Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

1. Editionsgrundsätze

1.1. Konzeption und Gliederung

Der vorliegende Band 11 der Deutschen Reichstagsakten, Mittlere Reihe ist mit seinen über 2800 Druckseiten der bislang umfangreichste dieser Abteilung. Sein vergleichsweise großer Umfang erklärt sich dadurch, daß er die schriftliche Hinterlassenschaft von gleich zwei Reichsversammlungen enthält, nämlich der zu Augsburg 1510 und der zu Trier/Köln 1512. Seine Konzeption folgt derjenigen anderer Bände der Maximilian-Reihe, in denen aufgrund übergreifender Inhalte und längerfristiger Problemstellungen jeweils mehrere Versammlungen in einer Publikation behandelt worden sind bzw. werden.1 Auch zwischen den Reichstagen von 1510 und 1512 gab es eine ganze Reihe wichtiger thematischer Kontinuitäten. Auf außenpolitischem Gebiet war dies vor allem der von Kaiser Maximilian seit 1508 mit großer Erbitterung geführte Krieg mit der Republik Venedig, im Reichsinneren zogen sich die Konflikte zwischen dem Mainzer Erzbischof Uriel von Gemmingen und Kurfürst Friedrich von Sachsen um Erfurt, den sächsischen Herzögen und Herzog Johann III. von Kleve um das territoriale Erbe des verstorbenen Herzogs Wilhelm von Jülich-Berg, den beiden hessischen Landgräfinnen Anna von Mecklenburg und Anna von Braunschweig einerseits und dem hessischen Regiment andererseits sowie dem Wormser Bischof Reinhard von Rüppurr und der Reichsstadt Worms jahrelang hin. Den teilweise sehr wechselhaften Verlauf all dieser Vorgänge und Probleme, die in der Quellenüberlieferung teilweise sehr breiten Niederschlag fanden, galt es zu verfolgen und editorisch angemessen zu berücksichtigen.

Zur Verdeutlichung der genannten inhaltlichen Kontinuitäten erschien es auch sinnvoll, ja letztlich notwendig, den zwischen den beiden wichtigen Reichstagen zu Augsburg und Trier/Köln liegenden Zeitabschnitt von Juni 1510 bis März 1512 nicht einfach zu überspringen, handelte es sich doch dabei keineswegs um eine völlig reichstagsfreie und deshalb für die vorliegende Publikation irrelevante Zwischenperiode. Der in der ersten Oktoberhälfte 1510 in Überlingen und Konstanz durchgeführte kaiserliche Tag wird deshalb ebenso dokumentiert wie der für den 2. Februar 1511 in Augsburg geplante, dann aus verschiedenen Gründen zunächst nach Straßburg, anschließend nach Freiburg im Breisgau verlegte und am Ende doch nicht zustande gekommene Reichstag und die vom Kaiser für den 16. Oktober 1511 wiederum nach Augsburg ausgeschriebene, aber erneut nicht durchgeführte Versammlung, sind doch auch diese gescheiterten Projekte für die keineswegs geradlinige Entwicklungsgeschichte des Reichstags von großem Interesse. Sie belegen den auch im letzten Regierungsjahrzehnt Kaiser Maximilians I. noch immer unfertigen Charakter dieser zentralen Verfassungsinstitution und lassen erkennen, in welch hohem Maße sie nach wie vor dem prägenden Einfluß und dem Zugriff dieses eigenwilligen Monarchen unterworfen war.

Während der Augsburger Reichstag 1510 insofern den ganz „normalen“ Reichsversammlungen der Regierungszeit Maximilians I. zuzurechnen ist, als seine Verhandlungen ohne Unterbrechung an einem einzigen Ort stattfanden, wurde der Reichstag von 1512 nach knapp elfwöchigen Beratungen in Trier auf Betreiben des Kaisers nach Köln verlegt und dort rasch fortgesetzt, was auch die kontinuierlich weitergeführte Überlieferung der einschlägigen Akten in zahlreichen Archiven widerspiegelt. Daher bleibt der genannte Ortswechsel in der Gliederung des Quellenmaterials unberücksichtigt.

Die Reihenfolge der einzelnen Kapitel im Band ist für die beiden Reichstage 1510 und 1512 zum großen Teil identisch. Dabei verdeutlichen die jeweils am Anfang stehenden Abschnitte zu den „Außenpolitischen Rahmenbedingungen“ (I.1., IV.1.), wie sehr die Einberufung, der Verlauf und teilweise auch die Verhandlungsthemen beider Versammlungen von den weite Teile Europas umspannenden, ehrgeizigen Plänen Kaiser Maximilians bestimmt waren. In deren Mittelpunkt stand zwar lange Zeit seine kriegerische Auseinandersetzung mit Venedig, doch war dies keineswegs ein rein bilateraler Konflikt, vielmehr spielten darin auch andere europäische Mächte wie der Papst, Frankreich, England, Aragón, Böhmen-Ungarn, Mailand, Mantua und die Eidgenossenschaft eine wichtige Rolle. Obwohl es zu den grundlegenden Wesenszügen des Kaisers zählte, seine umtriebigen Absichten und Pläne vor Außenstehenden und gerade auch auf Reichsversammlungen nicht völlig offenzulegen, so stellten sie auf jeden Fall sowohl für den Reichstag 1510 als auch für die Zusammenkunft zwei Jahre später das entscheidende Motiv dar und gaben den dortigen Beratungen in hohem Maße Inhalt und Richtung vor. Diese Bedeutung der auswärtigen Politik Maximilians für das Verständnis der beiden Reichstage aufzuzeigen, ist Zweck der in Auswahl dargebotenen Quellenstücke zu den außenpolitischen Rahmenbedingungen.

Gegenstand der Abschnitte „Ladungen und Vorbereitungen“ (I.2., IV.2.) ist die im Fall von Trier/Köln 1512 mehrwöchige, im Fall von Augsburg 1510 sogar mehrmonatige Zeitspanne zwischen der Versendung des kaiserlichen Ladungsschreibens und dem Beginn der Beratungen. Dabei werden die Aktivitäten, Überlegungen und Absprachen von Kaiser und Reichsständen im Vorfeld des Reichstags sowie deren organisatorische Planungen für die Reise zum Tagungsort dokumentiert. Bisweilen treten auch die Gründe zutage, warum so mancher Geladener nicht persönlich auf dem Reichstag erschien, seine Ankunft bewußt hinauszögerte oder überhaupt nicht teilnahm.

Das Kernthema sowohl des Augsburger Reichstags als auch desjenigen in Trier und Köln bildeten die „Verhandlungen über Reichshilfe und Verfassungsfragen“ (I.3., IV.3.). Wie schon auf etlichen früheren Reichsversammlungen, so verlangte Kaiser Maximilian von den Ständen auch diesmal Unterstützung für seine Kriege gegen Venedig bzw. den Herzog von Geldern. Im Gegenzug wünschten die Stände größeres Engagement bei der Beilegung interterritorialer Konflikte, Maßnahmen für einen verbesserten reichsinternen Friedensschutz sowie Beseitigung von Mängeln beim Reichskammergericht. Die teilweise kontroversen Verhandlungen über diese beiden so unterschiedlichen Themenfelder zogen sich auf beiden Reichstagen vom ersten bis fast zum letzten Tag hin. Für Augsburg 1510 sind sie durch in der Regel chronologisch geordnete Zusammenstellungen kopial überlieferter Verhandlungsakten aus einer ganzen Reihe von Staats- und Stadtarchiven gut dokumentiert. Sie tragen oftmals die zeitgenössische Bezeichnung „Reichshandlung“ und ermöglichen es aufgrund der relativ dichten Abfolge der Einzelstücke, den Beratungsgang in seinen wesentlichen Zügen zu rekonstruieren. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Exemplar aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe (Nr. 94) zu, das als einziges auch über die ersten Verhandlungstage Anfang März 1510 Auskunft gibt. Andere Überlieferungen weisen hingegen unterschiedlich große Lücken auf, da manche Reichstagsteilnehmer erst verspätet eintrafen, früher abreisten, nicht an allen Beratungen teilnahmen oder von manchen Akten keine Abschriften erhielten. Auch zu den Kernverhandlungen des Reichstags 1512 liegen so viele Texte vor (Nr. 981-1011), daß sich ihr Verlauf von der Verlesung der Proposition am 16. April in Trier bis zum Kölner Reichsabschied vom 26. August (Nr. 1592) in seinen wesentlichen Schritten gut nachvollziehen läßt. Mit im Zentrum standen dabei die Vorbereitungen zu einer neuen Ordnung für das Reich, für die die Reichsstände in mehreren Textstufen einen Entwurf erarbeiteten (Nr. 989/I-III), aus dem nach langer, kontroverser Diskussion mit dem Kaiser schließlich die endgültige Reichsordnung vom 26. August mit wichtigen Regelungen zu aktuellen Problemen und Erfordernissen im Reich hervorging (Nr. 1011).

Ein weiteres wichtiges Thema auf beiden Reichstagen waren die Schiedsverhandlungen zu zahlreichen Zwistigkeiten zwischen Reichsgliedern bzw. – wie im Fall der Auseinandersetzung der beiden Deutschordenshochmeister Friedrich von Sachsen und Albrecht von Brandenburg mit König Sigismund von Polen – mit einer außerdeutschen Macht (I.4., IV.5.). Die Streitfälle deckten ein inhaltlich breites Themenspektrum ab, das von der massiven, hart am Rande eines Krieges verlaufenden Auseinandersetzung zwischen zwei Kurfürsten bis hin zur Uneinigkeit innerhalb einer niederadeligen Familie reichte. Zu ihrer Beilegung lud der Kaiser die beteiligten Parteien auf den Reichstag, um – gegebenenfalls zusammen mit den Reichsständen – eine gütliche Einigung zu versuchen oder eine rechtliche Entscheidung herbeizuführen. Bisweilen wurde er seinerseits von ihnen um eine Problemlösung gebeten. Zur leichteren und zügigeren Abwicklung besonders komplexer und schwieriger Verfahren wurde zumeist ein eigener Ausschuß gebildet. Die entsprechenden Vermittlungsgespräche fanden neben bzw. parallel zu den Kernverhandlungen über allgemeine Reichsangelegenheiten statt und erweiterten so das Arbeitspensum des Reichstags gleichsam um eine zusätzliche Dimension, deren Umfang und Zeitaufwand nicht von vornherein absehbar war. Diese befriedende bzw. friedenstiftende Wirksamkeit wurde im Laufe der Regierungszeit Maximilians I. für den Reichstag zu einer immer wichtigeren und wertvolleren Aufgabe, trug sie doch maßgeblich zum leidlich harmonischen Miteinander der Reichsglieder und damit letztlich zur inneren Stabilität des Reichsganzen bei. Natürlich hatte der Kaiser auch ein eigenes, ganz persönliches Interesse an der Beendigung interterritorialer Konflikte, weil sie die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der darin verwickelten Stände stark beanspruchten und ihre Bereitschaft zur tatkräftigen Unterstützung seiner Belange, insbesondere der Kriegspläne, in erheblichem Umfang beeinträchtigten.

Eine spezielle Form interständischer Streitigkeiten waren die auch auf den Reichstagen von 1510 und 1512 wieder auftretenden Sessionskonflikte (I.5., IV.6.). Diesmal beteiligten sich aber nicht nur Reichsfürsten und deren Abgesandte an diesem Wettstreit um Rang und Ansehen, sondern bemerkenswerterweise auch Vertreter mehrerer großer Reichsstädte.

Auch im vorliegenden Band werden wieder sämtliche von Kaiser Maximilian im Zuge der Reichstage vorgenommenen oder zumindest erwogenen Reichsbelehnungen, Privilegierungen, Begnadungen und Konfirmationen berücksichtigt (I.9., IV.9.). Obwohl nur einige von ihnen im Zuge der Beratungen eine Rolle spielten, wie etwa die heikle (und dann letztlich doch nicht zustande gekommene) Belehnung Kurfürst Ludwigs von der Pfalz (I.9.2.), so ist die stattliche Zahl entsprechender Vorgänge doch ein erneutes Indiz dafür, daß für etliche Besucher einer Reichsversammlung weniger die Teilnahme an den dortigen gemeinsamen Beratungen, sondern vielmehr die Möglichkeit zur persönlichen Kontaktaufnahme mit dem Reichsoberhaupt sowie die von ihm erhofften individuellen Vorteile und Vergünstigungen das entscheidende Movens für ihre Reise zum Tagungsort waren.

Die relativ große Anzahl an Supplikationen, die in Augsburg, Trier und Köln an den Kaiser, die Reichsstände oder an beide Instanzen zugleich herangetragen wurde (I.10., IV.10.), beweist, daß diese Textgattung bereits kurz nach Beginn des 16. Jahrhunderts einen festen Platz im Handlungsprogramm von Reichstagen erlangt hatte. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß nunmehr bereits für die Versammlung von 1510 die Existenz eines speziellen, für die Prüfung der Eingaben zuständigen Supplikationsausschusses nachgewiesen werden kann (Nr. 537 Anm. 2). Für seine konkrete Arbeitsweise gibt es allerdings noch keine Belege.

Des weiteren läßt der vorliegende Band erkennen, welch große Herausforderung die aktuellen Probleme im Zusammenhang mit dem Reichskammergericht für beide behandelten Reichstage darstellten (I.7., IV.11.1.). Bereits 1510 in Augsburg war anhand verschiedener Beschwerden ein großer Reformbedarf beim obersten Reichsgericht deutlich geworden, doch hatte man ihm nicht wirklich Rechnung getragen. Bis 1512 häuften sich die Klagen und kritischen Stimmen derart, daß nach einer eingehenden Überprüfung der Zustände durch den Trierer Reichstag schließlich in Köln einschneidende personelle Veränderungen und andere Reformmaßnahmen beim Gericht beschlossen und schriftlich fixiert wurden (Nr. 1561). Eine gewisse Ergänzung dazu stellt die erst nach Ende der Kölner Verhandlungen publizierte Reichsnotarordnung dar, die ebenfalls der Einsicht in notwendige Verbesserungen auf dem Gebiet der Rechtspflege entsprang (IV.11.2.).

Die unter dem Titel „Nebenhandlungen“ edierten Stücke haben zwar durchwegs eindeutigen Bezug zum Reichstag, ihr jeweiliger Inhalt ist jedoch von so singulärem Charakter, daß sie sich keinem der anderen Themenabschnitte sinnvoll zuordnen ließen und deshalb in zwei separaten, kurzen Abschnitten zusammengefaßt wurden (I.12., IV.12.).

Neben den bislang genannten Themenkomplexen, die sowohl in Augsburg als auch in Trier/Köln das Verhandlungsgeschehen prägten, gab es im Kontext der beiden Reichstage noch einige zusätzliche berücksichtigungswerte Materien. 1510 ging es dabei überwiegend um finanzielle Belange des Kaisers, wie etwa bei seinen Verhandlungen mit Vertretern der Landstände der niederösterreichischen Erbländer über eine Hilfe für den Konflikt mit Venedig (I.8.), bei der Einsammlung der von den Reichsständen verlangten Kriegsanleihe (I.13.) sowie bei einigen anderen kaiserlichen Geldgeschäften (I.14.). 1512 entwickelte die Frage, wie das Reich auf den während des Trierer Reichstags verübten Überfall Götz von Berlichingens und anderer Adeliger auf einen Kaufmannszug nahe Forchheim rasch und angemessen reagieren sollte, enorme Dynamik. Dabei stellte sich insbesondere auch das Problem, ob die seit Erlaß des Wormser Landfriedens von 1495 geltenden Bestimmungen zum reichsweiten Friedensschutz ausreichten, um einen derart massiven und diffizilen Friedbruchfall adäquat zu ahnden (IV.4.). Sowohl die für 1512 anstehende Verlängerung des Schwäbischen Bundes als auch die zeitgleich betriebene Wiederbegründung der Niederen Vereinigung waren zwar keine auf dem Reichstag diskutierten, für Maximilians Bündnispolitik aber dennoch höchst relevante Themen, die es deshalb auch im Kontext der Reichstagsakten zu berücksichtigen galt (IV.7.1., IV.7.2.). Noch wichtiger war dem Kaiser allerdings die Erlangung einer ständischen Kriegshilfe gegen seinen langjährigen Gegenspieler Herzog Karl von Geldern, gegen den er im Herbst 1512 einen Feldzug plante. Die darüber mit den Reichsständen geführten Verhandlungen sowie die organisatorische Vorbereitungen des Krieges standen auf dem Kölner Reichstag mit im Zentrum des kaiserlichen Interesses (IV.13.).

Unserem differenzierten Wissen über das komplexe Geschehen auf den Reichsversammlungen der Jahre 1510-1512 kommt die enorme Anzahl der vorhandenen Instruktionen und Weisungen für die fürstlichen und reichsstädtischen Gesandten sowie der von ihnen verfaßten Berichte überaus zugute (I.15., IV.15.). Für Augsburg 1510 sind es nicht weniger als 153, für Trier/Köln sogar 206. Insgesamt enthalten sie eine Fülle von Details zu den Interessen und Zielen der an den Verhandlungen beteiligten Personen und Gruppierungen, sie liefern viele über die Aussagen der Verhandlungsakten hinausgehende Informationen zum Gang der Beratungen und zum Zustandekommen von Beschlüssen, gewähren zudem authentische Einblicke in die private Lebenswelt der handelnden Personen. Unter den Verfassern von Berichten sind diejenigen besonders interessant, die regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg entsprechende Aufzeichnungen anfertigten, das Reichstagsgeschehen also gewissermaßen aus einem gleichbleibenden Blickwinkel verfolgten, wie beispielsweise der kursächsische Vertreter Wolf von Weißenbach und die Gesandten Frankfurts, Nürnbergs und Regensburgs in Augsburg sowie die sächsischen, Würzburger, Frankfurter, Nürnberger, Straßburger und Wormser Delegierten in Trier und Köln.

In diesem Zusammenhang ist auch auf zwei für den Reichstag 1512 bedeutsame Korrespondenzreihen zu verweisen. Die erste enthält den Briefwechsel der drei Herzöge Friedrich, Johann und Georg von Sachsen, die mit dem Erfurter Streitfall, dem Erbstreit um Jülich-Berg und dem Konflikt zwischen Landgraf Wilhelm d. Ä. von Hessen und dem dortigen Regiment in gleich drei zentrale Verhandlungsmaterien des Reichstags involviert waren, über die sie sich untereinander fortwährend schriftlich austauschten (IV.17.1.). Diese Schreiben stellen eine wichtige inhaltliche Ergänzung zum Schriftwechsel mit ihren in Trier und Köln anwesenden Gesandten dar (IV.15.1.) und sind deshalb für das Verständnis der dortigen Abläufe und Entscheidungen unverzichtbar. Ähnliches gilt für die Korrespondenz Zyprians von Serntein mit anderen führenden kaiserlichen Räten (IV.17.2.). Der kaiserliche Hofkanzler führte nach der Abreise Maximilians aus Trier am 17. Mai zusammen mit dessen Hofmeister Graf Eitelfriedrich von Zollern die Verhandlungen mit den Ständen weiter und erhielt bis zur Fortsetzung des Reichstags in Köln ab Mitte Juli auch den schriftlichen Kontakt mit dem in den Niederlanden weilenden Reichsoberhaupt aufrecht. Die Briefe belegen Sernteins politischen Weitblick und seinen Realitätssinn, der oft größer erscheint als derjenige seines Herrn, werfen manches Schlaglicht auf die komplizierte Persönlichkeit Maximilians und gewähren interessante Einblicke in die Binnenstruktur des kaiserlichen Hofes.

Organisatorische, zeremonielle und finanzielle Aspekte der Reichstage finden in der Edition ebenfalls Berücksichtigung. Während zu den Bemühungen in den gastgebenden Städten Augsburg und Trier um die Vorbereitung und reibungslose Durchführung eines so aufwendigen Großereignisses einige aussagekräftige Quellen überliefert sind (Nr. 593, 594, 1847), gibt es hierzu für die Kölner Zusammenkunft allerdings so gut wie keine Hinweise. Besonders aufschlußreich, ja, für die Reichstage der Maximilianszeit geradezu einzigartig ist eine von der Augsburger Stadtführung erstellte Liste sämtlicher Personen, die 1510 und damit auch während des Reichstags die schwäbische Metropole besuchten (Nr. 596). Sie nennt neben vielen anwesenden Fürsten auch deren mitgereiste Räte und sonstige Begleiter, zahlreiche rangniedrigere Versammlungsteilnehmer und etliche Gesandtschaften, außerdem das jeweilige Ankunftsdatum der Gäste, ihre Herberge in der Stadt sowie die Mengen an Wein und Fischen, die ihnen vom Augsburger Rat als Gastgeschenk überreicht wurden. Unter den entsprechenden Quellen zum Reichstag 1512 ist die Aufzeichnung des Kurtrierer Sekretärs Peter Maier hervorzuheben, die in tagebuchähnlicher Form den chronologischen Ablauf der Tagung widerspiegelt und insbesondere viele Details zu Fragen des Zeremoniells, der Repräsentation und der Freizeitgestaltung der Teilnehmer enthält (Nr. 1832). Die Kosten, die die Organisation bzw. der Besuch eines Reichstags verursachte, sind exemplarisch aus Ausgabenverzeichnissen der zwei gastgebenden Städte Augsburg und Trier sowie mehrerer Tagungsteilnehmer ersichtlich (I.18.2., IV.18.3.). Sehr hilfreich ist es darüber hinaus, daß für beide Reichsversammlungen ausführliche, wenn auch nicht ganz vollständige Teilnehmerverzeichnisse in Form zeitgenössischer Drucke überliefert sind (I.18.1., IV.18.2.).

Die Quellendarbietung zu beiden Reichstagen endet jeweils mit den „Nachakten“ (I.19., IV.19.). Aus ihnen geht hervor, inwieweit und in welcher Form die zuvor gefaßten Beschlüsse vollzogen wurden bzw. worin die Ursachen für eine unvollständige oder gar gescheiterte Umsetzung bestanden. Für 1512 ist der Umfang der Nachakten allerdings bewußt auf die Zeit bis zum Jahresende 1512 beschränkt, da auf dem Kölner Reichstag bereits wieder eine neue Zusammenkunft in Worms ab dem 6. Januar 1513 vereinbart worden war. Durch diese klare zeitliche Begrenzung der Quellenwiedergabe ließen sich mögliche Probleme bei der Konzipierung des nachfolgenden Reichstagsaktenbandes2 von vornherein vermeiden. Inhaltlich geht es bei den Nachakten vor allem um die Einhebung verschiedener vom Reichstag beschlossener Hilfen für den Krieg gegen Venedig bzw. den Herzog von Geldern. Weitere Themen waren 1510 der von der Augsburger Reichsversammlung anberaumte Tag zur Visitation des Reichskammergerichts am 24. Juni, 1512 die Organisation der von den Ständen bewilligten berittenen Friedensschutztruppe für den Bischof von Bamberg sowie der im Dezember desselben Jahres durchgeführte Schweinfurter Rittertag, auf dem der fränkische Adel über seine Haltung zu den Kölner Beschlüssen diskutierte.

Die beiden Kapitel über den kaiserlichen Tag in Überlingen und Konstanz im Oktober 1510 sowie die drei Tagungsprojekte des Jahres 1511 sind, soweit möglich, analog zu denjenigen über die Reichstage 1510 und 1512 gegliedert. So gibt es auch für diese Zusammenkünfte Akten zu den Ladungen und Vorbereitungen (II.1., III.3.1.), Instruktionen, Weisungen und Berichte (II.3., III.3.2.) sowie Korrespondenzen kaiserlicher Räte (III.3.3.), außerdem für die Versammlung am Bodensee Verhandlungsakten (II.2.) und ein Teilnehmerverzeichnis (II.4.). Die ausgewählten Materialien zu den für Februar bzw. April 1511 projektierten, aber nicht zustande gekommenen Tagungen in Augsburg und Trient sind in je einem Abschnitt (III.1., III.2.) zusammengefaßt.

1.2. Die Quellen und ihre editorische Darbietung

Der Band zu den Reichstagen 1510-1512 enthält Quellen aus insgesamt sechzig Archiven und Bibliotheken in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich und England. Bei ihrer Erfassung wurde gemäß den für frühere Bände der Mittleren Reihe entwickelten und angewandten Grundsätzen verfahren.3 Dies bedeutet insbesondere, daß in sämtlichen in Frage kommenden Archivbeständen die einschlägig erscheinenden Materialien so vollständig wie möglich erfaßt wurden. Zu den dabei berücksichtigten Quellengruppen zählen neben den in 1.1. näher beschriebenen sogenannten Verhandlungsakten (zum Thema Reichshilfe und Verfassungsfragen) auch Briefe, Urkunden, Rats- und Domkapitelprotokolle, Bürgermeisterbücher, Reiserechnungen, Quittungen und andere Finanzaufzeichnungen sowie zeitgenössische Drucke und Chroniken. Für die beiden Reichstage 1510 und 1512 wird das ermittelte Quellenmaterial weitgehend vollständig berücksichtigt, für die Versammlung in Überlingen und Konstanz, die drei Tagungsprojekte von 1511 sowie die reichstagsbezogenen Aktivitäten Kaiser Maximilians im dazwischenliegenden Zeitabschnitt hingegen nur in Form einer Auswahl wichtiger Stücke, die den Ereignis- und Verhandlungsgang bzw. die kaiserlichen Planungen jeweils hinreichend dokumentiert.

Die Textdarbietung orientiert sich ebenfalls an der bisherigen Praxis.4 Alle wichtigen Quellenstücke werden stets als eigene Aktennummer, weniger bedeutsame und solche, die nur ergänzende Informationen enthalten, in den Fußnoten dargeboten. Die inhaltliche Relevanz, die Aussagekraft und der Detailreichtum eines Textes sind auch ausschlaggebend für die Form der Wiedergabe. Verhandlungsakten, Berichte der Reichstagsgesandten einschließlich der ihnen erteilten Instruktionen und Weisungen sowie sonstige Schriftstücke mit hohem Informationsgehalt werden in aller Regel im vollen Wortlaut, allenfalls gekürzt um bestimmte Formalien und nicht relevante, durch drei Punkte in eckigen Klammern kenntlich gemachte Passagen, alle anderen Texte hingegen in Regestenform dargeboten. Wo es aus Authentizitätsgründen sinnvoll oder notwendig erscheint, wurde eine Mischform aus Ganztextwiedergabe und paraphrasierender Inhaltsangabe gewählt. Grundsätzlich werden sämtliche aufgefundenen Exemplare eines Quellenstücks nachgewiesen, zur Kollationierung aber nur diejenigen herangezogen, die relevante Abweichungen von der Vorlage aufweisen. Als solche diente entweder das erstgenannte oder – bei Kollationierung – das mit A gekennzeichnete Exemplar. Weitere Kollationierungsexemplare tragen die Bezeichnung B, C usw.

Die Volltexte sind nicht gänzlich buchstabengetreu, sondern in vorsichtig normalisierter Form transkribiert, insbesondere durch Vereinfachung der sehr häufig vorkommenden Konsonantenverdoppelungen ohne Lautwert und Wiedergabe bestimmter Buchstaben entsprechend ihrem Lautwert (Beispiel: „getrewer“ wird zu „getreuer“). Beides erleichtert das zügige Lesen der Texte, ohne daß der Buchstabenbestand gravierend verändert wird. Für häufig vorkommende Wörter und Begriffe werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

Da frühneuhochdeutsche und lateinische Texte in der Regel keine oder weitgehend willkürlich gesetzte Satzzeichen enthalten, dient die an der heutigen Grammatik orientierte Zeichensetzung durch den Bearbeiter dem Ziel, die Lesbarkeit und das Textverständnis zu unterstützen.

Jedem Aktenstück ist ein Titel vorangestellt, der es kurz charakterisiert. Danach folgt bei Ganztextwiedergabe eine punktweise, knapp formulierte Auflistung der einzelnen Aspekte und Aussagen des Stückes. An die Angaben zur Datierung, zum Verwahrort und zu eventuell vorhandenen älteren Druckausgaben des Stückes schließt sich entweder dessen originaler Wortlaut oder die Wiedergabe seines Inhalts in Regestenform an. Erschlossene Angaben in der Datumszeile stehen in eckigen Klammern, eine zuhörige Fußnote erläutert den Erschließungsweg. Bei Ganztextwiedergabe werden zeitgenössische Datierungen, z. B. nach Heiligenfesttagen oder nach dem römischen Kalender, entsprechend ihrer heute üblichen Form in eckigen Klammern aufgelöst, in Regesten ist die jeweilige Originaldatierung zur Kontrolle in runden Klammern beigefügt. Ebenfalls in eckigen bzw. runden Klammern stehen Querverweise auf andere Aktenstücke oder einschlägige Abschnitte innerhalb des vorliegenden Bandes. Eine Neuerung gegenüber früheren Bänden der Mittleren Reihe bedeutet es, daß Identifizierungen von Orts- und Personennamen sowie Erklärungen schwer verständlicher Wörter, Begriffe und sprachlicher Wendungen zur Entlastung des Apparats nicht mehr in den Fußnoten, sondern direkt im Text in eckigen Klammern angegeben sind.

Quellen, die bereits in anderen Editionen und Textsammlungen veröffentlicht wurden, finden im vorliegenden Band ebenfalls Berücksichtigung, ihre Kollationierung mit der archivalischen Vorlage erfolgt allerdings nur in wenigen begründeten Ausnahmefällen. Die gesamte zur Kommentierung herangezogene Sekundärliteratur ist in den Fußnoten und im Literaturverzeichnis verzeichnet. Dabei zeigt sich, daß die beiden behandelten Reichstage trotz ihrer großen Bedeutung und der Fülle der auf ihnen behandelten Themen und Probleme in der bisherigen Forschung vergleichsweise nur geringe Beachtung gefunden haben. Außer vier ungedruckten Grazer Dissertationen, die zwar ausführliche, aber sehr stark an der Person Kaiser Maximilians I. orientierte Schilderungen von Ereignissen und Geschehensabläufen bieten,5 einigen knappen, überblicksartigen Beschreibungen beider Reichstage in den Maximilian-Biographien von H. Ulmann und H. Wiesflecker6 und einem neueren Aufsatz über die Trierer Versammlung7 liegen nur einige Beiträge vor, die – überwiegend in nicht reichstagsspezifischen Kontexten – bestimmte Teilaspekte bzw. Einzelthemen der beiden Tagungen behandeln, wie etwa die auf dem Reichstag 1510 zur Sprache gekommene Konfiszierung jüdischer Bücher in Frankfurt8, die Auffindung des Heiligen Rockes im Rahmen der Trierer Zusammenkunft 15129 und die dort entstandene Reichsnotarordnung10.

2. Der Reichstag zu Augsburg 1510

2.1. Außenpolitische Rahmenbedingungen

Die Einberufung des Augsburger Reichstags 1510 war letztlich eine mehr oder weniger logische und notwendige Folge der prekären Lage, in der sich Kaiser Maximilian im Herbst 1509 befand. Zu diesem Zeitpunkt führte er bereits seit über einem Jahr Krieg mit der Republik Venedig, die ihn 1508 gewaltsam am Romzug zum Empfang der Kaiserkrone gehindert hatte, doch fehlte ihm zu einem entscheidenden Erfolg gegen die Adriametropole die notwendige militärische Schlagkraft. Dafür trugen in seinen Augen die Reichsstände eine erhebliche Mitverantwortung, hatten sie doch auf dem jüngsten Reichstag, der in Worms ab dem 23. April 1509 sieben Wochen lang getagt hatte, eine Truppen- und Geldhilfe für den Krieg strikt angelehnt. Diese Weigerung war wohl zum Teil auch darauf zurückzuführen, daß Maximilian bereits drei Tage nach Eröffnung der Beratungen wieder aus Worms abgereist war und die weiteren Verhandlungen mit den Reichsständen durch beauftragte Kommissare hatte führen lassen. In der Folgezeit mußte er aufgrund akuten Geldmangels nahezu alle bisherigen Eroberungen in Oberitalien, darunter Padua, wieder preisgeben. Um den Krieg überhaupt fortsetzen zu können, verlangte er zunächst Ende August 1509 von allen Reichsgliedern eine rückzahlbare Kriegsanleihe (Nr. 392). Der daraus erhoffte Gesamtbetrag von ca. 105000 Gulden war jedoch viel zu optimistisch kalkuliert, denn bis Mitte März 1510 gingen davon nur 35000 Gulden, also ziemlich genau ein Drittel, ein (Nr. 319). Auch verschiedene andere Wege, die der auf diesem Gebiet stets sehr erfinderische Kaiser beschritt, um zu Geld zu kommen (I.14.), sind ein deutlicher Beleg für seine prekäre finanzielle Lage, die ihm die Führung eines derart langen, aufwendigen und kostenintensiven Krieges eigentlich von vornherein verbot.

Ungeachtet des vorangegangenen Mißerfolges auf der Wormser Versammlung setzte Maximilian seine weitere Hoffnung auf einen neuen Reichstag, den er durch Ausschreiben vom 8. November 1509 für den 13. Januar 1510 nach Augsburg einberief (Nr. 61). Zwar führten noch vor dessen Beginn einige kaiserliche Abgesandte in Ospedaletto und Feltre mit Vertretern Venedigs Verhandlungen über eine friedliche Beilegung des bestehenden Konflikts, doch scheiterten diese, da der Kaiser wohl von Anfang an wenig kompromißbereit war und deshalb die durchaus weitreichenden Zugeständnisse der Gegenseite nicht akzeptierte (Nr. 1-4, 6, 9).

Welch tiefe Abneigung Maximilian gegen die Adriarepublik hegte und daß sein Bestreben letztlich nur darauf ausgerichtet war, sie doch noch mit militärischen Mitteln niederzuringen, zeigte sich dann auf dem Augsburger Reichstag in aller Deutlichkeit. So nannte er für die Annahme des Angebots der Reichsstände, zwischen ihm und Venedig zu vermitteln (Nr. 93 [3.], 99 [3.], 100, 104 [4.]), ganz bewußt allzu hohe Bedingungen (Nr. 97 [4.], 102) und ließ den Überbringer von Briefen der Signorie an eine Reihe von Reichsständen unter dem Vorwurf des Hochverrats ins Gefängnis werfen (Nr. 480 [7.], 520 [2.], 521 [3.], 522 [1.], 526 [4.]). Auch den durch den Nuntius Achilles de Grassis überbrachten Vorschlag Papst Julius’ II., sich um einen Frieden zwischen den beiden verfeindeten christlichen Mächten zu bemühen (Nr. 5, 11, 12), lehnte er ab, erst recht, als er zu seiner großen Empörung erfuhr, daß der Papst am 24. Februar das Interdikt gegen die Venezianer aufgehoben und sich mit ihnen faktisch verständigt hatte (Nr. 13, 15, 16, 94 [12.]). Diese Entscheidung stellte in seinen Augen einen eklatanten Bruch der Liga von Cambrai dar, die er am 10. Dezember 1508 mit dem Papst sowie den Königen von Frankreich, Aragón, Böhmen-Ungarn und England gegen Venedig geschlossen und die nunmehr durch das Ausscheren des Kirchenoberhaupts viel von ihrer Schlagkraft eingebüßt hatte. Seitdem war Julius II. für Maximilian förmlich ein rotes Tuch.

So konsequent sich der Kaiser in Augsburg allen Ausgleichsversuchen mit Venedig verweigerte, so rastlos betrieb er die Vorbereitungen für einen großen Feldzug im Frühjahr 1510, indem er Hauptleute bestellte (Nr. 49), Kriegsknechte rekrutieren sowie Waffen und sonstigen Kriegsbedarf beschaffen ließ (Nr. 45, 46, 51, 57), alles in der Hoffnung, sie im entscheidenden Augenblick dank ausreichender Truppen- und Finanzhilfe von mehreren Seiten einsetzen zu können. Wie dringend notwendig diese Unterstützung schon im Februar und März 1510 gewesen wäre, zeigen die fortwährenden Klagen des kaiserlichen Hauptmanns der niederösterreichischen Erbländer, Herzog Erich von Braunschweig-Calenberg, der ohne ausreichende Hilfeleistung seitens des Kaisers einen schweren Stand gegen die venezianischen Truppen hatte (Nr. 28, 30, 33, 35-44).

Angesichts der überragenden Bedeutung des Venezianerkrieges spielten für den Kaiser andere auswärtige Themen wie etwa sein seit langem gespanntes Verhältnis zu Herzog Karl von Geldern eine deutlich untergeordnete Rolle. Zwar tolerierte er anfänglich Verhandlungen seiner um Ausgleich bemühten Tochter Margarethe über eine Heirat seiner Enkelin Isabella mit Herzog Karl, verweigerte dem Projekt dann aber aus altem Mißtrauen doch seine Zustimmung (Nr. 58, 59).

2.2. Vorbereitung und äußerer Ablauf des Reichstags

Wie schon von vielen früheren Reichsversammlungen her gewohnt, verzögerte sich auch diesmal der Beginn des für den 13. Januar 1510 einberufenen Augsburger Reichstags. Zwar kamen nach und nach viele Fürsten und Gesandtschaften in die schwäbische Reichsstadt, doch Kaiser Maximilian ließ einmal mehr auf sich warten. Aus Oberitalien kommend, reiste er mit längeren Zwischenaufenthalten in Bozen und Innsbruck erstaunlich bedächtig in Richtung Augsburg, wo er erst am 21. Februar eintraf (Nr. 481 [1.], 522 [2.]). Es dauerte dann nochmals bis zum 2. März, ehe der Reichstag mit einer Messe im Dom feierlich eröffnet wurde (Nr. 94 [1.]).

Gemessen an den Teilnehmerzahlen manch anderer Reichstage der Maximilianszeit war Augsburg 1510 eine durchaus gutbesuchte Tagung. Außer dem Kaiser erschienen fünf Kurfürsten, fünfzehn geistliche und sieben weltliche Fürsten sowie zahlreiche Äbte, Prälaten, Grafen, Freiherren und Herren persönlich. Hinzu kam eine beachtliche Anzahl kurfürstlicher, fürstlicher und reichsstädtischer Gesandter. Der internationale Charakter der Zusammenkunft und das europaweite Interesse an ihr wurden durch die Anwesenheit von Vertretern des Papstes, der Könige von Frankreich, Aragón und Navarra sowie der vom laufenden Krieg des Kaisers gegen Venedig ebenfalls tangierten oberitalienischen Fürstentümer Ferrara, Mantua und Savoyen deutlich (Nr. 597). Die in organisatorischen Dingen sehr erfahrene Reichsstadt Augsburg hatte mit der standesgemäßen Unterbringung und monatelangen Versorgung der zahlreichen Besucher ebenso wenig Probleme wie mit anderen logistischen Herausforderungen, die sich aus der stark frequentierten Tagung ergaben (Nr. 593, 594). Gleiches gilt auch für die Durchführung eines ebenso spektakulären wie öffentlichkeitswirksamen Auftritts Maximilians, bei dem sich dieser, wie schon bei ähnlichen früheren Gelegenheiten, einem illustren Publikum als kraftvoller und versierter Turnierkämpfer zu präsentieren suchte. Am 15. Mai maß der immerhin schon 51 Jahre alte Kaiser mit dem gleichfalls bereits siebenundvierzigjährigen Kurfürsten Friedrich von Sachsen die Kräfte im ritterlichen Zweikampf (Nr. 454 Anm. 1). Eine Woche später, am 22. Mai, ging der Augsburger Reichstag mit der Verkündung des Abschieds zuende (Nr. 125). Kaiser Maximilian blieb allerdings gemäß seiner Gewohnheit noch länger am Tagungsort und reiste erst am 12. Juli mit Zielrichtung Innsbruck ab.

2.3. Themen und Ergebnisse des Reichstags

Wie von Maximilian schon in seinem Ladungsschreiben an die Reichsstände angekündigt (Nr. 61 [4.], [6.]), war die für den Krieg gegen Venedig benötigte Truppen- bzw. Geldhilfe von Anfang an das zentrale Thema des Augsburger Reichstags. Aus diesem Grund wurde die geplante Fortsetzung der Beratungen des Frankfurter Reichsmünztages vom September 1509 über eine einheitliche Goldmünzordnung für das Reich, zu der der Kaiser die deutschen Münzstände gleichfalls für den 13. Januar nach Augsburg geladen hatte (Nr. 60), zum Leidwesen mancher Beteiligter gar nicht ernsthaft in Angriff genommen, sondern auf den nächsten Reichstag verschoben (Nr. 492 [7.], 507 [5.], 125 [2.], 552 [6.]). Sowohl in seiner durch den kaiserlichen Hofmeister Graf Eitelfriedrich von Zollern vorgetragenen Rede anläßlich der Reichstagseröffnung am 2. März als auch in der schriftlichen Proposition vom 6. März rekapitulierte Kaiser Maximilian dann in einem ausführlichen historischen Rückgriff seine bisherigen jahrezehntelangen Leistungen zum Wohl der Christenheit und des Reiches, insbesondere durch deren Bewahrung vor Übergriffen feindlicher Mächte, und schlug anschließend die Brücke zur aktuellen Auseinandersetzung gegen Venedig. In teilweise sehr emotionaler Form ermahnte er die Reichsstände, ihm nicht erneut ihre Unterstützung in diesem Konflikt zu verweigern. Ein Sieg im geplanten neuen Feldzug liege im gemeinsamen Interesse von Kaiser und Ständen, eine Niederlage infolge mangelnden Engagements hingegen gereiche dem Reich zur internationalen Schmach (Nr. 94 [1.], 95). In ihrer Antwort bekundeten die Stände ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer Hilfeleistung, verlangten aber, daß sie erträglich sei und gerecht aufgeteilt werde, erklärten aber auch ihr Interesse an einer Vermittlung zwischen dem Kaiser und Venedig (Nr. 96).

In den folgenden Verhandlungen zeigte sich Maximilian, wie schon erwähnt, sehr skeptisch gegenüber Ausgleichsbemühungen mit den Venezianern, statt dessen äußerte er konkrete Vorstellungen von der durch ihn gewünschten Kriegsunterstützung. Sie sollte bestehen aus einer Eilenden Hilfe, basierend auf dem Konstanzer Reichsanschlag zur Romzugshilfe von 1507, und einer auf drei Jahre ausgelegten langfristigen Hilfe mit dem Augsburger Anschlag von 1500 als Berechnungsgrundlage (Nr. 103). Die Stände lehnte diese Forderung als überzogen ab (Nr. 104), boten statt dessen eine einjährige Hilfe gemäß dem Kölner Anschlag von 1505 an (Nr. 106 [1.], 107 [2.]). Im Gegenzug verlangte der Kaiser den deutlich höheren und damit ertragreicheren Konstanzer Anschlag (Nr. 108 [4.]), unterbreitete aber gleichzeitig einen ganz neuartigen Vorschlag, der die Aufstellung eines aus 10000 Berittenen und 40000 Fußknechten bestehenden Heeres vorsah (Nr. 108 [7.]). Ein von ihm dafür vorgelegter Anschlagsentwurf nannte auch gleich die von jedem einzelnen Reichsmitglied zu stellende Anzahl Bewaffneter (Nr. 116). Allerdings sollte jeder Stand berechtigt sein, „den anschlag under den seinen aus[zu]teyln, dardurch die pürd gleich getragen werde“. Dadurch bräuchte „nymands kein pfennig geben, dann allein, so man zu notturft des hl. Reichs aufbeut, das ein yder anziehe mit seiner anzal“. Über den Zweck und das Ziel derartiger Aufgebote äußerte sich Maximilian hingegen nur recht vage: Wenn „des Reichs widerwertigen von einer solchen einigkeyt und hielf zwischen ksl. Mt. und dem Reich“ hörten, würden sie „on zweyfl das Reich unangefochten lassen“. Wer mit diesen Widersachern konkret gemeint war, blieb offen, doch ist zu vermuten, daß Maximilian vorhatte, das von den Reichsständen bereitzustellende 50000-Mann-Heer in erster Linie gegen Venedig einzusetzen. Mit einer derart großen Armee hätte er natürlich ungleich größere Siegchancen gehabt als mit den durch die Stände zugesagten 1000 Berittenen und 3000 Fußknechten des Kölner Anschlags.

Im weiteren Verlauf der Debatte brachten die Stände dann allerdings einen „anslag im Reich zu underhaldung frides und recht, auch beschirmung des hl. Reichs“ ins Spiel (Nr. 112 [3.], 112 [4.]). Kaiser Maximilian ging auf diese neue Akzentsetzung, die neben der Verwendung des Aufgebots gegen äußere Feinde augenscheinlich auch dessen Einsatz bei reichsinternen Friedensverletzungen vorsah, sofort ein und unterbreitete dazu sogar eine ganze Reihe konkreter organisatorischer Vorschläge (Nr. 115). Doch dann erklärten die Stände, sie wollten die weitere Erörterung dieses hochwichtigen Themas auf den nächsten Reichstag verschieben, da es im Ladungsschreiben für die laufende Versammlung nicht angekündigt worden sei und zudem etliche Stände in Augsburg fehlten (Nr. 118). Sie gaben jedoch dem Kaiser auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin das Versprechen, auf dem kommenden Reichstag „einer ordnung halb zu hanthabung fridens, rechtens und was daran hangt […] sließlich zu ratschlagen und zu handeln“ (Nr. 122). Diese feste Zusage wurde auch im Reichsabschied vermerkt (Nr. 125 [13.]).

Was die Kriegshilfe gegen Venedig betraf, rückten die Stände nicht mehr von ihrer einmal getroffenen Aussage ab. Zunächst wollte Maximilian den 1505 in Köln bewilligten Anschlag für ein zweites Jahr bewilligt haben (Nr. 111 [1.]), dann ersuchte er darum, ihm zusätzlich 1000 Berittene und 2000 Fußknechte zur Verfügung zu stellen (Nr. 119 [14.], 121 [2.]), doch beides wollten die Stände nicht zugestehen (Nr. 113 [1.]), so daß es letztlich bei der einjährigen Kölner Hilfe blieb. Hierfür wurde ein Anschlag erstellt, der 1181 Berittene und 3700 ¼ Fußsoldaten umfasste (Nr. 121). Um diese flexibler verwenden zu können, ließ der Kaiser sie in eine Geldhilfe umgerechnen, deren Einsammlungsmodalitäten im Reichsabschied unter Berücksichtigung verschiedener Sonderaspekte detailliert geregelt wurde (Nr. 125 [1.] - [12.]).

Während dem Kaiser in Augsburg vor allem die Hilfe gegen Venedig am Herzen lag, signalisierten die Stände, daß sie an der Bewältigung anderer aktueller Probleme weit mehr interessiert waren. So empfahlen sie zur Eindämmung der zahlreichen akuten Konflikte zwischen hoch- und niedriggestellten Reichsangehörigen, „das ksl. Mt. mit ernst in die sachen sehe, damit solich emporung, irrung und widerwil hingelegt und vertragen, auch frid, recht, hanthabung und execution und sonderlich das cammergericht […] bestentlich und wesenlich im hl. Reich […] gehalten“ werde (Nr. 107 [1.]). Maximilian sicherte zu, sich durch vermehrte schiedsgerichtliche Verfahren intensiver um die Beilegung interterritorialer Streitigkeiten zu bemühen (Nr. 108 [1.], 114 [7.]), verlangte jedoch bei der Handhabung und Durchsetzung von Friede und Recht eine verstärkte Mithilfe der Stände (Nr. 107 [2.]). Im weiteren Verlauf der Debatte kamen auch die notwendige Abstellung der bestehenden Mängel des Reichskammergerichts und die Schwierigkeiten mit seiner Finanzierung zur Sprache (Nr. 109 [4.]). Im Hinblick darauf sicherte der Kaiser im Reichsabschied zu, die ungehinderte Tätigkeit des Reichskammergerichts zu gewährleisten und keine gegen dessen Entscheidungen gerichteten Mandate ausgehen zu lassen (Nr. 125 [16.]). Die aktuellen Finanzierungsprobleme des Gerichts und die gegen die Institution laut gewordenen Klagen wollte man auf einer gesonderten Zusammenkunft in Worms am 24. Juni erörtern (Nr. 125 [17.]). Zum Landfrieden hieß es nur knapp und allgemein, der Kaiser wünsche dessen strikte Einhaltung. Deshalb werde er ihn den Untertanen durch erneute Bekanntmachung wieder in Erinnerung bringen (Nr. 125 [19.]).

Daß die Verhandlungen über die Kriegshilfe gegen Venedig und die von den Ständen in Gang gebrachte Diskussion über Friedenswahrung und Gerichtsbarkeit in der Tat die beherrschenden Aspekte des Augsburger Reichstags waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß alle anderen in Augsburg zur Sprache gekommenen (nachfolgend näher beschriebenen) Themen im Reichsabschied gar nicht erwähnt sind. Immerhin wird dort auf den nächstfolgenden Reichstag hingewiesen, der nach dem ursprünglichen Wunsch der Stände am 2. Februar 1511 in Frankfurt oder Worms, gemäß ihrem zweiten Votum in Straßburg oder Worms stattfinden sollte (Nr. 113 [2.], 117 [12.]). Da sich Maximilian gegen Straßburg aussprach (Nr. 119 [8.]), legte der Reichsabschied für den Fall einer persönlichen Teilnahme des Kaisers dessen Lieblingsstadt Augsburg, bei seiner Verhinderung Worms als Tagungsort fest (Nr. 125 [13.] - [14.]). Der Abschied wurde von Vertretern der Kurfürsten, der geistlichen und der weltlichen Fürsten, der Prälaten und der Grafen gesiegelt (Nr. 125 [23.]), allerdings anschließend nicht in gedruckter Form publiziert.

Parallel zu seiner Diskussion mit den Reichsständen über eine Hilfe für den Krieg gegen Venedig führte Maximilian auch mit Vertretern der Landstände der niederösterreichischen Erbländer, die er als ihr Landesherr schon im Dezember 1509 zu sich nach Augsburg geladen hatte (Nr. 309-311), entsprechende Verhandlungen. Als Gegenleistung für eine zugesagte Geldhilfe gewährte er Österreich ob der Enns, Österreich unter der Enns, der Steiermark, Kärnten und Krain im Augsburger Libell (Nr. 320 Anm. 1) und in einer Reihe zusätzlicher Urkunden (Nr. 314-319) verschiedene Rechte, um die sie sich schon seit längerem nachdrücklich bemüht hatten.

Von den zahlreichen in Augsburg diskutierten interterritorialen Streitfällen sollen im Folgenden nur die wichtigsten etwas genauer vorgestellt werden. Als besonders heikel erwies sich der Konflikt um Erfurt, waren doch daran mit dem Mainzer Erzbischof und Kurerzkanzler Uriel von Gemmingen sowie dem Reichsstatthalter Friedrich dem Weisen von Sachsen gleich zwei Kurfürsten beteiligt. Der im Juli 1509 erfolgte gewaltsame kursächsische Übergriff auf Erfurter Gesandte und eine Rätedelegation des Erzbischofs war ein deutliches Indiz für die Radikalität, mit der der bislang als eher friedfertig geltende sächsische Kurfürst plötzlich einen Besitzanspruch auf die vollständig von kursächsischem Gebiet umgebene Kurmainzer Landstadt Erfurt erhob, die wie ein Dorn im seinem Fleisch steckte. Er machte sich dabei die instabile Lage in Erfurt zunutze, die im selben Jahr durch den Aufstand eines Teils der Bürgerschaft gegen die Mißwirtschaft der Stadtführung entstanden war. Schon bald drohte der Zwist zwischen den beiden Kurfürsten weitere Kreise zu ziehen, weil Erzbischof Uriel als Mitglied des Schwäbischen Bundes diesen schon vor Beginn des Augsburger Reichstags um vertragsgemäße militärische Unterstützung ersucht hatte (Nr. 127). Da jedoch die drohende große militärische Auseinandersetzung den oben skizzierten Interessen des Kaisers bezüglich des Venezianerkrieges vollkommen zuwiderlief, setzte er auf dem Augsburger Reichstag alles daran, eine Verständigung zwischen Kurmainz und Kursachsen zustandezubringen (Nr. 151-154, 157). Parallel dazu bemühten sich auch die von EB Uriel unter Berufung auf die Kurfürsteneinung um Hilfe gebetenen Kurfürsten von Köln, Trier und der Pfalz um eine Vermittlung (Nr. 139-147, 156). Herzog Ulrich von Württemberg bot sich ebenfalls als Moderator an (Nr. 149), doch trotz mehrmonatiger Verhandlungen blieben die Positionen letztlich derart verhärtet, daß alle Bemühungen scheiterten. Am Ende des Reichstags verkündete Kaiser Maximilian dann allerdings doch einen „Abschied“, in dem er Bischof Lorenz von Würzburg und Graf Michael von Wertheim zu kaiserlichen Kommissaren ernannte und sie mit der Weiterbehandlung des Konflikts beauftragte (Nr. 158, 164). Aber auch ihnen war letztlich kein Erfolg beschieden, ja, der Konflikt nahm bis zum Reichstag 1512 nochmals derart an Schärfe zu, daß er dort erneut zu einer der schwierigsten Verhandlungsmaterien wurde.

Mit der Landgrafschaft Hessen stand auf dem Reichstag 1510 ein weiteres wichtiges reichsfürstliches Territorium im Zentrum konträrer Interessen. Die streitbare Witwe des im Juli 1509 verstorbenen hessischen Landgrafen Wilhelm d. M. kam persönlich nach Augsburg, um vor Kaiser und Reichsständen ihren Anspruch auf die Vormundschaft über ihren minderjährigen Sohn Philipp gegen das hessische Regiment und die zu Vormündern bestellten Herzöge von Sachsen zu verfechten (Nr. 179, 181). Kaiser Maximilian unterbreitete Kompromißvorschläge (Nr. 185), die jedoch von den beiden Streitparteien nicht angenommen wurden. Erst auf einem von ihm anberaumten Schiedstag in Marburg im Juli 1510 konnten kaiserliche Räte einen vertraglichen Ausgleich herbeiführen (Nr. 189, 190).

Hervorzuheben sind auch einige weitere in Augsburg zur Sprache gekommene Streitfälle, die noch auf dem Reichstag 1512 eine Rolle spielten. Zu ihnen zählt der Konflikt zwischen dem Wormser Bischof und der Reichsstadt Worms um strittige Hoheitsrechte, der schon mehrere vorausgegangene Reichsversammlungen beschäftigt hatte und 1510 durch eine Supplikation Bischof Reinhards von Rüppurr an die Reichsstände erneut aufs Tapet gebracht wurde (Nr. 192). Diesmal kam es zwar zu keinen Verhandlungen über das Thema, doch immerhin bestätigte Kaiser Maximilian den auf der Wormser Reichsversammlung 1509 ergangenen kurfürstlichen Schiedsspruch zwischen dem Wormser Stiftsklerus und der Reichsstadt und beauftragte mehrere Schirmherren, auf seine Einhaltung zu achten (Nr. 193, 194).

Die 1510 in Augsburg thematisierten, allerdings nur durch die Speyerer Domkapitelprotokolle belegten Spannungen zwischen Bischof Philipp von Speyer und der Reichsstadt Landau waren offenkundig verursacht durch die Bestrebungen der Stadt, ihre seit der 1324 durch Kaiser Ludwig den Bayern erfolgten Verpfändung an das Hochstift Speyer sehr ausgeprägte Abhängigkeit vom dortigen Bischof zu reduzieren. Durch eine Gesandtschaft zu Kaiser Maximilian bemühte sie sich, wieder Sitz und Stimme auf dem Reichstag zu erlangen und in den dort beschlossenen Anschlag aufgenommen zu werden, also ihren Status als Reichsstadt im vollen Umfang zurückzuerlangen (Nr. 94 [8.], 191). Der Speyerer Bischof versuchte letztlich vergeblich, diese Bestrebungen zu unterlaufen, denn bereits im April 1511 löste Maximilian Landau gegen Zahlung einer Geldsumme aus der Verpfändung (Nr. 1248 Anm. 1).

Der Konflikt zwischen dem Deutschordenshochmeister Friedrich von Sachsen und dem König von Polen war ebenfalls gewissermaßen ein Erbe des Wormser Reichstags 1509. Friedrich hatte dort Kaiser und Reichsstände um Unterstützung des Ordens gegen die polnische Bedrängnis gebeten, woraufhin jene eine Gesandtschaft zu König Sigismund geschickt hatten. Da diese jedoch lange nicht zurückkehrte (Nr. 201-203, 458) und ein polnischer Angriff auf den Orden zu befürchten war (Nr. 205), schickte Hochmeister Friedrich seinen Kanzler Dr. Dietrich von Werthern auf den Augsburger Reichstag, um den Kaiser und die Reichsstände erneut um Beistand ersuchen zu lassen (Nr. 457 [2.]). Auf dem schließlich durch König Sigismund anberaumten Schiedstag in Posen am 24. Juni 1510 nahmen auf dringenden Wunsch Hochmeister Friedrichs auch Vertreter Kaiser Maximilians und der zuvor in Augsburg versammelten Reichsstände teil. Nach mehrwöchigen intensiven Verhandlungen nahmen die polnischen Gesandten zwei Schiedsvorschläge auf Hintersichbringen an (Nr. 223 [2.], 224 [10.]), doch gab König Sigismund auf beide keine Antwort (Nr. 229). Diese letztlich negative Reaktion war ein mitentscheidender Grund dafür, daß nach dem im Dezember 1510 erfolgten Tod Hochmeister Friedrichs der Zwist mit Polen auf seinen im Februar 1511 gewählten Nachfolger Albrecht von Brandenburg überging und von diesem energisch fortgeführt wurde.

Als folgenreich für die Zukunft sollte sich auch eine Deklaration Kaiser Maximilians erweisen, in der er aufgrund von Klagen etlicher Wetterauer Adeliger bekundete, der Güldenweinzoll, den er 1505 Landgraf Wilhelm d. M. von Hessen überschrieben hatte, dürfe nicht außerhalb des Fürstentums Hessen erhoben werden (Nr. 259). Das hessische Regiment mißachtete jedoch diese Verfügung, so daß es zu erneuten Protesten Betroffener kam, über die der Kaiser dann später auf dem Trierer Reichstag zu befinden hatte.

Im Gegensatz zu all diesen längerfristig wirkenden Differenzen wurde in Augsburg noch über eine ganze Anzahl weiterer Streitfälle diskutiert, von denen, soweit erkennbar, einige bis Jahresende 1510 im wesentlichen abgeschlossen werden konnten. Dies galt beispielsweise für die Debatte zwischen Pfalzgraf Friedrich und den Vormündern des minderjährigen Herzogs Wilhelm von Bayern über den korrekten Vollzug einiger Artikel des 1505 in Köln ergangenen königlichen Spruchs, der den Landshuter Erbfolgekrieg beendet hatte (Nr. 235-237). Am Ende kam es zu einem Schiedsspruch, der einige der strittigen Punkte regelte (Nr. 238). Weit mehr als lokale Bedeutung hatte auch der Konflikt zwischen Herzog Ulrich von Württemberg und Rottweil wegen eines angeblichen gewaltsamen Eingriffs der Reichsstadt in die herzogliche Gerichtshoheit. Während der Schwäbische Bund seinem Mitglied Herzog Ulrich bewaffnete Hilfe versprach (Nr. 244, 246, 247), fand Rottweil Rückhalt bei den Eidgenossen (Nr. 249). Nach dem Scheitern von Schiedsverhandlungen auf dem Augsburger Reichstag (Nr. 250, 251) einigte sich Kaiser Maximilian mit den Eidgenossen darauf, daß man sich weiter gemeinsam um einen Ausgleich in der Angelegenheit bemühen wolle (Nr. 254, 255).

Die allermeisten der zahlreichen Bitten um Belehnung oder um Übertragung bzw. Bestätigung von Rechten oder Privilegien erfüllte Kaiser Maximilian auf dem Augsburger Reichstag ohne erkennbare Schwierigkeiten. Gerade deshalb sind aber die wenigen Anträge, denen er nicht in der erhofften Weise entsprach, besonders interessant und aufschlußreich. Dies gilt insbesondere für den Wunsch der beiden Söhne des 1508 verstorbenen pfälzischen Kurfürsten Philipp II., Ludwig und Friedrich, nach Verleihung der Reichslehen. Beide wurden zwar von den Reichsständen mit großem Nachdruck unterstützt, doch Maximilian lehnte das Gesuch zunächst ab, wohl in Erinnerung an das in seinen Augen ausgesprochen inkorrekte Verhalten Kurfürst Philipps im Landshuter Erbfolgekrieg. Erst einige Zeit später einigte er sich mit den Ständen darauf, beide Pfalzgrafen mit den unstrittigen Besitzungen ihres Vaters zu belehnen, während über die umstrittenen auf dem nächsten Reichstag rechtlich befunden werden sollte (Nr. 325, 326, 526 [5.], 532 [2.]). Trotz dieses Kompromisses empfing in Augsburg nur Pfalzgraf Friedrich als Vormund seiner beiden minderjährigen Neffen Ottheinrich und Philipp die diesen im Kölner Spruch zugesprochenen Pfalz-Neuburger Besitzungen (Nr. 327), während Kurfürst Ludwig leer ausging (Nr. 278 [3.] - [5.]) und bis 1518 warten mußte, bis ihm Kaiser Maximilian endlich die Reichsbelehnung gewährte.

Im zweiten hier anzusprechenden Fall ging es um den Rechtsstatus von Hamburg. König Johann von Dänemark und sein Bruder Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein ließen die Reichsstände in Augsburg durch ihren Gesandten Matthäus Brandt darum ersuchen, Hamburg als ihr Eigentum anzuerkennen und nicht länger wie eine Reichsstadt zu den Reichsanschlägen heranzuziehen (Nr. 351, 352). Kaiser und Stände wiesen jedoch den Antrag in einer gemeinsamen Deklaration einmütig zurück, indem sie betonten, Hamburg sei immer eine Reichsstadt gewesen und werde es auch künftig bleiben. Falls König Johann und Herzog Friedrich damit nicht einverstanden seien, sollten sie Klage beim Reichskammergericht erheben (Nr. 353).

Die Kaiser Maximilian und/oder den Reichsständen auf dem Augsburger Reichstag vorgelegten Supplikationen beinhalteten eine große Bandbreite unterschiedlicher Anliegen (I.10.). Interessant erscheinen insbesondere die Bittschriften Frankfurts im Zusammenhang mit der durch Maximilian gebilligten Konfiskation jüdischer Bücher durch Johann Pfefferkorn (Nr. 371, 372). Eine Reihe von Supplikationen Regensburger Bürger beweist zudem, daß Reichstage nicht zuletzt auch Einzelpersonen die willkommene Chance boten, mit dem oftmals entrückt erscheinenden Reichsoberhaupt in näheren Kontakt zu treten und ihm ihre persönlichen Sorgen und Nöte vorzutragen (Nr. 375, 377-379, 384, 386).

Eine der individuellen Angelegenheiten einzelner Reichsstände, die auf dem Reichstag 1510 zur Sprache kamen, war die persönliche Situation der Nachkommen des im März 1508 verstorbenen Herzogs Albrecht IV. von Bayern. So erwogen deren Vormünder sowohl für den unmündigen ältesten Sohn Wilhelm IV. als auch für die gleichfalls noch minderjährige Tochter Sibylle Heiraten mit hochgestellten Partnern, während Albrechts zweiter Sohn Ludwig (X.) das Koadjutoramt in Salzburg erhalten sollte (Nr. 275). An den Augsburger Verhandlungen über eine Heirat Sibylles mit Kurfürst Ludwig von der Pfalz beteiligte sich natürlich auch Kaiser Maximilian als Schwager des verstorbenen Herzogs Albrecht bzw. Onkel von Wilhelm und Sibylle (Nr. 277 [1.], 279 [1.]), war er doch als naher Verwandter an der künftigen Entwicklung im bayerischen Herzogshaus sehr interessiert. Mit seiner Billigung kam am 6. Juni in München der Vertrag zur Verbindung zwischen Ludwig und Sibylle zustande (Nr. 276 Anm. 1).

Trotz ihres Ansehens und ihrer Führungsrolle im Kreis der Reichsstädte legten in Augsburg einige bedeutende Städte kein sonderlich großes Engagement für Belange des Reichsganzen an den Tag, sondern kümmerten sich in erster Linie um ihre eigenen Interessen. Dies zeigt sich am deutlichsten bei Köln. Der großen Rheinmetropole ging es fast ausschließlich nur um die Verteidigung angestammter Rechte, Freiheiten und Befugnisse gegen jegliche Beeinträchtigung von außen, sei es durch den Kölner Erzbischof Philipp von Daun oder, wie im Fall des Kölner Stapels, durch sämtliche rheinischen Kurfürsten (Nr. 280-286, 498, 499, 501). Kaiser Maximilian bezog in diesen Streitigkeiten, wie in etlichen ähnlich gelagerten Fällen, bewußt keine eindeutige Stellung. Zwar forderte er die vier Kurfürsten auf, das der Reichsstadt Köln durch ihn selbst bestätigte Stapelrecht nicht anzutasten, doch im gleichen Atemzug stellte er die Möglichkeit einer erneuten Aussprache über das Thema auf dem nächsten Reichstag in Aussicht (Nr. 288).

Regensburgs Interesse bestand in Augsburg vornehmlich darin, ein Ende der schon 1496 eingerichteten Reichshauptmannschaft zu erreichen. Doch trotz monatelanger, weit über das Reichstagsende hinausgehender Bemühungen der Regensburger Gesandten, die dem Kaiser die negativen Auswirkungen der Hauptmannschaft auf die Stadt in Verbindung mit ihrer schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage mehrfach eindringlich vor Augen führten (Nr. 293, 294, 296, 297, 561, 568 [1.], 574 [2.] und [7.], 582 [1.], 587, 588 [2.]), war Maximilian zu einem Entgegenkommen in dieser Frage ebenso wenig bereit wie zu einem Verzicht auf den Regensburger Anteil an der in Augsburg beschlossenen Reichshilfe. Ganz offensichtlich wollte er die Bestrafung der Regensburger für ihren 1486 erfolgten Abfall vom Reich und die Hinwendung zu Herzog Albrecht von Bayern noch länger ausdehnen und damit ein Warnsignal aussenden an andere Reichsglieder, die womöglich ähnliche Pläne hegten.

Vergleichsweise gut informiert über das allgemeine Verhandlungsgeschehen auf dem Reichstag und wohl dadurch bedingt auch mit dem größten Interesse an Vorgängen, die über den eigenen Horizont hinausgingen, waren die Reichsstädte Frankfurt und Nürnberg. Dies lassen die Berichte ihrer Gesandten, die bereits ab ca. Mitte Januar in Augsburg weilten, deutlich erkennen. Allerdings standen auch bei Frankfurt die eigenen Belange eher im Vordergrund, unter anderem das vom Kaiser längere Zeit gedeckte Vorgehen Johann Pfefferkorns gegen die jüdischen Bücher, durch das die Stadtführung ihre Obrigkeit über die örtliche Judenschaft beeinträchtigt sah (Nr. 474 [1.], 477 [1.], 489, 490, 491 [1.]). Der Vertreter Nürnbergs, Bürgermeister Kaspar Nützel, hingegen hatte nicht nur die zahlreichen Sonderinteressen seiner Heimatstadt im Auge, sondern verfolgte auch die Reichsverhandlungen sowie die parallel dazu in Augsburg stattfindenden Beratungen des Schwäbischen Bundes sehr intensiv und fachkundig. Deshalb hatte er wohl von sämtlichen anwesenden Gesandten den besten Gesamtüberblick. Außerdem wurde er wegen seiner Bekanntheit und Erfahrung von Kaiser und Fürsten mehrfach zu wichtigen Themen persönlich konsultiert (Nr. 552 [2.], [3.]).

2.4. Vollzug der Augsburger Reichstagsbeschlüsse

Zu den aus Sicht des Kaisers relevantesten Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs von Beschlüssen des Augsburger Reichstags gehörte die Einhebung der ihm von den Ständen bewilligten Reichshilfe. Sofort nach Beratungsende begann er denn auch damit, sie zu organisieren und mit permanentem Nachdruck voranzutreiben. Immer wieder forderte er Bürgermeister und Rat der beiden Legestätten Augsburg und Frankfurt auf, Mitteilung über den Stand der Einhebung zu machen und seinen Beauftragten angesammelte Teilbeträge auszuhändigen, damit angeworbene Kriegsknechte besoldet werden konnten (Nr. 624, 641, 643, 650, 652, 657-659). Insbesondere das Frankfurter Quellenmaterial macht aber deutlich, daß bei der Erhebung des Anschlags kaiserlicherseits noch einige Zwischeninstanzen mit eingeschaltet waren, so daß sie letztlich doch ziemlich unübersichtlich organisiert war. Hinzu kam, daß die Gelder, die vereinbarungsgemäß an zwei Terminen gezahlt werden sollten, zwar anfänglich relativ zügig, im weiteren Verlauf dann aber immer zögerlicher eingingen. Einzelne Reichsstände versuchten, eine Reduzierung oder gar einen vollständigen Erlaß der ihnen abverlangten Summen zu erreichen (Nr. 637, 663), andere verwiesen auf Maximilians Zusage, die ihm bereits gegebenen Anleihebeträge mit dem Reichsanschlag zu verrechnen (Nr. 603, 626, 642). Angesichts dieser Schwierigkeiten forderte der Kaiser zahlungsunwillige Fürsten schriftlich oder durch Sondergesandte auf, den Anschlag zu entrichten (Nr. 617, 618, 645, 653, 660, 662, 665, 666, 669, 671, 676, 679), und selbst nach Jahren ergingen in dieser Angelegenheit noch rigorose kaiserliche Mandate an säumige Zahler (Nr. 670, 672). Im Ergebnis wird jedoch, ähnlich wie schon bei der Anleihe für den Kaiser, deutlich, daß der Ertrag des Augsburger Anschlags weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Laut einer Abrechnung der Reichsstadt Frankfurt gingen dort bis Mitte Juli 1511 nur knapp 13000 Gulden in bar ein, außerdem wurden Schuldverschreibungen über insgesamt ca. 8000 Gulden vorgelegt (Nr. 627). Wie hoch der Ertrag der Abgabe war, die Maximilian selbständig, also ohne einen entsprechenden Beschluß des Reichstags, von der Judenschaft im Reich und in den Erbländern in Form eines – sämtlichen an einem bestimmten Ort ansässigen Juden auferlegten – Pauschalbetrags als Beitrag zu den finanziellen Lasten des Venezianerkrieges verlangte (Nr. 683), ist nicht belegt, doch auch hier wurden ausstehende Zahlungen noch zwei Jahre später konsequent eingefordert (Nr. 688).

Durchgeführt wurde schließlich auch der im Reichsabschied festgeschriebene Wormser Tag zur Visitation des Reichskammergerichts am 24. Juni. Dort erstellten Räte Kaiser Maximilians, Erzbischof Jakobs von Trier und Herzog Georgs von Sachsen eine genaue Abrechnung aller Einnahmen und Ausgaben des Gerichts, forderten dessen Personal zu exakter Umsetzung der bestehenden Kammergerichtsordnung auf, vertagten aber die Behandlung weiterer noch unbearbeiteter Probleme auf den nächsten Reichstag (I.19.3).

3. Der kaiserliche Tag in Überlingen und Konstanz 1510 und die Reichstagsprojekte des Jahres 1511

Bereits wenige Wochen nach seiner Abreise aus Augsburg und der Ankunft in Innsbruck Anfang August 1510 wurde der Kaiser durch Meldungen beunruhigt, wonach die Eidgenossen Papst Julius II. gemäß dem einige Monate zuvor mit ihm abgeschlossenen Bündnisvertrag Truppen zuschickten, vermutlich in der Absicht, damit Mailand und Genua zu erobern. Maximilian erließ deshalb ein Aufgebot ins Reich und befahl, ihm auf weiteres Ersuchen hin gerüstet zuzuziehen (Nr. 692). Außerdem lud er eine Reihe vorwiegend im Südwesten des Reiches ansässiger Stände für den 21. September zu einer Art Regionalkonferenz nach Ravensburg ein, um mit ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen (Nr. 693). Als bekannt wurde, daß die Eidgenossen ihre Knechte wieder heimgerufen hatten, kündigte er an, das geplante Treffen nunmehr in Überlingen oder Konstanz abhalten zu wollen (Nr. 704). Grund für die veränderte Ortswahl waren die gleichzeitigen engen Kontakte der Eidgenossen zu einflußreichen Mitgliedern der Konstanzer Stadtführung, die mutmaßlich darauf abzielten, die Stadt am Bodensee dem Reich zu entfremden (Nr. 700).

Bei den in der ersten Oktoberhälfte in Überlingen und Konstanz stattfindenden Beratungen ließ Maximilian die beiden oben angesprochenen Themen vortragen und die Anwesenden – fast ausschließlich Gesandtschaften – um ihre Stellungnahme dazu ersuchen (Nr. 712, 713). Diese erklärten jedoch, als mindermächtige Stände zu derartig schwierigen Problemen keine substantielle Meinung äußern zu können. Daher möge deren weitere Erörterung auf den nächsten allgemeinen Reichstag verschoben werden (Nr. 712, 714). Daraufhin setzte der Kaiser nunmehr alles daran, die ihm seit jeher sehr am Herzen liegende Stadt Konstanz dem drohenden Zugriff der Eidgenossen zu entziehen. So verzieh er ihr nicht nur offiziell die Kontakte zu den Schweizern, sondern schloß auch einen Schirmvertrag mit den Konstanzern, in dem er ihnen seinen unbefristeten Schutz, die jährliche Zahlung eines Geldbetrags, die Befreiung von Reichsanschlägen und eine Reihe weiterer Hilfen und Fördermaßnahmen zusicherte. Im Gegenzug räumte ihm Konstanz das uneingeschränkte Öffnungs-, Aufenthalts- und Durchzugsrecht ein (Nr. 717). Um darüber hinaus die Stabilität der politischen Machtverhältnisse in der Stadt dauerhaft zu sichern und eine stetige Kontrolle über sie ausüben zu können, erstellte er eine neue Ratsordnung, in der die Zusammensetzung des Großen und des Kleinen Rates sowie die Beteiligung der alten Geschlechter und der Zünfte am Stadtregiment genau geregelt wurden (Nr. 720).

Wie schon erwähnt, war im Abschied des Augsburger Reichstags für den 2. Februar 1511 eine weitere Reichsversammlung nach Augsburg anberaumt worden, auf der über eine ganze Reihe in Augsburg nicht zum Abschluß gebrachter oder gar nicht erst in Angriff genommener Themen beraten werden sollte. Diese projektierte Zusammenkunft erfuhr in der Folgezeit ein überaus wechselhaftes Schicksal, wurde doch sowohl ihr Schauplatz als auch ihr Beginn aufgrund der eigenwilligen Kriegspläne Kaiser Maximilians gegen Venedig mehrfach verlegt bzw. verschoben, bevor sie erneut nach Augsburg anberaumt, schließlich aber, mit über einjähriger Verspätung, in Trier durchgeführt wurde. Zunächst umriß Kaiser Maximilian in zwei ausführlichen Ausschreiben an die Reichsstände vom 9. und 15. September 1510 die gegenwärtige Situation im Krieg gegen Venedig sowie den aus seiner Sicht wenig befriedigenden Stand der Einsammlung des Augsburger Reichsanschlags. Aufgrund dessen müsse der geplante neue Reichstag vorverlegt werden und solle nunmehr ab dem 25. November in Straßburg abgehalten werden (Nr. 732, 733). Knapp zwei Wochen vor diesem Termin teilte er dann mit, die Zusammenkunft könne wegen zahlreicher in Straßburg aufgetretener Sterbefälle dort nicht stattfinden, vielmehr sollten die Reichsstände zu ihm nach Freiburg im Breisgau kommen. In einer handschriftlich hinzugefügten Nachschrift widerrief er allerdings auch diese Aufforderung ohne nähere Begründung (Nr. 747). Er selbst hielt sich zwar in der Folgezeit – von einigen Unterbrechungen abgesehen – bis ca. Ende Februar 1511 in Freiburg auf, Verhandlungen mit Ständen im Rahmen eines Reichstags fanden dort aber nicht statt.

In einem Mandat vom 27. Januar 1511 entwickelte Maximilian dann wieder einen völlig anderen Plan. Eine Reihe von Gründen, darunter die aktuelle Entwicklung in Italien, lasse es geboten erscheinen, bis auf weiteres keinen Reichstag durchzuführen, da dieser nur Nachteile mit sich brächte. Statt dessen sollten die Stände bis zum 1. April für sechs Monate gerüstet nach Trient kommen, dort über die für den Augsburger Reichstag vorgesehenen Themen beratschlagen und anschließend zusammen mit ihm gegen die Venezianer und weiter zur Erlangung der Kaiserkrone ziehen (Nr. 754). Diese eigenmächtige Stornierung der gemeinsam mit den Ständen beschlossenen und im Augsburger Abschied fixierten neuen Reichsversammlung in Verbindung mit dem Rückgriff auf das herkömmliche Mittel des Reichsaufgebots ist charakteristisch für das ebenso selbstherrliche wie sprunghafte Handeln Maximilians in dieser Phase zwischen den beiden Reichstagen von 1510 und 1512.

In den folgenden Monaten bemühte er sich nach Kräften, unter anderem durch mehrere Sondergesandtschaften, die Reichsstände zur Stellung ihrer Truppenkontingente zu bewegen (Nr. 755, 757, 762), stieß damit aber zu seiner großen Verärgerung nur auf geringe Resonanz. Einzelne Angesprochene verwiesen in ihren Antworten explizit auf das alleinige Bewilligungsrecht des Reichstags für eine Kriegshilfe (Nr. 759). Nachdem Maximilian in einem Mandat vom 20. Mai der Durchführung eines weiteren, aus seiner Sicht langwierigen und fruchtlosen Reichstags nochmals eine klare Absage erteilt hatte (Nr. 763 [8.]), war es dann offensichtlich auf die dringende Empfehlung einiger seiner führenden Berater (Nr. 770 [2.]) zurückzuführen, daß er am 20. Juli schließlich doch eine neue Versammlung ausschrieb, die ab dem 16. Oktober in Augsburg stattfinden sollte (Nr. 771 [4.]). Da der Kaiser sein persönliches Kommen fest zugesichert hatte, erschienen tatsächlich verschiedene Stände und Gesandtschaften am vorgesehenen Tagungsort, wo sie zusammen mit einigen kaiserlichen Räten längere Zeit ungeduldig auf ihn warteten (Nr. 786-790). Maximilian zögerte jedoch sein Eintreffen immer wieder hinaus (Nr. 775, 790, 791), begab sich statt dessen in seine Erbländer, um von den dortigen Landständen finanzielle Unterstützung zu bekommen, die, wie er sagte, als Zehrgeld für den Reichstag dienen sollte (Nr. 796, 797). Erst Anfang Januar 1512 brach er in Wels auf und reiste donauaufwärts. Spätestens während seines Aufenthalts in Regensburg Ende Januar/Anfang Februar faßte er dann den Entschluß, den nunmehr schon so lange hinausgeschobenen Reichstag nicht in Augsburg, sondern an einem anderen Ort abzuhalten.

4. Der Reichstag zu Trier und Köln 1512

4.1. Außenpolitische Rahmenbedingungen

Seit Beginn seiner Alleinregierung waren es weniger reichsinterne Ereignisse oder Probleme, sondern weit öfter bestimmte Konstellationen und Zielsetzungen im Rahmen seiner auswärtigen Politik gewesen, die Maximilian zur Durchführung eines Reichstags veranlaßt hatten. Dies gilt auch und sogar in besonderem Maße für die Reichsversammlung von 1512, deren Vorgeschichte, Verlauf und thematische Ausrichtung von den außen- und bündnispolitischen Absichten des Kaisers nachhaltig bestimmt wurden.

In den ersten Monaten des Jahres dominierte der nunmehr schon so lange andauernde Konflikt mit Venedig weiterhin das Denken und Handeln des Monarchen. Rastlos bemühte er sich in seinen niederösterreichischen Erbländern und in Tirol um Unterstützung für die Kriegführung, wartete aber daneben doch auch gespannt auf den Ausgang der Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen ihm und der Adriametropole, die Papst Julius II. und ein Beauftragter König Ferdinands von Aragón in Rom ohne offizielle Beteiligung eines kaiserlichen Vertreters führten. Am 6. April kam endlich der entsprechende Vertrag zustande (Nr. 816), am 12. Mai wurde er vom Dogen (Nr. 827 Anm. 1), am 20. Mai von Maximilian ratifiziert (Nr. 827). Dies änderte allerdings kaum etwas an dessen Abneigung gegen seinen jahrelangen Erzfeind, so daß der venezianische Gesandte Francesco Cappello, als er im August 1512 dem Kaiser in Köln den Wunsch der Signorie nach Wiederherstellung des vor dem Krieg bestehenden guten beiderseitigen Verhältnisses übermitteln wollte, mit absurden Vorwürfen gegen seine Person konfrontiert wurde, kein Geleit erhielt und deshalb seine Werbung dem kaiserlichen Beauftragten Dr. Konrad Peutinger am Landshuter Hof Herzog Wilhelms von Bayern vortragen mußte (Nr. 856, 857).

Zum Zeitpunkt des Waffenstillstands mit Venedig war der Kaiser aufgrund der Liga von Cambrai noch offiziell mit König Ludwig XII. von Frankreich verbündet. Am 11. April besiegte sogar ein französisch-kaiserliches Heer in der Schlacht bei Ravenna die vereint kämpfenden Truppen des Papstes und des Königs von Aragón (Nr. 821). Doch schon gegen Jahresende 1511 war das langjährige, tiefsitzende Mißtrauen Maximilians gegen Frankreich wieder erwacht, als er gehört hatte, König Ludwig XII. unterstütze heimlich den geldrischen Herzog Karl von Egmont, der erneut gegen die Habsburger Krieg führte (Nr. 802). Deshalb wurde er auch vom Kaiser in die Acht erklärt (Nr. 808). In der Folgezeit wuchs Maximilians Sorge um seine durch Herzog Karl bedrohten niederländischen Besitzungen so stark an, daß er nicht umhin konnte, seiner um persönliche Unterstützung bittenden Tochter Margarethe, die als Statthalterin der Niederlande fungierte, sein baldiges Kommen in Aussicht zu stellen (Nr. 818, 823). Am 17. Mai reiste er aus Trier ab und eilte nach Brabant. Es war mithin nur eine folgerichtige Begleiterscheinung des wachsenden Geldernproblems, daß Maximilian eine vollständige Abkehr vom Bündnis mit Frankreich vollzog und dies Mitte Juni den in Trier weilenden Reichsständen schriftlich mitteilte. Zur Begründung kreidete er seinem ehemaligen Verbündeten nicht nur dessen Unterstützung für Herzog Karl an, sondern warf ihm auch vor, in den vergangenen Jahren nie die von ihm erwartete tatkräftige Hilfe gegen den gemeinsamen Feind Venedig geleistet zu haben (Nr. 820 [5.] und [7.], 990 [6.] – [9.], 993 [3.]). Als die Reichsstände daraufhin Maximilian anboten, in seinem Konflikt mit dem Geldernherzog zu vermitteln, lehnte er dies rundweg ab (Nr. 994 [2.], 995 [2.]).

Die konkreten Auswirkungen des scharfen politischen Richtungswechsels des Kaisers zeigten sich schon bald auf mehreren Ebenen. Als König Heinrich VIII. von England – selbst im Begriff, Frankreich mit Kriegsschiffen anzugreifen (Nr. 831) – Maximilian durch eigens nach Brüssel beorderte Gesandte hohe Summen zur Besoldung von Truppen für den Geldernkrieg anbot, nahm dieser sie gerne an (Nr. 837, 839). Den ihm ebenfalls angetragenen Abschluß eines Bündnisses mit dem englischen König zögerte er allerdings immer wieder hinaus (Nr. 843, 846, 855, 862).

Auch in Italien standen der Kaiser und König Ludwig XII. nunmehr gegeneinander. Letzterer hatte durch seinen Sieg in der Schlacht bei Ravenna beste Aussichten, seine italienische Machtposition weiter auszubauen, was Papst Julius II. in helle Aufregung versetzte. Durch diese Konstellation wiederum sahen sich die wegen ihrer kampfkräftigen Söldner seit langem von vielen Seiten umworbenen Eidgenossen plötzlich in einer interessanten und finanziell lukrativen Position. Bereits im Februar hatte Maximilian ihnen im Rahmen einer Einung stattliche Pensionszahlungen versprochen (Nr. 866 [4.]), unmittelbar darauf bemühte sich auch der französische König intensiv um ein Bündnis mit den Schweizern (Nr. 864, 866 [1.] und [2.], 867 [1.]), und schließlich stellte ihnen der bedrohte Papst 20000 Gulden für militärische Hilfe gegen Frankreich in Aussicht (Nr. 869 [1.]). So begehrt die Schweizer mithin als militärische Kraft allseits waren, als politischer Partner kamen sie für Kaiser Maximilian doch nicht in Frage. Deshalb ließ er ihnen am 13. April durch eine Gesandtschaft zwar Gespräche auf dem Reichstag über ihre eventuelle Indienstnahme für das Reich anbieten, lehnte aber gleichzeitig ihren Vorschlag einer Vermittlung in seinem Konflikt mit Venedig höflich ab (Nr. 867). Als dann Anfang Mai zwei eidgenössische Vertreter nach Trier kamen, erteilte er zum einen den dem Papst zuziehenden Schweizer Kriegsknechten die Erlaubnis zum Durchzug durch die kaiserlichen Lande, zum anderen unterbreitete er einen Plan, der ebenfalls massiv gegen Frankreichs Interessen in Italien gerichtet war: Die kampfkräftigen Eidgenossen sollten das Herzogtum Mailand, das sich schon seit 1500 in der Hand König Ludwigs XII. befand, für Massimiliano Sforza, den Sohn des 1508 in französischer Gefangenschaft verstorbenen Mailänder Herzogs Ludovico Moro, erobern und dafür 300000 Dukaten sowie weitere 40000-50000 Dukaten als jährliche Pension erhalten (Nr. 882 [1.], 888 [3.]). Massimiliano, benannt nach seinem kaiserlichen Protektor, hielt sich seit Jahren am Hof des Kaisers und in dessen Begleitung auch auf dem Kölner Reichstag auf. Die Verhandlungen und Diskussionen Maximilians mit den Eidgenossen über die Rückführung des jungen Mannes nach Mailand dauerten bis weit in den Herbst hinein an. Es ging dabei insbesondere auch um die Frage, welche Rechtsstellung Massimiliano in Mailand erhalten sollte, um eine möglichst enge Bindung des Herzogtums ans Reich zu gewährleisten (Nr. 901 [1.], 902 [2.], 903 [1.], 904, 906 [3.]). Vorübergehend dachte der Kaiser sogar daran, seinen Enkel Erzherzog Karl anstelle des Italieners als mailändischen Gubernator einzusetzen (Nr. 902 [3.], 903 [4.], [8.]), doch widerstanden die Eidgenossen diesem Plan erfolgreich (Nr. 904). Drei Monate nach Ende des Kölner Reichstags, am 15. Dezember 1512, konnte Massimiliano in Mailand Einzug halten und wurde zwei Wochen später offiziell als Herzog eingesetzt.

Maximilians neue Frontstellung gegen König Ludwig XII. offenbarte sich nicht zuletzt auch in seinem scharfen Vorgehen gegen französische Truppenwerbungen am Oberrhein und in Böhmen. Da er fürchtete, die zu Tausenden rekrutierten Söldner könnten im bevorstehenden Geldernkrieg gegen ihn eingesetzt werden, untersagte er in einer ganzen Reihe scharfer Mandate an die Untertanen im Reich und in den Erbländern jegliche Indienstnahme fremder Kriegsknechte (Nr. 911, 918, 920, 924, 927, 933). Gegen die Grafen Heinrich von Thierstein und Emich von Leiningen, die das Anwerbeverbot in besonders eklatanter Weise mißachtet hatten, verhängte er schwere Strafen. Ihr Besitz wurde konfisziert und zum Teil an neue Besitzer verteilt (Nr. 912, 913, 915, 916, 922, 923, 928-931), Graf Emich zudem in die Acht erklärt (Nr. 925).

4.2. Vorbereitung und äußerer Ablauf des Reichstags

Nach seiner spätestens Anfang Februar 1512 in Regensburg getroffenen Entscheidung, den angekündigten Reichstag nun doch nicht in Augsburg abzuhalten, reiste Kaiser Maximilian über Nürnberg und Würzburg nach Frankfurt. Mutmaßungen, er wolle an den Rhein ziehen, um sich mit den dort ansässigen Kurfürsten zu treffen und zu beraten (Nr. 936 [3.]), bewahrheiteten sich nur bedingt, denn in seinem am 27./28. Februar ergangenen Ladungsschreiben an die Reichsstände gab er bekannt, er wolle den geplanten Reichstag nunmehr entweder in Koblenz oder in Trier durchführen (Nr. 940). Diese nicht eindeutige Ortsangabe und das fehlende Datum für den Beginn der Zusammenkunft fallen ebenso aus dem üblichen Rahmen wie die beiden benannten Tagungsorte, die nicht zu den traditionellen Schauplätzen von Reichsversammlungen wie etwa Nürnberg, Frankfurt, Augsburg oder Worms zählten. Dafür, daß Maximilian schließlich Trier als Malstatt wählte, gab es mehrere Gründe, u. a. den Umstand, daß dort im Gegensatz zu anderen Orten im mittelrheinischen Raum zum fraglichen Zeitpunkt keine ansteckenden Krankheiten grassierten. Mit ausschlaggebend war aber sicher auch, daß er von Trier aus bei Bedarf rasch und vergleichsweise sicher in die Niederlande gelangen konnte, um dort seiner Tochter Margarethe gegen Herzog Karl von Geldern beizustehen. Das nur den eigenen Interessen dienende Votum des Kaisers für das stark dezentral, d. h. am Rand des Reichsgebietes gelegene und auch aus organisatorischen Gründen nur bedingt geeignete Trier rief allerdings deutliche Kritik hervor. Obwohl sich die Trierer Stadtführung nach Kräften um das Wohl ihre zahlreichen hochgestellten Gäste bemühte (Nr. 1847), gab es von deren Seite immer wieder Klagen, insbesondere über die mangelnde Qualität der Herbergen und zu hohe Preise für Kost und Logis (Nr. 1740 [4.], 1780 [3.], 1781 [4.]).

Wegen der genannten besonderen Umstände der Reichstagseinberufung dauerte es geraume Zeit, bis die Geladenen in Trier eintrafen. Diejenigen, die lange auf sich warten ließen, wurden von Kaiser Maximilian nochmals mehrfach und mit Nachdruck zum persönlichen Erscheinen oder zur Entsendung von Gesandten aufgefordert (Nr. 959, 967-969, 973-975, 978). Dazu gehörte insbesondere der sächsische Kurfürst und Reichsstatthalter Friedrich der Weise, der erklärte, er könne aus gesundheitlichen Gründen die weite Reise nach Trier nicht auf sich nehmen (Nr. 952, 963-966), vermutlich aber auch wegen des schwelenden Konflikts um Erfurt ein persönliches Zusammentreffen mit dem Kaiser und seinem Kontrahenten Erzbischof Uriel von Mainz scheute. Erst Mitte April schickten er und sein ebenfalls nicht persönlich teilnehmender Vetter Herzog Georg von Sachsen auf nachdrückliche Empfehlung ihrer Kontaktleute am kaiserlichen Hof (Nr. 1082 [8.]) eine gemeinsame Delegation (Nr. 1593). Die um die Sicherheit ihrer Gesandten auf dem Anreiseweg fürchtende Reichsstadt Nürnberg fertigte diese sogar erst Anfang Juni ab (Nr. 1746).

Der Kaiser hingegen traf, von Koblenz aus per Schiff moselaufwärts reisend, bereits am 10. März und damit wesentlich früher als die allermeisten ständischen Reichstagsteilnehmer in Trier ein. Im sogenannten Palast, den ihm der erst im Vorjahr gewählte neue Trierer Erzbischof Richard von Greiffenklau zur Verfügung stellte, bezog er Quartier (Nr. 1832 [4.]). Die folgenden fünf Wochen verbrachte er mit informellen politischen Gesprächen und Ausflügen in die nähere und weitere Umgebung, aber auch mit Besuchen in Trierer Klöstern, der Mitfeier von Gottesdiensten sowie aufsehenerregenden Bußübungen während der Karwoche (Nr. 1832 [6.], [7.], [9.] - [11.], [16.], [18.], [22.], [24.] - [26.]). Diese Selbststilisierung als frommer, gottesfürchtiger Monarch war offenkundig gezielt gegen Papst Julius II. gerichtet, der nicht nur für seine ausgesprochen weltliche Lebensführung bekannt war, sondern dem Maximilian auch seine unerwartete Verständigung mit den Venezianern im Februar 1510 nie verziehen hatte.

Im Kontext der papstkritischen Aktivitäten des Kaisers kann demzufolge auch die von ihm im April 1512 in Trier initiierte Suche nach dem Heiligen Rock, den der biblischen Überlieferung nach Jesus vor seiner Kreuzigung getragen hatte, gesehen werden. Diese kostbare Reliquie wurde nach ihrer Auffindung im Hochaltar des Trierer Domes zusammen mit etlichen anderen dort entdeckten Heiltümern am Tag Inventionis crucis (3. Mai) in Rahmen einer feierlichen Gedenkmesse für Maximilians Ende 1510 verstorbene zweite Gemahlin Bianca Maria den anwesenden deutschen Reichstagsteilnehmern und den Abgesandten ausländischer Mächte erstmals präsentiert (Nr. 1833, 1834). Am folgenden Tag fand, wiederum mit zahlreichen hochgestellten Teilnehmern, ein weiterer Gottesdienst zu Ehren des verstorbenen Trierer Erzbischofs Jakob von Baden, eines Verwandten Maximilians, sowie der Gefallenen der Reichskriege statt (Nr. 1835 [4.]). Die durch den Kaiser angestoßene Wiederauffindung des Heiligen Rockes in Verbindung mit den wohldurchdachten kirchlich-religiösen Inszenierungen dienten zum einen dem Ziel, Maximilians moralische Integrität und seine Führungsqualitäten als christlicher Herrscher im Kontrast zum fragwürdigen Papst Julius II. herauszustellen, zum anderen die enge Verbundenheit von Kaiser, Reich und Haus Habsburg sinnfällig zum Ausdruck zu bringen. Am 31. Mai wurde der Heilige Rock dann zum ersten Mal auch der breiten Öffentlichkeit gezeigt (Nr. 1710 [8.], 1261 [3.]). Die Nachricht von seiner Auffindung verbreitete sich schnell im ganzen Reich und löste einen enormen Zustrom von Gläubigen aus – Auftakt zu der noch heute lebendigen Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier. Obwohl die spektakulären Ereignisse rund um die Erhebung und Präsentation des Gewandes Christi nicht zum Reichstagsgeschehen im engeren Sinne gehörten, so prägten sie die Trierer Versammlung doch zweifellos atmosphärisch in ungewöhnlicher Weise und verliehen ihr so in der langen Reihe maximilianeischer Reichstage einen besonderen Stellenwert.

Durch die stattliche Anzahl der im März und April nach Trier kommenden Reichsstände entwickelte sich die dortige zunächst so zögerlich beginnende Reichsversammlung dann doch noch zu einer ähnlich gut besuchten Zusammenkunft wie diejenige in Augsburg 1510. Laut dem als zeitgenössischer Druck vorliegenden Teilnehmerverzeichnis waren vier Kurfürsten, vier geistliche und neun weltliche Fürsten persönlich anwesend, außerdem Gesandtschaften von zwei Kurfürsten (Sachsen und Brandenburg), fünf geistlichen und einigen weltlichen Fürsten sowie etliche Grafen, Herren und Städtevertreter. Auch andere europäische Mächte wie der Papst, die Könige von Frankreich, England, Aragón und Navarra sowie der Großfürst der Walachei hatten Abordnungen geschickt. Hinzu kamen wiederum zahlreiche Grafen, Herren und Gesandtschaften (Nr. 1536, 1537).

Als Folge des langen Wartens auf wichtige Teilnehmer konnte der Reichstag erst am 16. April in den Räumlichkeiten der Trierer Universität, dem sogen. Kollegium, mit der Verlesung der Proposition eröffnet werden (Nr. 981, 1832 [28.]). Dort fanden auch die weiteren Beratungen statt. Doch bereits nach gut drei Wochen tat der Kaiser das, was er offenkundig schon geraume Zeit vorgehabt hatte: Er verlangte von den Ständen, die Verhandlungen sollten nach Antwerpen oder Herzogenbusch, also an einen Ort außerhalb des Reichsgebietes, verlegt werden. Die Stände lehnten dieses Ansinnen zwar strikt ab, zeigten sich aber gegenüber dem alternativen Plan einer Fortsetzung des Reichstags in Köln nicht abgeneigt (Nr. 1687 [2.] und [3.], 1786 [2.], 1818 [2.]). Wenig später, am 17. Mai, verließ Maximilian Trier und begab sich auf direktem Weg in die Niederlande zu seiner Tochter Margarethe (Nr. 1600 [4.], 1706 [6.]). In seiner Abwesenheit führten seine beiden erfahrensten Räte, Hofkanzler Zyprian von Serntein und der kaiserliche Hofmeister Graf Eitelfriedrich von Zollern, die weiteren Verhandlungen mit den Ständen; der Graf von Zollern starb allerdings bereits am 19. Juni in Trier. Die Beratungen verliefen trotz der Abwesenheit des Reichsoberhaupts erstaunlich effektiv, obwohl nunmehr die Kommunikation mit dem Kaiser ausschließlich in schriftlicher Form und über eine längere Distanz hinweg aufrechterhalten werden mußte (Nr. 1820, 1821), wodurch es naturgemäß zu einigen Verzögerungen und Übermittlungspannen kam (Nr. 1822 [7.], 1828 [2.], [3.]).

Das bei seiner Abreise gegebene Versprechen, binnen drei Wochen nach Trier zurückzukehren, hielt Maximilian allerdings zum Verdruß seiner Räte und der Reichsstände nicht ein, vielmehr forderte er letztere Ende Juni auf, binnen acht oder neun Tagen zu ihm nach Köln zu kommen (Nr. 1716 [7.]). Erstaunlich rasch und wohl auch erleichtert reisten die Versammlungsteilnehmer aus Trier ab, doch nur ein Teil von ihnen begab sich auf direktem Weg nach Köln. Einige fuhren nach Hause, wieder andere kamen erst mit Verzögerung am neuen Tagungsort an. Maximilian selbst traf dort am 16. Juli ein (Nr. 1617 [9.], 1717 [1.]). Noch am selben Tag wurden die unterbrochenen Reichstagsberatungen wieder aufgenommen und ohne jede weitere Verzögerung bis zu ihrem Abschluß Mitte September fortgesetzt.

Im Laufe dieser acht Wochen bewältigten die Versammlungsteilnehmer erneut ein bemerkenswert intensives Arbeitsprogramm mit einer ganzen Reihe komplexer, diffiziler und oftmals ausgesprochen kontrovers diskutierter Themen. Weil nicht für alle von ihnen eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden konnte, wurde im vordatierten Reichsabschied vom 26. August festgehalten, daß man verschiedene konkret benannte Probleme, die offengeblieben waren, auf einem weiteren Reichstag erneut erörtern wolle (Nr. 1592 [3.], [5.], [15.], [17.] - [24.]). Dieser sollte auf Wunsch des Kaisers und mit Zustimmung der Stände bereits ab dem 6. Januar 1513 entweder in Frankfurt oder Worms stattfinden. (Nr. 995 [10.], 996 [2.], 997 [9.], 1722 [6.], 1723 [2.], 1724 [1.]). Man einigte sich schließlich auf Worms (Nr. 1011 [34.]). Das kaiserliche Ladungsschreiben zu dieser Zusammenkunft erging am 1. Oktober (Nr. 1849 [3.]). Zu diesem Zeitpunkt hatten die ständischen Versammlungsteilnehmer Köln längst verlassen. Kaiser Maximilian hingegen blieb, wie schon 1510 in Augsburg, noch mehrere Wochen und reiste erst Ende Oktober ab.

4.3. Themen und Ergebnisse des Reichstags

Der Reichstag des Jahres 1512 zählt aufgrund der ungewöhnlichen Fülle wichtiger Themen und Probleme, die dort erörtert, allerdings nur zum Teil abgeschlossen und gelöst wurden, zweifellos zu den bedeutendsten Reichsversammlungen der Maximilianszeit. Im Zentrum der Beratungen in Trier und Köln standen, wie auf dem Augsburger Reichstag, die Themen „Reichshilfe“ und „Verfassungsfragen“, die erneut in charakteristischer Weise quasi ineinander verflochten waren.

Gleich am Anfang seiner am 16. April vorgelegten Proposition kam der Kaiser auf einen Plan zurück, den er bereits 1510 unterbreitet hatte und über den gemäß dem Wunsch und der Zusage der Stände auf der nächsten Reichsversammlung weiterberaten werden sollte. Dabei ging es, wie Maximilian nunmehr in Trier formulierte, darum, „ein ordinanz und rüstung im hl. Reych von 50000 mannen furzunemen, aufzurichten und zu halten ad defensionem, damit alzeyt gewarnet, fursehen und gerüst zu sein, frembd anfechtung, einfale und beswerung, so sich zutragen mochten, abzustellen und demselben gegenwere zu tun“ (Nr. 981 [2.]). Die anschließende Debatte zeigte, daß Maximilian und die Reichsstände über besagtes kaiserliches Projekt noch immer dieselben unterschiedlichen Auffassungen hatten wie zwei Jahre zuvor. Während dem Monarchen ein gegen äußere Feinde einzusetzendes Heer von 50000 Mann vorschwebte, sprachen die Stände von Möglichkeiten „zu unterhaltung friedes und rechts und handhabung“ (Nr. 987 [1.]), dachten also augenscheinlich mehr an Lösungen für ihnen deutlich näher stehende reichsinterne Probleme. Unter diesen Vorzeichen erkannte Maximilian, daß er seinen Traum von einer ihm für die Bekämpfung außerdeutscher Gegner zur Verfügung stehenden großen Armee nicht würde verwirklichen können. Er unterbreitete deshalb einen neuen Vorschlag, der „dem hl. Reyche und gemeyner cristenheyt zu sovil eren, nutze und wolfart als mit den 50000 mannen dyenen und gedeyhen moge“ und die Wiederaufrichtung des im Jahr 1500 beschlossenen, aber nur kurze Zeit bestehenden Reichsregiments sowie eine Neuauflage des Gemeinen Pfennigs von 1495 vorsah (Nr. 988 [2.]).

Diesen kaiserlichen Gedanken begriffen die Stände als Chance, für eine ganze Reihe aktueller Aufgaben Lösungen in ihrem Sinne zu finden. Zwischen dem 13. und 28. Mai erarbeiteten sie in drei Redaktionsstufen den Entwurf einer neuen Ordnung für das Reich, der in den Quellen oft als „ungeverlicher boß (poß)“ bezeichnet wird. In ihm fanden zwar auch einige wichtige Ziele und Vorschläge Maximilians Berücksichtigung, ansonsten war er aber stark durch spezifisch ständische Bedürfnisse geprägt. Von dem so hartnäckig verfochtenen kaiserlichen Wunsch nach einem 50000-Mann-Heer ist darin hingegen mit keinem Wort mehr die Rede. Statt dessen heißt es zu Beginn, Kaiser und Stände hätten sich in Anbetracht der „vil ergangen kriegen und ufruren im Reyche, auch zum teyl von etlichen anstossern desselben […] als ein cristlich corpus und versamlung gegen- und miteinander vereyniget, verpflicht und vertragen“ mit dem Ziel, gewalttätige Angriffe auf die Rechte und Freiheiten einzelner Reichsstände abzuwehren, „krieg und aufrur im Reych zu verhuten, […] strassenrauberey zu strafen und nit zu gestatten, desgleichen, ob ymant im Reyche oder ausserhalb des Reychs dasselbig anfechten und bekrigen wollt, dem widerstand zu tun, und nit der meynung, das ksl. Mt. oder die stende, ymants mutwilliglich unter inen selbs oder andern zu bekriegen, furnemen wolten, sonder alleyn ad conservandum et defendendum des, so hyrin geschrieben stet“ (Nr. 989 [2.]). Es folgten Vorschläge zur Organisation der rein defensiven Abwehr gewaltsamer Übergriffe (Nr. 989 [7.] - [11.], [22.]). Alle hierzu erforderlichen Maßnahmen sollten durch eine neue, allgemeine Vermögenssteuer auf alle Untertanen, d. h. einen Gemeinen Pfennig, finanziert werden (Nr. 989 [12.], [14.] - [21.]). In einer Ergänzung zu ihrem Ordnungsentwurf regten die Stände zudem eine Erhöhung der Zahl der Reichskreise von sechs auf zehn durch Einbeziehung der kurfürstlichen und der österreichisch-burgundischen Gebiete an (Nr. 995 [13.]).

Darüber hinaus enthielt der Entwurf Regelungen zu einer ganzen Reihe weiterer drängender Themen. Einige davon, wie das Eindämmen von Gotteslästerung und Zutrinken (Nr. 989 [23.] und [24.]), die Regulierung des Münzwesens (Nr. 989 [31.]) oder Verbesserungen bei der Rechtsprechung (Nr. 989 [26.] - [28.]), hatten schon frühere Reichsversammlungen beschäftigt, andere, wie Maßnahmen gegen Vorkauf treibende Kaufmannsgesellschaften und Preistreiberei (Nr. 989 [31.]) oder die Beseitigung von Mängeln am Reichskammergericht (Nr. 989 [32.]), waren eher neueren Datums. Verfassungsgeschichtlich bedeutsam war zudem der Vorschlag, daß die Reichsstände jedes Jahr für einen Monat zusammenkommen, also einen turnusmäßigen Reichstag abhalten sollten (Nr. 989 [34.]). In seiner Stellungnahme zu diesem Entwurf äußerte Kaiser Maximilian nur wenige Änderungs- und Ergänzungswünsche, die unter anderem die Verdoppelung des Gemeinen Pfennigs betrafen (Nr. 990 [13.], [15.], [20.]). Auch der Schaffung von vier weiteren Reichskreisen (Nr. 997 [11., 1011 [12.]) sowie der alljährlichen Durchführung einer Reichsversammlung stimmte er zu, benannte allerdings dafür gleich feste Versammlungsorte und bestand auf seinem Einberufungsrecht (Nr. 989 [16.]). Im weiteren Verlauf der Diskussion lehnten die Stände die Verdoppelung des Gemeinen Pfennigs wegen zu erwartender Widerstände der Untertanen ab (Nr. 994 [3.]), zugleich sprachen sie sich dafür aus, den ersten der jährlichen Reichstage am 17. April 1513 in Frankfurt oder Worms abzuhalten (Nr. 991 [5.]). Maximilian stimmte beiden Tagungsorten zu, plädierte aber für einen Beratungsbeginn schon am 6. Januar (Nr. 995 [10.], [11.]), was schließlich von den Ständen gebilligt wurde (Nr. 997 [9.]). Nach dieser Klärung wurde am 16./17. August ein Entwurf erstellt (Nr. 1011/II), aus dem schließlich die am 26. August vom Reichstag beschlossene und durch Vertreter aller Ständegruppen beurkundete Endfassung der Reichsordnung hervorging (Nr. 1011/I). Sie stellt das wichtigste Ergebnis des Reichstags 1512 dar.

Wie bereits beschrieben, vollzog Kaiser Maximilian im Laufe des Trierer Reichstags einen grundlegenden Schwenk in seiner Außen- und Bündnispolitik, indem er mit seinem Erzrivalen Venedig einen Waffenstillstand schloß und wenig später den seit 1508 bestehenden antivenezianischen Pakt mit König Ludwig XII. von Frankreich beendete. Wie wendig er an diesen signifikanten Richtungswechsel seine Forderung nach einer Reichshilfe anpaßte, entsprach voll und ganz seinem politischen Stil. Hatte er in seiner Proposition noch die in Trier versammelten Stände ersucht, ihm „zu erlicher ausfürung des kriegs wider die Venediger […] weiter trostlich, treffelich und austreglich hielf und rate [zu] beweysen“ (Nr. 981 [11.]), so verlangte er acht Wochen später in einem Atemzug mit der Aufkündigung des französischen Bündnisses Hilfe für eine militärische Auseinandersetzung mit Herzog Karl von Geldern. Dieser werde, so behauptete er, von König Ludwig XII. unterstützt, wodurch nicht nur der Verlust des Herzogtums Geldern, sondern auch ein weiteres Vordringen Frankreichs in die rheinischen Kurfürstentümer, ja ins ganze Reich drohe (Nr. 990 [10.], [11.]). Bestritten werden sollte die Kriegshilfe nach Maximilians Vorstellungen aus dem Gemeinen Pfennig, den die Stände eigentlich nur für die Finanzierung bestimmter reichsinterner Aufgaben vorgesehen hatten (Nr. 90 [12.]). Als die Stände sich zwei Wochen nach dem Wiederbeginn der Beratungen in Köln für die Vertagung der Reichshilfeverhandlungen auf den nächsten Reichstag aussprachen (Nr. 99 [2.], [5.]), war die Sicherung Gelderns für Maximilian bereits so wichtig und dringlich geworden, daß er dafür nunmehr eine Eilende Hilfe für vier Monate verlangte. Nach längerer Diskussion über verschiedene Einzelheiten, u. a. die Rückzahlung der Hilfe aus den Erträgen des Gemeinen Pfennigs (Nr. 1003, 1004 [2.]), wurde ein auf dem Kölner Anschlag von 1505 basierender, 1163 Berittene und 3130 Fußknechte umfassender Truppenanschlag erstellt (Nr. 1005) und daraus der von jedem Reichsstand zu zahlende Betrag errechnet. Dieser sollte bis zum 16. Oktober 1512 bei Bürgermeister und Rat der Städte Frankfurt oder Augsburg entrichtet werden (Nr. 1592 [4.]).

In seiner Stellungnahme zum ständischen Ordnungsentwurf unterbreitete der Kaiser zudem noch einen Vorschlag, der in gewisser Hinsicht an das 1500 ins Leben gerufene Reichsregiment erinnert. Demzufolge sollten die Reichsstände ihn bei der Einhebung des Gemeinen Pfennigs durch zwölf oder wenigstens acht Räte unterstützen (Nr. 990 [14.]). Am Ende bewilligten sie acht Räte, je vier von den Kurfürsten und den übrigen Reichsgliedern, die bis zum 29. September an den kaiserlichen Hof zu entsenden waren. Ihre Aufgabe bestand, neben der Einsammlung der allgemeinen Reichssteuer, in der Mithilfe bei der Beilegung der zahlreichen an den Kaiser herangetragenen Streitfälle sowie in seiner Beratung bei etwaigen Vertragsabschlüssen mit auswärtigen Mächten (Nr. 1592 [6.] - [11.]).

Ein besonders dringliches Problem für den Reichstag 1512 stellten die aktuellen Zustände am Reichskammergericht dar. So waren in jüngster Zeit immer wieder Klagen gegen den Kammerprokuratorfiskal Dr. Christoph Müller, verschiedene Beisitzer, Protonotare, Prokuratoren, Leser, Schreiber und andere Funktionsinhaber am obersten Reichsgericht laut geworden, unter anderem wegen unerlaubter Vorteilsannahme, Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht, unzureichender fachlicher Qualifikation und mangelndem Fleiß (Nr. 1556, 1557 [3.]). Die Notwendigkeit, das Reichskammergericht einer Reform zu unterziehen und dabei die erkannten Mängel abzustellen, spielte auf Betreiben der Stände in den Verhandlungen mit dem Kaiser über die neue Reichsordnung eine wichtige Rolle (Nr. 989 [32.], 991 [6.], 995 [14.]). Um die zuvor genannten Vorwürfe auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen zu können, wurde das Kammergerichtspersonal vom Gerichtssitz in Worms nach Trier zitiert und dort durch einen Reichstagsausschuß eingehend befragt (Nr. 1555, 1557 [1.], 1671 [6.], 1672 [2.], 1706 [3.], 1708 [3.], 1710 [11.], 1711 [3.], 1717 [2.], 1722 [3.], 1790 [2.]). Auch die Reichsstädte nutzten die sich bietende Gelegenheit, um verschiedene Beschwerden vorzubringen. Sie betrafen unter anderem die ungerechtfertigt hohe Belastung der Städte durch den Anschlag zum Unterhalt des Reichskammergerichts, Klagen gegen die Amtsführung des Kammerprokuratorfiskals und den Wunsch nach Erhöhung der Zahl städtischer Gerichtsbeisitzer von einem auf zwei (Nr. 1558-1560, 1718 [1.], 1720 [2.]). Als Ergebnis dieser Debatten kam es am Ende des Reichstags zu einer partiellen Reform des obersten Reichsgerichts. Ein Teil seines Personals, darunter der in die Kritik geratene Fiskal, wurde ausgetauscht, der Verfahrensgang beschleunigt und eine detaillierte Prüfung der Mängel in der Gerichtskanzlei ins Auge gefaßt. Die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen sollte durch ein siebenköpfiges Gremium von Kommissaren überwacht werden (Nr. 1561).

Der Reichstag 1512 brachte auf dem Gebiet des Rechtswesens noch ein zweites, dauerhaftes Ergebnis in Form der Reichsnotarordnung hervor (Nr. 1571). Ihr konkreter Entstehungshintergrund, der genaue Zeitraum ihrer Abfassung, die Namen der daran beteiligten Personen und andere Einzelheiten sind zwar nicht bekannt, doch immerhin erklärte Kaiser Maximilian in der Präambel, sie sei auf sein Geheiß hin von kompetenten Rechtsgelehrten erstellt und durch ihn mit Zustimmung der Reichsstände auf dem Kölner Reichstag bestätigt worden. Allerdings datieren die beiden überlieferten zeitgenössischen Drucke der Ordnung in deutscher und lateinischer Sprache erst vom 8. Oktober 1512, also gut drei Wochen nach Ende des Reichstags. Ziel der Reichsnotarordnung und der vom Kaiser einige Wochen später bekanntgegebenen ergänzenden Verfügungen (Nr. 1572-1574) war es, zum einen zu gewährleisten, daß nur ausreichend qualifizierte Personen ins Notaramt gelangten, zum anderen exakte Vorschriften für die Tätigkeit der Notare und die von ihnen angewandten Beurkundungsformen zu erlassen. Offensichtlich sollten hierdurch gewisse Defizite in der bisherigen notariellen Praxis behoben werden. In den kommenden Jahrhunderten bildete die Reichsnotarordnung von 1512 die maßgebliche Grundlage des deutschen Notarwesens.

Am 18. Mai 1512, gut einen Monat nach Eröffnung des Trierer Reichstags, überfiel ein größere Gruppe fränkischer Adeliger unter Führung des weithin bekannten und berüchtigten Götz von Berlichingen auf der Reichsstraße nahe Forchheim einen von der Leipziger Frühjahrsmesse zurückkehrenden Zug von Kaufleuten aus Nürnberg und anderen Städten. Die Attackierten wurden beraubt, einige von ihnen getötet, andere gefangen weggeführt [Nr. 1017 [1.]). Unter den Tätern befanden sich neben mehreren Mitgliedern der Familie Berlichingen auch Angehörige anderer bekannter Adelsgeschlechter wie Grumbach, Hutten und Thüngen (Nr. 1027 [3.], 1038 [3.], 1048 [7.]). Als der auf dem Trierer Reichstag weilende Bischof Georg von Bamberg, in dessen Geleit der Überfall verübt worden war, von dem Angriff erfuhr, informierte er nicht nur sofort die anwesenden Reichsstände, sondern auch den in den Niederlanden weilenden Kaiser und bat jeweils um tatkräftiges Vorgehen gegen die Angreifer (Nr. 1012 [6.], 1037). Auch im weiteren Verlauf waren Bischof Georg und sein Hofmeister Johann von Schwarzenberg die treibenden Kräfte dafür, daß der Reichstag sich monatelang intensiv mit dem gravierenden Landfriedensbruch auseinandersetzte. Unterstützt wurden sie dabei durch Nürnberg, das als bedeutende Handelsstadt auf die Sicherheit seiner Kaufleute und ihrer Warentransporte existentiell angewiesen war, jedoch in der Vergangenheit schon viel unter ähnlichen Übergriffen adeliger Placker zu leiden gehabt hatte. Noch zwei weitere fränkische Mächte waren in die Geleitbruchaffäre involviert: zum einen der als adelsfreundlich geltende Bischof Lorenz von Würzburg, dem man vorwarf, einige seiner Amtleute hätten den Tätern insgeheim Vorschub geleistet, zum anderen Markgraf Friedrich von Ansbach-Kulmbach, der dafür bekannt war, daß an seinem Hof manch fragwürdiger Widersacher Nürnbergs ohne weiteres Unterschlupf und Rückendeckung fand.

Angetrieben durch Bischof Georg von Bamberg, der fortlaufend neue, detaillierte Hintergrundinformationen zu der Attacke lieferte und Vorschläge zu deren juristischer Ahndung unterbreitete (Nr. 1021, 1022-1027, 1035, 1037), machte sich der Reichstag mit großer Ernsthaftigkeit an die Untersuchung und Aufarbeitung des Vorfalls. Dieser erwies sich dabei als veritabler Prüfstein für die Trag- und Leistungsfähigkeit der bestehenden Reichslandfriedensgesetzgebung, zeigte sich doch, daß der 1495 in Worms aufgerichtete, 1498 und 1500 in Freiburg i. Br. bzw. Augsburg ergänzte Ewige Landfriede nicht ausreichte, um alle mit dem Vorgang verbundenen Rechtsfragen eindeutig klären und vor allem das zentrale Exekutionsproblem zufriedenstellend lösen zu können (Nr. 1036, 1037). Am Ende der langwierigen und von unterschiedlichen Interessen begleiteten Beratungen einigte man sich schließlich auf folgendes Ergebnis: Nachdem Kaiser Maximilian bereits am 5. Juli die Reichsacht gegen Götz von Berlichingen und andere Haupttäter verhängt hatte (Nr. 1029), erhielt nunmehr das Reichskammergericht den Auftrag, etliche weitere namentlich bekannte Verdächtige vorzuladen, sie zu verhören und ihnen einen Purgationseid abzuverlangen (Nr. 1048). Das entsprechende gerichtliche Verfahren, das Ende November in Worms begann, verlief allerdings unbefriedigend, da die meisten der geladenen Adeligen nicht erschienen oder die Eidleistung verweigerten. Deshalb wurde auch gegen sie die Acht verhängt (Nr. 1056).

Bereits zuvor hatte Bischof Georg von Bamberg in Köln von den Reichsständen Unterstützung bei etwaigen weiteren friedbrecherischen Übergriffen verlangt. Wie notwendig sie war, bewies eine mörderische Attacke des Plackers Hans von Selbitz gegen die bambergische Stadt Vilseck im August 1512 (Nr. 1012 [18.], 1628 [14.]). Doch statt der vom Bischof gewünschten großen Hilfe in Form von 1000 Berittenen und 3000 Fußsoldaten sowie einer zusätzlichen permanenten Schutztruppe von 200 Reitern für den „täglichen Krieg“ (Nr. 1035 [4.]) bewilligte man Bischof Georg nur 100 Berittene, die durch einen Anschlag auf alle Stände umgelegt wurden und unter dem Kommando Gangolfs d. J. von Geroldseck als Reichshauptmann stehen sollten (Nr. 1046).

Zu den markantesten Kennzeichen des Reichstags 1512 zählt zweifellos die ungewöhnliche Fülle interterritorialer Konflikte, die dort zur schiedsrichterlichen oder rechtlichen Entscheidung anstanden. Einige dieser Streitigkeiten zwischen Reichsgliedern erwiesen sich als derart tiefgreifend und komplex, daß sie nicht nur einen erheblichen Teil der verfügbaren Kraft und Arbeitszeit der Versammlungsteilnehmer banden, sondern auch Spannungen unter verschiedenen politischen Gruppierungen auslösten. Die Leistungsfähigkeit des Reichstags wurde dadurch in einem zwar nicht exakt meßbaren, aber doch zweifellos gegebenen Umfang eingeschränkt. Ablesbar ist dieser hemmende Effekt nicht zuletzt an der doch ziemlich großen Zahl von Verhandlungsthemen, die trotz einer Tagungsdauer von fast fünf Monaten am Ende aus Zeitmangel keiner Lösung zugeführt werden konnten und deshalb auf die nächste Reichsversammlung zur Weiterberatung vertagt werden mußten.

Zu den Reichsständen, die an dieser teilweisen Negativbilanz nicht geringen Anteil hatten, gehörten die Herzöge von Sachsen, waren sie doch gleich in drei der gravierendsten Streitfälle auf dem Reichstag 1512 unmittelbar involviert. Beim ersten handelte es sich um die Fortsetzung der noch immer ungelösten Kontroverse zwischen Kurfürst Friedrich von Sachsen und Erzbischof Uriel von Mainz um Erfurt. Sie hatte, wie erwähnt, bereits den Reichstag 1510 intensiv beschäftigt und dort wegen mangelnder Kompromißbereitschaft der Kontrahenten nicht beigelegt werden können. In der Folgezeit spitzten sich die Spannungen in dieser Sache weiter derart zu, daß Kaiser Maximilian auf der für Herbst 1511 angekündigten Augsburger Reichsversammlung einen erneuten Vermittlungsversuch plante (Nr. 1058). Vor dem Hintergrund seiner Bemühungen, die möglichst geschlossene Unterstützung des Reiches für seinen noch immer andauernden militärischen Konflikt mit Venedig zu erlangen, war ihm an einem Ausgleich zwischen den beiden wichtigsten Kurfürsten des Reiches sehr gelegen. Als die Augsburger Zusammenkunft nicht zustande kam und auch von ihm veranlaßte anderweitige Schlichtungsbemühungen nicht zum Ziel führten (Nr. 1074-1079), lud er in Absprache mit den Reichsständen alle betroffenen Parteien auf den Trierer Reichstag (Nr. 1084).

Dort stand die durch eine stattliche Delegation präsente Kurmainzer Landstadt Erfurt selbstverständlich auf der Seite Erzbischof Uriels, während die Gesandten Kurfürst Friedrichs, seines Bruders Herzog Johann und Herzog Georgs von Sachsen eine Gruppe ehemaliger Erfurter Bürger, die – je nach Sichtweise – von dort vertrieben worden bzw. freiwillig weggezogen war und nicht persönlich auf dem Reichstag anwesend sein konnte, vertraten. Friedrich der Weise beklagte sich zwar vehement über seine Vorladung nach Trier (Nr. 1098, 1103), da er sich auf keine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Mainzer Kurfürsten einlassen wollte, doch mußte er sich letztlich dem Willen des Kaisers beugen.

Das Rechtsverfahren wurde am 25. Juni in Trier eröffnet, jedoch bereits wenige Tage später zusammen mit dem ganzen Reichstag nach Köln verlegt und dort vom 16. Juli bis zum 11. September vor einem Gremium hochrangiger kaiserlicher Räte und Vertreter der Reichsstände fortgeführt. Von Anfang entwickelte sich ein zähes juristisches Tauziehen um die Einhaltung von Ladungsterminen, die Gültigkeit von Vollmachten und andere Verfahrensfragen. Zwar legten die Streitparteien ihre Auffassungen ausführlich in schriftlicher und mündlicher Form dar (Nr. 1108, 1109), doch zu einer inhaltlichen Diskussion über die bestehenden Differenzen gelangte man letztlich nicht (Nr. 1110). Die mit ihren Reichstagsgesandten in ständigem Briefkontakt stehenden Herzöge von Sachsen ließen sich über den Stand des Verfahrens immer genau informieren und tauschten sich auch untereinander über die weitere Vorgehensweise aus. Die maßgebliche Kraft war dabei zweifellos Kurfürst Friedrich, der ständig seinen Standpunkt wiederholte, in Erfurt nur das zurückbekommen zu wollen, was sein Vater und er selbst vor dem dortigen Aufstand von 1509 innegehabt hatten (Nr. 1097, 1112, 1116 [2.]). Von diesem vorgeblich historisch legitimierten Standpunkt wollte er um keinen Preis abrücken. Deshalb ging er auch auf verschiedene Vermittlungsangebote, die die Kurfürsten von Köln, Trier und der Pfalz, Bischof Lorenz von Würzburg und Herzog Ulrich von Württemberg während des Reichstags unterbreiteten (Nr. 1096 [2.], 1097, 1100, 1117, 1123, 1627 [2.] und [3.]), ebenso wenig ein wie auf die von dem hessischen Landhofmeister Ludwig von Boyneburg empfohlene friedliche Konfliktlösung anstelle einer Entscheidung mit militärischen Mitteln (Nr. 1114 [1.]). Juristische Argumentationshilfe im Rechtsstreit erhielten die Herzöge in Form von Gutachten der beiden weithin bekannten Rechtsgelehrten Dr. Henning Göde und Dr. Johann Lindemann (Nr. 1625 [1.], 1626). Als sich schließlich immer deutlicher abzeichnete, daß sich die sächsischen Ansprüche im Kölner Verfahren nicht durchsetzen ließen, empfahlen die herzoglichen Räte ihren Herren sogar, im Rahmen eines „reitenden krieges“ den Zugang nach Erfurt und dadurch den Handel mit der Stadt vollständig zu blockieren, eventuell sogar noch weitergehenden Zwang ausüben (Nr. 1116 [2.], 1119 [3.] - [9.]). Tatsächlich beschlossen die Herzöge bei einem Treffen in Grimma am 22. August, im Fall der Wirkungslosigkeit aller gegen die Erfurter gerichteten Maßnahmen solle „auf wege gedacht werden, wie der ernst gegen inen zu gebrauchen und furzunemen sein solt“ (Nr. 112 [3.]). Doch zu einer derartigen Eskalation wollte es Kaiser Maximilian keinesfalls kommen lassen. Auf sein Verlangen hin wurde auch der Erfurter Konflikt auf den kommenden Reichstag in Worms vertagt (Nr. 1108 [41.], 1639 [6.], 1645 [1.]). Zugleich erließ er ein striktes Gebot an die Streitparteien, keinesfalls mit Waffengewalt gegeneinander vorzugehen (Nr. 1127).

Der zweite auf dem Reichstag 1512 behandelte große Streitfall, an dem die Herzöge von Sachsen maßgeblich beteiligt waren, war die Auseinandersetzung um die territoriale Hinterlassenschaft Herzog Wilhelms IV. von Jülich-Berg. Kaiser Friedrich III. und sein Sohn Maximilian hatten in der Vergangenheit hinsichtlich des Erbrechts in den Fürstentümern Jülich und Berg und in der Grafschaft Ravensberg – wohl ganz gezielt – mehrere einander widersprechende Verfügungen getroffen. So war einerseits den sächsischen Herzögen für den Fall des erbenlosen Todes Herzog Wilhelms zwischen 1483 und 1495 mehrfach eine Lehnsexpektanz auf seine Länder gewährt worden, andererseits hatte Maximilian 1496 die einzige Tochter Herzog Wilhelms, Maria, offiziell für erbberechtigt erklärt, die daraufhin noch im selben Jahr mit Herzog Johann III. von Kleve verlobt worden war (Nr. 1132 Anm. 1). Wie sehr die beiden sich im sicheren Besitz ihrer monarchischen Verschreibungen wähnenden Parteien dem Eintritt des Erbfalls förmlich entgegenfieberten, zeigte sich im Herbst 1510, als das Gerücht vom Tod Herzog Wilhelms auftauchte (Nr. 1030). Sofort machten die sächsischen Herzöge ihren verbrieften Lehnsanspruch gegenüber Maximilian geltend (Nr. 1031), der allerdings schon auf dem Reichstag 1510 einen entsprechenden von Herzog Georgs Gesandten Cäsar Pflug vorgebrachten Antrag sehr diplomatisch beantwortet hatte (Nr. 464 [3.]). Als Herzog Wilhelm dann im September 1511 tatsächlich starb, wiederholten die Sachsen ihre Forderung mit allem Nachdruck (Nr. 1135), während Herzog Johann III. von Kleve sogleich Tatsachen schuf, indem er die Lande seines verstorbenen Schwiegervaters in Besitz nahm und künftig auch den Titel Herzog von Jülich-Berg führte.

Dieses vehemente Vorgehen beider Seiten bestärkte den Kaiser in seinem Entschluß, keiner von ihnen den Belehnungswunsch rasch zu erfüllen, ihn vielmehr so lange wie möglich als politisches Druckmittel zugunsten seiner wegen der Nähe Kleves und Jülich-Bergs zu den Niederlanden und zum Herzogtum Geldern naturgemäß sehr ausgeprägten eigenen Interessen zu nutzen. Er lud deshalb die zwei Parteien zunächst auf den für Herbst 1511 geplanten Augsburger Reichstag (Nr. 1136), sagte nach dessen Scheitern und weiteren Belehnungsanträgen (Nr. 1143 [1.], [7.]) schließlich zu, das Thema auf dem Reichstag in Trier zu erörtern (Nr. 1145). In den dortigen langwierigen Verhandlungen versuchten beide Seiten unter ständigem Pochen auf die erwähnten kaiserlichen und königlichen Verschreibungen, ihre jeweiligen Ansprüche durchzusetzen, gelangten aber nicht ans Ziel (Nr. 1157). Währenddessen gab es sogar Gerüchte, die Herzöge von Sachsen würden mit Hilfe hoher Geldsummen Truppen anwerben, um sich gewaltsam in den Besitz von Jülich und Berg zu setzen (Nr. 1152 [5.], 1154, 1155 [3.], 1156 [4.]). Vor allem Kurfürst Friedrich ärgerte sich im Laufe der Zeit über die nicht zu erlangende Belehnung derart, daß er gegen die nachdrücklichen Warnungen seiner Reichstagsgesandten und einiger Vertrauter am kaiserlichen Hof erwog, dem Kaiser künftig keinerlei Hilfe mehr zu leisten (Nr. 1631 [1.], 1636 [3.], 1638 [2.]). Die sächsischen Räte gingen sogar noch weiter, indem sie empfahlen, den Anspruch auf die Jülicher Lande notfalls mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Dafür sollten auch befreundete Mächte um Unterstützung gebeten werden (Nr. 1179, 1181 [1.]). Doch Maximilian dachte nicht daran, sich erpressen zu lassen. Vor allem aber wollte er nicht durch eine Belehnung mit Jülich-Berg den ohnehin schon großen Einfluß der sächsischen Herzöge im Reich noch weiter anwachsen lassen. Der erfahrene kursächsische Gesandte Wolf von Weißenbach brachte diesen Gedanken auf den Punkt mit den an Kurfürst Friedrich übermittelten Worten: „Ich hab sorg, man kan nicht leiden, das euer ftl. Gn. wolfart sich gros und hoch preit, diweil ir mit euer Gn. fettern [den Hgg. Georg und Heinrich von Sachsen] eins und Hessen so gar an euer ftl. Gn. henkt. Solt Iolch und Perg auch dozukomen, so acht man, di gewalt wer zu fil gros.“ (Nr. 1628 [12.]). Im Tauziehen um das Jülicher Erbe verlangte Maximilian von Herzog Johann von Kleve die Stellung von hundert Berittenen für den Geldernkrieg, die dieser jedoch angesichts der Grenznachbarschaft beider Territorien ablehnte (Nr. 1185 [2.], 1187, 1188, 1189 [1.], 1193 [3.]). Immerhin räumte der Kaiser dem Herzog am Ende wenigstens die Möglichkeit ein, seinen Belehnungswunsch auf dem nächsten Reichstag erneut vorzubringen (Nr. 1191) der Wunsch nach Zahlung einer Anleihe von 1500 Gulden folgte nach kaiserlicher Manier unmittelbar auf dem Fuß (Nr. 1196, 1196).

Herzog Georg von Sachsen war 1512 neben den ihn gemeinsam mit seinen kursächsischen Vettern betreffenden Streitigkeiten um Erfurt und das Jülicher Erbe noch in einen weiteren, ihn allein tangierenden Konflikt involviert. Er resultierte aus der 1496 Herzog Albrecht von Sachsen durch König Maximilian verliehenen Statthalterschaft in Friesland, die Georg nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1500 übernommen und weitergeführt hatte. Der Graf von Ostfriesland, Edzard I., wollte sich allerdings der sächsischen Oberhoheit nicht beugen und weigerte sich, seine Grafschaft von Herzog Georg als Lehen zu empfangen. Auf einem Tag in Neuß im August 1511 bemühten sich kaiserliche Kommissare um eine Vermittlung, auf dem anschließend geplanten, aber nicht zustande gekommenen Augsburger Reichstag sollte in der Angelegenheit weiterverhandelt werden (Nr. 1301). Schließlich gedachte Kaiser Maximilian seinen Schiedsspruch auf dem Kölner Reichstag zu verkünden. Da er jedoch den selbstbewußten Edzard im Ladungsschreiben absichtlich nur als Graf von Emden tituliert hatte (Nr. 1302, 1303), erschien dieser nicht persönlich, sondern schickte nur mehrere rechtskundige Vertreter. Vergeblich versuchten die beiden sächsischen Reichstagsgesandten Cäsar Pflug und Dr. Lorenz Zoch, den Kaiser zu einer Entscheidung zugunsten Herzog Georgs zu bewegen (Nr. 1304, 1305, 1306 [3.]). Maximilian forderte zwar Edzard nochmals zur Leistung des Lehnseides auf (Nr. 1308), vertagte aber ansonsten die Weiterbehandlung auch dieser Sache auf die kommende Wormser Reichsversammlung (Nr. 1306 [1.]).

Ein weiterer auf dem Reichstag 1512 behandelter Streitfall hatte neben einer politischen auch eine spezifisch menschliche Seite. Das äußerst machtbewußte Regiment in Hessen, das dort seit 1508 die reale Herrschaft ausübte und, wie erwähnt, bereits mit Landgräfin Anna, geborene Herzogin von Mecklenburg, wegen der Vormundschaft über ihren Sohn Philipp in Streit geraten war, verweigerte dem vorgeblich geistesschwachen Landgrafen Wilhelm d. Ä., dem Onkel Philipps, der 1493 auf die Mitherrschaft in der Landgrafschaft verzichtet hatte, jegliche Mitwirkung an den Regierungsgeschäften, schränkte zudem seinen finanziellen Spielraum so stark ein, daß er im März 1511 gemeinsam mit seiner Gemahlin Anna, geborene Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel, außer Landes ging. In der Folgezeit versuchten beide unter Einschaltung verschiedener Reichsfürsten, insbesondere der Herzöge von Sachsen und Annas Bruder Herzog Heinrich d. Ä., zu ihrem Recht zu kommen, indem sie Klage gegen das Regiment erhoben. Angesichts der großen politischen Bedeutung Hessens lud der Kaiser beide Parteien auf den Trierer Reichstag (Nr. 1212 [2.], 1213). Dort inszenierte Anna einen spektakulären Auftritt. In Begleitung ihrer unmündigen Töchter fiel sie Maximilian zu Füßen, klagte, daß sie und ihre Familie Hunger und bittere Not litten, und bat ihn inständig, dem hessischen Regiment die Auszahlung von 2000 Gulden an sie und ihren Gemahl zu befehlen (Nr. 1221 [1.], [2.]). Im Rahmen des nach Maximilians Abreise von seinen Räten weitergeführten Schiedsverfahrens wurden einige Vergleichsvorschläge unterbreitet, die jedoch zunächst kein Ergebnis erbrachten (Nr. 1221, 1224). Daraufhin erschien die couragierte Landgräfin in Köln erneut persönlich vor dem Kaiser, wiederholte zunächst sehr energisch ihre Forderungen (Nr. 1229, 1230, 1232-1234, 1241), ging dann aber nach und nach doch auf die Kompromißangebote Maximilians und seiner Räte ein (Nr. 1235, 1236, 1239, 1240). Der dadurch möglich gewordene kaiserliche Schiedsspruch sah unter bestimmten Voraussetzungen ein Mitregierungsrecht Landgraf Wilhelms d. Ä. in Hessen vor und regelte darüber hinaus detailliert die standesgemäße Unterbringung und Versorgung der landgräflichen Familie. Die Herzöge von Sachsen wurden zu Kuratoren Wilhelms bestellt (Nr. 1244).

Das hessische Regiment war auch in den Streit um das Güldenweinzollprivileg involviert, der ebenfalls schon den Augsburger Reichstag beschäftigt hatte und zu Jahresbeginn 1512 wieder aufflammte. Da die Kurfürsten von Mainz, Trier und der Pfalz sowie die Wetterauer Grafen unter Berufung auf die 1510 erlassene kaiserliche Deklaration, wonach der Zoll nur innerhalb der Landgrafschaft Hessen erhoben werden dürfe, massiv gegen das Privileg Stimmung machten, befürchtete das Regiment dessen Widerrufung durch den Kaiser (Nr. 1201). Deshalb setzte es auf dem Reichstag mit Unterstützung der Herzöge von Sachsen und ihrer Gesandten alles daran, seinen Fortbestand zu sichern, gelangte aber in Köln nicht mehr ans Ziel. Nach Reichstagsende beabsichtigte Maximilian zunächst, die strittige Angelegenheit auf der nächsten Versammlung in Worms erneut zu behandeln (Nr. 1645 [4.]), übertrug sie dann aber einigen Kommissaren und gab Befehl, den Zoll an umstrittenen Zollstätten bis auf weiteres zu seinen Händen einzunehmen (Nr. 1210).

Auch die Behandlung der Differenzen dreier geistlicher Reichsfürsten nahm in Trier und Köln viel Zeit in Anspruch. Der Wormser Bischof Reinhard von Rüppurr und die Reichsstadt Worms waren bereits im Januar 1512 auf den kommenden Reichstag geladen worden, wo Kaiser Maximilian einen erneuten Versuch zur Beilegung ihrer nunmehr schon so lange andauernden Streitigkeiten unternehmen wollte (Nr. 1255). Während die Wormser Gesandten pünktlich in Trier eintrafen, ließ der Bischof wochenlang auf sich warten (Nr. 1261 [2.], [4.], [9.]). Nach Abreise des Kaisers begannen die Verhandlungen dann Ende Mai unter Leitung kaiserlicher Räte und einer Reihe hochrangiger Ständevertreter (Nr. 1261 [37.], [61.]), ein deutliches Indiz dafür, für wie dringlich die Beilegung der Auseinandersetzungen am traditionsreichen Schauplatz von Reichstagen und gegenwärtigen Sitz des Reichskammergerichts allgemein erachtet wurde. Doch auch im Zuge weiterer wochenlanger Beratungen in Köln gelang kein Ausgleich. Gegen Reichstagsende sprachen sich dann die mehrheitlich auf der Seite Bischof Reinhards stehenden geistlichen Ausschussmitglieder dafür aus, den Konflikt zur Weiterbehandlung an das Reichskammergericht zu verweisen (Nr. 1261 [64.], [66.], [67.]). Dagegen protestierten die Gesandten der Reichsstadt vehement beim Kaiser (Nr. 1261 [64.], [68.]), wußten sie doch, daß dieser auf Bischof Reinhard wegen dessen Unterstützung der pfälzischen Partei im Landshuter Erbfolgekrieg noch immer nicht gut zu sprechen war. Zudem betrachtete Maximilian den Wormser Streitfall generell als eine seiner alleinigen herrscherlichen Entscheidung unterliegende Angelegenheit, die er nicht dem Reichskammergericht überlassen wollte (Nr. 1261 [65.]). Deshalb setzte er schließlich im Reichsabschied gegen den Willen der Stände den Beschluß durch, daß zunächst unparteiische Kommissare einen weiteren Güteversuch unternehmen sollten, bei Bedarf dann auch noch er selbst und die auf dem kommenden Wormser Reichstag zusammentretenden Stände. Im Falle des Scheiterns all dieser Bemühungen würde es ihm obliegen, rechtlich zu entscheiden (Nr. 1592 [17.]).

Weil Bischof Philipp von Speyer die von der Stadt Landau auf dem Augsburger Reichstag 1510 angestrebte und bereits im Folgejahr durch die Lösung aus der Verpfändung realisierte Rückgewinnung ihres vollwertigen Reichsstadt-Status im nachhinein anfocht, erlebte auch dieser Streitfall auf dem Reichstag 1512 eine Neuauflage. Der Bischof stellte die Umstände der Pfandlösung in Frage und warf Kaiser Maximilian vor, den vereinbarten Geldbetrag nicht bezahlt zu haben (Nr. 1248). Dieser suspendierte daraufhin die bereits am Reichskammergericht anhängige Angelegenheit und ließ in Trier durch seine Räte mit Vertretern beider Seiten darüber verhandeln (Nr. 1250, 1251). Da keine Einigung zustande kam, wurde im Reichsabschied für das weitere Vorgehen in dieser Sache derselbe Modus festgelegt wie für den Wormser Konflikt (Nr. 1592 [17.]).

Mit Bischof Lorenz von Würzburg und Graf Wilhelm IV. von Henneberg-Schleusingen trafen 1512 auch zwei fränkische Territorialnachbarn im Streit aufeinander. Es ging dabei in erster Linie um das von beiden Seiten beanspruchte Geleitrecht auf dem Main unterhalb des in hennebergischem Besitz befindlichen, jedoch von Würzburger Territorium umgebenen Schlosses Mainberg. Dem Konflikt kam deshalb überregionale Bedeutung zu, weil durch ihn die Schifffahrt auf dem Main bereits unterbrochen und der Warentransport gestoppt worden war. Schon im April 1512 hatte Abt Johann von Fulda als kaiserlicher Kommissar vergeblich versucht, eine Verständigung zwischen den Parteien herbeizuführen (Nr. 1280), woraufhin die Verhandlungen in Trier fortgesetzt wurden. Dort und später dann in Köln verfochten die beiden Würzburger Gesandten Peter von Aufseß und Sigmund von Thüngen sowie der hennebergische Vertreter Adam von Schaumberg mit Vehemenz die jeweiligen Rechtsstandpunkte ihrer Auftraggeber (Nr. 1282-1288), im August erschien sogar noch Graf Wilhelm persönlich auf dem Reichstag, um seine Sache vor dem Kaiser zu vertreten (Nr. 1289). Als trotz allem keine Einigung zustande kam, beauftragte Maximilian schließlich Bischof Gabriel von Eichstätt und Pfalzgraf Friedrich als kaiserliche Kommissare mit weiteren Güteverhandlungen. Im Fall ihres Scheiterns sollte der Streitfall an das Reichskammergericht verwiesen werden (Nr. 1294).

Zu den interterritorialen Dauerkonflikten, die auf Reichsversammlungen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts immer wieder einmal zur Verhandlung anstanden, gehörten die Differenzen zwischen den Markgrafen von Ansbach-Kulmbach und der Reichsstadt Nürnberg. Auch zu Beginn des Jahres 1512 war das Verhältnis der beiden so gegensätzlichen fränkischen Nachbarn wieder einmal derart gespannt, daß der Kaiser auf dem geplanten Augsburger Reichstag darüber sprechen wollte (Nr. 1310, 1311). Nachdem dann ein erster Vermittlungsversuch Kaiser Maximilians auf seiner Reise nach Frankfurt wegen des Fernbleibens Markgraf Friedrichs nicht zustande gekommen war (Nr. 1312-1315), forderte er beide Streitparteien auf, zu ihm nach Trier zu kommen (Nr. 1315). Während Markgraf Friedrich und sein Sohn Kasimir persönlich dort erschienen, weigerte sich Nürnberg lange Zeit, eine Gesandtschaft zu schicken. Als Grund dafür gab es deren akute Gefährdung durch feindliche Adelige an, die nur darauf lauerten, eine etwaige Nürnberger Reichstagsdelegation überfallen zu können (Nr. 1319-1322). Wie berechtigt die Angst vor den friedbrecherischen Angehörigen der fränkischen Ritterschaft war, bewies der am 18. Mai verübte Überfall Götz von Berlichingens und seiner Helfer auf einen Gruppe überwiegend Nürnberger Kaufleute nahe Forchheim. Erst durch diese Attacke und die darüber auf dem Reichstag einsetzende Debatte sah sich der Nürnberger Rat veranlaßt, Anfang Juni doch eine Abordnung nach Trier zu schicken (Nr. 1746). Markgraf Friedrich war zu diesem Zeitpunkt aber bereits wieder abgereist, so daß über seine Differenzen mit Nürnberg keine Schiedsverhandlungen im Rahmen des Reichstags mehr stattfanden.

Neben diesen großen Streitfällen, die das Verhandlungsgeschehen in Trier und Köln maßgeblich mitprägten, standen dort 1512 noch etliche kleinere Konflikte zur Beratung und Entscheidung an (IV.5.11.). Der soziale Stand der daran Beteiligten reichte vom Reichsfürsten bis zum städtischen Bürger. Über die meisten dieser Zwistigkeiten befand allein der Kaiser, in einige waren auch Reichsstände direkt oder indirekt involviert. Zwei von diesen Auseinandersetzungen, die Reichsstädte betrafen, sind von besonderem Interesse, stehen sie doch beispielhaft für eine ganze Reihe innerstädtischer Unruhen, die während des hier thematisierten Zeitraums in signifikanter Häufung im Reich auftraten. So wurden die 1510 durch einen kaiserlichen Schiedsspruch vorübergehend beigelegten Differenzen in Schwäbisch Hall auf dem Reichstag 1512 durch Gesandte der Stadt erneut zur Sprache gebracht (Nr. 1384), so daß Maximilian sich veranlaßt sah, durch eine nach Schwäbisch Hall beorderte Kommission ein weiteres Mal regulierend in die dortigen Verhältnisse einzugreifen (Nr. 1386, 1387). Auch nach Speyer schickte er, nachdem ihm zwei auf den Kölner Reichstag beorderte Ratsmitglieder die Dringlichkeit der Angelegenheit zusätzlich verdeutlicht hatten (Nr. 1762-1765), eine aus kaiserlichen Räten und Vertretern verschiedener Reichsstädte bestehende Delegation mit dem Auftrag, die geradezu alarmierenden Differenzen zwischen Stadtführung und Gemeinde beizulegen (Nr. 1393). Erst nach zweimonatigen intensiven Verhandlungen beruhigten sich Ende August die Gemüter in Speyer durch einen Schiedsspruch der Kommissare wieder einigermaßen.

Ab Mai 1512 beschäftigte der ebenfalls schon in Augsburg 1510 thematisierte und trotz der anschließenden Posener Schiedsverhandlungen nach wie vor ungelöste Konflikt des Deutschen Ordens mit Polen den Reichstag. Nach dem Tod Hochmeister Friedrichs von Sachsen im Dezember 1510 war Markgraf Albrecht von Ansbach-Kulmbach 1511 zum Nachfolger gewählt worden in der Hoffnung, als Neffe König Sigismunds von Polen werde er zu diesem ein entspannteres Verhältnis gewinnen als sein Vorgänger. Wider Erwarten trat er jedoch mit Unterstützung seines Vaters Markgraf Friedrich und seines Bruders Kasimir von Anfang an recht energisch und selbstbewußt auf. Die auf einem Tag in Thorn im Dezember 1511 unterbreiteten polnischen Vorschläge, die u. a. einen Verzicht Albrechts auf das Hochmeisteramt und dessen Übernahme durch König Sigismund von Polen vorsahen (Nr. 1329 Anm. 5), lehnte er als viel zu weitgehend ab, war sich allerdings auch darüber im Klaren, daß er auf Dauer gegen die polnische Übermacht nicht würde bestehen können. Deshalb suchte er, wie zuvor schon Hochmeister Friedrich, Rückhalt bei Kaiser und Reich. Er reiste persönlich zum Reichstag nach Trier, beschrieb dort Anfang Mai mit eindringlichen Worten die dem Ordensland drohende Gefahr und bat für den Fall eines polnischen Angriffs um Unterstützung (Nr. 1342). Da jedoch Maximilian und die Reichsstände sowohl die politischen Folgen als auch den finanziellen Aufwand einer eventuellen bewaffneten Auseinandersetzung mit Polen scheuten, zögerten sie eine eindeutige Antwort auf Albrechts Ersuchen immer weiter hinaus und vertrösteten ihn schließlich im Kölner Reichsabschied auf ihre neuerliche Zusammenkunft in Worms Anfang Januar 1513 (Nr. 1592 [22.]). Dies fiel ihnen um so leichter, als König Sigismund selbst das gespannte Verhältnis zum Deutschen Orden entschärfte, indem er Albrecht anbot, auf einem Schiedstag in Krakau am 24. Juni über die zwischen ihnen bestehenden Konflikte zu sprechen (Nr. 1335 [1.]). Auf dieser Zusammenkunft, die dann doch erst ab 11. November in Petrikau stattfand, vertrat Markgraf Kasimir seinen Bruder Albrecht, während der ursprünglich als Abgesandter des Kaisers vorgesehene Herzog Georg von Sachsen nicht teilnahm (Nr. 1357).

Von den in Trier und Köln thematisierten Anliegen einzelner Reichsstände sind vor allem die erneuten Bemühungen Regensburgs um Aufhebung der Reichshauptmannschaft hervorzuheben. Nach dem Tod des bisherigen Amtsinhabers Sigmund von Rorbach im Dezember 1511 hatte die Reichsstadt gehofft, die als lästige Bevormundung empfundene Kontrollinstanz endlich loswerden zu können, doch bereits zu Jahresbeginn 1512 erklärte Ks. Maximilian gegenüber Regensburger Gesandten, er habe mit Thomas Fuchs einen neuen Reichshauptmann bestellt und verlange, dessen Sold zu übernehmen (Nr. 1384). Als die Stadt auf dem Trierer Reichstag durch eine weitere Gesandtschaft nochmals in der Sache vorstellig wurde und dabei wieder, wie schon 1510 in Augsburg, auf ihre schwierige finanzielle Lage hinwies, bekundete der Kaiser, er könne und wolle auf die Hauptmannschaft nicht verzichten, sei aber bereit, die aktuelle Situation Regensburgs durch kaiserliche und reichsstädtische Delegierte überprüfen zu lassen (Nr. 1485). Als diese jedoch Ende Juli in Regensburg erschienen, stellte sich heraus, daß sie nur den Auftrag hatten, den bestehenden Widerstand gegen Thomas Fuchs zu brechen (Nr. 1494). Gleichzeitig drohte der Kaiser bei anhaltendem Ungehorsam mit schweren Strafen (Nr. 1490-1492). In einem weiteren Mandat aus Köln vom 1. September verlangte er schließlich ultimativ die Annahme des neuen Reichshauptmanns, ansonsten verfalle Regensburg der Reichsacht (Nr. 1495).

Als der Kaiser in seiner Stellungnahme zum ständischen Reichsordnungsentwurf überraschenderweise die Besteuerung der sogenannten Pfahlbürger verlangte (Nr. 990 [23.], [24.]) und die Reichsstände seinem Vorstoß ohne weiteres zustimmten (Nr. 994 [4.]), versetzte dies eine Reihe von Reichsstädten in nicht geringe Aufregung. Insbesondere Straßburg sah durch dieses Vorhaben sein jahrhundertealtes Pfahlbürgerprivileg verletzt und seine finanziellen und wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt (Nr. 1496, 1497, 1500), aber auch Frankfurt, Wetzlar und die Städte der Landvogtei Hagenau befürchteten negative Auswirkungen für sich (Nr. 1498, 1499, 1702 [2.]). Bevor jedoch das kaiserliche Vorhaben beschlossen und in den Reichsabschied aufgenommen wurde, erreichte die durch einige zusätzliche Ratsmitglieder verstärkte Straßburger Reichstagsgesandtschaft, darunter der namhafte Stadtsyndikus und Humanist Sebastian Brant, die Vertagung der Debatte auf den Wormser Reichstag Anfang Januar 1513 (Nr. 1502, 1503 [6.] und [7.], 1592 [13.], 1723 [3.], 1724 [1.], 1769 [2.], 1770 [1.] und [2.], 1772 [2.], 1774 [1.], 1775, 1777, 1778 [1.]). Die von den Gesandten bereits im Entwurf ausgearbeitete kaiserliche Konfirmation der Straßburger Pfahlbürgerfreiheit konnte allerdings nicht mehr erlangt werden (Nr. 1501, 1503 [7.]).

Auch über die Mehrzahl der an Kaiser Maximilian und/oder die Reichsstände adressierten Supplikationen wurde, soweit die Quellen es erkennen lassen, auf dem Kölner Reichstag nicht mehr entschieden, wohl aus zeitlichen Gründen oder wegen der oftmals diffizilen Sachverhalte. Über einige von ihnen wollte man auf dem kommenden Reichstag erneut sprechen (Nr. 1592 [18.], [20.], [21.]). Unter den Bittschriften fällt eine Reihe von Klagen Kölner Bürger gegen die dortige Stadtführung auf (Nr. 1547-1551). Hier warfen möglicherweise bereits jene gegen die Eigenmächtigkeiten und die Korruption der politischen Führungsschicht in Köln gerichteten Unruhen der Handwerker und Bürger, die wenige Monate nach Ende des Reichstags die Stadt erschütterten, ihre Schatten voraus.

Sowohl von der Weiterführung des 1512 nach zwölfjähriger Laufzeit zu Ende gehenden Schwäbischen Bundes als auch von der Wiederbegründung der 1508 aufgelösten Niederen Vereinigung erhoffte sich Maximilian eine Stärkung und Verbreiterung seines politischen Rückhalts im Reich gegen inner- wie außerdeutsche Gegenspieler. Deshalb stellte er bereits im Februar den Mitgliedern des Schwäbischen Bundes die großen Nachteile eines definitiven Endes ihres bewährten Zusammenschlusses vor Augen und berief für März auch gleich eine Versammlung nach Augsburg ein, auf der die Bundesverlängerung erörtert und beschlossen werden sollte (Nr. 1424). Einige wichtige Bundeszugehörige, allen voran Herzog Ulrich von Württemberg und Markgraf Friedrich von Ansbach-Kulmbach, hatten jedoch aus unterschiedlichen Gründen Vorbehalte gegen eine neuerliche Mitgliedschaft. Wie sie knüpfte auch Bischof Georg von Bamberg Bedingungen an seinen erstmaligen Beitritt. Hierüber verhandelten alle drei Fürsten auf dem Trierer Reichstag persönlich mit dem Kaiser (Nr. 1440, 1444, 1446, 1447, 1448 [1.]). Dieser erreichte schließlich, daß sowohl der Markgraf als auch Bischof Georg in den Bund eintraten. Herzog Ulrich hingegen hielt bis zur Aufrichtung des neuen Bundesvertrags am 11. Oktober an seinen zahlreichen, sowohl für Maximilian als auch für die übrigen Mitglieder letztlich nicht erfüllbaren Forderungen fest (Nr. 1458-1460, 1463-1471) und gründete schließlich im folgenden Jahr mit Baden, der Pfalz, dem Bischof von Würzburg und den sächsischen Herzögen den sogenannten Kontrabund.

Beim zweiten vom Kaiser angeregten Bündnisprojekt ging es um die Wiederbelebung der 1474 erstmals ins Leben gerufenen, dann nochmals von 1493 bis 1508 bestehenden Niederen Vereinigung. In dieser zweiten Phase gehörten dem Zusammenschluß neben König Maximilian als Inhaber der vorderösterreichischen Lande einige oberrheinische Bischöfe und Reichsstädte an. Nunmehr schwebte dem Kaiser eine Neuauflage in modifizierter Form und mit zusätzlichen Mitgliedern sowie eine Kooperation mit dem Schwäbischen Bund vor (Nr. 1478 [1.]). Doch gerade letztere erschien seinen Verhandlungspartnern nicht wünschenswert, auch hatten sie teilweise andere Vorstellungen von der Zusammensetzung der Vereinigung (Nr. 1480 [3.] und [4.], 1481, 1483). Deshalb verliefen die zwischen Mai und August auf verschiedenen Zusammenkünften in Straßburg geführten Verhandlungen mit kaiserlichen Abgesandten letztlich im Sande.

4.4. Vollzug der Kölner Reichstagsbeschlüsse

Der vorausgegangene Überblick über die auf dem Reichstag von 1512 behandelten Themen hat gezeigt, daß bei weitem nicht alle einer Lösung zugeführt werden konnten. Etliche Probleme erwiesen sich als derart schwierig und komplex, daß man sich für ihre Weiterberatung auf dem nächsten Reichstag entschied. Auch drängten viele Stände und Gesandtschaften nach fast fünfmonatiger Verhandlungsdauer darauf, endlich heimreisen zu können. Zu einigen Themen faßte die Versammlung allerdings durchaus konkrete Beschlüsse, die im Reichsabschied festgehalten wurden. Ihre Umsetzung erstreckte sich bis weit ins Jahr 1513 hinein, teilweise sogar noch darüber hinaus, konnte jedoch für die vorliegende Edition aus Gründen der Abgrenzung zum Folgeband nur bis zum Jahresende 1512 berücksichtigt werden.

Das Schicksal der drei in Köln beschlossenen unterschiedlichen Formen einer Reichshilfe zeigt einmal mehr, wie gering ausgeprägt die Bereitschaft vieler Stände war, die Kriegspläne Maximilians, aber auch die Sicherheitsinteressen einzelner Reichsglieder durch eigene finanzielle Anstrengungen ausreichend zu unterstützen. So wurde von der Kölner Eilenden Hilfe für den Krieg des Kaisers gegen Herzog Karl von Geldern nur ein relativ kleiner, allerdings nicht genau bezifferbarer Teil tatsächlich entrichtet (Nr. 1862, 1868). Erneut mußte der Kaiser, wie schon beim Reichsanschlag von 1510, säumige Stände schriftlich oder durch Sondergesandte ermahnen, ihrer Zahlungspflicht nachzukommen (Nr. 1858, 1865, 1866, 1870, 1871). Auch der Gemeine Pfennig stieß, soweit die bislang nur ganz punktuell vorliegenden Quellen zu diesem Thema erkennen lassen, offenkundig auf Skepsis und zögerliche Resonanz (Nr. 1636 [10.], 1857 [1.], [2.]). Gleichfalls Probleme gab es schließlich mit der Reiterhilfe, die als Konsequenz aus dem Geleitbruch bei Forchheim Bischof Georg von Bamberg zur Sicherung seines Territoriums gegen weitere Attacken raublustiger fränkischer Adeliger bewilligt worden war. Nur wenige Reichsstände entsandten die ihnen auferlegte Anzahl Berittener pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt nach Bamberg, viele mit Verzögerung, einige, wie etwa der Kurfürst von Sachsen, knüpften unerfüllbare Forderungen daran (Nr. 1638 [5.]). Manche Stände zahlten der Einfachheit halber nur den entsprechenden Sold für die Reiter (Nr. 1884-1892). Ob die vom Kölner Reichstag bewilligten acht ständischen Reichsräte gemäß der Aufforderung Kaiser Maximilians (Nr. 1848) tatsächlich an seinen Hof geschickt wurden und dort ihre vereinbarte Tätigkeit aufnahmen, erscheint vorläufig zweifelhaft, doch muß diese verfassungsgeschichtlich durchaus bedeutsame Frage noch weiter untersucht werden. Eine direkte Folgewirkung der Kölner Reichsversammlung war schließlich auch die Mitte Dezember 1512 in Schweinfurt tagende Versammlung der fränkischen Ritterschaft. Sie wies gegenüber kaiserlichen Abgesandten nicht nur den auf dem Reichstag laut gewordenen Vorwurf einer nach wie vor ungebrochenen Fehdelust und Gewaltbereitschaft des niederen Adels zurück, sondern lehnte auch, wie schon 1495/96, die Zahlung des Gemeinen Pfennigs erneut als unstandesgemäße Geldleistung kategorisch ab (Nr. 1898). Diese Haltung weist schon zu diesem Zeitpunkt auf die sozialen und wirtschaftlichen Nöte der deutschen Ritterschaft hin, die dann im Ritterkrieg von 1522/23 ein gewaltsames Ventil suchten.

Anmerkungen

1
Seyboth, Reichstagsakten 4 [Reichsversammlungen 1491-1493)]; Gollwitzer, Reichstagsakten 6 [Reichstage in Worms 1496, Lindau 1496/97 und Freiburg i. Br. 1498]; Schmid, Peter (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 7: Reichstage in Köln und Überlingen 1499, Augsburg 1500, Nürnberg 1501 sowie Reichsregimentsregierung 1500-1502 (Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe 7) [in Vorbereitung].
2
Seyboth, Reinhard (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 12: Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 (Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe 12) [in Vorbereitung].
3
Vgl. Seyboth, Reichsversammlungen, S. 55; Heil, Reichstagsakten 8, S. 69; Ders., Reichstagsakten 9, S. 68.
4
Vgl. Seyboth, Reichsversammlungen, S. 57; Heil, Reichstagsakten 8, S. 75f.; Ders., Reichstagsakten 9, S. 69.
5
Freidl, Kaiser Maximilian I.; Rom, Kaiser Maximilian I.; Schodl, Kaiser Maximilian I.; Wiesenberger, Kaiser Maximilian I.
6
Ulmann, Kaiser Maximilian I., S. 400-405, 562-567; Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 4, S. 264-269, 269-277.
7
Seyboth, Trierer Reichstag.
8
Kirn, Bild der Juden; Kracauer, Konfiskation; Martin, Die deutschen Schriften.
9
Embach, Rolle Kaiser Maximilians I.; Schauerte, Erhebung des Trierer Rockes; Seyboth, Politik und religiöse Propaganda.
10
Dorn, Reichsnotariatsordnung; Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung.