für Kurbrandenburg ist zwar kein Protokoll erhalten, doch liegen die weiteren Aktengruppen ebenfalls weitgehend geschlossen vor. Die Kurkölner Akten reichen nur bis zum Tod Kurfürst Adolfs III. am 20. 9. 1556, während die Kurtrierer Unterlagen verloren gingen. Aus der Fürstenkurie beinhalten die Bestände Speyers, Würzburgs, Hessens, Württembergs und mit Abstrichen Sachsens (nur für die Anfangsphase des Reichstags) das meiste singuläre Schriftgut (Instruktionen, Reichstagskorrespondenz, Protokolle). Von den Mitgliedern des Städterats gilt dies für Augsburg und Nürnberg.
Die ersten gedruckten Veröffentlichungen im 16. und 17. Jahrhundert konzentrierten sich neben dem Reichsabschied auf die Akten zur Freistellungsforderung37. Die Beschreibung des Reichstags bei Häberlin (1776) stützt sich mit diesen Drucken zur Freistellung und der von Sattler edierten Württemberger Reichstagskorrespondenz auf eine nur schmale Quellenbasis, die um ein Referat des gesamten Reichsabschieds ergänzt wird38. Eine bedeutende Erweiterung der Quellengrundlage brachte erst die Edition von Viktor Ernst insbesondere für die innerprotestantische Debatte vor und beim Reichstag39. Bei den Darstellungen im 19. Jahrhundert liegt der Schwerpunkt ebenfalls weit überwiegend auf der Religionsfrage, so auch bei Gustav Wolf40, hier allerdings in wesentlich umfassenderer Form und ergänzt um einen umfangreichen Quellenanhang. Die am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Gesamtdarstellungen der Epoche ignorieren den Reichstag 1556/57 entweder41 oder sie konzentrieren sich ebenfalls auf den Religionsaspekt42. Dieser steht ebenso in der neueren Literatur im Vordergrund, die je nach Themenstellung die Freistellung43 oder den Religionsvergleich44 betrachtet. Die Verhandlungen im Religionsausschuss zu letzterem Problem analysieren die Studien von Rolf Decot45, während Benno von Bundschuh dafür ein sehr breites Spektrum von der Vorbereitung des Reichstags über dessen Verhandlungen bis hin zu theologischen Gutachten detailreich im Rückgriff vorrangig auf die königliche und Kurmainzer Aktenüberlieferung darlegt und damit die Religionsfrage unter dem Aspekt der Anberaumung des Religionsgesprächs umfassend erörtert46. Einen Ausschnitt daraus – die Ansätze einer gemeinsamen Konfessionspolitik der CA-Stände auf dem Reichstag in der Vorbereitung des Religionsgesprächs – beleuchtet die aktuelle Studie von Björn Slenczka47. Bereits zuvor hat Ernst Laubach in seiner Untersuchung zu Ferdinand I. als Kaiser48 eine in thematisch erweiterter Form annähernd geschlossene Darstellung des Reichstags 1556/57 unter Einbeziehung auch der Türkenhilfe, der Livlandfrage und der Bestrebungen zur Übertragung des Kaisertums auf der Basis der Primärquellen vorgelegt. Die anderweitige biografisch angelegte Literatur analysiert den Reichstag unter dem territorialpolitischen Blickwinkel oder im Hinblick auf die Politik des jeweiligen Herrschers am Reichstag49.
Die Grundkonzeption für die Editionsreihe der „Reichsversammlungen“ sieht eine Dokumentation des Reichstags „in seiner Kernfunktion als Ständeversammlung“ von der Proposition bis zum Abschied vor50, also die Bereitstellung der Quellen zu den Verhandlungen des Königs mit den Reichsständen, zu den Beratungen in den Kurien, der drei Kurien untereinander, im Religionsausschuss sowie in den Versammlungen der katholischen und protestantischen Stände. Nicht berücksichtigt werden demnach Sonderverhandlungen des Königs mit einzelnen Ständen und einzelner Stände oder Ständegruppen sowie anderweitige Ereignisse außerhalb der eigentlichen Reichstagsprogrammatik. Beim Reichstag 1556/57 betrifft dies in erster Linie zwei Komplexe: 1) Die Gründung des Landsberger Bundes. 2) Den Vergleichstag im Markgrafenkrieg, der in Regensburg zunächst vor und sodann neben dem Reichstag veranstaltet wurde.
1) Die Initiative Bayerns (W. Hundt) in Kooperation mit Johann Ulrich Zasius seit dem Frühjahr 1556 für die Gründung eines Landfriedensbundes verlief zum Teil parallel mit der Reichstagsvorbereitung. Nach der Konstituierung des Landsberger Bundes51 mit den Mitgliedern König Ferdinand, Herzog Albrecht von Bayern, Erzbischof Michael von Salzburg und der Reichsstadt Augsburg am 1. 7. 1556 setzten sich die Gespräche und Korrespondenzen während des Reichstags vorrangig wegen der Aufnahme der fränkischen Einungsstände fort, auch fanden in Regensburg im März 1557 Bundesversammlungen statt. In den Verhandlungen um den Vollzug der Exekutionsordnung (3. Hauptartikel) fand der Bund keine Erwähnung.
2) In engerer lokaler und terminlicher Verbindung zum Reichstag stand der Vergleichstag zwischen Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach und den Ständen der Fränkischen Einung (Vergleichstag im Markgrafenkrieg52). Dennoch wird auf eine Dokumentation verzichtet, da es sich beim Vergleichstag um ein eigenständig konstituiertes Gremium (Vermittlungskommission) handelte, das nicht beim, sondern neben dem Reichstag agierte. Die Trennung beider Veranstaltungen wird formal auch daran deutlich, dass die Teilnehmer am Vergleichstag über eigene Vollmachten verfügten, die für den Reichstag nicht galten. Deshalb wird die Thematik im Rahmen der Dokumentation nur in der Spätphase berücksichtigt, als sie in Form von Supplikationen an das Forum des Reichstags gebracht wurde. Der Vergleichstag 1556 beruhte auf dem Augsburger Abschied vom 26. 9. 1555, der ihn zum 1. 3. 1556 nach Regensburg einberief53. Der Vermittlungskommission gehörten neben den Kommissaren Ferdinands I. an: Die vier rheinischen Kurfürsten, Salzburg, Konstanz, Bayern, Jülich, die Reichsprälaten, die Wetterauer Grafen sowie die Städte Straßburg und Regensburg. Deren Verhandlungen zwischen den beiden Parteien verliefen zunächst wegen des Streits um Geleitfragen und die Übernahme der Markgrafschaft Kulmbach durch einen kaiserlichen Sequester ergebnislos54, doch wurde die Hauptvermittlung auch nach dessen Verordnung durch den König Mitte Mai 1556 nicht aufgenommen, da die Fränkische Einung die Einbeziehung der vom Markgraf eroberten, so genannten bambergischen Vertragsämter in die Verwaltung ablehnte und der Gegenseite Verstöße gegen das Geleit und den Augsburger Abschied vorwarf. Im Oktober 1556 wurden die Verhandlungen abgebrochen. Dies veranlasste Albrecht Alkibiades, sich im Dezember gegen die Verweigerung der Einung in einer Supplikation an die Reichsstände zu wenden55, die jedoch infolge seines Todes am 8. 1. 1557 nicht mehr beschieden wurde. Die folgenden Beratungen hatten aufgrund der veränderten Situation die Übergabe der Markgrafschaft Kulmbach an Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach56 zum Gegenstand. In deren Rahmen ordnete König Ferdinand am 25./27. 2. 1557 den gütlichen Vergleich des Gesamthauses Brandenburg mit der Fränkischen Einung an57, den er anschließend selbst übernahm und im Wiener Vertrag vom 6. 10. 1558 erfolgreich zum Abschluss brachte58.
2. Verhandlungen zur Einberufung
2.1 Einberufung des Reichstags im Vollzug des Reichsabschieds 1555
Die Einberufung des Reichstags 1556/57 beruhte reichsrechtlich nicht auf dem allgemein üblichen Verfahren, bei dem das Reichsoberhaupt die Veranstaltung mit Konsens der Kurfürsten beschloss und mittels eines allgemeinen Ausschreibens öffentlich kundtat, sondern die Reichsversammlung bezog ihre Legitimation aus dem Reichsabschied 1555, der mit der Vertagung zweier Hauptartikel die Thematik sowie Ort und Termin vorgab. Damit erübrigte sich ein Ausschreiben, da dessen Funktion – die Bekanntgabe der Verhandlungsinhalte sowie die örtliche und zeitliche Festlegung – der Reichsabschied 1555 übernahm.
Den Ausgangspunkt der Prorogation bildeten die 1555 nicht erledigten Verhandlungen zur Beilegung der Glaubensspaltung. Deshalb haben sich die Gesandten der Kurfürsten und die anderen Reichsstände mit dem König „verainigt und endtschlossen, dises articls erledigung auf khünftige reichßversamblung zu verschieben“1. Zwar musste Ferdinand I. im Reichsabschied eingestehen, dass „edlicher [...] churfursten verordnete räte in ainen khunftigen reichßtag mit bestimbung gewisser zeit und malstatt von iren L. nit abgefertigt und derhalben mangl ireß gwaltß und bevelchs darein nit willigen khonnen“, doch stützte er sich statt dessen auf die Stellungnahmen der Kurfürsten zu seinen im August 1555 an sie abgeordneten Gesandtschaften wegen der Gesamtvertagung des Reichstags, die er so interpretierte, „daß wir uns nit versechen, daß ir ainem die bestimbung und ansetzung gewisser zeitt und malstatt zu solchem reichßtag zuwider sein lassen werde.“ Unter Berufung darauf setzte der König namens des Kaisers und kraft des Reichsabschieds den neuen Reichstag für 1. 3. 1556 in Regensburg verbindlich „on ainich verner ersuechen und außschreiben“ an. Als Themen wurden festgelegt der Religionsvergleich, der Vollzug der Reichsmünzordnung „und was sonst mittlerweil für mehr obligen und sachen fürfallen werden“, die Beratungen des Kaisers und der Reichsstände erforderten2.
Damit war der neue Reichstag ohne Ausschreiben legitimiert, indem er als Fortsetzung der Verhandlungen von 1555 anberaumt und auch verstanden wurde: Der kursächsische Gesandte Lindemann konstatierte in der Versammlung der CA-Stände, dass „dieser reichstag ein appendix unnd execution der vorigen, zu Augspurg gehaltenen versamblung ist“3. Zugleich entband die Einberufung mittels der Vertagung den König von den ansonsten erforderlichen Bemühungen, den Konsens der Kurfürsten für das Ausschreiben zu erlangen. Der Konsens war allerdings ebenso für den Vertagungsbeschluss in Augsburg unumgänglich. Auf die dabei aufgetretenen Probleme deuten der im Abschied erwähnte Widerstand von kurfürstlichen Gesandten und die vage Formulierung bezüglich der Antworten ihrer Herren hin. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Konstituierung des Reichstags 1556/57 sollen diese Verhandlungen kurz dargelegt werden.
Nachdem der König am 21. 9. 1555 die Vertagung der genannten Punkte und die Vereinbarung eines Reichstags gefordert hatte, befasste sich der Kurfürstenrat am 22. 9. mit dem Antrag. Die Deputierten Kurtriers und Kursachsens hatten aufgrund der positiven Antworten ihrer Herren auf die Werbung des Königs im August 1555 keine Einwände; Kurköln schloss sich dem an. Kurbrandenburg sah die Festlegung des Reichstags zwar als Verstoß gegen die Wahlkapitulationen von Kaiser und König, wollte sie unter Vorbehalt der kurfürstlichen Rechte aber nicht behindern. Die Kurpfälzer Gesandten dagegen lehnten die Bewilligung mit dem Argument fehlender Weisung strikt ab. Als Beschluss wurde das vermittelnde Kurmainzer Votum übernommen: Der Reichsabschied sollte eine künftige Reichsversammlung nur als „generalmeldung“ ohne Konkretisierung erwähnen, ansonsten bestand man auf dem hergebrachten Einberufungsverfahren. Da in den offiziellen Verhandlungen keine Einigung möglich war, lud Ferdinand die kurfürstlichen Gesandten zu einer Privatunterredung, in der man sich am 23. 9. 1555 auf oben zitierte Formulierung im Reichsabschied einigte. Indem der König sich darin auf seine Interpretation der vorausgehenden Aussagen der Kurfürsten zu den Werbungen stützte, konnte er deren Gesandte aus der Verantwortung für die Bewilligung des neuen Reichstags nehmen4.
Ein Blick auf die Antworten der Kurfürsten zur Prorogationswerbung Ferdinands im August 1555, die den Abbruch des Reichstags noch vor dem Abschluss des Religionsfriedens und die Vertagung aller Verhandlungen bis 1. 3. 1556 nach Regensburg5 vorsah, zeigt, warum die diesbezügliche Passage im Reichsabschied (§ 141) so vage formuliert wurde: Positiv äußerten sich Kurmainz, Kurtrier und Kurköln, Kurbrandenburg riet indifferent zur Fortsetzung der Augsburger Beratungen6. Kursachsen lehnte den Aufschub vor dem Abschluss des Religions- und Landfriedens und damit den sofortigen Abbruch des Reichstags ganz entschieden ab, räumte im Anschluss an eine Verabschiedung des Religionsfriedens die Vertagung der übrigen Verhandlungspunkte und damit die Ansetzung eines neuen Reichstags aber ein. Kurfürst Friedrich von der Pfalz dagegen wies den Prorogationsplan grundsätzlich zurück. Damit konnte der König lediglich vom mehrheitlichen kurfürstlichen Konsens für die Festlegung des Reichstags im Reichsabschied ausgehen, da zumindest die Ablehnung durch Kurpfalz feststand, die in der erwähnten Schlussdebatte die Gesandten im Hinblick auch auf die Teilvertagung bekräftigten7.
Trotz der angreifbaren reichsrechtlichen Basis blieb es bei der Einberufung des Reichstags 1556/57 im Vollzug des Reichsabschieds 1555. In Regensburg bemängelte lediglich Kurpfalz das Einberufungsverfahren8, ansonsten gab es weder vor noch beim Reichstag Einwände gegen die Festlegung der Themenstellung und die Terminierung für 1. 3. 1556. Den knappen Zeitraum hatte Ferdinand gewählt, um sich neben den vertagten Themen Religionsvergleich und Reichsmünzordnung wegen der für 1556 erwarteten türkischen Offensive in Ungarn die Option für die rechtzeitige Forderung einer Reichshilfe offenzuhalten9. Offiziell gab er die Türkenhilfe den Ständen nur wenig später in der ersten Reichstagswerbung als Hauptartikel der künftigen Reichsversammlung bekannt.
Die im Dezember 1555 geplante erste Reichstagswerbung König Ferdinands verfolgte im Wesentlichen drei Absichten: Die Ankündigung der Türkenfrage als weiteres Kernthema des Reichstags neben den im Reichsabschied 1555 vertagten Artikeln, die Bekanntgabe des Aufschubs der Eröffnung bis 1. 4. 1556 und die Anmahnung der persönlichen Teilnahme, um die ebenfalls im Reichsabschied 1555 vereinbarte Durchführung in Anwesenheit des Kaisers oder des Königs sowie möglichst der Kurfürsten und Fürsten vorzubereiten.
In letzterem Punkt wurde Ferdinand von Kaiser Karl V. unterstützt, der Anfang Januar parallel zur Aktion und veranlasst von der Bitte seines Bruders10 ein Ladungsschreiben an die Kurfürsten und viele Reichsfürsten richtete11, mit dem er sie unter Berufung auf die wichtigen Beratungsgegenstände nachdrücklich zum persönlichen Besuch des Reichstags aufforderte, dem auch König Ferdinand beiwohnen werde. Das Schreiben ging hierbei noch vom Eröffnungstermin 1. 3. 1556 aus.
Die erste Reichstagswerbung König Ferdinands richtete sich ebenfalls an die Kurfürsten und ausgewählte Reichsfürsten. Sie wurde regional aufgeteilt vier Gesandten übertragen12: Johann Ulrich Zasius bei den rheinischen Kurfürsten, Jülich, Württemberg und Baden-Durlach; Erasmus Heidenreich bei Salzburg, Bayern und Pfalz-Neuburg; Damian Pflug bei Kursachsen, den Herzögen von Sachsen, Hessen sowie als Sonderfall bei den Bischöfen von Naumburg und Merseburg13; Paul Briesmann bei Kurbrandenburg, Brandenburg-Küstrin, Magdeburg und Herzog Heinrich II. von Braunschweig. Die Instruktionen für die Gesandten14 und damit die vorgetragenen Werbungen stimmen inhaltlich abgesehen von leichten Modifikationen überein: Der König verwies auf die mehrheitlich positiven Antworten zu seiner Vorsprache bei den Kurfürsten und einigen Fürsten während des Reichstags 1555 auch im Hinblick auf den Besuch einer vertagten Reichsversammlung und forderte unter Berufung darauf die Versicherung der persönlichen Teilnahme. Lediglich bei den Kurfürsten von Trier und von der Pfalz wollte er sich wegen deren schlechten Gesundheitszustands mit Vertretungen zufriedengeben. Im zweiten Punkt nutzte Ferdinand die Werbung, um die Türkenfrage neben den 1555 prorogierten Artikeln als weiteres Hauptthema anzukündigen15: Trotz aller Friedensbemühungen seit 1553 fordere der Sultan die Abtretung des von ihm eroberten und an Johann II. Sigismund Szapolyai als Sancak übergebenen Siebenbürgen innerhalb von sechs Monaten, andernfalls drohe er mit Krieg16. Der König bat deshalb im Hinblick auf den Reichstag, der sich damit zu befassen habe, um Gutachten, ob er der Forderung nachgeben solle, was freilich den türkischen Zugriff auf Österreich erleichtern würde. Zum Dritten gab Ferdinand bekannt, dass aufgrund der Entwicklung in Ungarn und der deshalb erforderlichen Landtage in den Erblanden der festgesetzte Beginn des Reichstags zum 1. 3. 1556 nicht möglich sei, sondern bis 1. 4. aufgeschoben werden müsse. Bei den katholischen Ständen verband der König mit der Werbung die thematische Vorbereitung des Reichstags17.
Damian Pflug brachte seine Werbung bei Kurfürst August von Sachsen am 30. 12. 155518, bei den Herzögen von Sachsen19 Anfang Januar und bei Landgraf Philipp von Hessen20 am 18. 1. 1556 vor. Bezüglich Siebenbürgens erhielt Pflug stets die allgemeine Aussage, man werde dies beraten und sich auf dem Reichstag erklären. Die Reichstagsteilnahme stellte Kurfürst August bedingt in Aussicht, falls die Umstände es zuließen. Pflug interpretierte dies als Absage und empfahl dem König deshalb eine Zusammenkunft mit August vor dem Reichstag auch wegen der Vorgespräche zur Türkenhilfe21. Etwas konkreter versicherten die Herzöge von Sachsen, einer von ihnen werde kommen, falls er nicht durch Krankheit verhindert würde. Landgraf Philipp wollte nur anreisen, falls sich sein körperlicher Zustand besserte und die Söldnerwerbungen im Niedersächsischen Kreis eingestellt würden. Kurfürst Joachim von Brandenburg, Markgraf Johann von Küstrin und Erzbischof Sigismund von Magdeburg sagten den Reichstagsbesuch bedingt zu, falls sie daran nicht durch ‚Gottes Gewalt‘ gehindert würden22. Heinrich II. von Braunschweig machte in seiner Antwort das Kommen nach Regensburg von seiner Gesundheit und der Entwicklung im Niedersächsischen Kreis abhängig. Er versicherte, zur Türkenabwehr nach Kräften beizutragen23. Etwas erfolgreicher verliefen die Werbungen Heidenreichs: Erzbischof Michael von Salzburg wollte anreisen, sobald der König dies tat24. Ottheinrich von Neuburg stellte die Teilnahme aufgrund seiner körperlichen Konstitution nur vage in Aussicht, zudem setzte er die Klärung des Sessionsstreits mit Bayern25 voraus26. Albrecht von Bayern bestätigte seine frühere Zusage, außer er würde erkranken27. Zur Türkenfrage äußerte sich nur Ottheinrich konkreter, indem er den König an die Unterstützung auswärtiger Potentaten verwies.
Die Reise von Johann Ulrich Zasius zog sich bis Ende Februar 1556 hin. Die Reaktionen auf die Bitte um ein Gutachten zur Türkenfrage lauteten auch hier durchgehend wenig konkret, man werde sich auf dem Reichstag erklären. Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz und Herzog Christoph von Württemberg sahen aufgrund der Werbung die Türkenhilfe als eigentliches Hauptthema des Reichstags28, den es seitens der CA-Stände deshalb entsprechend vorzubereiten gelte. Kurfürst Friedrich bestritt daneben die Feststellung, er habe 1555 die Vertagung des Reichstags bewilligt29. Die Zusicherung der persönlichen Teilnahme lehnte er ab30. Erzbischof Daniel von Mainz stellte sein Kommen nur bedingt in Aussicht. Er scheute den Reichstagsbesuch wegen neuerlicher Pressionen der CA-Stände im Hinblick auf die Freistellung und den Religionsfrieden allgemein, mit dem die katholische Seite ohnehin zu viel eingeräumt habe. Daneben befürchtete er eine Ausweitung der Probleme mit dem Papst, wie sie bei seiner verzögerten Konfirmation deutlich geworden waren31. Die Werbung bei Kurtrier brachte Zasius wegen der Erkrankung Kurfürst Johanns V. Koadjutor Johann von der Leyen vor. Da ein Reichstagsbesuch des Kurfürsten, der wenig später am 18. 2. 1556 verstarb, ausgeschlossen war, musste sich Zasius hier mit dem Versprechen begnügen, man werde bevollmächtigte Gesandte abordnen. Hingegen konnte er Adolf von Köln gegen dessen Einwände (Unruhen im und um das Erzstift, Religionsverhältnisse in der Stadt Köln) dazu bewegen, sein Kommen nur von dem anderer Kurfürsten abhängig zu machen32. Wilhelm von Jülich dagegen lehnte seine Teilnahme rundweg ab, da der Weg nach Regensburg zu weit und seine Abwesenheit aufgrund seiner Aufgaben als Kreisoberst nicht möglich sei33. Indessen drängte Christoph von Württemberg auf die Anwesenheit Wilhelms von Jülich, da er bei den Religionsverhandlungen einen „treffenlichen, nutzlichen mediatorem unnd schidman geben wurd.“ Seine eigene Anreise band er an jene anderer Kurfürsten und Fürsten, die der König eindringlich befördern sollte34. Ebenso berief sich Markgraf Karl von Baden auf die Anwesenheit anderer Kurfürsten und Fürsten35.
König Ferdinand komplettierte die erste Werbung, indem er weitere Reichsfürsten, die von den Gesandten nicht aufgesucht wurden, im Schreiben vom 6. 2. 1556 (Wien) in gleicher Weise über den Aufschub der Eröffnung bis 1. 4. 1556 sowie die Türkenfrage als zusätzliches Thema informierte und ihre persönliche Teilnahme am Reichstag forderte. Das Schreiben36 ging an die Bischöfe von Konstanz, Bamberg, Würzburg, Speyer, Eichstätt, Augsburg, Münster und Straßburg, an den Deutschmeister, die Pfalzgrafen Johann von Simmern und Wolfgang von Zweibrücken, Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, die Herzöge von Pommern und von Mecklenburg, Herzog Erich von Braunschweig sowie an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und von Holstein37.
Als Fazit der ersten Werbung bleibt festzuhalten: Die Bekanntgabe der Türkenfrage als zusätzliches Kernthema des Reichstags wurde ebenso zur Kenntnis genommen wie der Aufschub von dessen Eröffnung. In seinem zweiten Anliegen, der Anreise der Reichsfürsten, erhielt der König überwiegend nur unverbindliche Zusagen. Lediglich die Erklärungen der Herzöge von Sachsen und Bayern sowie des Erzbischofs von Salzburg und mit Abstrichen der Mitglieder des Hauses Brandenburg ließen deren Teilnahme erwarten.
2.3 Verzögerung des Reichstags und Einrichtung des Reichstagskommissariats
Den in der ersten Werbung mitgeteilten Aufschub des Reichstags von 1. 3. auf 1. 4. 1556 musste König Ferdinand wenig später revidieren und zunächst bis zu einem nicht näher bestimmten Termin prolongieren: In einem Sammelschreiben vom 8. 3. 1556 (Wien) an die Kurfürsten38 sowie zahlreiche geistliche und weltliche Fürsten39 gab er bekannt, dass sich nach der Ständeversammlung in Ungarn der Ausschusslandtag in Österreich länger als geplant hinzöge und deshalb der böhmische Landtag40 wider Erwarten noch nicht habe zusammentreten können. Außerdem erfordere die Entwicklung in Ungarn die Anordnung unaufschiebbarer Abwehrmaßnahmen gegen die Türken. Da demnach seine geplante Anreise nach Regensburg zum 1. 4. 1556 nicht möglich war, empfahl der König den Kurfürsten und Fürsten, ihren Reichstagsbesuch aus Kostengründen ebenfalls aufzuschieben und erst nach einer weiteren Benachrichtigung aufzubrechen. Einen Eröffnungstermin nannte er nicht.
Wegen des Ausbleibens des Königs wurde bei den seit Anfang März in Regensburg am Vergleichstag im Markgrafenkrieg mitwirkenden Gesandten das Gerücht kolportiert, der Reichstag insgesamt werde längerfristig prorogiert41. Vielleicht auch deshalb wandte sich Ferdinand in einem weiteren Sammelschreiben vom 10. 4. 1556 (Wien) nochmals an Kurfürsten und Fürsten42, in dem er einen längeren Aufschub des Reichstags ausschloss, da die wachsende, auch das Reich betreffende Türkengefahr die baldige Verabschiedung von Gegenmaßnahmen dringend erfordere. Er kündigte nunmehr seine Ankunft und die Verhandlungseröffnung für 1. 6. 1556 an und forderte das pünktliche und persönliche Erscheinen zu diesem Termin, um vorrangig zum Widerstand gegen die Türken zu beraten. Ferdinand wurde in seinem Bemühen wie im Januar 1556 nochmals von Kaiser Karl V. unterstützt, der, veranlasst von der Bitte seines Bruders43, bei den Kurfürsten und Fürsten von Brüssel aus am 28. 4. 1556 ebenfalls explizit unter Verweis auf die Angriffspläne der Türken die persönliche Reichstagsteilnahme ab 1. 6. anmahnte. Das kaiserliche Schreiben ging wie jenes des Königs vom 10. 4. neben den Kurfürsten ebenfalls an die Fürsten, die am 8. 3. 1556 über die Verzögerung des Reichstags informiert worden waren44.
Auf diese gemeinsame Aktion des nominellen und des faktischen Reichsoberhaupts hin kamen zwar keine Kurfürsten und Fürsten persönlich nach Regensburg, doch ordnete eine Reihe von Reichsständen Gesandte zum Termin 1. 6. 1556 ab45. Da die Anreise des Königs sich aber weiter verzögerte, beauftragte er seine Vertreter am Reichstag, den anwesenden Ständedeputierten die Ursachen seines Ausbleibens darzulegen und sein Kommen in Aussicht zu stellen, sobald es ohne Gefahr für die Erblande möglich sei. Einen genaueren Termin nannte Ferdinand nicht. Der Vortrag der königlichen Weisung am 10. 6. 155646 veranlasste neben diversen Gerüchten um religionspolitische Hintergründe des wiederholten Aufschubs47, dass Gesandte wegen des unsicheren Eröffnungstermins um ihre Abberufung baten oder von ihren Herrschaften aus Kostengründen abgezogen wurden48. Daneben wurde über den voraussichtlichen Beginn des Reichstags49 ebenso spekuliert wie über die Frage, ob er überhaupt zusammentreten oder nochmals längerfristig vertagt werden würde50. Der hennebergische Verordnete Kistner berichtete am 6. 7. 1556, es seien nur noch wenige Gesandte anwesend, um die Verhandlungsaufnahme abzuwarten. „Und seyn deßen so gewyß als der stund des todts. Niemand saget oder schreybet etwas davon“51. Der stets gut informierte Zasius glaubte zu wissen, dass wegen des Fortgangs des Reichstags beim König selbst „alles inn ungewüßheit gestanden“ und er deshalb seinen Geheimen Rat um Gutachten gebeten habe, ob „mit dem reichstag ytzo stracks zu procedirn oder aber denselben uf etliche monat zu prorogiern.“ Ferdinand werde zudem verunsichert von der Absicht der CA-Stände, gleich zu Beginn „in etlichen hohen, wichtigen und ghar prejuditial puncten zu moviren und furzubringen.“ Dennoch deute vieles darauf hin, dass er persönlich kommen und den Reichstag wohl nicht vertagen werde52.
Zasius hatte insofern recht, als der König wegen der Türkengefahr zwar noch nicht selbst anreisen konnte, aber die Verhandlungsaufnahme nicht länger hinausschieben wollte, vorrangig um der Abreise von weiteren Gesandten zuvorzukommen und die Geduld der in Regensburg verbliebenen Deputierten nicht weiter zu strapazieren. Er versuchte deshalb, Herzog Albrecht von Bayern als Prinzipalkommissar zu gewinnen, der in seiner Vertretung den Reichstag eröffnen und sodann die Verhandlungen für ihn führen sollte. Es waren allerdings zwei Gesandtschaften nach München erforderlich, um den Herzog von diesem Plan zu überzeugen, da Albrecht die Leitung insbesondere wegen der konfliktträchtigen Religionsfrage mit dem erwarteten Junktim der CA-Stände zur Türkenhilfe nicht übernehmen wollte und Ferdinand daher einen späteren Eröffnungstermin im Herbst nach dem vermutlichen Abzug der Türken empfahl. Er räumte die Übernahme des Kommissariats zunächst nur mündlich ein, falls er Regensburg nach der Eröffnung wieder verlassen dürfe53. Der König wandte sich deswegen nochmals gesandtschaftlich54 und in einem persönlichen Schreiben55 an Albrecht, in dem er die angeregte Prorogation ablehnte, um eine Reichshilfe zumindest gegen den für das Frühjahr 1557 erwarteten Türkenzug zu sichern. Die Problematik der Religionsverhandlungen relativierte Ferdinand, weil man mit dem Augsburger Friedenswerk „des ymerwerennden fridens gegenainannder versichert“ sei und namentlich die CA-Stände „von wegen vergleichung der strittigen religion nit seer anhallten“ würden. Da die Eröffnung „ansehenlich unnd stattlich“ zu gestalten sei, könnten sie die eigenen Verordneten, die dafür „etwas zu wenig sein möchten“, nicht übernehmen. Der Herzog sollte deshalb den Reichstag eröffnen, anschließend noch wenige Tage bleiben, um die Beratungsaufnahme abzuwarten, und den königlichen Kommissaren einige seiner Räte als Substituten zuordnen, jedoch zur Entgegennahme von reichsständischen Resolutionen selbst zurückkehren.
Herzog Albrecht erklärte sich schließlich widerwillig bereit56, den Reichstag am 13. 7. zu eröffnen und noch zwei bis drei Tage abzuwarten. Eine weiter andauernde Übernahme des Kommissariats lehnte er nochmals ab57, er versprach aber, bei der Eröffnung und anschließend im Fürstenrat für die bevorzugte Beratung der Türkenhilfe einzutreten. Das primäre Ziel Ferdinands, die unverzügliche Eröffnung des Reichstags, war mit dem bayerischen Kommissariat gesichert. Indes sagte Albrecht in Regensburg gegenüber den Vertretern des Königs vor seiner Abreise am 15. 7. darüber hinausgehend doch zu, er werde neben der Verordnung seiner substituierten Kommissare auch persönlich zurückkehren, falls die Verhandlungssituation es erfordere58. Damit entsprach er nunmehr gegen seine vorherige Weigerung der ersten Bitte Ferdinands, das Kommissariat längerfristig weiterzuführen.
Ferdinand richtete am 6. 7. 1556 (Wien) neuerlich ein Schreiben an die bedeutenderen Reichsstände, in dem er seine am 10. 4. angekündigte Ankunft zum 1. 6. wegen der Organisation der Abwehrmaßnahmen gegen die türkische Offensive und die Rebellen in Ungarn nochmals widerrief und das bayerische Reichstagskommissariat mit der Eröffnung der Verhandlungen durch Herzog Albrecht in wenigen Tagen und deren Fortführung bis zu seiner Ankunft bekannt gab59. Die bis dahin nicht verglichenen Punkte wollte der König sodann selbst „abhanndlen unnd beschliessen helffen“. Er verband damit die Aufforderung an die Reichsstände, sich entweder unverzüglich persönlich nach Regensburg zu begeben oder Gesandte abzufertigen, die mit umfassender Vollmacht ohne Hintersichbringen die 1555 prorogierten Artikel und besonders die Türkenhilfe förderlich beraten sollten.
Das neuerliche Ladungsschreiben des Königs erging zu spät, um die reichsständische Repräsentation bei der Eröffnung am 13. 7. 1556 zu erhöhen60. Er wollte mit der Erforderung zum Reichstag eher den zügigen Fortgang der Verhandlungen im Anschluss an die Eröffnung sicherstellen, um zur Türkenhilfe bald greifbare Ergebnisse zu erzielen. Die langwierigen Verzögerungen bis Ende November waren in diesem Stadium noch nicht abzusehen.
3. Die Vorbereitung der Beratungen
3.1 Die Vorbereitungen König Ferdinands I.
Die Reichstagsvorbereitung des Königs berührte mehrere Ebenen: Zum Ersten das Verhältnis zu Kaiser Karl V. hinsichtlich dessen fraglicher Beteiligung am Reichstag, zum Zweiten die Planung der theologischen Beratungen in Kooperation mit wichtigen katholischen Ständen und zum Dritten die Instruierung der eigenen Reichstagskommissare. Daneben wird die Geheimabsprache mit Kurfürst August von Sachsen in Leitmeritz dargelegt.
3.1.1 Eigene Vorbereitungen und Vorverhandlungen mit katholischen Ständen
Die Klärung der Absichten Karls V. im Hinblick auf den Reichstag stellte für Ferdinand I. einen wichtigen Aspekt dar, um seine eigene Position bei der Reichsversammlung zu definieren. Zwar erfolgte der nominelle Rücktritt Karls vom Kaisertum erst im März 1558, faktisch oblag Ferdinand die Regierungsverantwortung bereits im Laufe des Jahres 1556. Mit der zunächst vorübergehenden Übergabe der Administration des Reichs im Abschiedsmandat Karls V. vom 7. 9. 15561 verfügte er über dessen uneingeschränkte Vollmacht für die Reichsregierung und damit für die eigenverantwortliche Durchführung des Reichstags. Dagegen war in der Vorbereitungsphase seit Jahresbeginn noch nicht klar, ob und inwieweit Karl sich dafür engagieren, Verantwortung übernehmen und daran partizipieren wollte.
Zwar erwiesen sich die Ende 1555 kursierenden Gerüchte, der Kaiser wolle auf die Reise nach Spanien verzichten und persönlich am Reichstag teilnehmen, als „substanzlos“2, gleichwohl ging Ferdinand noch davon aus, dass er ihn im kaiserlichen Auftrag leiten sollte3. Noch am 6. 3. 1556 bat er Karl um Auskunft, ob dieser den Reichstag „(wie es dann das aller pesst unnd nutzigst wäre) aigner person besuechen oder, wo solches eurer L. unnd ksl. Mt. gelegenhait nit wäre, unns den in irem namen unnd an irer stat zuhallten auferlegen wellen.“ Von einer eigenverantwortlichen Leitung war nicht die Rede, vielmehr erbat Ferdinand die Abordnung kaiserlicher Kommissare nach Regensburg, falls Karl nicht kommen würde4. Der Kaiser machte aber unmissverständlich klar, dass er „unser offenbaren leibs ungelegenhait halben“ nicht kommen werde und Ferdinand den Reichstag wie 1555 in alleiniger Verantwortung führen möge. Die in Aussicht gestellten kaiserlichen Kommissare sollten ihm „räthlich unnd beystendig“ sein5. Wenig später widerrief Karl V. selbst diese limitierte Form der Teilnahme: Er lehnte die Abordnung der Kommissare wegen der problematischen Religionsdebatten ab und bekräftigte nochmals die uneingeschränkte Verhandlungsvollmacht des Königs, ohne dafür eine gegenüber 1555 erneuerte Instruktion auszustellen6. Damit oblag die Durchführung des gesamten Reichstags allein Ferdinand, obwohl die Regierung Karls V. formaliter zumindest bis zur Übergabe der Reichsadministration mit dem Abschiedsmandat vom 7. 9. 1556 andauerte7. Das Engagement des Kaisers für den Reichstag beschränkte sich auf zwei Mahnschreiben an die Kurfürsten und ausgewählte Fürsten, mit denen er den König im Bemühen um deren persönliche Anreise nach Regensburg unterstützte.
Die eigenen thematischen Vorbereitungen verknüpfte Ferdinand anfangs mit den Reichstagswerbungen zu Jahresbeginn 15568, die er bei den geistlichen Kurfürsten und einigen katholischen Fürsten ergänzte, indem er seine Gesandten Erasmus Heidenreich (Werbung bei Salzburg und Bayern)9 und J. U. Zasius (Werbung bei den geistlichen Kurfürsten)10 zusätzlich anwies, theologische Vorarbeiten für die Verhandlungen zum Religionsvergleich einzufordern und eine Tagung von katholischen Theologen vor dem Reichstag im Hinblick auf diesbezügliche Absprachen der CA-Stände bei einer in Naumburg geplanten Konferenz11 anzuregen. Damian Pflug sollte die Bischöfe von Naumburg und Merseburg daneben um ihr persönliches Kommen nach Prag bitten, um mit dem König die Religionsverhandlungen vorzubereiten12. Von den theologischen Fakultäten der Universitäten Wien und Freiburg im Breisgau sowie von Georg Witzel und Friedrich Staphylus erbat Ferdinand Gutachten für die Wege und Möglichkeiten der Religionsvergleichung. Beide sollten sich zudem zur Anreise nach Regensburg bereithalten13. Ebenfalls im Januar 1556 berief der König Petrus Canisius wegen der theologischen Vorarbeiten nach Wien14.
Die Initiative des Königs fand bei den geistlichen Kurfürsten eine nur sehr zurückhaltende Resonanz15: Die angeregte Theologenkonferenz vor dem Reichstag wurde aus terminlichen Gründen abgelehnt, möglich schien lediglich eine von Köln und Trier empfohlene Zusammenkunft der geistlichen Kurfürsten oder ihrer Theologen. Im Hinblick auf die Religionsvergleichung kritisierte Adolf von Köln die zu weitreichenden Zugeständnisse im Religionsfrieden, Daniel von Mainz berief sich auf dazu noch andauernde interne Beratungen. Da nachfolgend weder die avisierte Tagung der Kurfürsten noch ihrer Theologen16 zustande kam, waren die Bemühungen Ferdinands um die Einbeziehung der rheinischen Metropoliten in die theologischen Vorbereitungen gescheitert17. Auch Erzbischof Michael von Salzburg sah für die Theologenkonferenz vor dem Reichstag keine Möglichkeit mehr und verschob die Gespräche direkt nach Regensburg. Eine auf Österreich, Salzburg und Bayern eingeschränkte Tagung kommentierte er nicht. Herzog Albrecht von Bayern hingegen unterstützte diese kleinere Lösung ausdrücklich. Die Schuld für das Scheitern einer umfassenderen Zusammenkunft wies er dem geringen Eifer auf katholischer Seite zu, bei der es, um „die warhait zesagen, an dem gaistlichen stanndt selbß mer dan jemandts annderm“ mangle18. Die Bischöfe von Naumburg und Merseburg sahen aufgrund der derzeitigen Umstände im Reich keine Möglichkeit für Erfolg versprechende Religionsverhandlungen. Ausdrücklich warnten sie vor einem Kolloquium, da die CA-Stände aufgrund des Vorteils, den ihnen der Religionsfrieden verschaffe, nicht nachgeben und „inn ein horn blasen, die catholischen aber etzliche grosse herrn under ihnen haben, die ihnen verdächtig.“ Beide waren aber bereit, zum König nach Prag zu kommen19.
Von den theologischen Gutachten, die Ferdinand angefordert hatte, sind nur die Stellungnahmen Witzels und Staphylus’ überliefert. Georg Witzel legte sein Gutachten „Diaphora rei ecclesiastecae. Unnderschid zwischen den unainigen partheyen der strittigen religions sachen diser bösen zeit“20 noch vor dem Reichstag vor, während die „Consultatio Staphyli de mandato Ferdinandi Caesaris an concordia possit iniri cum Protestantibus“21 erst im Dezember 1556 entstand und damit nur formal zur Reichstagsvorbereitung des Königs gehört, sich inhaltlich aber bereits mit der Planung eines Religionskolloquiums beschäftigt.
Die Maßnahmen zu Beginn des Jahres 1556 ergänzte Ferdinand mit den Bemühungen an der Kurie um die Abordnung eines Legaten nach Regensburg22. Sodann setzte er seine Religionsvorbereitungen Mitte Oktober 1556 mit der Aufforderung an Staphylus und Witzel, die Bischöfe von Naumburg und Merseburg sowie den Augsburger Prediger Dr. Simon Scheibenhardt fort, wegen der Hauptverhandlungen zur Religionsvergleichung, die in der geänderten Konzeption Ferdinands unmittelbar beim Reichstag geführt werden sollten, bis 28. 11. 1556 nach Regensburg zu kommen23. Während Witzel und Staphylus daraufhin bis Mitte Dezember erschienen und Bischof Michael Helding von Merseburg am 21. 12. ankam24, ließ sich Bischof Julius Pflug von Naumburg auch nach einer weiteren Aufforderung des Königs25 krankheitsbedingt weiterhin von Bischof Helding vertreten26. Scheibenhardt war seit Mitte Januar 1557 an den internen Religionsberatungen auf königlicher Seite beteiligt27. Gleiches gilt für Petrus Canisius, der im Februar 1556 in Wien an der dortigen Reichstagsvorbereitung mitwirkte28, dann aber gemäß dem Auftrag des Papstes Kardinal Otto von Augsburg als dessen Berater zum Reichstag begleitete. Er reiste mit dem Kardinal bis Anfang Dezember 1556 nach Regensburg an, fungierte dort jedoch entsprechend einer neuerlichen Bitte Ferdinands vorrangig als dessen theologischer Beistand29 und daneben bis zu seiner Abreise Mitte März 1557 als Prediger am Regensburger Dom30.
Vorbereitende Maßnahmen des Königs für die anderen Themen neben der Religionsfrage, insbesondere das Türkenproblem, gibt die überlieferte Korrespondenz nicht zu erkennen. Freilich spielte die Türkenhilfe bei den Werbungen Ferdinands seit Anfang 1556 insofern eine zentrale Rolle, als er sie dabei als zusätzlichen Hauptartikel ankündigte. Ebenso stand die Türkenabwehr als Argument für die Verzögerung der Anreise des Königs und damit des Reichstags insgesamt im Mittelpunkt. Auch in der Proposition, zu deren Genese abgesehen von Teilen des Konzepts31 keine Unterlagen aufgefunden werden konnten, legte Ferdinand die kritische Entwicklung in Ungarn und Siebenbürgen ausführlich dar32, während er seine Kommissare in ihrer Instruktion lediglich auf diese umfassende Argumentation verwies.
Die Instruktion Ferdinands I. (Wien, 3. 7. 1556)33 behandelt als Kernpunkt der königlichen Vorbereitung alle erwarteten Themen des Reichstags. Sie ist ausgestellt für Graf Georg von Helfenstein, Erbtruchsess Wilhelm d. J. von Waldburg, Landvogt Georg Illsung und Dr. Johann Ulrich Zasius als Reichstagskommissare in Vertretung des Königs und zugleich als Repräsentanten des Hauses Österreich. Die Instruktion gibt eingangs die bevorzugte Beratung der Türkenhilfe vor und beruft sich ansonsten auf die Argumentation in der Proposition, um die dortige Steuerforderung durchzusetzen. Ergänzt werden der Zusatzantrag für die Steuerausfälle der Reichsmatrikel und die Bitte um eine beharrliche Unterstützung. Beide Punkte wurden später in der Triplik zur Türkenhilfe34 an die Stände gebracht. Bezüglich der übrigen Hauptartikel verweist die Instruktion zum Vollzug der Exekutionsordnung auf die Ansätze im Österreichischen Kreis und auf die Verabschiedung der Reichsmünzordnung 1551, bei der Ferdinand seine Bereitschaft signalisierte, die von den rheinischen Kurfürsten bedingten Ausnahmen von System der Doppelwährung35 zu akzeptieren.
Größere Diskrepanzen zur Proposition bestanden im Umgang mit der Religionsfrage36: War Ferdinand in der Proposition an den Reichsabschied 1555 gebunden, der die Führung der Hauptverhandlungen zur Religionsvergleichung bereits in Regensburg vorsah, so konnte er diese Vorgabe in der Instruktion variieren: Zum einen, indem er den Schwerpunkt des Reichstags auf die Türkenhilfe legte, und, damit verbunden, zum anderen, indem er seine Position in der Religionsfrage, wie sie in den Vorbereitungsmaßnahmen zu Jahresbeginn 1556 zum Ausdruck kommt, revidierte. Dazu bewogen den König neben den negativen Einschätzungen der geistlichen Kurfürsten und Fürsten für die Chancen einer Behebung der Glaubensspaltung wohl vorrangig die Empfehlungen Kurfürst Augusts von Sachsen bei der Absprache in Leitmeritz, die Religionsvergleichung beim Reichstag nicht in den Vordergrund zu stellen, um die primär notwendige Türkenhilfe nicht zu gefährden37. In der Instruktion begründete Ferdinand seine veränderte Strategie mit dem Argument, dass in Regensburg zur Religionsvergleichung „nit woll etwas fruchtpars gehanndlt werden muge“, da die geistlichen Stände sich aufgrund der bekannten Haltung des Papstes kaum darauf einlassen würden38 und einige CA-Stände verlauten ließen, man möge diese Verhandlungen besser aufschieben39. Deshalb sollten seine Kommissare unter Hinweis auf die Absenz der Kurfürsten und eines Großteils der Fürsten dafür plädieren, die Religionsfrage an eine künftige Reichsversammlung zu prorogieren. Nur falls die Reichsstände auf dem Vollzug des Passauer Vertrags und des Reichsabschieds 1555 beharrten, sollten sie deren Vorschläge für Wege zur Vergleichung anhören.
Die Kommissare mussten Ferdinand darauf hinweisen, dass er im Hinblick auf die Haltung der CA-Stände einer Fehleinschätzung unterlag, da diese sehr wohl auf Religionsberatungen drängen würden. Deshalb werde ihnen die Instruktion „nicht ad satisfactionem dienlich sein“: Votierten sie für die Prorogation, „so wüsten wir und sehen es vor unsern augen, wz unlust, widerwillen und höchstes mißvertrauen dardurch auff euer Mt. von und bey allen confessionistischen erwachsen wurde, und also nitt allain die türggenhilff gar gesperrt oder doch verlengert, sonnder auch bald ain endschafft an dem reichstag gemacht werden möcht mitt dem, dz die confessionistischen stracks auffzusitzen und darvon zureitten sich understeen wurden.“ Da sich die Kommissare nochmals nachdrücklich gegen eine von ihnen ausgehende Aufgabe der Vergleichsverhandlungen aussprachen, auf eine Modifizierung ihrer Instruktion drängten40 und darauf beharrten, dass mit einem Votum Österreichs für die Prorogation dem König „neue verdächtlicheit, unwillen unnd andere beschwerliche weitterung mehr zueflüessen wurd“41, erteilte Ferdinand in den folgenden Weisungen seine Zustimmung zur Änderung der Instruktion in diesem Punkt und folglich der gesamten Konzeption für die Religionsverhandlungen42. Damit verband er die oben erwähnten Maßnahmen zu deren Durchführung unmittelbar beim Reichstag.
3.1.2 Die Zusammenkunft in Leitmeritz mit Kurfürst August von Sachsen
Neben der Reichstagsvorbereitung im Zusammenwirken mit katholischen Ständen war Ferdinand bestrebt, sich in den zentralen Themen vorrangig mit Kurfürst August von Sachsen als einem der Wortführer auf protestantischer Seite und einflussreichstem Landesherren im norddeutschen Raum zu verständigen. Er stützte sich auf die angedeutete Bereitschaft des Kurfürsten bei der Werbung im Januar 1556 zu einer Zusammenkunft und auf die Empfehlung seines Gesandten Pflug, diese vor allem wegen der Türkenhilfe zu initiieren43.
Der König schickte Pflug deshalb im April 1556 nochmals mit dem Auftrag nach Dresden, Kurfürst August für 28. 4. nach Prag oder Leitmeritz einzuladen, um dort über allgemeine Belange Sachsens und Böhmens sowie des Reichs zu sprechen. Anschließend sollte Pflug Kurfürst Joachim von Brandenburg ebenfalls dorthin bitten44. Kurfürst August willigte in die Zusammenkunft in Leitmeritz ein, ließ aber anklingen, er würde ein Treffen ohne Kurfürst Joachim bevorzugen45. Da dieser sein Mitwirken wegen der kurzfristigen Anfrage und einer Erkrankung seiner Gattin ohnehin absagte und dafür versprach, den Reichstag möglichst persönlich zu besuchen oder seine Gesandten umfassend zu bevollmächtigen46, blieb es bei der auf den König und Kurfürst August beschränkten Unterredung.
Die Geheimbesprechung in Leitmeritz am 4. 5. 155647 erbrachte zu den von Ferdinand vorgelegten Fragen in den hier relevanten Punkten folgendes Ergebnis: In der Religionsfrage sah Kurfürst August „wenig hofnung“ für eine Vergleichung, vielmehr sei von diesen Verhandlungen erfahrungsgemäß weitere Verbitterung zu erwarten. Er riet Ferdinand deshalb, nicht energisch darauf zu drängen und keine inhaltlichen Vergleichsvorgaben zu machen, da sich dies, wie der Kurfürst wiederholt betonte, negativ auf die Türkenhilfe auswirken würde. Daneben verwies er auf das Gerücht, der Papst wolle den Kaiser zur Rücknahme des Religionsfriedens bewegen, und er gab zu bedenken, dass ein zu starkes Engagement Ferdinands für die Religionsvergleichung ebenfalls als Infragestellung des Religionsfriedens interpretiert werden und damit wiederum die Türkenhilfe gefährden könnte. Nachdem eine Prorogation der Religionsfrage wegen der Vorgabe im Reichsabschied 1555 nicht möglich schien, empfahl er dem König, sich mit vorbereitenden Maßnahmen für spätere Vergleichsverhandlungen zu begnügen. Ferdinand dementierte bei seinem königlichen Wort jegliche Absicht des Kaisers oder seiner Person, den Religionsfrieden aufzuheben, und versicherte persönlich, dieser werde „treulich in esse gehalten werden, es ervolgte die vergleichung oder nicht.“ Ansonsten wollte er der Empfehlung Augusts entsprechend den Religionsvergleich in einer Form vorbringen, die weitere ‚Verbitterung‘ ausschloss.
Zur Frage des Königs, wie die Stände „am fuglichsten“ zu einer stattlichen Türkenhilfe zu bewegen seien, bestätigte August das geschilderte Bedrohungsszenario und hielt deshalb die Beteiligung der Reichsstände an der Abwehr „nicht allein fur billich, sondern auch gantz nothwendig“. Er empfahl Ferdinand, in der Proposition die Situation an der Grenze, aber auch die eigenen Abwehrpläne darzulegen, und sagte seine Unterstützung ausdrücklich zu. Konkret riet er, die Hilfe ‚stattlich und beharrlich‘ anzustellen, dafür möglichst gut gerüstete deutsche Reiter zu bestallen und auswärtige Potentaten in den Türkenkampf einzubeziehen.
Dem Drängen auf die persönliche Teilnahme am Reichstag, die „vil guts schaffen und ausrichten“ könne, gab August nicht nach: Er berief sich auf seine unabdingbare Präsenz in Sachsen sowie die zu erwartende Absenz der anderen weltlichen Kurfürsten und eines Großteils der Fürsten beim Reichstag, wo seine alleinige Anwesenheit wenig nutzen würde. Seine spätere Anreise stellte er lediglich vage mit der Bedingung in Aussicht, dass die Mitwirkung anderer Kurfürsten und Fürsten gesichert sei und er nicht durch anderweitige Umstände daran verhindert werde. Daneben gab er seinerseits Ferdinand zu bedenken, ob dessen Anwesenheit in den Erblanden wegen der Türkengefahr nicht hilfreicher sei als die Präsenz am Reichstag.
Die Geheimabsprache48 in Leitmeritz erwies sich für beide Teilnehmer als „beachtlicher Erfolg“49: Ferdinand konnte beim Reichstag auf die kursächsische Unterstützung der Türkenhilfe zählen, und er erhielt wichtige Aufschlüsse im Hinblick auf die Religionsfrage, die mit zur Änderung seiner Strategie beitrugen, wie sie in seiner Instruktion50 mit dem weitgehenden Verzicht auf Religionsverhandlungen zum Ausdruck kommt, um eine vom Konfessionsstreit unbeeinträchtigte Verabschiedung der Türkenhilfe zu gewährleisten. Kurfürst August war erfolgreich in seiner Hauptintention, der Sicherung des Religionsfriedens, dessen Verbindlichkeit Ferdinand bei seiner königlichen Ehre bekräftigte. Die in Leitmeritz bestärkte sächsisch-habsburgische Kooperation prägte den Verlauf des Reichstags 1556/57 ebenso wie die Gestaltung der künftigen „konsensualen Reichspolitik“51 auf der Grundlage des Augsburger Friedenswerks in den folgenden Jahren ganz entscheidend.
3.2 Die Vorbereitungen der katholischen Stände und der Kurie
Im Gegensatz zur ständeübergreifenden Kommunikation der CA-Stände52 beschränkten sich die Vorbereitungen auf katholischer Seite fast ausschließlich auf eigene Maßnahmen der einzelnen Kurfürsten und Fürsten. Nachdem die Initiative des Königs zu Jahresbeginn 1556 für eine Theologenkonferenz nicht weiter verfolgt wurde53, sind keine Nachweise anderweitiger Gespräche oder Korrespondenzen katholischer Stände überliefert, die eine kooperative Reichstagsvorbereitung belegten. Dies schien sich selbst noch in Regensburg fortzusetzen, wo die Verzögerungen nach der Eröffnung am 13. 7. 1556 weiterhin die Möglichkeit für Absprachen geboten hätten, die aber wohl unterblieben, sieht man von einer Vorsprache der Salzburger Delegierten bei den bayerischen Gesandten am 2. 9. ab, bei der sie die vertrauliche Übereinkunft zu den Hauptartikeln der Proposition anboten54.
Jedenfalls beklagte Zasius noch am 4. 9. 155655 im Kontrast zu den Aktivitäten der CA-Stände das mangelnde Engagement insbesondere der geistlichen Stände, die sich selbst von den Mahnungen des Königs nicht zu einer ständeübergreifenden Vorbereitung hätten bewegen lassen: Anders als die CA-Stände hätten die geistlichen Fürsten über die Reichstagsthematik „nitt also, wie es die notturfft ervorderte, nachgedacht, vil weniger zusammen komen und vertreulichen mitt ainander darauß geredt. [...] Darum waisst auch kainer, wess mainung der ander sein würdeth, und sonderlich die gaistlichen im fursten rath wüssten der 3 churfursten ires stands im churfursten rath gelegenhaitt mitt dem wenigsten.“ In ähnlicher Form bemängelte wenig später der apostolische Nuntius in Wien, Zaccaria Delfino, „la tiepideza de quasi tutti li nostri prelati“ beim Reichstag, die erst das Junktim von religionspolitischen Forderungen mit der Türkenhilfe durch die CA-Stände ermögliche56. Ein Beweggrund für das geringe Engagement war wohl die zumindest für die geistlichen Kurfürsten dokumentierte negative Haltung gegenüber dem Reichstag, wie sie bei den ersten Werbungen des Königs zu Jahresbeginn 1556 zum Ausdruck gebracht wurde. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln bedauerten die weitreichenden Zugeständnisse im Religionsfrieden und befürchteten neuerliche religionspolitische Forderungen der CA-Stände beim künftigen Reichstag, dem sie deshalb sehr reserviert gegenüberstanden57.
Die interne Kurmainzer Reichstagsvorbereitung ist anhand der Domkapitelsprotokolle58 in Ansätzen nachzuvollziehen. Thematisch beschränkte sich die Mitsprache des Domkapitels auf die Billigung der Instruktion am 20. 2. 1556, ansonsten ging es vorrangig um die personelle Beschickung des Reichstags mit Gesandten und Theologen sowie um die Abwägung der persönlichen Teilnahme Kurfürst Daniels, die das Domkapitel in erster Linie wegen des Regalienempfangs befürwortete. Auch für die Vorbereitung zunächst Bischof Weigands, sodann nach dessen Ableben Bischof Georgs von Bamberg sind nur organisatorische Belange wie die Benennung und Abordnung der Gesandten sowie die Debatte um die eigene Anreise überliefert59. Ebenso beschäftigten sich im Hochstift Würzburg seit Februar 1556 die bischöflichen Räte60 und das Domkapitel61 mit der Auswahl der Gesandten. Thematisch wurde der Reichstag mit dem Gutachten der geistlichen Räte zum 1. HA (Religionsvergleich) und 3. HA (Landfrieden) vorbereitet62. Die Verständigung Bischof Melchiors mit Georg von Bamberg63 beschränkte sich nach Aussage der Akten auf die Planung ihrer persönlichen Anreise nach Regensburg, die primär nicht wegen des Reichstags, sondern wegen der Verhandlungen des Vergleichstags im Markgrafenkrieg erfolgte. Besser dokumentiert ist die thematische Vorbereitung des Deutschen Ordens, die auf einem Generalkapitel in Heilbronn vom 6.–8. 10. 1556 stattfand. Dessen Programm64 beinhaltete alle Hauptartikel der Proposition sowie spezielle Interessen des Ordens wie die Einbringung der Türkenhilfe von exterritorialen Gütern und die Livlandfrage. Die in Heilbronn beschlossenen Vorgaben65 gingen teils wörtlich in die Reichstagsinstruktion ein66.
Abschließend sei auf die Position der römischen Kurie zum Reichstag 1556/57 verwiesen. Da die Wiener Nuntiatur seit September 1555 nicht mehr besetzt war67, die Einbeziehung der Kurie in die Religionsverhandlungen des Reichstags aber unabdingbar schien, wandte sich Ferdinand I. im Zuge seiner thematischen Vorbereitung um den Jahreswechsel 1555/56 auch an den Papst. Er rechtfertigte die Unumgänglichkeit des Religionsfriedens, wollte man nicht den Untergang des Reichs riskieren, informierte Paul IV. über die geplanten Religionsverhandlungen auf dem kommenden Reichstag und bat ihn um die Zuordnung eines Legaten, damit dieser ihn, den König, „sanctitatis vestrae causa assistat et ubicunque opus fuerit, authoritatem suam interponat“68. In Rom hatte man allerdings schon kurz zuvor die erneute Abordnung von Zaccaria Delfino als Nuntius nach Wien beschlossen69. Die in diesem Zusammenhang ausgestellten Breven Pauls IV. vom 18. 12. 1555 wandten sich scharf gegen den Religionsfrieden, ohne aber offiziell dagegen zu protestieren, und mahnten an, darauf zu achten, dass der Reichstag keine „nova monstra“ hervorbringe70. Auch die Instruktion für Delfino71, welche die Rechtsgültigkeit des Religionsfriedens ebenfalls nicht bezweifelte, wohl aber seine Wirkungen abzuschwächen versuchte72, gab den süddeutschen Bischöfen, Herzog Albrecht von Bayern und dem König vor, beim Reichstag weitere Zugeständnisse zu Ungunsten der katholischen Religion entschieden zu bekämpfen.
Delfino kam im Februar 1556 nach Deutschland und hielt sich seit 22. 3. bei König Ferdinand in Wien auf73, das er bereits Anfang Oktober, also noch vor der Anreise des Königs nach Regensburg, wieder verließ. Er nahm mithin gegen die Intention der Kurie nicht am Reichstag teil, obwohl auch Kardinal Otto von Augsburg seine Mitwirkung dringend erbat74. Folgt man dem Bericht Delfinos, riet König Ferdinand ihm von der Teilnahme am Reichstag ab, wohl wegen der Befürchtung, seine Anwesenheit könnte die CA-Stände provozieren und das Verhandlungsklima verschlechtern75. Jedenfalls reiste Delfino im Einverständnis mit dem König, aber ohne Wissen der Kurie am 7. 10. 1556 aus Wien nach Rom ab76. Da die Wiener Nuntiatur anschließend über ein Jahr unbesetzt blieb und der Papst trotz des Drängens deutscher Bischöfe, namentlich Kardinal Ottos von Augsburg77, keinen Legaten schickte, war die Kurie in Regensburg nicht vertreten. Das Engagement Pauls IV. beschränkte sich auf die Übermittlung von Breven an Ferdinand I. und an katholische Fürsten im Dezember 1556, um sie zum erhöhten Einsatz gegen die ‚Häretiker‘ und für die Verteidigung des katholischen Glaubens zu ermahnen78.
Noch vor den Breven wurde an der Kurie im November 1556 ein Gutachten formuliert79, das Paul IV. die neuerliche Entsendung eines Nuntius mit der Zuordnung von Theologen für die Mitwirkung am Reichstag und die Einwirkung auf dessen katholische Teilnehmer durch Breven dringend anriet. Als Weg zum Religionsvergleich ließ es nur das Generalkonzil zu. Ansonsten empfahl es, kritische Aufmerksamkeit auf die Herzöge von Bayern und Jülich zu legen, die auf vergangenen Reichstagen zusammen mit König Ferdinand eher als Vermittler denn als Verteidiger des katholischen Glaubens gewirkt hätten. Papst Paul IV. übernahm aus dem Gutachten lediglich die in abgeschwächter Form ausgestellten Breven, während die empfohlene Nuntiatur oder die Abordnung eines Reichstagslegaten unterblieben.
3.3 Die Vorbereitungen der protestantischen Stände
Den Ausgangspunkt der protestantischen Vorbereitungen bildete die innere Krise aufgrund der theologischen Lehrdifferenzen81, deren Beilegung grundsätzlich und aktuell im Hinblick auf das geschlossene Auftreten beim Reichstag anzustreben war. Die Bemühungen darum wurden seit Herbst 1555 initiiert von Herzog Christoph von Württemberg82: Er verfocht seinen Plan einer persönlichen Zusammenkunft der Fürsten, als deren Aufgabe er die Sicherung der dogmatischen Einheit sah, trotz der Einwände seiner eigenen Räte83 und Landgraf Philipps von Hessen, der einen Theologenkonvent bevorzugte84, mit großem Engagement85 und konnte dafür Anfang 1556 auch Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz86 gewinnen, scheiterte aber trotz der Unterstützung durch die Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken87 und Ottheinrich von Neuburg88 an der Zurückweisung des Fürstentags und des parallel konzedierten Theologenkonvents durch den Kurfürst und die Herzöge von Sachsen. Letztere reagierten im Januar 1556 auf der Grundlage eines Gutachtens ihrer Theologen, das jegliches Abweichen vom flacianischen Standpunkt ablehnte, abschlägig89: Eine Theologensynode sei vor dem Reichstag terminlich nicht mehr möglich, ein Fürstentag würde auf der Gegenseite Verdacht erregen. Ähnlich bevorzugte Kurfürst August von Sachsen90 gegenüber der Fürstentagung, die den Eindruck eines antikatholischen Bündnisses evozieren könnte91, Absprachen der Gesandten oder Theologen erst in Regensburg92.
Christoph von Württemberg modifizierte deshalb im Februar 1556 seine Strategie und versuchte, die Tagung auf die süddeutschen CA-Stände zu beschränken93. Doch scheiterte aufgrund der Erkrankung Kurfürst Friedrichs II. von der Pfalz und sodann wegen der Verrichtungen Ottheinrichs nach dem Kurantritt auch dieser Versuch. Es ergab sich lediglich eine Zusammenkunft des Herzogs mit Ottheinrich während dessen Reise nach Heidelberg, bei der eine Revision des Religionsfriedens angesprochen wurde94. Die Anregung Philipps von Hessen, Kurfürst August nochmals wegen der Tagung zu kontaktieren, griff Herzog Christoph nicht mehr auf, da er diesen und andere CA-Stände „mer alls ein mall“ darum gebeten habe. Er lehnte eine weitere Gesandtschaft ab und befahl die Sache Gott95.
Nachdem die Fürstentagung und der Theologenkonvent nicht zustande kamen, schien eine anderweitige Form der Verständigung, zumindest beschränkt auf das Auftreten beim Reichstag, erforderlich. Die Initiative dafür ergriffen die Herzöge von Sachsen mit der Anregung, die Gesandten und Theologen bis spätestens 1. 6. nach Regensburg abzuordnen, um die bisher unterbliebenen Gespräche über die Religionsfrage dort zu führen und sich auf eine einhellige Position auf der Grundlage der CA zu verständigen96. Die Antworten bestätigten im Allgemeinen die Notwendigkeit der Unterredung, sie nahmen die konkrete Anregung aber nicht durchgehend an: Während Württemberg, Pfalz-Zweibrücken, Baden, Brandenburg-Ansbach und Henneberg die termingerechte Abordnung ihrer Gesandten ankündigten97, konnte der Kurfürst von Sachsen seine Deputierten bis dahin nicht schicken98. Ottheinrich von der Pfalz wollte diese Gespräche nicht in Regensburg führen, sondern bei einem nach Coburg angesetzten Vergleichstag im Katzenelnbogener Erbfolgestreit, zu dem die maßgeblichen Kurfürsten und Fürsten persönlich erwartet wurden99.
Während die Coburger Tagung nicht zustande kam, beschränkten sich die in Regensburg seit Anfang Juni geführten Gespräche auf Einzelunterredungen der bereits anwesenden Gesandten Württembergs, der Herzöge von Sachsen, Pfalz-Zweibrückens, Hessens und Brandenburg-Ansbachs100, in die später ankommende Delegierte einbezogen wurden. Eine gemeinsame Absprache vor dem Beginn der Hauptverhandlungen kam nicht zustande, da wichtige CA-Stände, namentlich Kursachsen, noch nicht vertreten waren101. Die erste Versammlung der CA-Stände konnte somit im Anschluss an die Ankunft der kursächsischen Gesandten erst am 22. 8. 1556 zusammentreten102.
Aufgrund der wiederholten Verhandlungsaufschübe nach der Reichstagseröffnung am 13. 7. 1556 konnten auch anderweitige vorbereitende Maßnahmen fortgesetzt werden. Wichtig war dabei zunächst die intensivierte Kooperation Ottheinrichs von der Pfalz und Christophs von Württemberg, wie sie besonders im Austausch der Reichstagsinstruktionen zum Ausdruck kommt. Ottheinrich versuchte dabei, den Herzog vor allem für seine Strategie in der Freistellungsfrage103 zu gewinnen, also für deren sofortige Forderung unter Verweigerung der anderweitigen Reichstagsverhandlungen vor einer Klärung104.
Das Engagement für die Freistellung weitete Kurfürst Ottheinrich zugleich aus auf alle wichtigeren CA-Stände, indem er sie Ende Juli 1556 schriftlich aufforderte, sich seiner Konzeption anzuschließen105: Es sei für sie als „principal stugk“ unabdingbar, „das man sich auf disem reichstag in kein andere handlung einlasse, es sey dann zuvor aller gleichmessigen erbarkait nach die freystellung in religion sachen erörtert und erlangt: Also das ainem jeden, er sey gaistlich oder weltlich, frey erlaubt sein und bevorsteen soll, aintweders zu der augspurgischen confession oder aber zum babstumb zetreten, das auch derhalb kainer seiner beneficien, dignitet, regiments oder einkomens entsetzt oder beraubt werden sollt etc.“ Die Freistellung sei zu erreichen, wenn die CA-Stände „fur ainen man zesamen steen“ und unablässig darauf beharrten. Ottheinrich bat, dieses Ziel auf dem Reichstag zu unterstützen und die Gesandten entsprechend anzuweisen.
Inwieweit folgten die CA-Stände diesem strikten Junktim von Freistellung und Verhandlungsverweigerung als Grundvorgabe für ihre Position beim Reichstag106? Zustimmend äußerten sich Graf Wilhelm von Henneberg107 und mit Abstrichen die Herzöge von Sachsen108. Sie hielten die Forderung für durchsetzbar, falls alle CA-Stände sie unterstützten, gaben aber gegen das Junktim mit der Türkenhilfe zu bedenken, es könne die Gegenseite von jeglichem Zugeständnis abhalten. Johann Albrecht von Mecklenburg betonte seine Vorgabe für die Gesandten, auf der CA zu beharren und „vor allen dingen, auch ehe einige turgken hilf bewilligt, uff die freistellung der religion sachen mit zudringen“109. Zu den Befürwortern gehörte daneben Herzog Christoph von Württemberg, wie seine Instruktion zum Geistlichen Vorbehalt zeigt. Er wies seine Gesandten an, mit den Kurpfälzer Delegierten die gleichzeitige Vorlage der Freistellung im Kurfürsten- und Fürstenrat zu koordinieren, allein aber nicht initiativ zu werden110. Ausweichend antwortete Markgraf Johann von Küstrin111. Kurfürst Joachim von Brandenburg kritisierte das mangelnde Engagement anderer CA-Stände gegen den Geistlichen Vorbehalt beim Reichstag 1555 und sagte nur vage zu, seine Gesandten zur Unterstützung der Freistellung anzuweisen112. Wichtiger als diese Stimmen war die Stellungnahme Kursachsens: Kurfürst August betonte seinen Einsatz gegen den Geistlichen Vorbehalt beim Reichstag 1555, der aber nicht habe verhindert werden können, um den für die CA-Stände vorteilhaften Religionsfrieden insgesamt zu erreichen. Dennoch habe er seine Gesandten jetzt beauftragt, sich anderen CA-Ständen im Versuch anzuschließen, die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts durchzusetzen113. Jedoch lehnte er ausdrücklich ab, wegen der Freistellung den Religionsfrieden infrage zu stellen oder die für das Reich unabdingbare Türkenhilfe zu verweigern114. Landgraf Philipp von Hessen, der das kursächsische Dogma der Wahrung des Religionsfriedens auch auf Kosten des Geistlichen Vorbehalts inzwischen vorbehaltlos übernommen hatte, antwortete in Absprache mit Kurfürst August115 im gleichen Sinn und fügte an, Kaiser oder König würden ein etwaiges Zugeständnis später als abgepresst nicht anerkennen und vielleicht wie 1546 zu einem Krieg gegen die CA-Stände veranlasst werden, wenn man den Religionsfrieden in Zweifel ziehe116.
Die Herzöge von Sachsen unterstützten Kurfürst Ottheinrich über die erwähnte positive Reaktion hinaus mit einer eigenen Initiative, bei der sie die wichtigen CA-Stände ihrerseits nochmals baten, sich der Freistellungsforderung, die man aus Gewissensgründen nicht aufgeben dürfe, anzuschließen117. Wie zu erwarten, blieben die Positionen unverändert: Die norddeutschen Stände beriefen sich auf ihre Antwort an Kurfürst Ottheinrich118, wobei August von Sachsen wiederholt die Priorität der Wahrung des Religionsfriedens sowie der Sicherung der Türkenhilfe betonte119 und Joachim von Brandenburg ebenfalls ein Vorgehen „mit solcher guetten bescheidenheit“ anmahnte, das den Religionsfrieden nicht gefährde120. Die süddeutschen Stände erhielten das Schreiben erst Ende Januar 1557 und verwiesen auf ihr Verhalten bei den inzwischen fortgeschrittenen Reichstagsverhandlungen121.
Die Freistellung war ebenso ein Thema bei der gemeinsamen Reichstagsvorbereitung von Kursachsen und Kurbrandenburg, die Kurfürst August anberaumte, um Kurfürst Joachim auf der Basis seiner Abmachungen mit König Ferdinand in Leitmeritz122 möglichst für seine Strategie zu gewinnen123. Bei den am 21. 7. 1556 in Dresden geführten Gesprächen124 kam man überein, Verhandlungen zum Religionsvergleich beim Reichstag möglichst zu umgehen, da sie die Türkenhilfe behindern könnten, und strikt auf dem Religionsfrieden zu beharren. Als Vorbedingung für die Unterstützung des Königs gegen die Türken in Form einer Geldhilfe deklarierte man die Sicherung des Friedens im Reich. Beim anschließenden Austausch der Reichstagsinstruktionen stellte man weitgehende Übereinstimmung fest125. Allerdings wollte Kurfürst Joachim anders als August eine Debatte zum Geistlichen Vorbehalt nicht grundsätzlich umgehen. Diese und wenige andere Differenzen wurden in einer Unterredung Kurfürst Augusts mit Kurprinz Johann Georg am 25. 8. 1556 beigelegt126. Man einigte sich, eine Infragestellung des Religionsfriedens im Junktim mit der Bewilligung der Türkensteuer zu verhindern. Sonderverhandlungen der CA-Stände sollten nur insoweit statthaft sein, als man sich weiterhin an den Kurien beteiligte, also keine konfessionelle Teilung des Reichstags zuließ. Zur Freistellung wollte man sich einer Kurpfälzer Initiative nur anschließen, falls sie weder den Religionsfrieden zerrütten noch die Türkenhilfe hintertreiben würde. Damit war auch in dieser Frage das Einvernehmen beider Kurfürsten hergestellt.
Daneben gelang es Kursachsen, eine Übereinkunft mit den Herzögen von Pommern zu erzielen: Ende Juli 1556 stellten die pommerischen Gesandten Otto und Wolde auf ihrer Anreise nach Regensburg bei Gesprächen in Dresden zu den zentralen Punkten Religion und Türkensteuer fest, dass die kursächsischen Vorstellungen weitgehend ihrer Instruktion entsprachen127. Später wandten sich die pommerischen Herzöge wegen der Freistellungsinitiative des Pfälzer Kurfürsten nochmals an Kurfürst August, um mit ihm dazu und zu den weiteren Artikeln des Reichstags zu einer „vorgleichung“ zu kommen. Die dafür formulierte Instruktion128 belegt zur Freistellung die Übernahme des kursächsischen Standpunkts, während die Herzöge die Religionsvergleichung anders als Kurfürst August noch beim Reichstag mit der sofortigen Durchführung eines Kolloquiums angehen wollten.
Die Grundintention der führenden CA-Stände im Hinblick auf den Reichstag mit dem Schwerpunkt auf der Religionsfrage kommt in diesen ständeübergreifenden Debatten klar zum Ausdruck. Die umfassendere Vorbereitung auch der anderen Themenbereiche wird demgegenüber in den Quellen nicht oder nur am Rande thematisiert und ist deshalb nur anhand der Vorgaben in den Instruktionen für die Reichstagsgesandten nachzuvollziehen.
3.4 Die Instruktionen der Reichsstände
Folgende Instruktionen, geordnet nach reichsständischen Gruppierungen, wurden ermittelt:
Kurfürsten: Daniel von Mainz, ohne Nennung der Gesandten und ohne Datum, vom Mainzer Domkapitel gebilligt am 20. 2. 1556129. Nach der Vorlage der Proposition aktualisierte der Kurfürst die Instruktion in der Weisung vom 20. 7. 1556130. Adolf von Köln, ausgestellt für Wilhelm von Breitbach zu Bürresheim, Dr. Franz Burkhard und Lic. Michael Glaser (Brühl, 20. 2. 1556)131. Ottheinrich von der Pfalz, ausgestellt für Graf Hans Heinrich von Leiningen-Dachsburg, Graf Johann von Daun in Falkenstein, Großhofmeister Eberhard von der Tann, Hofrichter Philipp von Gemmingen, Johann von Dienheim, Eberhard von Groenrodt, Erasmus von Venningen, Dr. Philipp Heyles, Lic. Johann Ludwig Kastner und Hektor Hegner (Heidelberg, 25. 7. 1556)132. August von Sachsen, ausgestellt für Erasmus von Könneritz auf Lobschwitz, Dr. Franz Kram und Dr. Laurentius Lindemann (Dresden, 31. 7. 1556)133. Joachim II. von Brandenburg, erste Instruktion, ausgestellt für Graf Wilhelm von Honstein und Dr. Andreas Zoch (Cölln/Spree, 6. 6. 1556)134; zweite Instruktion, ausgestellt für Dr. Christoph von der Strass und Dr. Kaspar Witterstadt (Cölln/Spree, 1. 11. 1556)135.
Geistliche Fürsten: Michael von Salzburg, lediglich Auszug aus der Instruktion zur Reichstagssession, ohne Nennung der Gesandten (11. 8. 1556)136. Sigismund von Magdeburg, ausgestellt für die Gesandten (Cölln/Spree, 1. 3. 1557)137. Deutschmeister Wolfgang Schutzbar, ausgestellt für Heinrich von Bobenhausen, Komtur zu Frankfurt, Kanzler Gregor Spieß und Dr. Thomas Mayerhofer sowie die Sekretäre Job Winecker und Joachim Frey (Mergentheim, 21. 10. 1556)138. Rudolf von Speyer, ausgestellt für Dr. Wendel Arzt (Udenheim, 6. 8. 1556)139. Leo von Freising, ausgestellt für Kanzler Dr. Markus Tatius (Freising, 9. 10. 1556)140. Wolfgang von Passau, ausgestellt für Domherr Dr. Lorenz Hochwart, Hofmeister Karl von Fraunberg und Pelagius (Poley) Probst (Passau, 8. 12. 1556)141. Für Melchior von Würzburg ist eine instruktionsähnliche Weisung überliefert, die als Ersatz für eine regelrechte Instruktion diente142. Für Otto von Augsburg konnte nur ein von Dr. Konrad Braun konzipiertes Gutachten als Vorarbeit für die Instruktion aufgefunden werden, das sich auf die Religionsfrage beschränkt (Dillingen, 31. 1. 1556)143.
Weltliche Fürsten144: Ottheinrich von Pfalz-Neuburg, ausgestellt für Hans Kraft von Vestenberg und Georg Fröhlich (Neuburg, 13. 8. 1556)145. Johann Friedrich d. M., Johann Wilhelm und Johann Friedrich d. J. von Sachsen-Weimar, ausgestellt für Eberhard von der Tann, Dr. Heinrich Schneidewein und Dr. Lukas Tangel (Weimar, 31. 5. 1556)146; dazu eine ergänzende Weisung mit Bezugnahme auf die Instruktion (Reinhardsbrunn, 25. 7. 1556)147. Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, ausgestellt für Veit Krummer (Wolfenbüttel, 20. 11. 1556)148. Franz Otto von Braunschweig-Lüneburg in Lüneburg, erste Instruktion, ausgestellt für den dänisch-holsteinischen Rat Dr. Johann Straube (o. O., 14. 3. 1556). Da die Herzöge von Holstein den Reichstag nicht beschickten149, wurde die Instruktion umformuliert und ausgestellt für den pommerischen Gesandten Dr. Laurentius Otto (o. O., 3. 2. 1557)150. Christoph von Württemberg, Haupt- und Nebeninstruktion, ausgestellt für Severin von Massenbach und Lic. Balthasar Eislinger (Stuttgart, 2. 6. 1556)151. Wilhelm von Jülich, ausgestellt für Hofmeister Wilhelm von Neuhofen, genannt Ley, und Heinrich von der Reck (Düsseldorf, 15. 2. 1556)152. Philipp von Hessen, ausgestellt für Burkhard von Kram und Dr. Jakob Lersner (Kassel, 12. 5. 1556)153. Barnim und Philipp von Pommern, gemeinsame Instruktion, ausgestellt für Dr. Laurentius Otto und Henning von Wolde (Stettin, 8. 6. 1556)154. Johann Albrecht von Mecklenburg, ausgestellt für Dr. Karl Drachstedt, Andreas Buggenhagen, Hauptmann zu Fürstenberg, und Sekretär Andreas Höe (Schwerin, 5. 6. 1556)155. Karl von Baden, ausgestellt für Christoph Landschad von Steinach [zu Gondelsheim] (o. O., 24. 11. 1556)156.
Reichsgrafen und Grafenkollegien: Wolf von Maxlrain, Freiherr von Hohenwaldeck, ausgestellt für Georg Kugler, Richter in der Hft. Waldeck, oder dessen substituierten Anwalt (o. O., 30. 9. 1556)157. Wetterauer Grafen, ausgestellt für Johann Lieberich von Kröffelbach und Mag. Johann Beuter (o. O., 29. 2. 1556)158. Fränkische Grafen, ausgestellt für Lic. Jakob Plattenhardt (Speckfeld [Markt Einersheim], 23. 5. 1556)159.
Reichsstädte: Augsburg, ausgestellt für den Gesandten [M. Zimmermann] (25. 8. 1556)160. Frankfurt, ausgestellt für den Gesandten [A. zum Jungen] (23. 12. 1556)161. Straßburg, ausgestellt für Hans von Bersch (Bers), Altammeister, und Syndikus Mag. Jakob Hermann (25. 7. 1556)162. Nördlingen, ausgestellt für Hans Röttinger, alter Bürgermeister, und Kilian Reichard, Ratsmitglied, nominell für den Städtetag, aber mit Vorgaben auch für den Reichstag (22. 12. 1556)163. Für die Stadt Nürnberg konnte keine Instruktion aufgefunden werden. Die Gesandten Tetzel und C. F. Gugel forderten sie im Bericht vom 22. 11. 1556 dringend an, woraufhin der Rat am 23. 11. ein Gutachten der Rechtsgelehrten beauftragte164. Auch die Instruktion der Stadt Ulm liegt nicht vor. Sie war, wie ihre Billigung im Rat am 2. 12. 1556 zeigt, ausgestellt für Hans Ehinger, alter Bürgermeister, und Jost Weickmann, Ratsmitglied165.
Aufgrund des wiederholten Aufschubs zunächst des Reichstagszusammentritts und sodann der Verhandlungsaufnahme entstanden die Instruktionen in einem relativ großen Zeitraum von Ende Februar bis Ende Dezember 1556. Die früh formulierten Direktiven sind Ständen zuzuordnen, die auch am Vergleichstag im Markgrafenkrieg166 mitwirkten und ihre Gesandten deshalb bis Anfang März abzuordnen hatten. Eine zweite Gruppe, datierend von Mitte Mai bis Anfang Juni, ging vom Eröffnungstermin 1. 6. 1556 aus. Die dritte und größte Gruppe entstand erst nach der Eröffnung des Reichstags am 13. 7. Nur diese Instruktionen konnten auf die Proposition zurückgreifen und die Vorgaben für die Gesandten daran ausrichten. Dies galt neben der Landfriedensfrage (3. HA) besonders für die Türkenhilfe (2. HA): Hier konnten die späten Instruktionen zur konkreten Forderung in der Proposition Stellung nehmen, während die früher formulierten Direktiven zwar von der Thematisierung der Türkenfrage ausgingen, die genauere Festlegung durch den König aber nicht kannten. Hingegen spielte beim Religionsvergleich (1. HA) und dem Reichsmünzwesen (5. HA) der Entstehungszeitraum der Instruktion kaum eine Rolle, da wegen der bindenden Vorgaben infolge der Vertagung dieser Artikel im Reichsabschied 1555 die Themenstellung feststand und in der Proposition nicht mehr verändert wurde. Andererseits bedingte die lange Verzögerung des Reichstags bei den frühen Instruktionen Rückfragen der Gesandten wegen zwischenzeitlicher Entwicklungen167 sowie aktualisierende Weisungen168. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Reichsstände 1556 auch in der frühen Phase die zentrale Reichstagsthematik aufgrund der Anknüpfung an die Festlegungen im Reichsabschied 1555 besser einzuschätzen wussten als bei anderen Reichsversammlungen, wo sie die erwarteten Absichten des Reichsoberhauptes den meist nur vagen Informationen im Ausschreiben entnehmen mussten169.
Wie bei anderen Reichstagen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts korreliert auch 1556/57 die Ausdifferenzierung der Instruktion mit dem Rang des jeweiligen Reichsstandes: Die Kurfürsten und einige Mitglieder des Fürstenrates instruierten relativ detailliert, andere und insbesondere die Grafen sowie die Städte gaben abgesehen von eigenen Belangen überwiegend nur den Anschluss an andere Stände oder Ständegruppierungen vor. Allerdings sind für die Fürstenkurie erhebliche Unterschiede zu beobachten: Während eine Gruppe ihre Vertreter nur pauschal anwies – dazu gehörten Baden-Durlach (Anschluss an Sachsen und Württemberg), Franz Otto von Braunschweig (Anschluss an die Mehrheit), Mecklenburg (ebenso, daneben Absprache mit Pommern), der Bischof von Passau (Anschluss an Salzburg als Metropolit sowie an Bayern und Österreich) und der Deutschmeister –, instruierten andere Fürsten wie Heinrich von Braunschweig, Hessen, Pommern, Pfalz-Neuburg, Sachsen-Weimar und Württemberg oder die Bischöfe von Freising und Speyer sehr differenziert.
In die folgende Auswertung der Instruktionen werden nur die eigentlichen Themen des Reichstags einbezogen. Unberücksichtigt bleiben Privatsachen oder besondere Anliegen einzelner Stände, pauschale Aufträge zum Anschluss an eine Mehrheit sowie die vielfach enthaltene Anweisung, die Absenz des Kurfürsten oder Fürsten zu entschuldigen.
1) Religionsvergleich: Obwohl der Reichsabschied 1555 dem Reichstag 1556 nach Möglichkeit bereits die Führung der theologischen Hauptberatungen zur Vergleichung vorgab170, beschäftigte sich der Großteil der Instruktionen nur mit der Festlegung eines Vergleichsforums. Die geistlichen Stände waren sich einig, dass dafür einzig ein Generalkonzil infrage käme, während Nationalkonzil und Kolloquium ausschieden (Kurköln, Bischöfe von Würzburg, Augsburg171, Speyer). Der Reichstag hatte für das Konzil den Veranstaltungsort festzulegen und sich mit den problematischen Gestaltungsmodalitäten zu beschäftigen. Freising sprach sich zwar für das Generalkonzil aus, sah aber aufgrund der aktuellen politischen Umstände und der nicht zu vereinbarenden Konzilsvorstellungen der Glaubensparteien keine Möglichkeit für eine Einberufung. Deshalb sollte man beim Reichstag auf die Religionsdebatte verzichten und strikt auf dem katholischen Bekenntnis beharren. Der Deutschmeister ließ den Vergleichsweg offen. Die Kurmainzer Instruktion gab die Vorlage der Religionsfrage als ersten Punkt der Reichstagsprogrammatik vor. Für Einzelheiten wurden die Gesandten auf eine separate Religionsinstruktion verwiesen, die nicht überliefert ist. Allgemein wollte Kurfürst Daniel alles befördern, was ohne Verletzung des Gewissens möglich war und nicht gegen die Grundsätze der katholischen Religion verstieß. Die theologischen Hauptverhandlungen schon beim Reichstag sprach einzig das Augsburger Gutachten an: Da dafür organisatorisch nur ein Kolloquium infrage kam, war mit dessen Ablehnung die strikte Zurückweisung von Vergleichungsverhandlungen in Regensburg verbunden. Ohnehin sei eine Beschlussfassung ohne die Autorität und Approbation der Kurie nicht möglich. Von den weltlichen katholischen Ständen wies Jülich nur pauschal an, sich für die Behebung der Glaubensspaltung einzusetzen. Heinrich von Braunschweig sprach sich zunächst für ein Nationalkonzil aus, modifizierte dies aber durch den allgemeinen Anschluss an die katholischen Stände.
Auf Seiten der CA-Stände172 stellte Kursachsen die Aufrechterhaltung des Religionsfriedens und die Sicherstellung von dessen weiterer Rechtsgültigkeit unabhängig vom Erfolg der Religionsvergleichung in den Mittelpunkt der Instruktion. Das unbedingte Festhalten am Religionsfrieden bildete hier die Grundlage aller Verhandlungen. Kurbrandenburg schloss sich dem an und wollte sich ohne Garantie des Religionsfriedens an keinen Beratungen zur Türkenhilfe beteiligen. Auch Hessen unterstellte alle Verhandlungen der Prämisse, dass der Religionsfrieden nicht angetastet werde. Das Beharren auf dem Religionsfrieden deutet darauf hin, dass viele Stände die Erfolgschancen für die Behebung der Glaubensspaltung sehr skeptisch beurteilten. Deutlich sprach dies die Kurpfälzer Instruktion an: Man zeigte lediglich eine taktische Verhandlungsbereitschaft, ohne eine Möglichkeit für die Glaubensunion zu sehen, da man ohne Verletzung der Ehre Gottes und des Gewissens nicht „das geringste wort“ der reinen Lehre nachgeben könne. Der einzige Vergleichsweg bestand in der Annahme der CA durch die katholische Seite. Auch die Herzöge von Sachsen wollten auf dem Reichstag nichts akzeptieren, was dem Wort Gottes, der CA und den Schmalkaldischen Artikeln widerspräche, ja sie brachten zum Ausdruck, „mit nimands“ einer Vergleichung, die zwischen „Christus unnd Belial“ ohnehin nicht möglich sei, zu bedürfen, da sie die reine Lehre predigen ließen. Ebenso erwartete Pommern keinen Erfolg, da beide Seiten auf ihren Positionen beharren würden und die CA-Stände nicht vom Befehl Christi abweichen dürften. Ähnlich instruierten Württemberg, Franz Otto von Braunschweig, Mecklenburg und die Stadt Straßburg, jegliche Vereinbarung, die im Widerspruch zur CA stand, strikt zurückzuweisen. Trotz dieser Position war es nicht möglich, die vorgegebenen Religionsberatungen von vornherein abzulehnen. Dies galt auch für die Kurbrandenburger Direktive, die neben Weisungen dafür zusätzlich die Option enthielt, die Religionsfrage auf dem Reichstag nicht zu behandeln, da die problembelasteten Glaubensverhandlungen die rasch erforderliche Türkenhilfe verzögern würden.
Bezüglich der Beratungsform der Religionsfrage insistierten Kursachsen, Kurbrandenburg und Pommern auf der Einrichtung des interkurialen Religionsausschusses, dessen Konstituierung der Passauer Vertrag 1552 ohnehin vorschrieb173. Kurbrandenburg bevorzugte den Ausschuss, da man in den Kurien überstimmt und zu einem Konzil gedrängt werden könnte. Weitgehendes Einvernehmen bestand auf protestantischer Seite darin, dass als Vergleichsforum nur ein Kolloquium infrage käme (Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Hessen, Pommern, Wetterauer Grafen, Stadt Augsburg). Selbst wenn dort die Religionsspaltung erwartungsgemäß nicht behoben würde, bestünde doch die Gelegenheit, vom eigenen Glauben Rechenschaft abzulegen, andere für die CA zu gewinnen und deren weitere Verbreitung zu fördern (Kursachsen, Pommern). Hingegen argumentierte Württemberg ausführlich gegen das Kolloquium, da dort, falls es verbindlich sei, das Wort Gottes wie beim Konzil menschlichen Entscheidungen unterworfen werde; bleibe es unverbindlich, ändere sich am derzeitigen Zustand nichts. Aufgrund der Ablehnung des Kolloquiums und des Konzils sah Württemberg als einzigen Vergleichsweg den Anschluss der katholischen Seite an die CA, deren Einzelartikel man erläutern sollte. Einem Vergleich über die Lehre könnten Vereinbarungen über Kirchengebräuche, Zeremonien etc. folgen. General- und Nationalkonzil wurden in den protestantischen Instruktionen entweder gänzlich abgelehnt oder konditioniert zugelassen mit den vielfach wiederholten Bedingungen für ein freies, christliches, unparteiisches Konzil: Keine Fortführung des Tridentinums, keine Präsidentschaft des Papstes, sondern Teilnahme als (beklagte) Partei, Entbindung der Geistlichen vom Eid an den Papst, Dezisivvoten für die protestantischen Deputierten (Kurpfalz/Neuburg, Kursachsen, Kurbrandenburg, Württemberg, Hessen, Pommern). Daneben dienten die Bedingungen und deren als sicher geltende Zurückweisung durch die katholische Seite als Beleg dafür, dass ein Konzil nicht erreichbar sei (Kursachsen, Kurbrandenburg, Pommern, Württemberg). Kurbrandenburg und Pommern wiesen außerdem interimistische Vergleichungen mittels einer Anordnung des Reichsoberhaupts oder in anderweitiger Form zurück.
Die Veranstaltung des Kolloquiums unmittelbar neben dem Reichstag lehnten Kursachsen, Kurbrandenburg und Kurpfalz ab. Hingegen plädierten Pommern und Hessen für die Einberufung des Religionsgesprächs noch in Regensburg. Beide Instruktionen enthielten Vorgaben für die Abordnung der Theologen, die Besetzung des Präsidiums und die Gesprächsdurchführung. Gemäß Pommern sollten die verglichenen Punkte anders als 1541174 mit der Aufnahme in den Reichsabschied rechtsverbindliche Geltung erlangen. Die übrigen Instruktionen beschäftigten sich in ähnlicher Form mit den Modalitäten eines Kolloquiums, das erst nach dem Reichstag zusammentreten sollte. Als Gesprächsgrundlage wurden genannt die Heilige Schrift sowie die Lehren der Kirchenväter (Stadt Augsburg) und der approbierten Hauptkonzilien, soweit sie der Heiligen Schrift entsprachen (Kurpfalz/Neuburg), sowie besonders die Einzelartikel der CA (Kurbrandenburg, Kurpfalz), teils in Verbindung mit der Apologie (Kursachsen). Das Religionsgespräch war paritätisch zu besetzen mit gelehrten und gottesfürchtigen Personen (Kurpfalz) oder daneben mit politischen Räten (Kurbrandenburg). Die Anordnung des Präsidiums blieb meist Kaiser oder König überlassen. Kurpfalz stellte nicht die Hoheit des Standes, sondern Frömmigkeit, Unparteilichkeit und Schriftkenntnis in den Vordergrund und wünschte die Benennung möglichst durch die Reichsstände oder zumindest die Zuordnung reichsständischer Präsidiumsmitglieder. Kursachsen verwies zum gesamten Verfahren auf das Vorbild der Gespräche in Hagenau 1540 und Regensburg (wohl 1541); Pommern nannte neben Regensburg das Wormser Kolloquium 1540/41. Inhaltliche Direktiven für das Kolloquium gab die Instruktion Kurpfalz/Neuburg vor: Demnach sollten die eigenen Theologen keine Zugeständnisse in der Lehre machen, sondern auf der CA beharren in der Hoffnung, dass die Gegenseite sie als dem Wort Gottes gemäß anerkennen und von ihrem Irrtum ablassen würde. Des Weiteren sei beim Kolloquium die Freistellung oder zumindest die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts175 anzustreben.
Letztgenannter Punkt bildete auch für den Reichstag den Ausgangspunkt der gesamten Kurpfälzer Konzeption: War die Sicherstellung des Religionsfriedens der Kernpunkt der kursächsischen Instruktion, so stand dem gegenüber für Kurpfalz die Freistellung an erster Stelle. Die Gesandten hatten sich ‚vor allem anderen‘ um die Freistellung der Religion in der Form zu bemühen, „das zu gleich den stennden und underthonen, von was wirden oder wesens auch die weren, unbenommen, sonnder frey steen sollt, sich zu ainer oder der andern religion, wie die in jungstem reichsabschid zugelassen sind, zubegeben, gantz und gar one ainige privation, entsetzung oder einziehung desselben stannds zuvor gehabter digniteten, ehrn, würden, auch beneficien, pfrunden, guter, hab und narung oder auch, dz yemands deßwegen infamiert, an leyb oder gut angegriffen, vertrieben oder sonnst in andere weeg beschwerdt unnd belaidigt wurde“176. Besagt dies die Religionsfreiheit für alle Untertanen, so deutet die ebenfalls gültige Pfalz-Neuburger Instruktion darauf hin, dass es Kurfürst Ottheinrich im Grunde nur um den einseitigen Glaubenswechsel katholischer Untertanen zur CA ging. Sie enthielt die Maßgabe, beim Kolloquium nach dem Reichstag im Zusammenhang mit dem ius emigrandi anzustreben, dass „nicht allain allen unnderthanen teutscher nation, sy weren unnder der röm. ksl. oder kgl. Mt. erblannden unnd sonnsten den stennden der widerwertigen religion gesessen, die freie bekanntnus, sonnder auch unverenndert irer heuslichen wonung unbeschwert gelitten unnd dz predig ambt der justification den pfarrherrn frey gestattet unnd gelassen wurde“177. Auch die in der Kurpfälzer Direktive folgende Anweisung, neben der umfassenderen Freistellung als kleinere Lösung die Streichung des Geistlichen Vorbehalts einzufordern, da es „unchristlich“ sei, den „den waren und rechten schäfflin Christi“‚ die sich zur rechten Lehre bekennen, Einkommen und Ehre zu entziehen und jenen zu übergeben, „so der wahren religion zu wider“, lässt vermuten, dass Ottheinrich trotz der Vorgabe der Universalfreistellung die Religionsfreiheit nur für katholische Untertanen anstrebte178. Vor der Klärung der Freistellung sollten die Gesandten als striktes Junktim keinerlei anderweitige Verhandlungen zulassen, auch nicht zum Religionsvergleich. Am nachhaltigsten unterstützte Württemberg die Kurpfälzer Konzeption. Die Instruktion legte ihren Schwerpunkt auf die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts, indem sie die 1555 vorgebrachten Gegenargumente wiederholte und ihn als Hindernis für erfolgreiche Vergleichsverhandlungen darstellte, da er den geistlichen Ständen ihre freie Stimme vorenthalte. Deshalb war die Streichung oder zumindest die Suspendierung des Geistlichen Vorbehalts bis zur Religionsvergleichung anzustreben. Erreichte man beides nicht, sollten die CA-Stände erklären, dass sie gegen keinen geistlichen Stand, der den Glauben wechseln und sein Hochstift behalten wolle, vorgehen, sondern ihn vielmehr schützen würden. Mit der Forderung zu verbinden war die Zusage, in den Hochstiften keine erbliche Nachfolge zuzulassen und das Wahlrecht der Kapitel nicht anzutasten. Schließlich stellte die Instruktion für die ebenfalls geforderte Reformierung der Stifte und Klöster die Einräumung der 1555 aufgehobenen geistlichen Jurisdiktion in Aussicht. Pommern wollte für die Streichung des Geistlichen Vorbehalts wie Württemberg das strikte Profanierungsverbot der Hochstifte zusagen. In einem zweiten Schritt sollte man die Glaubensfreiheit für alle „privat personen“ erstreben, die hier eindeutig auf katholische Untertanen limitiert blieb. Auf beide Forderungen wollte Pommern jedoch verzichten, falls Kaiser oder König dadurch veranlasst würden, den Religionsfrieden aufzuheben. Auch Kurbrandenburg wollte die Debatte um den Geistlichen Vorbehalt nur unterstützen, falls damit weder der Religionsfrieden infrage gestellt noch die Türkenhilfe behindert würde. Noch vorsichtiger agierte Hessen in Absprache mit Kursachsen: Könnte die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts nicht unmittelbar durchgesetzt werden, sollte man darauf verzichten, um den Religionsfrieden nicht anzutasten. Am entschiedensten stellte sich Kursachsen den Kurpfälzer Absichten entgegen: Die Gesandten erhielten den Auftrag, den Widerstand Kurfürst Augusts beim Reichstag 1555 gegen den Geistlichen Vorbehalt zu betonen. Da ein fortgesetzter Widerspruch den unter größten Mühen erreichten Religionsfrieden gefährden würde und ein neuerlicher Misserfolg der Aufhebungsforderung als Anerkennung der Konstitution interpretiert werden könnte, sollte der Geistliche Vorbehalt bei diesem Reichstag nicht angesprochen werden.
Als weiterer Aspekt des Religionsfriedens kam in den Instruktionen der Reichsstädte Frankfurt, Straßburg und Ulm jeweils als Hauptanliegen die Aufhebung des Städteartikels179 zur Sprache, da er ihnen das ius reformandi vorenthalte, sie gegenüber anderen Reichsständen benachteilige und grundsätzlich im Widerspruch zur Reichsstandschaft der Städte stehe.
Nachdem die protestantischen Tagungsprojekte vor dem Reichstag gescheitert waren, sollten alle Themen zum Religionskomplex in Regensburg in internen Verhandlungen geklärt werden, um in den Kurien geschlossen auftreten zu können. Die Kurpfälzer Gesandten erhielten den Auftrag, hierin die Initiative zu ergreifen. Ebenfalls an die internen Beratungen verwiesen wurden die Deputierten Kursachsens, Kurbrandenburgs, Sachsen-Weimars, Mecklenburgs, Württembergs und der Wetterauer Grafen. Die Instruktionen von Kurpfalz, Pommern und Sachsen-Weimar enthielten darüber hinaus Vorgaben für die Beilegung der innerprotestantischen Lehrdifferenzen.
2) Reichsmünzordnung: In der Haltung gegenüber der Reichsmünzordnung von 1551, dem zweiten Hauptartikel, den der Reichsabschied 1555 an den Reichstag 1556 verwiesen hatte, wiederholten die Instruktionen die bis dahin gültigen Positionen: Die rheinischen Kurfürsten beharrten wie 1555 als Voraussetzung für die Anerkennung der Reichsmünzordnung auf der Aufnahme ihrer Ausnahmen vom System der Doppelwährung, in denen sie nur Goldgulden akzeptieren wollten180. Kurpfalz verlangte daneben eine nochmalige Durchsicht der gesamten Ordnung durch Sachverständige auf einem Reichsmünztag, um weitere Einzelpunkte zu revidieren. Kursachsen bestand wie 1555 auf dem grundsätzlichen Protest gegen die Ordnung. Kurbrandenburg und Pommern betonten, dass der König den Vorbehalten der rheinischen Kurfürsten beim Reichstag 1555 bereits abgeholfen habe181, und forderten deshalb die allgemeine Annahme und den strikten Vollzug der Ordnung. Diese Position – Annahme der Ordnung von 1551 und mit Strafen zu sanktionierender Vollzug, um ein einheitliches Reichsmünzsystem zu gewährleisten –, findet sich in den Instruktionen weiterer Mitglieder des Fürstenrats (Jülich, Heinrich von Braunschweig, Bischöfe von Freising und Speyer, Deutschmeister) und von Reichsstädten (Augsburg, Frankfurt, Ulm). Hessen wollte die Ordnung akzeptieren, falls die Leistung des Rheinzolls (zu St. Goar) in Goldgulden gesichert werden könne. Die Anerkennung der Münzordnung im Burgundischen Kreis setzten Kurköln und Jülich für den eigenen Vollzug voraus. Sachsen-Weimar machte die Akzeptanz wegen der engen territorialen Verbindungen vom Verhalten Kursachsens abhängig. Als Einzelpunkte wurden angeregt: Verbot, das Münzregal zu verleihen oder zu verkaufen (Kurpfalz/Neuburg, Stadt Straßburg); Verbot des Einschmelzens und der Ausfuhr von Reichsmünzen; Maßnahmen gegen überhöhte Zinsen (Kurpfalz/Neuburg und Württemberg; dort in Verbindung mit der Forderung, alle Juden wegen Zinswuchers aus dem Reich auszuschaffen); Maßnahmen gegen Monopolisten, die mit Darlehen gegen Verschreibungen auf Bergwerke Kaiser, König und Fürsten als Bergwerksherren zwingen würden, Gold und Silber ins Ausland zu verkaufen, um den Gewinn zu erhöhen (Kurpfalz/Neuburg).
3) Türkenhilfe: Die früh formulierten Instruktionen bezogen sich in diesem Punkt auf das von Ferdinand I. in der Werbung im Januar 1556 erbetene Gutachten zur Frage, ob er Siebenbürgen entsprechend der Forderung des Sultans an Johann Sigismund Szapolyai übergeben sollte. Kurmainz instruierte sehr vorsichtig für die Empfehlung, dem nachzukommen, also auf ein Engagement des Reichs zu verzichten. Die Gesandten durften dies weder eigeninitiativ noch eine Mehrheit herbeiführend vorbringen. Falls der König Siebenbürgen nicht abtreten wollte, sollten sie eine Reichshilfe nicht verweigern, aber auf einer erschwinglichen Höhe beharren. In jedem Fall zu verhindern war die Einbeziehung des Reichs in Tributzahlungen an den Sultan. Ähnlich vorsichtig wies Hessen die Deputierten an, eine offene Stellungnahme zu umgehen (so auch Sachsen) und es bei einer Mehrheit bewenden zu lassen. Eine allgemeine Türkenhilfe für den Schutz der Grenze war hingegen zu befürworten, eine Offensivaktion abzulehnen. Offener riet Pommern, Siebenbürgen im Zusammenhang mit einem türkischen Waffenstillstand Szapolyai als Zugeständnis zu überlassen. Ebenso empfahl die Stadt Straßburg eine Verhandlungslösung.
Die grundsätzliche Berechtigung der in der Proposition konkretisierten Steuerforderung Ferdinands erkannten die meisten Instruktionen an. Die Stände waren mehrheitlich bereit, eine Reichshilfe mitzutragen oder zumindest nicht abzulehnen, wenngleich sie meist die stereotypen Gegenargumente (Schädigung und Verarmung von Ständen und Untertanen durch innere Kriege und Kriegszüge sowie anderweitige Landfriedensbrüche; die vielfach erhobenen Reichssteuern) ins Feld führten. Diese allgemeine Zusage enthielten die Direktiven von Kurmainz, Kurköln, Sachsen-Weimar, Mecklenburg, Hessen, Jülich, Passau, Heinrich von Braunschweig, Pommern (nur bei einem türkischen Hauptzug und mit vielen Bedingungen), Magdeburg, des Deutschmeisters sowie der Städte Augsburg, Nördlingen, Straßburg und Frankfurt (bei ermäßigter Höhe und Sicherstellung der Steuergerechtigkeit). Würzburg wollte den Antrag des Königs nicht behindern, konnte die Steuer aufgrund der Schädigung im Markgrafenkrieg jedoch nicht leisten. Deshalb sollten die Gesandten zusammen mit Bamberg mit den königlichen Kommissaren vereinbaren, dass sie die Gesamtforderung unterstützten, selbst aber nur den halben Beitrag leisten müssten. Andernfalls wollte man auf das laufende Moderationsverfahren verweisen182.
Am nachdrücklichsten trat Kursachsen für eine Türkenhilfe ein, die wegen der akuten Bedrohung als wichtigster Punkt des Reichstags neben der Religionsfrage im Ausschuss sofort parallel in den Kurien zu beraten sei. Wegen der Erfolglosigkeit der bisherigen eilenden Hilfen sollten die Gesandten für eine effektivere beharrliche, auf mehrere Jahre veranschlagte Unterstützung votieren, um damit eine beständige Grenzsicherung zu gewährleisten. Doch war eine eilende Hilfe nicht zu verweigern, falls der König sie beantragte und die Ständemehrheit sie bewilligte. Kurbrandenburg schloss sich Kursachsen darin an, dass nur ein beharrlich finanzierter Widerstand Erfolg verspräche. Sachsen-Weimar kritisierte die Ineffektivität der bisherigen eilenden Hilfen und riet vorrangig zu einem Friedensschluss mit den Türken, um die nicht erschwingliche Forderung in der Proposition umgehen zu können. Daneben sei zu klären, was die Untertanen in Ungarn abgesehen von der Bitte um die Zulassung der CA zum Aufstand bewegt habe. Falls die Darstellung der Türkennot aber der Wahrheit entsprach, wollten die Herzöge eine Steuer ebenfalls in beharrlicher Form zugestehen. Die Württemberger Instruktion entwarf aufgrund der erwiesenen Erfolglosigkeit bisheriger Reichshilfen ein Konzept für die Finanzierung eines Reichsheeres von 24 000 Mann mit zugehörigem Geschütz183. Mit diesem Heer sollten zusammen mit dem Aufgebot des Königs von 15 000 Mann und mit Unterstützung anderer Potentaten gleichzeitig zwei Türkenzüge nach Ofen und Pest sowie nach Siebenbürgen unternommen werden. Am restriktivsten zeigte sich Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz: Während die frühe Instruktion für Pfalz-Neuburg noch die grundsätzliche Bereitschaft zur Hilfe, wenn auch in möglichst geringer Höhe, vorgab, revidierte die Heidelberger Direktive dies dahingehend, dass die Gesandten unter Berufung auf die Verarmung der Untertanen und das unzureichende Kammergut in eine Türkenhilfe „mit nichten gehellen, sonnder sych derselben genntzlich waigern“ sollten. Lediglich falls ein Hauptzug des Sultans nach Ungarn feststünde, könne jeder Reichsstand seine Hilfe in Truppen auf den einfachen Romzug schicken.
Die Leistungsform der Reichshilfe erwähnten nur wenige Instruktionen. Die Stadt Straßburg sprach sich für die Erbringung als Truppenhilfe aus, weil damit mehr erreicht werden könne als mit Geldzahlungen. Auf das gleiche Argument griff Kurpfalz für seine limitierte Bewilligung zurück, ergänzt um die Unterstellung, der König würde eine Geldsteuer überwiegend für andere Zwecke verwenden. Auch Sachsen-Weimar sah bei der Truppenstellung den Vorteil, dass die Söldner im Fall eines missbräuchlichen Einsatzes etwa gegen die CA-Stände abgezogen werden könnten. Dennoch plädierte die Instruktion aus organisatorischen Gründen für eine Steuer. Ebenso sprach sich Kursachsen für die leichter zu koordinierende Geldhilfe aus.
Mehrere Instruktionen machten die Beilegung der aktuell nicht gelösten Konflikte im Reich (Katzenelnbogener Erbfolgestreit, Nachwirkungen des Markgrafenkriegs) zu einer Vorbedingung für die Steuerleistung, um zu gewährleisten, dass die Stände Geld und Söldner nicht für die eigene Sicherung benötigten (Kurpfalz, Kurmainz, Hessen, Heinrich von Braunschweig, Pommern). Am deutlichsten verband Kurbrandenburg eine Lösung des markgräflichen Konflikts durch den König explizit zugunsten des Hauses Brandenburg mit der Steuerzusage. Mecklenburg und die Stadt Straßburg setzten in diesem Zusammenhang eine Friedensgarantie für die CA-Stände voraus. Daneben wurde die Einbeziehung auswärtiger Potentaten in die Türkenabwehr teils als Vorbedingung der eigenen Bewilligung, teils als Zusatz gefordert, da ein Erfolg versprechender Feldzug allein durch das Reich nicht möglich schien (Kurmainz, Kurbrandenburg, Pommern, Städte Frankfurt und Straßburg).
Die Steuerhöhe wurde in nur wenigen Instruktionen thematisiert. Einige Vertreter erhielten den Auftrag, für eine möglichst niedrige bzw. erschwingliche Steuer (Kurmainz, Sachsen-Weimar, Städte Augsburg und Straßburg) zu votieren und wegen der Höhe um Weisung nachzufragen (Wetterauer Grafen184). Ansonsten nannte Kurpfalz etwas unbestimmt den einfachen Romzug. Der Bischof von Speyer wollte versuchen, die Forderung Ferdinands von acht doppelten auf acht einfache Römermonate zu vermindern, während Hessen vier bis fünf Römermonate vorgab. Bezüglich der Steuerform bevorzugten Kurbrandenburg, der Bischof von Passau und Franz Otto von Braunschweig den Gemeinen Pfennig: Er sei gegenüber der Reichsmatrikel die leichter zu erhebende, gerechtere sowie für Stände und Untertanen tragbarere Steuer. Hingegen belaste die Matrikel die Stände ‚ungleich‘, wie die zahlreichen Moderationsgesuche belegten. Die Gegenposition vertrat Kurmainz mit dem Vorwurf, der Gemeine Pfennig bedinge viele Steuerungerechtigkeiten. Es beharrte deshalb ebenso auf der Veranschlagung nach der nicht moderierten Matrikel wie Kursachsen und die Stadt Augsburg. Jülich und Mecklenburg dagegen wünschten die Erlegung nach der moderierten Matrikel.
Mehrere Instruktionen äußerten sich zur Steuerverwaltung und -verwendung. Überwiegend wurde die Bestallung eines Generalobersten oder von Kriegsräten vorgeschlagen (Kursachsen, Kurbrandenburg, Baden-Durlach). Besonders Sachsen-Weimar bestand auf einer strengen Steueraufsicht, um einen Einsatz gegen die CA-Stände zu unterbinden. Weitere Punkte betrafen spezielle Belange einzelner Stände wie das Problem der Doppelbesteuerung der in Österreich begüterten Bischöfe (Freising, Passau) oder des Steuerzugriffs auf exterritoriale Güter bei der Umlegung auf die Untertanen (Deutschmeister).
4) Exekutionsordnung, Landfrieden: Die Instruktionen betonten wiederholt, dass die gesetzlichen Vorgaben der Exekutionsordnung ausreichten, der Vollzug aber zu verbessern und mit entsprechenden Maßnahmen sicherzustellen sei (u.a. Würzburg, Stadt Frankfurt). Ansonsten sollten die Gesandten je nach Kreiszugehörigkeit den erfolgten Vollzug im eigenen Bezirk darlegen und die Umsetzung in anderen Kreisen anmahnen (Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen-Weimar, Deutschmeister) oder rechtfertigen, dass man den eigenen Verpflichtungen im Kreis nachkomme (Bischöfe von Freising und Speyer, Stadt Augsburg). Heinrich von Braunschweig legte wegen des Ausschreibestreits mit dem Erzbischof von Magdeburg185 großen Wert auf diesen Punkt und ließ darlegen, dass der Vollzug im Niedersächsischen Kreis am Erzbischof scheitere. Die Stände aus dem Oberrheinischen Kreis waren gehalten, die dortigen Probleme (Oberstenwahl)186 vorzubringen und eine Lösung zu ermöglichen (Hessen, Wetterauer Grafen, Stadt Straßburg).
5) Reichskammergerichtsordnung: Die Instruktionen bezogen sich je nach Datierung auf vermutete Themen im Anschluss an den Reichstag 1555 oder auf den Visitationsbericht vom Mai 1556 und die darin festgestellten Mängel. Allgemeine Verbesserungen auf dieser Grundlage forderten Kurbrandenburg und der Bischof von Speyer. Als Einzelpunkte wurden angesprochen: Regelung der Finanzierung mit dem Kammerzieler (Kurmainz) oder ohne Belastung der Reichsstände (Kurköln, Jülich, Bischof von Speyer); qualifiziertere Besetzung mit erfahrenen und gelehrten Juristen (Kurköln, Kurpfalz/Neuburg, Pommern); Besetzung nur durch Obrigkeiten, die sich der Reichsjustiz unterstellen (Jülich); bessere Besoldung der Assessoren, um die Verweildauer am Gericht zu erhöhen (Pommern, Bischof von Speyer); Erhöhung der Anzahl der Assessoren (Freising) oder befristete Anstellung außerordentlicher Assessoren (Pommern). Konkrete Mängel benannten Kurpfalz/Neuburg (Pfändung, Landfriedensprozesse gegen Reichsstände, überhöhte Taxen) und Württemberg (Pfändung, übereilte Erklärung in die Reichsacht, Mängel in der Kammergerichtskanzlei). Einen Schwerpunkt in den Instruktionen der CA-Stände bildete der Vollzug des Religionsfriedens am Gericht bei der Besetzung, der Vereidigung des Personals und der Rechtsprechung (Kurpfalz/Neuburg, Kursachsen, Kurbrandenburg, Hessen, Sachsen-Weimar).
6) Session und Vorrang: Die Vorgaben hierzu beschränkten sich auf die vom Rangstreit betroffenen Häuser im Fürstenrat, deren Instruktionen die Session häufig als ersten Punkt behandelten. Ausführlich regelten Salzburg und Magdeburg die Gestaltung der Rangfolge unter sich und mit Österreich. Daneben ging es um den Rangstreit der Häuser Bayern, Pfalz, Sachsen (Instruktionen Pfalz-Neuburg und Sachsen), der Pfalz-Neuburg zum gänzlichen187 und Sachsen-Weimar zum vorübergehenden Sessionsverzicht188 veranlasste, sowie der Häuser Mecklenburg, Jülich, Baden, Hessen, Pommern189 und Württemberg (mit Ausnahme Württembergs in allen Instruktionen enthalten). Von den Bischöfen erteilten Passau, Speyer und Freising Vorgaben zur Session. Die Wetterauer Grafen ordneten die alternierende Rangfolge mit den schwäbischen Grafen an, falls für diese ebenfalls nur Gesandte am Reichstag teilnähmen. Die Instruktion der fränkischen Grafen beschränkte sich weitgehend auf die Durchsetzung und Wahrung des Sessionsanspruchs beim Reichstag190.
Neben den bisher genannten Themen gehörte die Wiedergewinnung verlorenen Reichsgebiets zum Standardprogramm der Reichstage seit der Mitte des 16. Jahrhunderts191. Von den Instruktionen regten 1556 Kurköln, Jülich und Pommern die Restitution der an Frankreich verlorenen Gebiete im Zusammenhang mit der Friedensvermittlung zwischen Kaiser Karl V. und König Heinrich II. sowie der Anhörung einer etwaigen französischen Gesandtschaft beim Reichstag an. Als Spezifikum sprach allein die Kurpfälzer/Neuburger Instruktion eine nochmalige Vorlage der Passauer Gravamina192 an: Sie kritisierte, dass diese trotz der 1555 unterbliebenen Klärung weder im Reichsabschied 1555 noch in der aktuellen Proposition erwähnt würden, und forderte, in Kooperation insbesondere mit den weltlichen Kurfürsten ihre Behebung anzustreben.
Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Bemühungen des Königs um eine zahlreichere Beteiligung der Kurfürsten und Fürsten am Reichstag nach dessen Eröffnung dargestellt. Die damit eingeleiteten und später intensiviert fortgesetzten Werbungen um die Anreise des Kurkollegs wegen der parallelen Veranstaltung eines Kurfürstentags werden in einem eigenen Kapitel referiert.
Trotz der Werbungen und schriftlichen Anmahnungen des Königs1 waren bei der Eröffnung des Reichstags am 13. 7. 1556 abgesehen von Albrecht von Bayern als Prinzipalkommissar sowie von Markgraf Philibert von Baden, der den Herzog begleitete, und dem ortsansässigen Bischof von Regensburg keine Kurfürsten oder Fürsten persönlich anwesend2. Da überdies die Resonanz auf das letzte Ladungsschreiben Ferdinands vom 6. 7. 15563 im Hinblick auf die persönliche Reichstagsteilnahme eher negativ ausfiel4, setzte er seine diesbezüglichen Bemühungen unverdrossen fort. Er wurde darin unterstützt von Albrecht von Bayern, der seine Aufgabe als Reichstagskommissar auch auf dieser Ebene wahrnahm und noch in Regensburg die Gesandten der Kurfürsten ermahnte, für die baldige Anreise ihrer Herren einzutreten5. Später wandte er sich vorrangig in seinem territorialen Einflussbereich in der Funktion als Kommissar des Königs schriftlich an weitere Reichsstände, um deren Teilnahme oder die Abordnung von Deputierten zu veranlassen6.
König Ferdinand versuchte im Anschluss an die Eröffnung, zumindest die umfassendere Besetzung mit Gesandten zu sichern. Dies betraf insbesondere die kursächsische Repräsentanz, die für die Aufnahme der Verhandlungen unabdingbar war. Deshalb forderte er am 20. 7. 1556 (Wien)7 Kurfürst August unter Berufung auf die Vereinbarungen in Leitmeritz8 dringend auf, vorrangig wegen der Türkenhilfe unverzüglich eine Gesandtschaft zu schicken, falls er selbst nicht anreisen könne. Der Kurfürst ordnete die Abreise seiner Delegation daraufhin sofort an und rechtfertigte die späte Beschickung mit der unsicheren Nachrichtenlage, „ob und wan der reichstagk seinen fortgang haben wurde“9. Daneben mahnte Ferdinand Anfang September 1556 die Beschickung des Reichstags auch bei anderen Ständen10 und Städten11 an, bevor er sich wegen des weiterhin unzureichenden Vertretungsstandes Anfang Oktober 1556 zu einer umfassenderen Initiative veranlasst sah, um neuerlich vorrangig die persönliche Teilnahme der Reichsfürsten anzustoßen. Er verband damit die Weiterleitung der Abschiedsmandate Karls V., in denen der Kaiser wegen seiner Abreise nach Spanien dem König während seiner Abwesenheit die Administration des Reichs übertrug12. Unter Berufung darauf und begründet mit dem Beratungsverzug in Regensburg insistierte Ferdinand auf der persönlichen Anreise der Reichsstände und kündigte zugleich seine eigene Ankunft für 28. 11. 1556 an. Bis dahin sollten die Kurfürsten und Fürsten nach Regensburg kommen, wo Ferdinand sie nicht länger als zwei Monate aufhalten wollte.
Die Übermittlung erfolgte an die Kurfürsten und nur wenige Fürsten gesandtschaftlich, die anderen Reichsfürsten erhielten die Ladung auf brieflichem Weg13. Als Gesandte beauftragte der König Kaspar von Herberstein nach Kursachsen und -brandenburg sowie Otto von Neideck, der die rheinischen Kurfürsten sowie die Herzöge von Württemberg und Jülich aufsuchte. Ansonsten ist mit Ausnahme der Vorsprache von J. U. Zasius bei Herzog Albrecht von Bayern14 keine Gesandtschaft an Fürsten dokumentiert.
Otto von Neideck15 verrichtete seine Werbungen im Zeitraum vom 14. 10. bis 31. 10. 1556. Übereinstimmend bat der König um die persönliche Teilnahme am Reichstag ab 28. 11. Nur bei den Kurfürsten sprach er die Anreise noch prononcierter an im Zusammenhang mit der Anhörung der von Karl V. angekündigten Gesandtschaft sowie wegen der Machenschaften hoher Potentaten gegen die Autorität des Kaisers und der Kurfürsten. Diese Thematik wird im Zusammenhang mit der folgenden dritten Werbung erörtert16. Als weiteren Punkt hatte Neideck bei allen Adressaten die am Reichstag bereits entfachte Freistellungsdebatte als wesentliches Hindernis für den Verhandlungsfortgang vorzubringen. Der König zeigte sich befremdet über das „unzeitige“ Ansinnen, da die CA-Stände mit dem Religionsfrieden ausreichend versichert seien und die angestrebte Religionsvergleichung das Problem ohnehin beheben werde. Er bat deshalb darum, die Forderung nicht zu unterstützen, es beim Religionsfrieden zu belassen und die Hauptverhandlungen aufzunehmen.
Letzteren Punkt wies Kurfürst Ottheinrich brüsk zurück17, indem er den Geistlichen Vorbehalt aus Gewissensgründen strikt ablehnte18. Schon zuvor hatte der Herzog von Württemberg19 ihn als Quelle des Misstrauens im Reich und als Haupthindernis für die Religionsvergleichung bezeichnet, da er das Bekenntnis zur Wahrheit mit dem Verlust des Amtes verbinde und die Behebung von offensichtlichen Missständen in Zeremonien und Lehre bestrafe. Kurfürst Daniel von Mainz dagegen schloss sich ganz der Argumentation des Königs an und befürwortete, dass der Freistellung „khein raum zu geben“ sei20.
Bezüglich der Anreise nach Regensburg erhielt Neideck von den Kurfürsten ablehnende oder weitgehend konditionierte Stellungnahmen. Anton von Köln lehnte sein Erscheinen wegen der Verrichtungen nach dem erst kürzlich erfolgten Regierungsantritt ab21. Johann von Trier führte neben der Gefährdung des Erzstifts die hohen Kosten des Reichstagsbesuchs ins Feld und wollte nur anreisen, falls die anderen Kurfürsten und weitere Reichsfürsten kämen22. Ottheinrich von der Pfalz berief sich wie zuvor auf seine schlechte leibliche Konstitution23. Daniel von Mainz hielt seine Teilnahme nur für sinnvoll, falls alle Mitglieder des Kurkollegs zugegen wären. Einzig Herzog Christoph kündigte sein Kommen etwas konkreter mit der Bedingung an, dass andere Reichsfürsten erschienen. Dagegen ging er gegenüber Herzog Wilhelm von Jülich bereits von seiner Teilnahme aus und forderte ihn auf, gemeinsam mit ihm anzureisen, da er im Religionsstreit einen „gutten mitler baiderseitz“ abgeben könne24. Herzog Wilhelm antwortete Christoph ebenfalls positiv, er wolle nach Regensburg kommen25, während er zuvor die Werbung Neidecks abschlägig beschieden hatte26, da er als Kreisoberst unabkömmlich sei.
Die Werbung Kaspars von Herberstein in Sachsen und Brandenburg unterschied sich vom Auftrag Neidecks insofern, als sie die Freistellungsdebatte nicht ansprach, sondern sich auf die Anmahnung der persönlichen Reichstagsteilnahme ab 28. 11. 1556 auch wegen der Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft beschränkte. Wie bei den rheinischen Kurfürsten nutzte Ferdinand die Einberufung des Kurkollegs im Zusammenhang mit dem Rücktritt seines Bruders, um damit die allgemeinen Reichstagsverhandlungen zur Türkenhilfe und zur Religionsfrage zu beschleunigen und zu einem positiven Ergebnis zu bringen27. Kurfürst August von Sachsen berief sich auf die dem König in Leitmeritz erörterten, vorrangig landfriedensbedingten Gründe, die ihn von der Reise nach Regensburg abhielten28. Die Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft zum genannten Termin (28. 11.) sei ohnehin nicht möglich, weil die dafür notwendige Anwesenheit des gesamten Kurkollegs infolge des Todes Adolfs von Köln und der abzuwartenden Neuwahl nicht möglich schien. August wollte nur kommen, falls die Präsenz aller Kurfürsten29 sichergestellt war. Joachim von Brandenburg schloss die termingerechte Anreise zum 28. 11. wegen der Teilnahme an der Amtseinführung seines Sohnes Sigismund als Bischof von Halberstadt30 ebenfalls aus und stellte nur vage in Aussicht, im Anschluss daran nach Regensburg zu kommen31.
Die zweite Werbungsphase wurde abgeschlossen mit einem Schreiben, das König Ferdinand am 23. 11. 1556, dem Tag seines Aufbruchs in Wien nach Regensburg, vom ersten Nachtlager in Tulln aus an die Kurfürsten und einige Reichsfürsten richtete. Er informierte alle Adressaten über seinen wegen des Türkenkriegs nochmals aufgeschobenen Reiseantritt, weshalb er nicht wie prognostiziert am 28. 11., sondern wenige Tage später ankommen werde. Ansonsten wiederholte er die Argumente, die er in den Werbungen für die Reichstagsteilnahme der Kurfürsten vorgebracht hatte, also neben der Reichstagsprogrammatik die Anhörung der vom Kaiser angekündigten Gesandtschaft. Die Fürsten wurden ausschließlich auf die Reichstagsthematik verwiesen. Neben diesen weitgehend gleichlautend formulierten Passagen reagierte Ferdinand argumentativ angepasst auf die jeweilige Antwort zur Werbung oder zu seinem Schreiben vom 8. 10. 1556 sowie teils auf den Status des Adressaten. So lehnte er das Argument der Friedenswahrung ab, da im Winter keine gravierenden Landfriedensbrüche zu erwarten seien (Kurtrier, Kursachsen, Jülich, Heinrich von Braunschweig32); gegen die Kosten des Reichstagsbesuchs (Kurtrier) berief er sich auf seinen eigenen, nur reduziert mitgeführten Hofstaat. Es sei wichtiger, die zentralen Themen rasch zu erledigen, „weder das wir unns damit bekhomeren sollten, wie wir solchen Reichs tag mit grossem stat unnd uberigen cossten besuechen khonnden“33. Die persönlichen Verrichtungen (Kurköln34, Kurbrandenburg) hätten hinter den wichtigeren Reichsbelangen zurückzustehen. Ansonsten betonte er ganz individuelle Faktoren: Daniel von Mainz35 sollte „als der vorderst churfurst anndern deiner L. mit churfursten ursach unnd exempl zu gleichmessiger personlichen erscheinung geben.“ August von Sachsen sollte tun, was er „gegen Got unnd dem Heilligen Reich schuldig ist“, und darin ein „guet eben pildt unnd exempl“ geben36. Joachim von Brandenburg sollte „als der elltist churfurst anndern deiner Lieb mitchurfursten ursach und exempl“ geben37. Ottheinrich von der Pfalz sollte die Folgen bedenken, wenn er als der nächstgesessene Kurfürst die Anreise verweigerte, ebenso Herzog Wilhelm von Jülich, wenn er als Schwiegersohn des Königs nicht käme. Bei Salzburg38 und Württemberg39 mahnte Ferdinand aufgrund der bedingt erteilten Zusage nur die termingerechte Anreise an.
Wie die erste Reichstagswerbung verlief auch die zweite Aktion im Herbst 1556 nur wenig erfolgreich: Beim Einzug Ferdinands in Regensburg am 7. 12. 1556 waren neben Herzog Albrecht von Bayern als Kommissar und Markgraf Philibert in seiner Begleitung sowie dem Bischof von Regensburg lediglich Erzbischof Michael von Salzburg, Kardinal Otto von Augsburg und Herzog Erich von Braunschweig anwesend40. Einige wenige Fürsten kamen verspätet im weiteren Verlauf des Reichstags nach Regensburg, während andere sich ebenso entschuldigten41 wie sämtliche Mitglieder des Kurkollegs42.
Es ist an dieser Stelle nicht möglich, auf die Übertragung der Kaiserwürde von Karl V. an Ferdinand I. insgesamt einzugehen und die Problematik als „einzigartiges Phänomen in der europäischen Herrschergeschichte“43 sowie ihre Bedeutung für die Reichs- und Verfassungsgeschichte, das habsburgische Gesamthaus, das Verhältnis von Kaisertum und Papsttum und für die Position des Kurkollegs darzustellen44. Ebenso können die Verhandlungen seit Juni 1555 bis zum Vollzug der Resignation beim Frankfurter Kurfürstentag im März 1558 zwischen Kaiser Karl, König Ferdinand und König Philipp II. um das Ob, Wann und Wie des Rücktritts sowie zwischen dem König und den Kurfürsten nicht umfassend45, sondern nur eingeschränkt auf das Bestreben Ferdinands I. berücksichtigt werden, das Kurkolleg neben dem Reichstag 1556/57 zu versammeln, um dort die Übertragung des Kaisertums zu vollziehen.
Die Debatten um das Forum für den Vollzug des Rücktritts konnten beim Besuch König Maximilians von Böhmen bei Karl V. in Brüssel46 im Sommer 1556 vorläufig abgeschlossen werden: Karl beugte sich der Konzeption Ferdinands, die Resignation nicht vor dem Reichstag, sondern mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Kompetenz des Kurkollegs auf einem Kurfürstentag vorzunehmen. Die Instruktion für die Abdankungsgesandtschaft, die noch drei Rücktrittsvarianten offenließ, war streng geheim zu halten47.
Zunächst übertrug Karl V. dem König in den Abschiedsmandaten vom 7. 9. 1556 die vorübergehende Administration des Reichs, indem er ihm „alle volkhomne macht unnd gewalt“ verlieh, während seiner Abwesenheit „fur sich selb absolute one alles hindersichbringen an unns“ zu agieren, und die Stände zum Gehorsam gegenüber Ferdinand verpflichtete. Die Abdankung wurde mit keinem Wort angesprochen48.
Trotz der Geheimhaltung der Rücktrittsabsicht verdichteten sich in Regensburg im Zusammenhang mit dem Abschiedsmandat und der Abreise Karls nach Spanien Mitte September die Gerüchte um seine Resignation. Die königlichen Reichstagskommissare stellten fest, dass davon „im Reich offennttlich geredt unnd aller vorhabennden sachen von dem khayserlichen unnd englosischen hofe satt gutte bericht vorhannden“49. Übereinstimmend wurde vermutet, die Resignation werde noch beim Reichstag erfolgen, und zwar wohl mit Bewilligung der Kurfürsten50. Unklar blieben Form und Umfang der Abdikation – Gesamtverzicht auf das Reich und die Kaiserwürde oder Weiterführung des kaiserlichen Titels durch Karl V. – und die fragliche Rückgabe an die Kurfürsten, König Ferdinand I. oder König Philipp II. von Spanien51. Andere Nachrichten besagten, Karl V. habe kurz vor der Abreise nach Spanien dazu bewegt werden können, im Interesse des Gesamthauses Habsburg auf den Rücktritt zu verzichten und Ferdinand nur die dauerhafte Administration des Reichs zu übergeben52.
Was das Resignationsforum betrifft, beabsichtigte König Ferdinand zunächst, wegen der langwierigen Vorverhandlungen mit den Kurfürsten einen Kollegialkonvent nach dem Reichstag einzuberufen53. Er entschloss sich dann aber, den größeren Rahmen des Reichstags zu nutzen, um den Fürstenstand in die Übergabe der Kaiserwürde mit einzubinden und mit der Anwesenheit der Kurfürsten bei einem Kollegialtag neben dem Reichstag dessen Verhandlungen insbesondere zur Türkenhilfe zu befördern54. Diese Konzeption kommt in der Werbung Ferdinands bei den Kurfürsten im Oktober 1556 zum Ausdruck, bei der er ihr Kommen nach Regensburg sowohl wegen der allgemeinen Reichsbelange55 wie auch wegen der Anhörung einer kaiserlichen Gesandtschaft erbat, deren Auftrag er nicht darlegte. Als dritter Aspekt erfordere die vertrauliche Beratung der Machenschaften auswärtiger Potentaten gegen die Hoheit und Autorität des Kaisers und der Kurfürsten sowie gegen die Libertät des Reichs die Anwesenheit des Kurkollegs.
In letzterem Punkt bezog sich der König auf die vermeintlichen Bestrebungen Papst Pauls IV., im Kontext mit seinem Offensivbündnis mit Frankreich56 und dem aktuellen Krieg der Kurie gegen Spanien der deutschen Nation das Kaisertum zu entziehen und auf Frankreich zu übertragen57. Daneben vermutete man auf königlicher Seite auch hinter den Vorsprachen von Agenten König Heinrichs II. bei einigen Kurfürsten und Fürsten seit Sommer 1556 das Bestreben, „ad propagandam eius tyrannidem usque ad Rhenum et occupandam ipsam sedem imperialem etc.“58. Faktisch ging es bei den Missionen des Cajus de Virail im Sommer 1556 nach Kurpfalz, Württemberg, Hessen und Kursachsen sowie des Friedrich von Reifenberg im Dezember 1556 nach Hessen und Kursachsen nicht um die Übertragung des Kaisertums auf Ferdinand I., sondern um die Unterbindung einer Nachfolge Philipps II. von Spanien als Kaiser und die Anregung einer künftigen Königs- oder Kaiserwahl unter Ausschluss der Habsburger. Virail bat seine Ansprechpartner außerdem darum, sich für den Zugang französischer Gesandter zum aktuellen Reichstag einzusetzen59.
Das Resultat der Werbungen im Oktober 1556 durch Otto von Neideck und Kaspar von Herberstein unter dem Aspekt der Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft „von wegen khönfftiger administration“60 des Reichs musste den König enttäuschen: Kein Mitglied des Kurkollegs wollte bis 28. 11. 1556, der prognostizierten Ankunft Ferdinands, nach Regensburg kommen, und mit Ausnahme Joachims von Brandenburg, der seine spätere Anreise vage in Aussicht stellte, schien auch eine nachfolgende Teilnahme aufgrund der Bedingungen, wie Trier, Mainz und Sachsen sie voraussetzten, ausgeschlossen. Brandenburg und Köln wollten ihre Gesandten speziell für die kaiserliche Werbung beauftragen, Pfalz61 und Sachsen boten an, dafür zusätzliche Verordnete zu schicken, während Mainz die Deputierten für ausreichend bevollmächtigt hielt.
Trotz des Misserfolgs lösten die Werbungen des Königs weitere kurfürstliche Aktivitäten aus: August von Sachsen und Joachim von Brandenburg vereinbarten im Zusammenhang damit eine Zusammenkunft in Lochau zu Jahresbeginn 155762, die geistlichen Kurfürsten beschlossen auf eine Kurmainzer Initiative hin63 am Rande des kurrheinischen Kreistags in Bingen im Dezember 1556 eine gemeinsame Instruktion, mit der ihre Gesandten in Regensburg trotz großer Bedenken wegen einer Verhandlungsoffensive der CA-Stände zur Hauptfrage der Religionsvergleichung, die ihre persönliche Anwesenheit auslösen könnte, ihr Kommen zum Reichstag nun doch zusagen sollten, falls Ferdinand darauf beharren und ihren Besuch bis zum Frühjahr 1557 aufschieben würde. Allerdings wurde die Instruktion64 dem König nicht vorgebracht, da dieser zwischenzeitlich eine weitere Werbungsinitiative bei den Kurfürsten gestartet hatte.
Parallel dazu intensivierte Ferdinand seine Bemühungen in Regensburg durch Anmahnungen bei den kurfürstlichen Gesandten, die auf ihre Herren einwirken und sie zur Anreise bewegen sollten. Bei den Vorladungen bat er abschließend „mit whemut“ persönlich um das Kommen der Kurfürsten, und „solches alles dermassen, das wir billich auch unsers theyls mitleyden haben und in wehmuth geraten mussen“65. Ansonsten stützte er sich auf die gleichen Argumente wie in den Werbungen, also bei Kurmainz66 auf den Status als „der erst und furnembst, auch unter den anndern der dechant“, bei den Kurbrandenburgern67 auf die vorherige Zusage Joachims und bei den Kursachsen68 auf die Ablehnungsgründe, die August zuvor eingewandt hatte. Diese Anmahnungen waren durchaus erfolgreich: Die Mainzer Verordneten betonten die Ernsthaftigkeit des königlichen Anliegens und gingen deshalb von der Anreise Kurfürst Daniels aus. Auch die Kurbrandenburger Gesandten sahen das Bemühen Ferdinands um die Wiederherstellung von Frieden und Vertrauen im Reich. Dies sei nur zu erreichen, wenn „ir churfursten furnemblich, bey denen alß den furnembsten und den seulen, darauff daß Heilige Reich unnd der grosse adeler schwebett und ruhet, mit irem heupt, der kgl. Mt., zusammenn kommet, euch vortreulich miteinander unterredett unnd vorgleichet. Darumb eß auch hoch vonnottenn, dz eß eur kfl. Gn. alß der eltist unnd furnhemest churfurst, so nhun alleine umb gelegenheit und zustandt deß Reichs wissen hat, an ir nit erwinden unnd mangeln, auch diese hohe gelegenheit nit furuber gehen lassen“69.
Die erwähnte Werbung am Rhein übertrug Ferdinand I. an Johann von Heusenstein70, der sie vom 6.–16. 1. 1557 durchführte. Die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg traf Hans Hermann Truchsess von Rheinfelden anlässlich deren Zusammenkunft in Lochau an (10.–14. 1. 1557). Diese Vorsprachen richteten sich anders als im Oktober 1556 ausschließlich an die Kurfürsten71, und sie stützten sich ebenfalls abweichend davon allein auf die Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft als Argument für die Anreise: Der König betonte die Unabdingbarkeit der Anwesenheit des Kurkollegs, da das Anliegen der kaiserlichen Gesandten andernfalls „nit fruchtbarlich erlediget, auch one sundere gefär unnd nachtaill nit lennger inngestelt werden“ könne72. In der Erwartung aller Kurfürsten mit Ausnahme des entschuldigten Ottheinrich forderte Ferdinand die Ankunft bis 2. 2. 1557 und sagte zu, den Aufenthalt auf vier Wochen zu begrenzen. Argumentativ ging er wie in den vorherigen Werbungen und Anmahnungen auf individuelle Aussagen der Kurfürsten oder ihren Status ein, um sie zur Anreise zu bewegen73.
Die Werbung am Rhein verlief erfolgreich: Johann von Trier und Anton von Köln wollten trotz einiger Einwände kommen74, Daniel von Mainz sagte seine Anreise im Anschluss an einen rheinischen Kurfürstentag am 8. 2. 1557 zu, selbst wenn er als einziger geistlicher Kurfürst präsent sein würde75. Dem stand die gemeinsame Antwort der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg gegenüber76: Sie lehnten die Veranstaltung des Kurfürstentags neben dem Reichstag ab, weil damit dessen Verhandlungen noch weiter verzögert und sie „etwas lang“ in Regensburg aufgehalten würden, und da die Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft zum einen höchste Vertraulichkeit, die nur bei einem Kollegialtag gegeben sei, und zum anderen die Anwesenheit aller Kurfürsten erfordere. Da diese wegen der Entschuldigung Kurfürst Ottheinrichs nicht gewährleistet war, bestanden sie auf der gesonderten Einberufung eines Kurfürstentags erst nach dem Reichstag.
Die Reaktion der Kurfürsten veranlasste König Ferdinand neuerlich zu einer Doppelstrategie, indem er sich nochmals schriftlich an alle Mitglieder des Kurkollegs wandte und die Anmahnungen gleichzeitig von ihren Gesandten in Regensburg bekräftigen ließ77. Seine Ende Januar 1557 ausgefertigten Schreiben beschränkten sich beim rheinischen Kollegium auf die Bitte um baldige Anreise ohne Rücksicht auf anderweitige Verrichtungen78. Gegenüber Kursachsen und Kurbrandenburg lehnte Ferdinand deren Vorschlag eines Kollegialtags nach dem Reichstag ab, da die Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft und die Abwendung der Machenschaften auswärtiger Potentaten keinen Aufschub duldeten, zumal einer späteren Tagung daneben die Maßnahmen des Königs in den Erblanden gegen die Türkengefahr im Weg stünden. Er forderte deshalb nochmals nachdrücklich die Anreise beider Kurfürsten79.
Die rheinischen Kurfürsten sagten daraufhin mit Ausnahme Ottheinrichs von der Pfalz ihr Kommen nochmals zu, sie konnten aber erst bis Anfang März erscheinen80. Joachim von Brandenburg kam dem König insofern entgegen, als er jetzt erstmals seine Teilnahme in Aussicht stellte, falls faktisch alle Kurfürsten anwesend wären81. Das Zugeständnis war freilich wegen des bekannten Fernbleibens Kurfürst Ottheinrichs kaum als Zusage zu werten82. Kurfürst August dagegen beharrte mit den Argumenten wie zuvor auf dem separaten Kollegialtag. Als Alternative empfahl er dem König die Übermittlung der kaiserlichen Werbung durch die kurfürstlichen Deputierten an ihre Herren, die sodann je nach Inhalt entweder persönlich kommen oder ihre Gesandten anweisen könnten. Genaueres sollte ein Sondergesandter dem König persönlich erläutern83.
August beauftragte mit dieser Mission seinen Rat Dr. Ulrich Mordeisen. Die Instruktion84 führte die Argumente gegen die Anreise nochmals aus und ergänzte als vertrauliche Mitteilung an den König, dass sich August, falls er als einziger weltlicher Kurfürst anwesend wäre, in den strittigen Religionsfragen exponieren und damit entweder „irer kgl. Mt. beschwerlich sein oder uns bei den andern einen treflichen unwillen aufladen“ müsste85. Beides führte dazu, dass er „kunftig irer kgl. Mt. mit desto wenigerm nutz dinen“ könnte und der Argwohn anderer Stände gegen Kursachsen wegen der Förderung der Türkenhilfe beim Reichstag weiter gesteigert würde. August empfahl deshalb nochmals die Anhörung der kaiserlichen Werbung durch die kurfürstlichen Gesandten. Lehnte Ferdinand dies ab, lautete das Maximalangebot in einer Zusatzinstruktion86: Anreise nur, wenn zumindest die drei geistlichen Kurfürsten anwesend sind; keine Befassung der Kurfürsten mit den Hauptverhandlungen des Reichstags, sondern lediglich Anhörung der kaiserlichen Gesandtschaft; Beschränkung des Aufenthalts in Regensburg auf höchstens acht Tage. Eine wichtige Ergänzung der Beauftragung regte Mordeisen selbst an87, indem er August über die Aussage in der Antwort des Königs zur Freistellung88 unterrichtete, die CA-Stände hätten beim Reichstag 1555 den Geistlichen Vorbehalt bewilligt. Mordeisen empfahl, die Teilnahme am Kollegialtag damit zu verknüpfen, um so zumindest die Suspendierung des Geistlichen Vorbehalts bis zum nächsten Reichstag durchzusetzen. Der Kurfürst wies Mordeisen exakt in diesem Sinn an, deklarierte allein die Behauptung des Königs als Hindernis für sein Erscheinen und forderte die Suspendierung des Geistlichen Vorbehalts als Bedingung dafür89.
In der Audienz Mordeisens beim König am 12. 2. 1557 folgte dem Vortrag der Instruktion ein fast zwei Stunden dauerndes Gespräch allein mit Ferdinand, bei dem dieser seine persönliche Verbundenheit mit August zum Ausdruck brachte und sich sehr emotional zu den Verhandlungen um den Geistlichen Vorbehalt erklärte90. Zum Inhalt der kaiserlichen Werbung wollte er nur äußern, es „wer wol etwas mit der resignation“, das aber nur vertraulich mit den Kurfürsten persönlich geregelt werden könne. „Haben mir ferner von des babsts unnd kunig von Franckreichs vorhabenn, das keiserthumb vonn der teutschen nation zu transferiren, allerlei gesagt, unnd entlich darauff beruhet, je lenger man mit der zusammenkunfft vorzöge, je beschwerlicher es dem gantzenn Reich unnd sunderlich denn churfursten seinn wurde“91. In der offiziellen Antwort zur Werbung allerdings akzeptierte Ferdinand aufgrund der beharrlichen Verweigerung nunmehr die Entschuldigung des Kurfürsten. Er verzichtete damit auf die Versammlung des Kurkollegs in Regensburg und berief es für 1. 5. 1557 nach Eger ein in der Erwartung, dass August dorthin kommen und dies bei den anderen Kurfürsten befördern werde92. Der Vortrag der Zusatzinstruktion mit dem bedingten Angebot der Anreise hatte sich damit erübrigt93.
Die Planung Ferdinands, die Übertragung des Kaisertums von Karl V. auf seine Person bei einem Kurfürstentag neben dem Reichstag in Regensburg zu vollziehen, die er mit erheblichem Aufwand seit Oktober 1556 verfolgt hatte, war damit letztlich am Widerstand Augusts von Sachsen gescheitert. Der König sah sich deshalb gezwungen, die geistlichen Kurfürsten zunächst zur Einstellung ihrer Anreisevorbereitungen zu veranlassen94, ehe er das rheinische Kollegium insgesamt ab Ende Februar durch seinen Gesandten Georg Spät ausführlicher davon unterrichtete95, dass der Kollegialtag in Regensburg wegen des Fernbleibens Kursachsens und Kurbrandenburgs nicht zusammentreten könne und deshalb bis 1. 5. 1557 nach Eger verschoben werden müsse. Nachdem die rheinischen Kurfürsten im Folgenden die Veranstaltung in Eger ablehnten, konnte die Resignation des Kaisertums letztlich erst im März 1558 in Frankfurt vollzogen werden96.
Als weitere Konsequenz der Absage des Tages in Regensburg musste Ferdinand die Anreiseplanung der kaiserlichen Gesandtschaft ändern. Hatte er zuvor König Philipp von Spanien am 20. 11. 1556 gebeten, den Abdikationsgesandten Wilhelm von Oranien nach Regensburg abzuordnen und dies zuletzt am 24. 1. 1557 bekräftigt, so musste er die Anreise nunmehr widerrufen und die spätere Entsendung Oraniens nach Eger anfordern97. Der zweite Abdikationsgesandte, der ehemalige und zukünftige Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld, kehrte nach der Auflösung der Kanzlei Karls V. im September 1556 in Brüssel nach Bayern zurück98 und war seit 3. 1. 1557 in Regensburg anwesend99. Er trat dort auf offizieller Reichstagsebene erst im Ausschuss zur Prüfung des Reichsabschieds in Erscheinung100. Auch der dritte in den Vollmachten Karls V.101 genannte Gesandte, Reichssekretär Wolf Haller102, hielt sich im Dezember 1556 bereits im Reich auf und plante die Reise nach Regensburg103. Seine dortige Anwesenheit ist nicht belegt.
4.2 Anreise und Eintreffen der Teilnehmer
4.2.1 Organisatorische Vorbereitungen. Kosten
Der Reichsabschied 1555 hatte Regensburg als Veranstaltungsort des für 1. 3. 1556 einberufenen Reichstags festgelegt104. Da die dortige Durchführbarkeit wegen der Gerüchte um eine Pestepidemie aber gefährdet schien, ließ König Ferdinand um die Jahreswende 1555/56 geheim erkunden, wie die Situation in Regensburg um die „sterbenden leuff“ geschaffen war. Nachdem die Auskünfte eine akute Epidemie nicht bestätigten105, konnte man mit der Organisation des Reichstags beginnen.
Für die Quartiervergabe war der Reichserbmarschall in Zusammenarbeit vorrangig mit der ausrichtenden Stadt106 zuständig. Entsprechend richteten die Reichsstände auch 1556 ihre Anfragen um Unterstützung bei der Quartiernahme sowohl an Reichserbmarschall Wolfgang von Pappenheim107 wie an die Stadt Regensburg108. Pappenheim kam zwar Anfang März 1556 nach Regensburg, nachdem ihn der dortige Rat über die Ankunft der ersten Gesandten unterrichtet hatte109, er weigerte sich aber, die Vergabe der Unterkünfte vorzunehmen, bevor der noch nicht anwesende Quartiermeister des Königs dessen Residenz und die Häuser für den königlichen Hofstaat eingenommen habe110. Die Weigerung Pappenheims bestätigt ein Bericht vom 5. 5. 1556, wonach bis dahin trotz dessen Anwesenheit noch niemand einfuriert war111. Der königliche Quartiermeister war kurz zuvor am 30. 4. 1556 angekommen. Er besichtigte die für Ferdinand und dessen Hofstaat vorgesehenen Häuser und überließ die noch übrigen Unterkünfte dem Reichserbmarschall zur Vergabe an die Reichsstände112.
Deren Gesandte verzichteten freilich zum Teil auf die Zuweisung einer regelrechten Unterkunft, da sich die Unterbringung in einem Wirtshaus gegenüber der Einlogierung bei einem Bürger als kostengünstiger erwies, so lange die Reichsstände aufgrund der wiederholten Eröffnungsaufschübe nur mit reduzierten Delegationen vertreten waren. Dies galt selbst für die Kurmainzer Gesandtschaft, die, so lange sie sich auf Kanzler Matthias und Sekretär Bagen mit ihrem Begleitpersonal beschränkte, von Anfang März bis Anfang Oktober 1556 im Wirtshaus „Zum Kreuz“ logierte, da dies günstiger war als der Mietzins von wöchentlich 20–22 fl. für das Haus, das die Mainzer Vertretung beim Reichstag 1546 bewohnt hatte. Erst als die Verhandlungen bereits begonnen hatten und die Mainzer befürchteten, aus der Unterbringung im Wirtshaus könnte „allerhandt gefhärlicher verwiß“ entstehen, bezogen sie am 9. 10. 1556 eine regelrechte, mit einer wöchentlichen Miete von 9 fl. aber günstigere Herberge, die nunmehr, nach der Ankunft weiterer Gesandter, aufgrund des Pauschalpreises billiger war als die Einzelkosten im Wirtshaus113. Auch die Verordneten anderer Stände bevorzugten die Unterkunft in Wirthäusern: Bis 17. 6. 1556 hatten lediglich Bayern, Jülich, Württemberg, Augsburg und Salzburg ihre Herbergen bezogen, alle anderen Deputierten logierten aufgrund der hohen Mietforderungen im Wirtshaus114.
Im Gegensatz zu anderen Reichstagen115 sind für 1556 kaum Differenzen um bevorzugte Quartiere überliefert, was wohl daran lag, dass keine Kurfürsten und nur wenige Fürsten persönlich teilnahmen. Belegt ist ein Streit Marx Zimmermanns, Gesandter der Stadt Augsburg, mit dem königlichen Quartiermeister, der sich trotz einer „ehrlichen verehrung“ gegen die Überlassung eines gewünschten Hauses sträubte. Nachdem Zasius dem Quartiermeister „uber das maul gefharen ist“, bot dieser Zimmermann eine anderweitige „luftige und bequeme herberg“ an116.
Aufwendiger als für die reichsständischen Gesandten gestaltete sich die standesgemäße Unterbringung des Königs und seines Hofes. Dafür hatte Ferdinand bereits Anfang Februar 1556 die Abordnung seines Kammerfuriers Veit Schärdinger angekündigt und die Stadt Regensburg aufgefordert, ihn zu unterstützen117. Wegen des Reichstagsaufschubs kam Schärdinger allerdings erst Ende April kurz vor dem königlichen Quartiermeister Hans Roggner an118. Der Furier machte sich wohl umgehend an die Um- und Anbauten im Predigerkloster (Dominikanerkloster), der Residenz des Königs während des Reichstags, um es mit seinem Umfeld den Erfordernissen Ferdinands auch im Hinblick bereits auf den Winter anzupassen: Mitte Juni wurde berichtet119, der königliche Kammerfurier bereite das Predigerkloster und drei angrenzende Häuser seit fast einem viertel Jahr „mit großen costen“ vor. Er habe „in die kirchen ain durchganng gemacht, oben gleich biß an den chor, daselbst zuvor ain orgel gestannden, die aber yetzt hienweg geprochen, unnd fuer die röm. kgl. Mt. ain winter stüeblein dahien aufgeschlagen würdet.“
Die Einzelquartiere der reichsständischen Delegationen insgesamt sind für 1556/57 nicht nachweisbar, da kein Furierlibell aufgefunden werden konnte. Auf Engpässe bei der Unterbringung, wie sie bei anderen Reichstagen zu beobachten sind120, verweist lediglich ein Bericht von J. U. Zasius. Demnach bestand „alhie grosse nott herberg halb“. Die Gesandten des Bischofs von Augsburg „bewerben sich hefftig umb herberg unnd haben noch khaine“. Belastender war die auf Reichstagen aufgrund steigender Nachfrage übliche Preissteigerung für Quartiere und Lebensmittel, gegen die einzuschreiten Zasius den König bat. „Dann sonnst were das ain sondere unnd über beschwerliche, vor nie erhörte schatzung; zu dem, das ausser holtz sonst inn allem nitt geringe theurung, böße ordnung und überschatzung alhie, unnd bey den fürnembsten inn der oberkheit am gemainsten ist“121.
Trotz dieser Klage wurde nach der Ankunft Ferdinands am 7. 12. 1556 die Reichstagsordnung122 zur Eindämmung der Preise erst mit dem Datum 10. 1. 1557 ausgefertigt. Sie enthielt die üblichen Vorschriften zur Sicherung von Ruhe und Ordnung zwischen den Reichstagsteilnehmern und mit Fremden, genaue Feuerschutzbestimmungen sowie Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Seuchen, ordnete in der Taxordnung exakte Höchstpreise für Mahlzeiten in Wirtshäusern sowie für Stallmiete und Futter der Pferde an, regelte die Beilegung von Differenzen um die Mietpreise für die Unterkünfte, die aber nicht vorgegeben wurden, sowie die Zufuhr und den Verkauf von Lebensmitteln, Futter und Heizmaterial nach und in Regensburg.
Die von Zasius und zuvor bei der Quartiernahme angesprochenen Kosten der Reichstagsteilnahme lediglich von Gesandten, also ohne den repräsentativen Aufwand, den die persönliche Anwesenheit von Kurfürsten oder Fürsten nach sich zog, fallen 1556/57 in Verbindung mit der Preissteigerung aufgrund der langen Dauer der Reichsversammlung – manche Deputierte hielten sich etwa ein Jahr in Regensburg auf – besonders ins Gewicht. Veit Krummer, der Verordnete Herzog Heinrichs von Braunschweig, beklagte im Januar 1557, man verlange allein für eine Stube und Kammer ohne Verpflegung wöchentlich 7 Taler. Daneben führten Engpässe bei der Versorgung mit Hafer, Heu und Stroh für die Pferde zu ungewöhnlich hohen Kosten. Krummer ging davon aus, er werde monatlich trotz aller Sparsamkeit mit kaum weniger als 100 Talern auskommen123. Der Mecklenburger Drachstedt konstatierte einen wöchentlichen Finanzbedarf ohne Sonderausgaben von etwa 20 Talern124. Dies entspricht in etwa dem Aufwand der beiden hessischen Deputierten Kram und Lersner, die in den ersten 18 Wochen (5. 6.–9. 10. 1556) ca. 800 fl. benötigten125.
Die mit dem Reichstag verbundenen Gesamtkosten sind für 1556/57 anhand einiger Schlussabrechnungen zu benennen. Die Abrechnung des Mecklenburger Gesandten Karl Drachstedt belief sich für den Zeitraum vom Aufbruch am 29. 8. 1556 bis zu seiner Rückkehr Anfang April 1557, also für etwa 31 Wochen, auf 1333 Taler126, allerdings einschließlich einer zwischenzeitlichen Reise von Regensburg nach Wien an den Königshof, deren hohe Kosten er ausdrücklich hervorhob127. Der kursächsische Sekretär Lorenz Ulmann bezifferte die Ausgaben128 der gesamten Delegation mit drei Gesandten und dem zugehörigen Personal im Zeitraum vom 10. 8. 1556 (Abreise in Dresden) bis zur Rückkehr um den 20. 3. 1557 auf 3880 fl., wovon 2159 fl. auf Küche und Keller sowie 480 fl. auf die Miete entfielen. Die wöchentlichen Kosten in Regensburg bewegten sich meist in einem Rahmen von ca. 90–120 fl. Die wechselnd mit bis zu vier Personen besetzte Gesandtschaft der Stadt Nürnberg gab in einem größeren Zeitraum von 47 Wochen insgesamt 5665 fl. aus. Auch hier bildeten Verpflegung (3247 fl.) und Miete (752 fl.) die größten Posten129.
4.2.2 Anreise und Ankunft der Teilnehmer
Der Reichsabschied 1555 legte mit der Prorogation der Religionsverhandlungen fest, dass beim künftigen Reichstag die Kurfürsten und Fürsten „in aignen personen erscheinen und ausserhalb khündtlicher leibßschwacheit und unvermöglichkeit, auch andern eehaften ursachen nit außbleiben sollen“130. Auf dem Hintergrund dieser Vorgabe sowie der wiederholten Werbungen König Ferdinands um den Reichstagsbesuch131 erscheint der Anwesenheitsstand der höheren Reichsstände, wie ihn die Subskription des Reichsabschieds ausweist, im Vergleich mit anderen Reichstagen eher niedrig: Kein Mitglied des Kurkollegs kam nach Regensburg, von den geistlichen Fürsten waren mit dem Erzbischof von Salzburg, dem Deutschmeister sowie den Bischöfen von Bamberg, Würzburg, Eichstätt, Augsburg, Regensburg und Merseburg immerhin acht persönlich anwesend, während von den weltlichen Fürsten mit Albrecht von Bayern, Wolfgang von Zweibrücken, Erich von Braunschweig, Christoph von Württemberg, Philibert von Baden, Ludwig Heinrich von Leuchtenberg und Burggraf Heinrich von Meißen nur sieben anreisten.
Doch gibt selbst diese geringe Quote noch ein geschöntes Bild wieder, wenn man berücksichtigt, dass Pfalzgraf Wolfgang erst im März 1557 wegen einer Privatsache nach Regensburg kam und Erich von Braunschweig nur vom 28. 11. bis 12. 12. 1556 sowie Christoph von Württemberg vom 14. bis 25. 1. 1557 anwesend waren132, Letzterer zunächst primär wegen der Teilnahme an der Vermählung Markgraf Philiberts von Baden mit Mechthild von Bayern133. Der Herzog war am 8. 1. 1557 in Stuttgart aufgebrochen und über Göppingen, Heidenheim, Donauwörth und Neuburg134 nach Regensburg angereist, das er am 14. 1. mit einem Begleittross von ca. 150 Pferden erreichte135 . Auch Bischof Georg von Bamberg hielt sich nur ganz kurzfristig vom 30. 12. 1556 bis 2. 1. 1557 am Reichstag auf, um seine Regalien zu empfangen136. Bischof Melchior von Würzburg kam ebenfalls am 30. 12., blieb aber ebenso länger in Regensburg wie die am 28. 11., 15. 12. und 21. 12. erschienenen Bischöfe von Augsburg, Eichstätt und Merseburg. Herzog Albrecht von Bayern eröffnete in seiner Funktion als königlicher Kommissar den Reichstag am 13. 7. und war im weiteren Verlauf mit Markgraf Philibert von Baden nur sporadisch präsent137.
Der Großteil der Fürsten blieb dem Reichstag demnach trotz der wiederholten Bitten Ferdinands fern. Ihre Entschuldigungen138 beriefen sich auf die unabdingbare Anwesenheit in ihren Territorien oder Kreisen wegen akuter Gefährdungen des Landfriedens139 oder wegen befürchteter Neuerungen im Religionsstatus140, auf gesundheitliche Probleme141, die hohen Kosten der Reichstagsteilsnahme im Hinblick auf die Verarmung des Territoriums142, anderweitige dringende Verrichtungen und allgemeine ‚ehafte‘ Ursachen143 oder auf eine Kombination der genannten Argumente.
Bei den gesandtschaftlich vertretenen Reichsständen ist zu differenzieren zwischen Teilnehmern am Vergleichstag im Markgrafenkrieg, die teilweise, aber nicht durchgehend auch für den Reichstag bevollmächtigt waren, und den Deputierten nur für den Reichstag, die wegen dessen Aufschubs erst später kommen mussten, während der Vergleichstag unverändert am 1. 3. 1556 begann. Entsprechend waren die daran als Vermittler, Betroffene oder Beistände teilnehmenden Stände als erste in Regensburg repräsentiert, freilich in einer gegenüber dem Reichstag eingeschränkten Besetzung: Die reichsständischen Vermittler Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kurpfalz, Salzburg, Konstanz, Bayern, Jülich, Reichsprälaten (vertreten durch den Abt von St. Emmeram), Wetterauer Grafen, Städte Straßburg und Regensburg sowie die königlichen Kommissare kamen zwischen 28. 2. und 14. 4. 1556 an144, Würzburg, Bamberg und Nürnberg als Mitglieder der Fränkischen Einung waren bis 2. 3. präsent, Brandenburg-Ansbach schickte seinen ersten Gesandten als Beistand für Markgraf Albrecht Alkibiades bis 20. 4. 1556145. Die ersten Abordnungen nur zum Reichstag erfolgten im Zusammenhang mit der Ankündigung des neuen Eröffnungstermins 1. 6. 1556 durch König Ferdinand: Im Zeitraum vom 1. 6. bis 12. 6. kamen die Gesandten der Bischöfe von Speyer und Straßburg, der Äbte von Fulda und Hersfeld sowie von Pfalz-Zweibrücken, Braunschweig (Erich), Württemberg, Sachsen, Hessen und Henneberg146. Die Kurbrandenburger Verordneten erschienen am 2. 7., also noch vor der neuerlich verzögerten Reichstagseröffnung am 13. 7. Daran nahmen neben Albrecht von Bayern, Philibert von Baden und dem Bischof von Regensburg die überwiegend noch immer unvollständig besetzten Gesandtschaften von fünf Kurfürsten (ohne Kursachsen), sieben geistlichen Fürsten, sechs weltlichen Fürsten, zwei Grafenkollegien und vier Reichsstädten teil147. Die Delegation Kursachsens traf nach einer individuellen Aufforderung König Ferdinands an Kurfürst August148 erst ab 12. 8. ein. Auch weitere Mitglieder des Fürstenrats schickten ihre Deputierten erst im Verlauf des Herbst 1556. Ungewöhnlich spät erfolgte der Reichstagsbesuch vieler Reichsstädte: Am Städterat waren bis Oktober nur Straßburg, Augsburg, Nürnberg und Regensburg beteiligt, bevor zunächst Ulm hinzukam. Der Großteil der Reichsstädte, darunter Kommunen wie Köln, Frankfurt oder Speyer, ordnete die Gesandten erst bis Anfang Januar 1557 zum Termin des für 1. 1. ausgeschriebenen Städtetags ab149, während sie die vorherigen Reichstagsverhandlungen trotz eines Mahnschreibens des Städterats vom 30. 9. 1556150 weitgehend ignorierten151.
Der Vertretungsstand insgesamt, wie ihn die Subskription des Reichsabschieds wiedergibt, erreichte 1556/57 im Vergleich mit den vorausgehenden Reichstagen des 16. Jahrhunderts152 bei allen reichsständischen Gruppierungen durchschnittliche Werte, wenn man die zahlreichen Mehrfachbevollmächtigungen mit einbezieht, wobei die geistlichen und weltlichen Fürsten etwa gleich stark repräsentiert waren. Etwas aus dem Rahmen fallen die niedrigen Quoten der Reichsgrafen (50%) und der eigenständig vertretenen Reichsstädte (40%). Von den wichtigeren Ständen fehlte auf der geistlichen Fürstenbank das Erzstift Magdeburg. Zwei seit 11. 6. 1556 in Regensburg anwesende Gesandte nahmen lediglich am Vergleichstag im Markgrafenkrieg als Beistände auf markgräflicher Seite teil, akkreditierten sich aber nicht für den Reichstag153. Auf der weltlichen Fürstenbank fehlte das Herzogtum Holstein, das wegen der strittigen Session im Fürstenrat auf die Teilnahme verzichtete154.
Bedingten die Aufschübe des Reichstags zunächst die dargestellten zeitlich gestaffelten Ankünfte, so veranlassten die folgenden Verhandlungsverzögerungen bis Ende November155, dass viele der im Sommer 1556 erschienenen Deputierten Regensburg zeitweilig verließen oder von ihren Herrschaften vorübergehend abgezogen wurden, um Kosten zu sparen156. Noch im Juni beriefen die Bischöfe von Würzburg und Bamberg ihre Delegationen bis auf jeweils einen Verordneten ab. Ebenso reisten die Gesandten des Bischofs von Straßburg und Pfalz-Zweibrückens ab157. Die kursächsische Delegation war infolge der Rückreise einzelner Deputierter bis Dezember fast durchgehend unvollständig besetzt: Könneritz war von Ende September bis Ende Oktober abwesend, Lindemann in der zweiten Oktoberhälfte158, anschließend hielt sich Kram von Anfang November bis Mitte Dezember in Sachsen auf159.
Selbst die königlichen Kommissare nutzten die Verhandlungsunterbrechung für Privatverrichtungen. Wilhelm von Waldburg und Zasius unterrichteten den König am 19. 7. darüber, dass aufgrund der eingestellten Beratungen fast alle Gesandten Regensburg verlassen hätten: Einige seien heimgereist, andere hätten „spatzier ritt fürgnomben, ains thaylls geen Saltzburg und weitter inn dasselbe gebürg hinein unnd zum thayl ann anndere ortt etc.“ Unter Berufung darauf reiste am 17. 7. Georg von Helfenstein vorübergehend ab, ebenso wollte Zasius in Augsburg eine dem König bekannte „verrichtung inn eyl und engg vollenden“160. Da danach auch der allein zurückgebliebene Truchsess von Waldburg Regensburg am 28. 7. verließ, war bis zu seiner Rückkehr am 7. 8.161 kein Vertreter des Königs am Reichstag präsent. Bei der von Zasius angesprochenen ‚Verrichtung‘ handelte es sich um seine Hochzeit mit Maria Uttinger, die er am 2./3. 8. 1556 in Augsburg feierte. Anwesend waren unter anderem Herzog Albrecht von Bayern und Markgraf Philibert von Baden sowie die Reichstagskommissare von Waldburg und von Helfenstein162. Letzterer kehrte am 18. 8. nach Regensburg zurück163. Wenngleich das königliche Kommissariat nur etwa eine Woche unbesetzt blieb, veranlasste dieser Umstand heftige Kritik der am Reichstag verbliebenen Gesandten. Jakob Plattenhardt, Verordneter der fränkischen Grafen, warf ihnen vor, sie seien „securi, ziehent spaciren und machent hochzitt, lassent uns oscitantes alhie sitzen“164. Die Herzöge von Sachsen kritisierten die Abreise der Kommissare ohne jeden Bescheid an die Ständedeputierten nur „nach irer gelegenheit unnd in aigenen privat sachen“ und folgerten daraus, die Türkennot in Ungarn könne nicht so groß sein, wie sie in der Proposition dargestellt worden war165.
Obwohl der Reichsabschied 1555 im Hinblick auf die Beratungen zum Religionsvergleich die Zuziehung von Theologen vorsah166, erschien zunächst lediglich Erhard Schnepf für die Herzöge von Sachsen167. Er verließ den Reichstag, bevor die Religionsverhandlungen aufgenommen wurden. Für Kurpfalz kam der bis dahin auf Abruf bereitstehende Dr. Johann Faber, Superintendent in Burglengenfeld, Anfang Dezember, um im Religionsausschuss mitzuwirken168. Er war in der ersten Ausschusssitzung am 9. 12. 1556 anwesend, nahm im weiteren Verlauf aber nur sporadisch daran teil, ohne zu votieren169. Für Kurmainz erschien am 20. 1. 1557 der Theologe Lic. Georg Böhm, um die Gesandten zu unterstützen170. Kurfürst Joachim von Brandenburg hielt die Zuordnung von Theologen für die Beratungen nur der Wege zum Religionsvergleich nicht für erforderlich171, während Kurfürst August von Sachsen sie in seiner Konzeption, Religionsverhandlungen möglichst zu umgehen, gezielt unterließ172.
Im Gegensatz zu anderen Reichstagen sind 1556/57 kaum ausländische Gesandtschaften als Randteilnehmer oder Beobachter nachzuweisen. Gesichert ist die Anwesenheit des venezianischen Gesandten am Hof Ferdinands I., Paolo Tiepolo, der im September 1556 nach Regensburg kam und dort bis zum Ende des Reichstags blieb173.
Der Verzicht der Kurie in Rom auf die Sendung eines Legaten oder die Bestellung eines Nuntius wurde bereits erwähnt174. England175 war ebenso wenig vertreten wie Frankreich, das sich im Vorfeld um den Zugang bemüht hatte176, dann aber gegen die Erwartung auch König Ferdinands keine Gesandten schickte177. Vonseiten König Philipps II. von Spanien hielt sich lediglich der Söldnerführer Alvaro de MenDOZA im Dezember 1556 in Regensburg auf, um von König Ferdinand die Erlaubnis für Truppenwerbungen zu erbitten178. Eine spanische Gesandtschaft erschien nicht. Die von König Sigismund II. August von Polen geplante Abordnung des Kaspar von Lehndorff, Hauptmann zu Preußisch-Eylau, nach Regensburg im Zusammenhang mit der Krise in Livland unterblieb ebenfalls179. Daneben wird in der älteren Literatur anhand einer aus dem Nachlass des Sigmund von Herberstein stammenden Instruktion Zar Iwans IV. die Anwesenheit einer moskowitischen Gesandtschaft im Januar oder Februar 1557 konstatiert. Die nicht datierte Instruktion deutet inhaltlich auf das Jahr 1556 als Ausstellungsdatum hin und bietet im Wesentlichen die Unterstützung im Türkenkampf, den Versuch einer Union der griechischen und lateinischen Kirche sowie die Anbahnung einer engeren Verbindung des Zaren zum Reich an, für die ein ständiger Gesandter am kaiserlichen bzw. königlichen Hof oder sonst im Reich installiert werden sollte. Zu diesem Zweck erfolgte mit der Instruktion die Abordnung zweier Fürsten180. Ob die Instruktion, die Authentizität der Quelle vorausgesetzt, vollzogen, die Legation also durchgeführt wurde, scheint zumindest zweifelhaft. Jedenfalls fällt auf, dass sie weder in der umfangreichen Reichstagskorrespondenz noch in anderweitigen Akten der Reichsversammlung 1556/57 Erwähnung findet.
4.2.3 Vertretung des Königs. Verspätete Ankunft Ferdinands I.
König Ferdinand hatte Ende Februar 1556 für den Vergleichstag im Markgrafenkrieg Graf Georg von Helfenstein181, Erbtruchsess Wilhelm d. J. von Waldburg182 und Georg Illsung183 als Kommissare benannt184 und ihnen später daneben noch vor der Eröffnung des Reichstags dortige Aufgaben wie die Bekanntgabe des Verhandlungsaufschubs am 10. 6. 1556185 übertragen. Da sich die Anreise Ferdinands weiterhin verzögerte und er den Reichstag deshalb von Herzog Albrecht von Bayern eröffnen ließ, beauftragte er seine bisherigen Vertreter beim Vergleichstag am 30. 6. 1556 auch für die Reichsversammlung, um dort während seiner Abwesenheit als Kommissare und zugleich als Repräsentanten des Hauses Österreich im Fürstenrat zu wirken. Die Delegation wurde dafür um Dr. Johann Ulrich Zasius186 auf vier Mitglieder erweitert187 und am 3. 7. 1556 instruiert188. Die zu diesem Zeitpunkt in Regensburg anwesenden Kommissare von Helfenstein und von Waldburg forderten in Anbetracht der baldigen Eröffnung die sofortige Anreise von Zasius für die Teilnahme am Fürstenrat und die dortige Protokollführung an, „dann wier zue solcher sachenn mit taugenlichen leuthen mit nichten versehenn, noch vil weniger fur unnsere personen darzue geschickt sein“189.
Was die Gesamtrepräsentanz betraf, empfahlen die Kommissare Ferdinand eine offizielle Aufteilung der Aufgabenfelder als Vertreter des Königs einerseits und als Repräsentanten Österreichs in den Kurien andererseits, um damit dem Vorwurf vorzubeugen, man würde sich mittels der Doppelfunktion „zwiefacher unnderschidlichen verrichtungen bey den Reichs tractäten“ unterstehen, um so die Absichten der Reichsstände in Erfahrung zu bringen190. Ferdinand bestätigte daraufhin seine zuvor zeitgleich mit der Empfehlung der Kommissare ergangene Weisung191 für die Aufgabenteilung nochmals: von Helfenstein und Illsung sollten mit Herzog Albrecht von Bayern das königliche Kommissariat übernehmen und daneben am Vergleichstag im Markgrafenkrieg mitwirken, während Zasius und von Waldburg Session und Stimme für das Haus Österreich im Reichsrat wahrzunehmen hatten. Die Kommissare sollten dies den Reichsständen bekannt geben, um den angesprochenen Verdacht auszuräumen, und Zasius und von Waldburg sich als Gesandte für das Haus Österreich bei der Mainzer Kanzlei anmelden192. Da sich die Anreise des Königs wegen des türkischen Vorstoßes in Ungarn und der Entwicklung in Siebenbürgen bis Dezember verzögerte193, wurde die Aufgabenteilung in dieser Form bis dahin beibehalten, sieht man vom vorübergehenden Abzug Illsungs vom Reichstag ab.
König Ferdinand brach zu seiner seit dem Frühjahr oftmals aufgeschobenen Reise zum Reichstag am 23. 11. 1556 in Wien auf. Die Anreisestationen nach der ersten Übernachtung in Tulln194 sind nicht überliefert, ebenso konnten keine anderweitigen Nachrichten über die Reichstagsfahrt bis zur Ankunft am 7. 12. aufgefunden werden. Währenddessen veranlasste seine Anreise weitere organisatorische Vorbereitungen in Regensburg. So ließen die Reichsfürsten, die ihr Kommen am König orientierten, die Quartiere für sich einnehmen und Stallungen für die mitgeführten Pferde bereitstellen195. Herzog Albrecht von Bayern sah sich in seiner Funktion als Prinzipalkommissar auch hier in besonderer Verantwortung. Er begab sich am 21. 11. 1556 von München nach Ingolstadt, forderte von dort aus Informationen zur Ankunft des Königs an196 und erschien am 28. 11. in Regensburg, wo man dessen Eintreffen bereits für 5. 12. erwartete197. Vielleicht aufgrund schlechter Wegverhältnisse198 verzögerte sich der Einzug des Königs und Erzherzog Karls jedoch bis zum Nachmittag des 7. 12. Beide wurden empfangen von Herzog Albrecht von Bayern, Erzbischof Michael von Salzburg, den Bischöfen Otto von Augsburg und Georg von Regensburg, Herzog Erich von Braunschweig, Markgraf Philibert von Baden und den Gesandten der übrigen Reichsstände199. Der König blieb sodann bis zum Abschluss des Reichstags in Regensburg. Er verließ die Stadt nach der Verlesung des Reichsabschieds am 16. 3. 1557 im 12 Uhr mittags200.
Als problematisch erweist sich die Beschreibung des Hofstaates Ferdinands beim Reichstag 1556/57, da kein spezielles Verzeichnis201 oder eine Auflistung des königlichen Gefolges aufgefunden werden konnte. Anhand der wenigen Hinweise in den Akten und Korrespondenzen, die sich auf die engsten Mitarbeiter des Königs beschränken, ist neben den genannten Kommissaren die Anwesenheit folgender Räte belegt: Mit Ferdinand202 kamen Hofvizekanzler Jakob Jonas203, Obersthofmarschall Johann Trautson204, der Geheime Rat Georg Gienger205 und Sekretär Leopold Kirchschlager206, dessen Mitwirkung zahlreiche von seiner Hand gefertigte Konzepte für königliche Resolutionen belegen. Seit 3. 1. 1557 hielt sich der ehemalige und zukünftige Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld im Dienst des Königs am Reichstag auf207. Er wurde von Ferdinand zu den Sitzungen des Geheimen Rates und des erweiterten Hofrates eingeladen208. Während der 1556/57 in den Geheimen Rat aufgestiegene Leonhard von Harrach209 nicht mit nach Regensburg kam, ist die Anwesenheit des böhmischen Kanzlers Joachim von Neuhaus210 gesichert.
Daneben berief Ferdinand für die Verwendung im königlichen Dienst, dessen Einzelheiten vor Ort erläutert werden sollten, nach Regensburg: Graf Haug von Montfort, Graf Ludwig von Stolberg, Konrad von Rechberg, Georg Spät, Hauptmann in Konstanz, Dr. Balthasar Stumpf211, Dr. Raban Eisenhut, Tiroler Kammerprokurator, und Sigmund von Hornstein, Landkomtur der Ballei Elsass und Burgund212. Das von Zasius als Versammlung der vom König verordneten „hofreichsräthe“, von Seld als ein ‚Rat für allgemeine Angelegenheiten‘213 bezeichnete Gremium wurde bis 3. 1. 1557 konstituiert. Ihm gehörten neben den Genannten Herzog Albrecht von Bayern als Präsident, Markgraf Philibert von Baden, Graf Georg von Helfenstein, Vizekanzler Jonas sowie die Räte „Dr. Lucretius“, also Johann Albrecht Widmannstetter214, Dr. Gerhard [von Ach], Dr. Kaspar von Niedbruck215 und später Seld an.
Von den Söhnen des Königs zog Erzherzog Karl zusammen mit ihm am 7. 12. 1556 in Regensburg ein. Am 14. 1. 1557 erschien Erzherzog Ferdinand, den Herzog Albrecht von Bayern zur Hochzeit seiner Schwester mit Markgraf Philibert von Baden eingeladen hatte216. Der Erzherzog nahm an einigen Verhandlungen teil, verließ den Reichstag aber bereits am 22. 1. 1557 und reiste nach Prag217.
Noch kürzer gestaltete sich der zweimalige Aufenthalt König Maximilians von Böhmen in Regensburg im Zusammenhang mit seiner Reise nach Brüssel zu Kaiser Karl V. im Sommer 1556218. Auf der Hinreise kam er in Begleitung seiner Frau und von Hofprediger Johann Sebastian Pfauser, „vir doctus et verus theologus“219, am Morgen des 14. 6. mit etwa 500 Pferden an und verließ die Stadt am 15. 6. um 6 Uhr früh220. Auf der Rückreise erreichte er Regensburg aus Ingolstadt kommend mit 20 Schiffen am Abend des 11. 9. und fuhr am nächsten Morgen um 5 Uhr wieder ab221. Er nutzte diesen kurzen Aufenthalt, um der niederösterreichischen Gesandtschaft in ihren religionspolitischen Anliegen seine Unterstützung bei König Ferdinand zuzusagen222. Eine längere Teilnahme am Reichstag scheiterte an den Differenzen mit Ferdinand I. um den Umfang der Bevollmächtigung Maximilians: Er hatte während der Reise nach Brüssel dem Wunsch seines Vaters entsprechend bei den rheinischen Kurfürsten für die Beförderung der Türkenhilfe gewirkt, wollte dies auf dem Reichstag aber nur fortsetzen, falls er „auch in dem articl, die religion belangende, bephelch erlangen“ möge. Da Ferdinand dies ablehnte, habe Maximilian „kurtz, rundt und nicht ohne ungedult gesagt, sie [kgl. W.] wolten es nicht thun. Dann vertrauete man ihrer kgl. W. nicht in der religion, so wolten sie auff dem reichstage alhier mit dem andern auch nichts zu schaffen habenn“223. Als Maximilian später doch nach Regensburg kommen wollte, verhinderte Ferdinand dies, indem er ihn, begründet mit der Abwesenheit seiner Person sowie der Erzherzöge Karl und Ferdinand, mit der Hofhaltung in Wien und mit Kommissionsaufträgen band, wohl um einem Engagement seines Sohnes für die CA-Stände beim Reichstag vorzubeugen224, wie es dessen konfessionelle Haltung und die engen Kontakte vermuten ließen, die er seit Sommer 1556 vor allem mit Herzog Christoph von Württemberg geknüpft hatte225. Maximilian brachte seine Enttäuschung darüber gegenüber Herzog Christoph ebenso zum Ausdruck wie die Beweggründe seines Vaters: Er habe seine Reichstagsteilnahme bei diesem nicht durchsetzen können. „Was awer die ursach ist, hat E. l. laichtlich awzunemen, wiewol ich verhoft hette, ich nit unnutz gewest sein; dan ander mit ier mt. nit so frai reden als ich thue; dan ich aines bösen beschaids wol gewant bin und las mich sollichn nit iern“226. Später wiederholte er: „[...] wan ich als guet pfafisch war als fillaicht andere, so hette mier ier mt. wol hinauferlaubt; sonst sich ich kain ursach, de ir mt. darzu bewegen kunt“227. Mit dem Einspruch Ferdinands gegen die Teilnahme scheiterte auch das von Maximilian namentlich bei Kurfürst August von Sachsen betriebene Projekt228, im Zusammenhang mit dem Reichstag und dem Rücktritt Kaiser Karls V. seine eigene römische Königswahl voranzubringen.